JÜRGEN JANKOFSKY

 

 

 

 

 

 

Jankopedia

 

I

 

 

 

 

 

Psychologen haben die Unfähigkeit, über „Was wäre geschehen, wenn…“- Fragen nachzudenken, als mangelhafte Funktion des Gehirns identifiziert.

                                   Johannes Dillinger

 

 

Diese Welt ist nicht mehr die meine. So will ich denn versuchen, mir mit jung gebliebenen Gefährten eine neue zu schaffen.

                                               Unbekannt

 

 

Ach, was wäre das für eine Chance, Lese- und Lebenserfahrungen nachdenkenswert weiterzugeben.

                                                                            Unbekannt

 

 

 

Vorsatz

 

 

Was haben all diese Texte hier gemeinsam, was verbindet sie? Ja, alle Protagonisten starben jung, auf jeden Fall zu früh und/oder tragisch und/oder gewaltsam. Vielleicht wäre die Welt eine andere, wenn sie hätten länger leben, länger wirken können – eine bessere sogar? Wer weiß.

 

 

Schwer zu sagen, wie „zu früh verstorben“ präzise zu definieren wäre. Nach diversen Versuchen im ersten Corona-Jahr habe ich mich für eine Grenze entschieden: 60 Jahre. Der Willkür dieser Zäsur ebenso bewusst wie, dass dieses Bemühen bestenfalls eine asymptotische Annäherung an die Unzahl all dieser Toten sein kann, beginnt dieses Panoptikum jedoch mit einer Hommage an Ernest Hemingway. Wohl an!

 


Ernest Hemingway

* 21.7.1899 als Ernest Miller Hemingway in Oak Park, Illinois, † 2.7.1961 in Ketchum, Idaho, amerikanischer Schriftsteller

 

Bitte gehen Sie nun die Treppe nach oben und rechts ins Schlafzimmer. Sollte eine Katze auf dem Bett genüsslich ihren Mittagsschlaf halten, so ist das Archibald MacLeish. Lassen Sie sich nicht von ihm stören, er stört sich auch nicht an Ihnen… empfiehlt der Museumsführer einem jeden Besucher in Hemingways einstigem Haus in Key West.

Im weitläufigen Garten streunen mindestens fünf dutzend Nachfahren Hemingways sechszehiger Riesenkatze Snoeshows. Aber Archibald MacLeish – was, wenn das Hemingways Inkarnation wäre? Lassen Sie sich nicht von ihm stören, er stört sich auch nicht an Ihnen

1928 kam Hemingway erstmals nach Key West, lebte seit 1930 ständig hier und wohnte mit seiner zweiten Frau Pauline ab 1931 in diesem Haus, bis er 1940 ins nur 90 Meilen entfernte Kuba weiterzog. Und vielleicht nach einem seiner täglichen zwölf, dreizehn Daiquiries in Sloppy-Joe’s, seiner Lieblingsbar, gleich um die Ecke, sagte er: Key West sei der großartigste Platz der Welt zu jeder Zeit, an jedem Tag. Warum also sollte man sich hier nicht für alle Ewigkeit wohl fühlen, sogar zum festgeschriebenen Inventar werden? Archibald MacLeish.

Tatsächlich gab es einen Dichter namens Archibald MacLeish. Der gehörte zur Lost Generation um Hemingway und Gertrude Stein in Paris, ballerte sich dann aber nicht mit einer Schrotflinte die Birne weg, wurde fast 100 Jahre alt und schrieb Verse wie: Oh, du bist zu viel mein und Fleisch von mir / Das Gehirn versiegeln, das im Blut ist / Sind so intensiv ein Puls, so schnell eine Flut / Von Schönheit, solch unaufhörlicher Instanz. / Liebes ungeahntes Stirnbild, unvisioniertes Gesicht, / Alle Schönheit ist zu deinem Wohnort geworden… Allein der Name könnte folglich eine fantastische Tarnung sein, um auf dem geliebten Bett weiterschnarchen zu können. Archibald MacLeish.

Bitte gehen Sie nun die Treppe nach oben und rechts ins Schlafzimmer...

 

 

 


 

 

 

 

 

Aber jetzt im Dunkeln und ohne Lichtschein und ohne Lichter und nur mit dem Wind und dem gleichmäßigen Ziehen des Segels hatte er das Gefühl, dass er vielleicht bereits tot sei. Er legte beide Hände aneinander und fühlte seine Handflächen. Sie waren nicht tot, und er konnte einfach, indem er sie öffnete und schloss, den Schmerz des Lebens hervorrufen. Er lehnte den Rücken ins Heck und wusste, dass er nicht tot war. Seine Schultern sagten es ihm.

„Der alte Mann und das Meer“

 

 

 


Waladenia Gutscher

* 25.12.1944 in Leuna, † 31.12.1944 ebd., Zwangsarbeiterkind

 

Ohne Treibstoffe aus Leuna wäre im Zweiten Weltkrieg kein deutscher Panzer, kein Truppentransporter gefahren, kein Flugzeug geflogen… Um diese Produktion gewährleisten zu können, wurden tausende Zwangsarbeiter aus besetzten Staaten Europas in Lager rund um das riesige Chemiewerk gebracht. Viele starben, und es starben hier sogar Kinder, deren Mütter Zwangsarbeit verrichten mussten, unterernährt, krank oder bei Bombenangriffen.

Das jüngste dieser Nazi-Opfer war wohl Waledina Gutscher, deren Mutter wahrscheinlich aus Osteuropa stammte. Waladenia wurde zu Weihnachten 1944 geboren und zu Silvester 1944 starb sie.

Gleich ihr starben hier auch Raimund Merker (er lebte nur 13 Tage), Michele (13 Tage), Joanna Wisnewska (14 Tage), Erika Crisek (7 Wochen), Walentina Logatschowa (3 Monate), Wladimir Titow (3 Monate), Larisa Sawizka (4 Monate), Anatolij Schtscherbatjuk (4 Monate), Boris Jean Bestianek (7 Monate), Wiktor Granowskij (7 Monate), Wladimir Kiritschenko (7 Monate), Nikolaj Pipatschuk (8 Monate), Witalij Schatkowskij (8 Monate), Wladimir Stepanow (12 Monate)…

Stolpersteine erinnern an sie.

 

 

 

Charles Augustus Lindbergh III

* 22.8.1930, † vor 12.5.1932, amerikanisches Entführungsopfer

 

Fahndungs-Poster:

Wanted: Chas. A. Lindbergh, jr. of Hopewell, N.J., Son of Col. Chas. A. Lindbergh, World Famous Aviator – This child was kidnapped from his home in Hopewell, N.J., between 8 an 10 p.m. on Tuesday, March 1, 1932. Description: Age: 20 months, Hair: blond, curly, Weight: 27 to 30 lbs., Eyes: dark blue, Height: 29 inches, Complexion: light. Deep dimple in center of chin, dressed in one-piece coverall night suit.

Erpresserbrief:

Sehr geehrter Herr!

Halten Sie 50.000 $ bereit, davon 25.000$ in 20-Dollar-Scheinen und 15.000$ in 10-Dollar-Scheinen und 10.000$ in 5-Dollar-Scheinen. Nach 2-4 Tagen werden wir Sie darüber informieren, wohin Sie das Geld liefern sollen. Wir warnen Sie, irgendetwas publik zu machen oder die Polizei einzuschalten. Das Kind ist in guter Obhut. Kennzeichen für alle Briefe sind die Signatur und 3 Löcher.

Schlagzeilen:

Demand $50.000 for Lindy Baby!

The crime of the century!

Die größte Geschichte seit der Auferstehung Christi!

 

Fahndungs-Ergebnis:

Am 1. März 1932 brachte die Amme Betty Gow Charles Lindbergs erstgeborenen Sohn um 19.30 Uhr zu Bett. Zwischen 21.00 und 21.30 Uhr hörte Charles Lindberg in der unter dem Kinderzimmer liegenden Bibliothek ein Geräusch, glaubte aber, es käme aus der Küche. Um 22.00 Uhr wollte Betty Gow nach dem Baby sehen, fand seine Krippe jedoch leer und unterrichtete den Vater. Der fand auf dem Fensterbrett einen Briefumschlag und darin den Erpresserbrief. Das Fenster stand offen. Charles Lindbergh griff sein Springfield-Gewehr und suchte mit seiner Frau und dem Butler Olly Whateley nach dem Sohn. Unter dem Kinderzimmerfenster entdeckten sie die Schlafdecke des Babys und im regenweichen Boden zwei tiefe Eindrücke, die offensichtlich von einer Leiter stammten. Wenige Meter entfernt fand sich ein Holzmeißel und eine Leiter und auf einem Feldweg Reifenspuren. Der Butler verständigte die Polizeistation in Hopewell, Charles Lindbergh die Staatspolizei von New Jersey. Schon nach zwanzig Minuten trafen die ersten Polizisten am Lindbergh-Haus ein, und mit ihnen die ersten Reporter. Als Chefermittler fungierte H. Norman Schwarzkopf. Die Verhandlungen mit den Entführern führte in den folgenden Tagen jedoch Lindberghs Anwalt Henry Breckinridge. Am 4. März traf mit der Post eine zweite Lösegeld-Forderung ein. Da Lindbergh entgegen der ersten Anweisung die Polizei verständigt hatte, wurden nun 70.000 $ verlangt. Der Brief galt als authentisch, da er die gleiche Signatur und Lochung aufwies. Nun traten diverse Trittbrettfahrer auf, sogar der im Gefängnis sitzende Al Capone bot an, die Entführer ausfindig zu machen, wenn der einflussreiche, seit seinem Atlantikflug als Nationalheld geltende Lindbergh ihm zwei Wochen Freigang verschaffte. Schließlich vermittelt ein Dr. John Condon, es kam zu einer Lösegeld-Übergabe. Doch am 12. Mai 1932 fand ein Lastwagenfahrer die Leiche von Charles Lindbergh jr., an einem Straßenrand unweit des elterlichen Grundstücks, weggeworfen wie Vieh, von Tierfraß entstellt.

 

Prozess:

Die Nummern der Lösegeldscheine waren notiert worden. Bis zu 10.000 Polizisten fahnden nach den Mördern. Zwei Jahre später wird in der Garage des deutschstämmigen Zimmermannes Bruno Hauptmann einige dieser Scheine entdeckt, Hauptmann wird angeklagt, seine Schuld jedoch nie bewiesen. Er selbst beteuerte stets seine Unschuld. Der Staatsanwalt aber ist ein guter Freund Lindberghs, und unter dem Druck der Öffentlichkeit verkünden die Geschworenen schließlich „schuldig des Mordes ersten Grades ohne mildernde Umstände“. Richter Thomas Trenchard legt am 13. Februar 1935 als Strafmass fest: „Tod auf dem elektrischen Stuhl.“ Am 3. April 1936, 20:47 Uhr wird Bruno Hauptmann hingerichtet. Er soll noch gesagt haben: „Ich sterbe als unschuldiger Mann.“

 

Nachwirkungen:

1976 stand im „New York Magazine“, dass nach Einsicht in bislang unter Verschluss gehaltene Akten gesagt werden könne, Hauptmann sei tatsächlich unschuldig gewesen, seine Verurteilung eine „der skandalösesten Justizverdrehungen“ - Beweise von der Polizei fabriziert, Entlastendes unterschlagen. Buzz Kulik drehte daraufhin den Film „Die Entführung des Lindbergh-Babys“. 1982 reicht Kaufmanns Witwe Klage ein, da seinerzeit „vorsätzlich falsche Erklärungen abgegeben“ worden seien. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1994 erreichte Anna Kaufmann jedoch die Rehabilitierung ihres Mannes nicht, bis dato gibt es keine Aufhebung des Urteils, dafür aber diverse Verschwörungstheorien. Und immer wieder tauchen Personen auf, die vorgeben, das nunmehr erwachsene Lindberg-Baby zu sein… Und Schlagzeilen machte auch der Sohn des einstigen Chefermittlers: H. Norman Schwarzkopf jr. war Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in der Operation Desert Storm, im Zweiten Golfkrieg…

 

 

 

James Bulger

* 16.3.1990 in Liverpool, † 12.2.1993 in Walton, englisches Mordopfer

 

Der zweijährige James Bulger wurde von zwei Zehnjährigen, Robert Thompson und Jon Venables, aus einem Supermarkt entführt, gequält und ermordet. Kurz zuvor hatten die Beiden das schon einmal versucht, die Mutter dieses Kleinen war jedoch aufmerksam geworden. Auf dem Weg zu dem Bahndamm, wo die Jungen James Bulger brutal erschlugen, begegneten diesem Trio 38 Menschen. Und obwohl der kleine James entsetzlich nach seiner Mutter schrie und schon am Hinterkopf blutete, dachte sich niemand dieser Erwachsenen etwas dabei und griff also auch nicht ein.

Die beiden Täter stammten aus völlig zerrütteten Elternhäusern, lebten in einer der heruntergekommensten Gegenden Liverpools, ja, Englands. Zumindest einer der beiden Väter hatte eine riesige Sammlung von Gewaltvideos, zu denen die beiden Zahnjährigen durchaus Zugang gehabt haben könnten. Die Presse, die Politik und die Justiz diskutierten folglich heftig über den Zusammenhang von Gräueln in Videos mit real verübten Taten. In einer Studie hieß es: „Unsere Forschungen können zwar nicht beweisen, dass Gewaltvideos Verbrechen verursachen. Sie unterstreichen aber den großen Einfluss, den die Familiensituation und die eigene Persönlichkeit auf die Bewertung der Auswirkungen von Gewalt in Filmen hat.“

Thompson und Venables wurden weggesperrt, doch nach acht Jahren und ständigem Hin und Her bis zum Europäischen Gerichtshof wieder freigelassen. Wenige Jahre darauf wurde Venables wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornographie erneut verhaftet…

Die Schule, in die James gegangen wäre, hätte er das Schüleralter erreicht, die Sacred Heart Primary School Kirkby richtete für ihn einen Gedenkgarten ein.

Und Amy Macdonald gab James Bulger eine weichherzige Stimme, sie sang:

After the sun always comes the rain

Following by hurt und pain

After the light comes the dark

After the love comes the breaking of my heart

 

I am a spaceman flying high

I am the astronaut in the sky

Don’t worra, I’m ok now

I am the light in the dark

I am the march

I am the spark

Don’t worry. I’m ok…

 

 

 

Alan Kurdi

* 2012 in Syrien, † 2.9.2015 nahe Bodrum, Flüchtling

 

Die Fernsehbilder des toten, an die Agäisküste gespülten zweijährigen Alan Kurdi sollen Bundeskanzlerin Angela Merkel beeinflusst haben, im Herbst 2015 die deutschen Grenzen für Flüchtlingsströme zu öffnen.

Mich führten diese Bilder letztlich zur Idee einer Erzählung für Kinder, zu meiner Anna-Hood-Figur:

„Ungerecht“, rief Anna, „das ist gemein, so gemein!“

Im Fernsehen watete ein Flüchtling aus dem Meer. Er trug ein Kind, ein totes. Behutsam, zärtlich fast, bettete er es auf den Strand, kniete nieder, starrte gen Himmel. Touristen in Badesachen, Kinder auch, kamen näher, glotzten. Nein, kein Film, die Nachrichten, alles echt, soeben passiert.

Anna schlug die Hände vor die Augen, schüttelte den Kopf. Die Bilder aber blieben. Und im Meer trieben weitere Flüchtlinge. Und am Horizont versank ein weiteres Boot.

Natürlich sah sie solche Bilder nicht zum ersten Mal, doch heute wurde ihr das irgendwie einfach alles zu viel.

Der Nachrichtensprecher sagte, dass man spenden könne, wenn man helfen wolle, jederzeit.

Anna lief ins Kinderzimmer und holte ihr Sparschwein. Gestern erst hatten Oma und Opa ihr reichlich Geld für den Urlaub zugesteckt. „Gute Reise! Viel Spaß!“ Unvorstellbar aber, dass sie mit Mama und Papa unter Palmen läge und es passierte, was sie da im Fernsehen sah… Nein! Bitte nicht!

Sie hob das Sparschwein hoch über ihren Kopf und – zack! zerschepperte es auf dem Fußboden. Münzen rollten herum.

„Was ist denn hier los?“ Die Mama kam aus der Küche gerannt. „Was machst du denn da?“

„Ich will spenden“, sagte Anna und wies auf den Fernseher. „Hilfst du mir?“

„Ja, aber…“

„Gemein“, sagte Anna, „die einen sonnen sich, wo die anderen sterben – das muss aufhören, endlich aufhören!“

Immerhin wurde meine Anna-Hood-Geschichte mittlerweile in mehr als 50 Sprachen übersetzt, sogar in Ashanti, Maori, Tigrinya, fand also weltweit Gehör.

Schwer zu sagen allerdings, wohin Deutschland seit jenen Herbsttagen driftet, wohin Europa, wohin die Welt.

 

 

 

Christian Henrich Heinecken

* 6.2.1721 in Lübeck, † 27.6.1725 ebd., deutsches Wunderkind

 

Kaum ein Jahr alt, konnte Christian Henrich Heineken schon lesen und bewies unglaubliche Gedächtnisleistungen. So vermochte er lange Bibel-Passagen zu rezitieren und faszinierte mit fundiertem geographischem, historischem und mathematischem Wissen. Mit zwei beherrschte er Französisch und Latein und verfasste sein erstes Buch, eine Geschichte Dänemarks: „Des Lübekischen dreyjährigen Knabens Christian Henrich Heinekens Vorschmak der alten, mitlern und neuen Dänischen Geschichte, aus denen bewehrtesten Geschichtschreibern des Königreichs Dänemarck kurtzbündigst gezogen, und von demselben nach vorhergefasseter Universal-Historie in seinem dritten Jahre erlernet.“ Koop, Lübeck 1724.

Kein Wunder also, dass der danische König Friedrich IV. den dreijährigen Christian Henrich Heineken zu einer Privataudienz empfing und ihn als „Miraculum“ bezeichnete. Prompt schrieb der Knabe daraufhin ein weiteres Buch: „Des Berühmten Lübeckischen Säuglings, Christian Henrich Heineken, An- und Abschieds-Reden, an Seine Königliche Majestät zu Dännemarck und Norwegen, Friedrich den Vierdten, bey der ihm zu Friedensburg den 9. Septembr. 1724 ertheilten allergnädigsten Audientz.“ Lübeck 1724.

Immanuel Kant nannte ihn ein „frühkluges Wunderkind von ephemerischer Existenz“. Johann Harper malte Christian Henrich Heineken, Johann Balthasar Probst stach sein Konterfei in Kupfer. Und Stichen Christian Fritzsches steuerte Georg Philipp Telemann sogar Gedichte bei: „Kind, dessen gleichen nie vorhin ein Tag gebahr!“

Wer weiß, was der fünf-, was der zehn-, der achtzehn-, der fünfunddreißig-, der fünfundfünfzigjährige Christian Henrich Heineken der Welt hätte geben können. Seine Eltern reisten aber unermüdlich mit ihm durch die Lande, ließen ihr Wunderkind auftreten und auftreten und gegen blanke Münze bestaunen. Den Kleinen erschöpfte dieses Leben jedoch zusehends, und durch falsche, wohl auf einer unerkannten Glutose-Unverträglichkeit basierenden Ernährung, verstarb Christian Henrich Heineken, nicht mal viereinhalb Jahre alt.

 

 

 

Conor Clapton

* 21.8.1986 in London, † 20.3.1991 in New York City

 

Would you know my name?

If I saw you in heaven

Would it be the same?

If I saw you in heaven…

 

Eric Clapton versuchte seiner Trauer um seinen im Alter von vier Jahren ums Leben gekommenen Sohn Conor mit „Tears in Heaven“ beizukommen. Er sagte, er sei ihm kein guter Vater gewesen und fragt mit dem Song, ob Conor ihn wohl dereinst im Himmel wiedererkennen würde, und hofft, dass es dort keine Tränen mehr geben würde.

 

Would you hold my hand?

If I saw you in heaven

Would you help me stand?

If I saw you in heaven…

 

Conor lebte bei seiner Mutter Lori del Santo, mit der Eric Clapton eine kurze Affäre gehabt, aber nie zusammengelebt hatte. Und just zu der Zeit als er unterwegs war, seinen Sohn zum Spaghettiessen im Central Park abzuholen, stürzte Conor beim Versteckespielen durch ein in Loris Wohnung im 53. Stock versehentlich offenstehendes Bodenfenster.

 

There's peace, I'm sure

And I know there'll be no more

Tears in heaven…

 

 

 

Saime Genç

* 12.8.1988 in Solingen, † 29.5.1993 ebd., türkisches Anschlagsopfer

 

Im Haus Untere Wernerstraße 81 wohnten ausschließlich Menschen, die aus der Türkei nach Solingen gekommen waren oder türkische Wurzeln hatten, die Großfamilie Genç. Saimes Großmutter Mevlüde beispielsweise stammte aus Mercimek in der nordtürkischen Provinz Amasya.

In der Nacht des 29. Mai 1993 setzten ein dreiundzwanzigjähriger, ein zwanzigjähriger und zwei sechzehnjährige Neonazis das Haus der Untere Wernerstraße 81 in Brand. Nachdem drei von ihnen besoffen einen Polterabend gestört hatten und aus dem Vereinsheim einer Kleingartenanlagen geflogen waren, trafen sie in der Stadt den vierten Täter und kamen so auf die Idee sich irgendwie zu rächen. Sie beschafften sich Benzin, brachen in das Genç-Haus ein und setzten eine im Hausflur stehende Truhe in Brand. Das Gebäude brannte vollständig aus.

Mevlüde Genç überlebte den Anschlag, neben Saime kamen aber noch eine etwas ältere Enkelin, zwei ihrer Töchter sowie eine Nichte im Haus Untere Wernerstraße 81 in jener Nacht ums Leben. Das Haus steht nicht mehr, nahebei mahnt jedoch ein Gedenkstein: „An dieser Stelle starben als Opfer eines rassistischen Brandanschlags Hürsün Inve, Hatice Genç, Gülüstan, Hülya Genç und Saime Genç“.

Anlässlich des 25. Jahrestages dieses Attentats verfassten Solinger Schüler ein Gedicht: „Nun sind schon 25 Jahre vergangen / Damals wurde ein unbeschreibliches Verbrechen begangen. / Fünf Unschuldigen wurde das Leben genommen. Doch sind die Übrigen weggekommen? // Das Land trauert immer noch. / Nicht vergessen ist dieses große Loch. / Dabei waren es nur Jugendliche wie wir. Wie konnten sie nur so viel Hass haben hier? // Doch hatte man ihnen den Kopf verdreht. / Die rechtsextreme Ansicht wie man sieht. // Und wir sagen ‚NEIN’ zum Fanatismus. / Und wir sagen ‚NEIN’ zum Faschismus. / Und wir sagen ‚NEIN’ zum Rassismus. / Wir sollten in uns kehren, / denn dieses Denkmal hier soll uns lehren: / Wir müssen uns gegen Untaten wehren. / Sei es, dass wir hier stehen und ein Zeichen setzen. / Oder sei es, dass wir uns aktiv einsetzen. / Etwas Empathie sorgt immer für Harmonie und positive Energie.“

Die Täter wurden verurteilt. Mevlüde Genç erhielt für ihre Versöhnungsbemühungen zwischen der türkischstämmigen und der deutschen Bevölkerung Solingens das Bundesverdienstkreuz.

 

 

 

Karola Weimar

* 8.3.1981 in Philippsthal, † 4.8.1986 ebd., deutsches Mordopfer

 

Weithin bekannte Märchen stammen aus dem Hessischen: Rotkäppchen, Dornröschen, Frau Holle, Hänsel und Gretel, der Wolf und die sieben Geißlein, Rapunzel… Doch auch die schlimme Geschichte von Karola und Melanie aus Philippsthal ist hier zu verorten.

Karolas und Melanies Mama und Papa mochten sich nicht mehr. Sie tröstete sich mit einem amerikanischen Soldaten, er schluckte Neuroleptika und ging ins Bordell.

Eines Morgens waren die beiden Mädchen der Mama oder dem Papa (das hat man trotz langer, langer Untersuchungen und Verhandlungen nie so recht herausgefunden) im Wege. Und nachdem sie ein letztes Mal Schokoladenkekse naschen durften wurden sie im Familien-VW in den Wald gefahren und ermordet Und damit sie auch im Tode schön aussähen, wurden sie feinsäuberlich hergerichtet und drapiert. Als man die Kinder fand, war Karolas Leiche mit einem pinkfarbenen T-Shirt, einer kurzen gelben Strickhose, blauen Socken und Sandalen bekleidet, die Leiche ihrer zwei Jahre älteren Schwester (einige Kilometer entfernt) mit einem weißen T-Shirt, roten Shorts, gelben Socken und Sandalen. Ihr Haar war ordentlich mit Spangen gerichtet, ihre Zöpfe schmuck geflochten. Schneeweißchen und Rosenrot…

Ja, sie sind gestorben, doch erzählt man sich ihre Geschichte nicht nur im Hessischen noch heute.

 

 

 

Jaxon Emmett Buell

geboren am 27.8.2014 in Orlando, Florida.gestorben am 1.4.2020 in North Carolina.

 

Jaxon Buell fehlten bei seiner Geburt aufgrund einer Mikrohydranenzephalie 80% seines Gehirns und große Teile seines Schädels. Seine strenggläubige Mutter wusste zwar von dieser schweren Anomalie der Gehirnentwicklung, lehnte eine Abtreibung jedoch ab. Behandelnde Ärzte gaben Jason eine Überlebenschance von höchstens zwölf Monaten. Als er dann aber ein Jahr alt wurde, begannen seine Eltern über ihn als „das Wunderkind“ in sozialen Medien zu berichten.

Jaxon Buell starb mit fünf. Sein Vater sagte danach in einem Interview: „Wir haben ihm immer eine Chance gegeben, eine Chance zu kämpfen.“

 

 

Alfredo Rampi

* 11.4.1975 in Rom, † 13.6.1981 bei Vermicino, italienisches Unfallopfer

 

Alfredo Rampi, genannt Alfredino, stürzte am 10. Juni 1981 beim Spielen in einen artesischen Brunnen. Das Bemühen, ihn zu befreien, geriet zum Medienspektakel, da nicht nur landesweit darüber berichtet wurde, sondern das italienische Fernsehen sogar live von der Unglücksstelle übertrug.

Alle Rettungsversuche blieben jedoch ohne Erfolg. Alfredino starb drei Tage nachdem er in den artesischen Brunnen gestürzt war. Sein Leichnam konnte erst am 11. Juli geborgen werden.

Die skrupellose Berichterstattung, vor allem des Fernsehens, wurde mehrfach in Büchern thematisiert, so von Walter Veltroni oder Burkhard Jahn.

 

 

 

 

Alesha MacPhail

* 22.10.2011 in Airdrie, † 2.7.2018 Rothesay, Isle of Bute, schottisches Mordopfer

 

Nachdem die sechsjährige Alesha MacPhail auf der Isle of Bute ermordet aufgefunden wurde, behauptete eine Radiokommentatorin, dass so etwas Grausames nur einer der syrischen Flüchtlinge, die seit 2015 auf diesem schottischen Inselchen untergebracht wurden, getan haben könnte. Der Täter war jedoch der sechzehnjährige Inseljunge Aaron Thomas Campbell.

Aleshas Vater galt als Dealer, und Campbell wollte in einer Partynacht angesoffen in MacPhails Haus Cannabis klauen. Im Kinderzimmer entdeckte er jedoch die schlafende Alesha. Schon seit einiger Zeit versuchte Campbell ein YouTube-Star zu werden, stellte Videos ins Netz und sehnte sich danach, mal „etwas Übermäßiges zu tun, etwas wie Vergewaltigung“. Tatsächlich trug er die schlafende Kleine aus dem Haus, vergewaltigte und erstickte sie. Nach seiner Verhaftung gestand Campbell: „Ich dachte nur daran, sie zu töten, sobald ich sie sah.“

Ihr Schulleiter beschrieb Alesha als smiley and happy young girl. Ihre Lieblingsbeschäftigungen waren Gymnastik, Kuchenbacken, Lesen und Schreiben.

 

 

 

Tokugawa Ietsugu

* 8.8.1709 als Nabematsu im Edo-jō, Tokio, † 19.6.1716, Shōgun

 

Tokugawa Ietsugu war der 7. Shogun. Sein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater Tokugawa Ieyasu hatte in langwierigen, blutigen, bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen Japan, das Reich der Sonne, geeint, neben dem machtlosen Kaisertum ein allmächtiges Shogunat etabliert und die Dynastie der Tokugawa begründet.

In die Regierungszeit Tokugawa Ietsugus fallen immerhin die Verfügungen, anstelle der bis dahin gültigen und heftig verfallenden Reis-Währung eine Metall-Währung einzuführen, um all die das Shogunat stützenden Samurai weiter bezahlen und bei Laune halten zu können, sowie zur Unterbindung des Schleichhandels alle in Kyushu ankommenden Schiffe zu verbrennen und deren Mannschaften zu töten.

Allerdings wurde Tokugawa Ietsugu bereits im Alter von vier Jahren Shogun und mit sechs starb er.

Beigesetzt wurde er wie der 2., der 6., der 9., der 12. und der 14. Shogun im Familien-Tempel der Tokugawa. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg befindet sich das Grabgelege nunmehr in einer umzäunten, parkähnlichen Anlage. Im angrenzenden Zōjō-ji Friedhof stehen in langen Reihen bunte Jizo-Figürchen zum Gedenken an abgetriebene, totgeborene oder früh verstorbene Kinder. Auf den Stufen zu Tokugawas Ietsugus grauem Steinschrein steht eine Steinvase mit stets frischen Blumen.

 

 

 

Mario Louis

* 1961, † 31.5.1969 in Eberswalde, deutscher Schüler

 

Mario Louis und Henry Specht spielen im Roman „Das bisschen Zeug zur Ewigkeit“ von Wilhelm Bartsch eine Rolle: als Winne und Shattie. Wie diese beiden lebte auch Wilhelm Bartsch in Eberswalde. Und auch Erwin Hagedorn, der Mörder dieser zwei Jungen wuchs dort auf, ging in dieselbe Schule wie Bartsch. Man kannte sich.

Das eigentliche Problem für Großvater war aber Erwin. Er konnte den einfach nicht leiden. „Von mir hörst du so was selten“, sagte er, „aber der Knabe hat anscheinend kein richtiges Herz. Er hat eher irgendeine Pumpe in sich, und zwar eine für schale Himbeerbrause und nicht für Blut. So einer wie Erwin hockt mit fünfzig noch bei Muttern in der Küche auf der Kohlenkiste und mäkelt rum. Wenn er nicht vorher noch was Schreckliches angestellt hat.“

Und trotz dieser Warnung seines Großvaters besucht der Ich-Erzähler Erwin Hagedorn sogar Zuhause:

Die Hagedorn-Wohnung sah schon auf den ersten Blick so ordentlich aus, als ob sich selbst jemand mit Latschen statt Füßen und Waschlappen statt Händen da nicht trauen würde zu wohnen. Wer hätte gedacht, dass Erwin so ein Luxuskind war und ein ziemlich großes Zimmer ganz für sich allein hatte. Es war zwar nicht übermäßig aufgeräumt, doch anscheinend musste Erwin jeden Tag erst mal wischen und bohnern, wenn er aus der Schule kam. Es war ein komplett eingerichtetes Jugendzimmer. Mitten auf dem Tisch aber stand der jugendliche Wunschtraum seit Anfang der Sechziger, ein „Smaragd“-Tonbandgerät, wie es vor allem „Auf Bude“, also in mancher Dachkammer oder in manchem Kellerraum, wo wir uns halbwegs ungestört treffen konnten, den Altar ersetzte.

Auch von Nachbarn hörte der Ich-Erzähler höchst Merkwürdiges:

Erwin, erzählte Frau Kosanowski, sei schon immer ein etwas anderer Junge gewesen. Als er acht war, hatte er etwas so Seltsames angestellt, dass sie bis heute nicht weiß, ob man ihn für so etwas von Herzen loben  oder schwer tadeln sollte. Damals wurden einige Gräberfelder wegen eines geplanten sowjetischen Ehrenfriedhofs auf dem Westendfriedhof geschlossen und für ein paar Tage blieben zahlreiche Gebeine und Überbleibsel liegen. Erwin hatte sich die schönsten Knochen hervorgesucht, jeweils zwei mit einer langen Schnur verbunden und sie so lange hochgeworfen in den alten Birnbaum im Hof hinter der Nummer 1, bis sie dort als eine Art sehr seltsamer Christbaumschmuck hängen blieben. Frau Kosanowski gab zu, dass sie fasziniert mit angesehen hatte, wie dieser Birnbaum mit Knochenschmuck verschönt wurde. Wieso sollte man da eingreifen? Diese doch sehr schöpferische Arbeit habe Erwin dann gleich stolz seinen Eltern präsentiert, die ihn aber  weder gelobt noch getadelt, sondern wohl einfach nur Angst vor einem Nachspiel gehabt hatten. Sie befahlen Erwin sofort, diesen Baum wieder abzuschmücken, und halfen ihm dabei.

Ende Mai 1969 waren Mario Louis und Henry Specht plötzlich verschwunden. Vierzehn Tage lang wurde nach ihnen mit großem Aufgebot in und um Eberwalde gesucht, da war Wilhelm Bartsch 18 und Erwin Hagedorn 17 Jahre alt.

Es war eine so unendlich furchtbare, grauenerregende Geschichte, die am Freitag, dem 13. Juni 1969 begann, ihre ganz scheußlichen Karten endlich aufzudecken. Karte für Karte kontaminierte sie nach und nach fast die ganze Gegend meiner Kindheit und Jugend. Sie ließ sich unmenschlich lange Zeit damit, noch mehr als zwei Jahre. Ich hatte für mich ja aus noch so einigen anderen Gründen das Gefühl, es hier keine zwei Monate mehr aushalten zu können, keine zwei Wochen! Schon jetzt, wenn ich nur an die Fundorte der Leichen von Winne und Shattie dachte, fühlte ich mich dieser alten Stätten meiner Kindheit beraubt. Dort waren wir durchgezogen, das Livingstone-Team, als es noch nicht nach Kinderverwesung roch, vom Schwärzesee aus, der natürlich der Karibasee war, und immer den Sambesi lang, der hier die Schwärze genannt wurde, zu den immerhin bis zu fünf Meter hohen Victoriafällen.

Winne und Shattie, so hatten es ihre Eltern beschlossen, kamen gemeinsam in ein Grab. Ich war bei der Beerdigung, obwohl ich Beerdigungen hasste. Wenigstens das glaubte ich Winne und Shattie schuldig zu sein. Aber ich habe es gar nicht bis an das offene Grab geschafft. Der Waldfriedhof wimmelte von Menschen, ein hoher Funktionär aus Frankfurt (Oder) redete ohne Zettel und frei nach Schnauze. Wie dem wohl zumute war? Unter die Zivilisten hatten sich auch viele zum Teil ranghohe Uniformträger begeben, deutsche und sowjetische, jeder ganz für sich, so schien es. (…) Dann waren vielleicht noch zwei dutzend Leute vor mir, als ich (…) Erwin sah. Vor seinen Eltern, quasi als ihr Abgeordneter, bückte er sich gerade und ließ eine rote Nelke der Arbeiterklasse in das offene Doppelgrab von Winne und Shattie fallen. Der Kerl kaute dabei auf seiner Unterlippe und ich sah auf seiner wohlgenährten Backe einen gepflegten Tränenbach aufblitzen. Ich zweifelte keine Sekunde an Erwins vielleicht sogar einmaligen Tränen, aber ich musste so schnell wie möglich von hier verschwinden. Aber nicht nur vom Waldfriedhof, sondern aus dieser Stadt und aus dieser ganzen Gegend!

Mehr als zwei Jahre wurde nach dem Mörder der beiden Jungen gefahndet, dabei erstmals in Deutschland sogar ein psychologisches Täterprofil erstellt. Nach dem musste der Mörder ein homosexueller und pädophiler Sadist sein. Da in der DDR jedoch nicht sein konnte, was nicht sein durfte, wurden die Ermittlungen geheim gehalten und schließlich sogar eingestellt. Erst als im Oktober 1971 ein zwölfjähriger Eberswalder auf die gleiche Art und Weise wie Mario Louis und Henry Specht geschändet und ermordet wurden, kam die Polizei Erwin Hagedorn auf die Spur. Und damit nie wieder geschähe, was geschehen war, wurde sogar ein Lehrfilm für Ermittlungsbehörden gedreht, ein Lehrfilm mit Erwin Hagedorn als Erwin Hagedorn.

Walter Ulbricht (…) sah sich noch einmal den langen Erwin-Hagedorn-Film des Ministeriums für Staatssicherheit an. Und wieder war er hell entsetzt, obwohl er diesmal nicht allein war. Er hatte sich einen sachkundigen Kommentator einbestellt. In dem Film trug Erwin Hagedorn ständig seine schicke Knautschlederjacke mit Kunstpelzkragen aus dem Westen. Erwin erzählte, zeigte und spielte minutiös, was er sich nicht nur ausgedacht, sondern was er wirklich, und vor allem auch wirklich gern, gemacht hatte. Nur eine scheußliche Szene, so erklärte Stasichef Erich Mielke dem Staatsratsvorsitzenden der DDR, blieb ungedreht, weil sich alle außer Hagedorn geweigert hätten. Von dieser nicht realisierten Szene gäbe es nur dieses Foto vor der Wohnung des Hagedorn. Dort sollte nachgestellt werden, wie die Polizei mit dem Hagedorn zur Ermittlung vorgefahren war. Hunderte Menschen hätten sich dort schon versammelt, weil es sich bereits wie ein Lauffeuer in der Stadt herumgesprochen hatte. „Aber unse Menschen brüllen ja nich rum oder fordern gleich den Strick für so ein Würstchen!“ Man soll nun ein rundum anschwellendes Stöhnen vernommen haben. Durch diese stöhnende Menge sei der Hagedorn geschritten wie über einen roten Teppich mit strahlendem Lächeln und offenen Blicken in so viele Augen wie möglich. „Du“, rief Mielke und bohrte mit seinem Zeigestock in das neben der Leinwand aufgehängte Foto. „Der Hagedorn is jefesselt! Sonst hätte das Dreckschwein sicherlich auch noch jewunken!“ Für die Schauspielerei würde der alles geben, habe der Hagedorn oft gesagt. „Mitglied eines Arbeiter- und Bauerntheaters!“, rief Mielke. „Aktiver Kandidat der Partei! Ick bin so war von enttäuscht als Tschekist! So eine Flasche! So’n scheiß Mörder-Elvis wär nu fast immer noch unser Jenosse geblieben!“ (…)

Für Erwin war der Film die große Möglichkeit seines Lebens. Man sieht ihn in einigen Momenten unverhohlen glücklich, dort, wo er unter gesicherten Umständen, alles noch einmal hatte minutiös durchspielen und zeigen und erklären dürfen. (…) Allerdings redete Erwin über seine entsetzlichen Taten stets in einem furchtbar dilettantischen Beamten- und Behördenstil. Fast schien es zuweilen, als wolle er eine kafkaeske Welt parodieren. (…) Am „poetischsten“ klangen noch seine Träume, die er in die Kamera erzählte. Seine Fantasiemorde, hob er immer wieder hervor, waren meistens noch schöner als seine wirklichen. Der junge Genosse Erwin Hagedorn hatte auch einen Lieblingstraum. Darin war er der Genosse Kommandant von einem riesigen unterirdischen Kinder-KZ in der Sowjetunion. Erwin glaubte an den Sozialismus. Deshalb kam wohl für ihn nicht einmal im Traum ein Kinder-KZ auf der Burg des Gil de Rais oder ein Indianerkinder-KZ in der Nähe von Entenhausen in Frage.

Am 15. Mai 1972 wurde Erwin Hagedorn zum Tode verurteilt und am 15.September 1972 hingerichtet.

 

 

 

Hans Abraham Ochs

* 10.6.1928 in Köln, † 30.9.1936 ebd., deutscher Schüler

 

„Am 30. September 1936, 19 Uhr, wurde mein liebes Kind, unser lieber Bruder, Neffe und Enkel Hans nach kurzer schwerer Krankheit von uns genommen. In tiefer Trauer Frau Witwe Luise Ochs und Anverwandte. Köln, 1. Oktober 1936, Trajanstraße“, stand im in der Oktober-Ausgabe des Kölner „Jüdischen Gemeindeblattes“ zu lesen.

Die „kurze, schwer Krankheit“ des achtjährigen Hans bestand darin, dass er bei einem Spaziergang mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder im Römerpark einer älteren Jungen angesprochen hatte, warum auch immer. Der jedoch fühlte sich durch den „Halbjuden Ochs“ provoziert, warum auch immer, und eine Gruppe von fünf bis sechs Hitlerjungen beschimpften den Achtjährigen und verprügelten ihn so sehr, das er ins israelitische Krankenhaus eingeliefert werden musste, wo er wenig später verstarb, offiziell an: Bauchfellentzündung.

 

 

Ilan Halimi

* 11.10.1982, † 13.2.2006 in Paris, französischer Verkäufer

 

Ilan Halimi, Jude marokkanischer Herkunft, wurde von der größtenteils muslimischen „Gang der Barbaren“ entführt, über einen Zeitraum von fast drei Wochen in Sainte-Geneviève-des-Boises schwer gefoltert und schließlich sterbend an einer Eisenbahnstrecke abgelegt wurde. Auf dem Weg ins Krankenhaus starb Ilan Halimi im Alter von 23 Jahren.

Der Anführer der Gang versuchte sich in die Elfenbeinküste abzusetzen, wurde jedoch gefasst und zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Beim Prozess hatte er gegen das „Weltjudentum“ polemisiert. Insgesamt wurden 25 Gang-Mitglieder für schuldig gesprochen.

Ein Baum, der in Sainte-Geneviève-des-Boises zum Gedenken an Ilan Halimi gepflanzt worden war, sägten Unbekannte ab.

 

  

 

 

Jacinta Marto

* 5.3.1910 in Aljustrel, † 20.2.1920 in Lissabon, portugiesische Heilige

 

Am 13. Mail 1917 soll nahe des portugiesischen Städtchens Fátima drei Schafe hütenden Kindern die Heilige Jungfrau Maria erschienen sein: der zehnjährigen Lúcia dos Santos, dem fast achtjährigen Francisco Marto und seiner gerade mal siebenjährigen Schwester Jacinta. Und die Jungfrau Maria habe den drei Kindern geheißen, an jedem folgenden 13. des Monats an diesen Ort zurückzukehren. Und am 13. Juli 1917 soll die Heilige Jungfrau den Dreien dann eine geheime Botschaft übergeben haben: die „drei Geheimnisse von Fátima“.

Zwar hatten Lúcia, Franscisco und Jacinta untereinander vereinbart, niemand zu erzählen, was ihnen widerfahren war, aber Jacinta verplapperte sich. Und so kamen nun jeweils am 13. eines Monats immer mehr Neugierige auf die Cova da Iria, jenem wundersamen Ort bei Fátima. Und die Zahl der Schaulustigen wuchs und wuchs, und so kündigte die Erscheinung dann für den 13. Oktober 1917 etwas Spektakuläres an. So sollen denn an diesem Tag etwa 70.000 Menschen auf die Cova da Iria gekommen sein, die sahen, wie die Sonne zu einer Silberscheibe wurde, die sich wie ein Feuerrad drehte.

Die Heilige Jungfrau Maria hatte den drei Kindern jedoch verboten, die geheime Botschaft weiterzugeben. Erst zehn Jahre später will Lúcia, die mittlerweile Nonne geworden war, eine himmlische Nachricht empfangen haben, die ihr erlaubte, die ersten beiden Geheimnisse niederzuschreiben. Ihr Seelsorger wies sie allerdings an, diese Texte zu verbrennen.

Ende August 1941 schrieb Lúcia diese beiden Geheimnisse nochmals auf und übergab sie dem Bischof von Leira, der sie im Mai 1942 veröffentlichte. Klar, beide Botschaften passten gut in die Zeit, denn darin war die Rede davon, dass nach dem Ende eines großen ersten Krieges alsbald ein noch schlimmerer Krieg ausbrechen werde - wenn man nicht aufhöre weiter Gott zu beleidigen und vor allem: wenn Russland weiter seine Irrlehren in der Welt verbreite und sich nicht bekehren würde.

Das dritte Geheimnis brachte Lúcia aber erst am 3. Januar 1944 zu Papier und übergab es in einem versiegelten Umschlag mit der Forderung, dass dieser nicht vor 1960 geöffnet werden dürfe wiederum an den Bischof von Leira. So gelangte dieser Brief schließlich am 4. April 1957 ins Vatikanische Geheimarchiv. Und erst Joseph Kardinal Ratzinger, der alsbald Papst Benedikt XVI. sein würde, wagte es im Jahr 2000, den Umschlag zu öffnen und die Botschaft zu lesen:

Nach den zwei Teilen, die ich schon dargestellt habe, haben wir links von Unserer Lieben Frau etwas oberhalb einen Engel gesehen, der ein Feuerschwert in der linken Hand hielt; es sprühte Funken und Flammen gingen von ihm aus, als sollten sie die Welt anzünden; doch die Flammen verloschen, als sie mit dem Glanz in Berührung kamen, den Unsere Liebe Frau von ihrer rechten Hand auf ihn ausströmte: den Engel, der mit der rechten Hand auf die Erde zeigte und mit lauter Stimme rief: Buße, Buße, Buße! Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist: ‚etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen‘ und einen in Weiß gekleideten Bischof  – ‚wir hatten die Ahnung, dass es der Heilige Vater war‘. Wir sahen verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen einen steilen Berg hinaufsteigen, auf dessen Gipfel sich ein großes Kreuz befand aus rohen Stämmen wie aus Korkeiche mit Rinde. Bevor er dort ankam, ging der Heilige Vater durch eine große Stadt, die halb zerstört war und halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, betete er für die Seelen der Leichen, denen er auf seinem Weg begegnete. Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen. Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester, Ordensleute und verschiedene weltliche Personen, Männer und Frauen unterschiedlicher Klassen und Positionen. Unter den beiden Armen des Kreuzes waren zwei Engel, ein jeder hatte ein Aspergill aus Kristall in der Hand. Darin sammelten sie das Blut der Märtyrer auf und tränkten damit die Seelen, die sich Gott näherten.

Was auch immer damit gesagt sein will – im Jahr 2000 wurden Jacinta Marto, die neunjährig leidvoll an Folgen der Spanischen Grippe gestorben war, und ihr Bruder Franscisco, den zehnjährig das gleiche Schicksal ereilt hatte, selig, und 2017 heilig gesprochen.

Am Ort ihrer Marienerscheinung wurde der größte Kirchenneubau des 21. Jahrhunderts errichtet, die Basilika zur Heiligen Dreifaltigkeit, die mit fast 9.000 Sitzplätzen als viertgrößte katholische Kirche der Welt gilt. 2019 kamen bereits mehr Pilger nach Fátima, als zu allen anderen Wallfahrtsorten Europas: 6,3 Millionen!

Aber vielleicht hätten Jacinta und ihr Bruder Francisco einfach lieber ein bisschen länger gelebt.

 

 

 

Richard of Shrewsbury

* 17.8.1473 in Shrewsbury, 1. Duke of York and 1. Duke of Norfolk, † Sommer 1483 in London, englischer Adliger

 

Was für ein Leben als Royal: mit acht war Prinz Richard Witwer und mit zehn tot!

Nachdem sein Vater, King Edward IV. im April 1483 gestorben war, wurde sein älterer Bruder zwar als Edward V. zum neuen englischen König aufgerufen und Richard avancierte zum Thronfolger (Richard, der ja als Vierjähriger bereits mit der fünfjährigen Anne Mowbray, der potentiellen Erbin des Duke of Norfolk verheiratet worden war, was ihm letztlich immerhin einen namhaften Titel eingetragen hatte). Es entbrannte jedoch ein heftiger Streit um die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens.

Noch zu Lebzeiten hatte Edward IV. den Onkel der beiden Jungen, den Duke of Gloucester, als Regent eingesetzt. Und der intrigierte nun, was das was Zeug hielt. Tatsächlich wurde Gloucester am 25. Juni 1483 zum König proklamiert (und das englische Parlament sicherte dies nachträglich im Akt Titulus Regius ab, in dem die Ehe Edwards IV. mit Elizabeth Woodville für ungültig erklärt und den beiden Söhnen folglich die rechtmäßige Erbfolge abgesprochen wurde). Doch um alle Eventualitäten aus dem Wege zu räumen, ließ der liebe Gloucester-Onkel die beiden Jungen im Tower festsetzen. So gingen sie dann als die „Prinzen im Tower“ in die englische Geschichte ein. Wahrscheinlich wurden sie ermordet, auf jeden Fall blieben sie verschwunden.

Und um allen Missverständnissen aus dem Wege zu gehen: Gloucester hieß als King Richard III. – man lese nach bei Shakespeare…

 

 

 

Brigitte Irrgang

* 10.2.1943 in Krickerhau, Slowakei, † 29.9.1954 in Loitz, deutsche Schülerin

 

Im Kriegsjahr 1945 floh Brigitte Irrgang mit ihren Eltern und fünf Geschwistern vor der vorrückenden Roten Armee aus der Slowakei in ein Lager auf den Hohen Schneeberg nahe Dečin. 1946 wurde die Familie Irrgang dann von Tschechen vertrieben und kam schließlich in Vorpommern an.

In Vorbereitung auf ihre Firmung hatte sich die strenggläubige Brigitte die wenige Jahre zuvor heiliggesprochenen Maria Goretti als Patronin gewählt. Und dann widerfuhr ihr zwei Wochen vor ihrer Firmung das Gleiche, was auch der elfjährigen Italienerin einst widerfahren war: sie wurde vergewaltigt und ermordet.

Zu ihrem Gedenken wurde das Oratorium „Brigitte“ für gemischten Chor, Soli, Gesangselemente und Klavier von Nikolaus Schapfl komponiert und 2017 am Brigitte-Denkmal in Loitz uraufgeführt.

 

 

 

Maria Goretti

* 16.10.1890 in Corinaldo, † 6.7.1902 in Nettuno, italienisches Bauernmädchen

 

„Wenn im Licht eines jeden Martyriums immer ein bitterer Kontrast mit dem Makel einer Ungerechtigkeit steht, so steckt hinter dem Martyrium von Maria Goretti ein Skandal, der zu Beginn dieses Jahrhunderts unerhört schien. Fast fünfzig Jahre später, inmitten der oft unzureichenden Reaktion der Guten, scheint sich die Unsitte verschworen zu haben; sie macht sich Bücher, Bilder, Schauspiele, Castings, Mode, Strände und Vereine zu Nutzen, um die Gesellschaft und die Familien zu untergraben, vor allem zum Schaden selbst des zartesten Kindesalters, zum Schaden derjenigen, die die natürlichen Lehrmeister der Tugend sind“, sagte Papst Pius XII. anlässlich der Heiligsprechung Maria Gorettis auf dem römischen Petersplatz.

Maria Goretti, genannt Marietta, war das älteste von fünf Kindern einer verarmten Bauernfamilie. Am 5. Juli 1902 versuchte der sechzehnjährige Sohn ihres Verpächters sie zu vergewaltigen, da Marietta sich jedoch heftig wehrte, stach er mit einer Ahle vierzehnmahl auf das Mädchen ein. Am Tag darauf verstarb Marietta im Krankenhaus von Nettuno.

Alsbald wurde Maria Goretti von der italienischen Landbevölkerung als Märtyrerin verehrt, 1947 selig- und schließlich am 24. Juni 1950 heiliggesprochen. Weltweit wurden diverse Gebäude und Einrichtungen nach ihr benannt, zwei Filme, eine Oper und ein Theaterstück sowie mehrere Bücher über ihr Leben und ihre Heiligsprechung verfasst.

 

 

 

Tamir Rice

* 2002, † 23.11.2014 in Cleveland, Ohio, amerikanischer Schüler

 

Eine Überwachungskamera in Cleveland dokumentierte Bilder eines jungen, schwergesichtigen Schwarzen, der gelangweilt einen Fußweg entlang schlendert und dabei mit einer Waffe hantiert. Dann setzt er sich in einen kleinen Pavillon.

Ein Anwohner rief die Polizei an und sagte: „Da ist ein Typ mit einer Pistole. Sie ist wahrscheinlich nicht echt, aber er zielt auf jeden. Er sitzt gerade auf einer Schaukel, aber er zieht sie dauernd aus seiner Hose und steckt sie wieder weg und richtet sie auf die Leute…“

Sekunden später stoppte ein Streifenwagen neben dem Pavillon. Ein weißer Polizist springt heraus und weitere 2 Sekunden später war Tamir Rice tot.

Gut ein halbes Jahr darauf riet ein Richter, ein Mord-Verfahren gegen den Todesschützen zu eröffnen, da es genügend Beweise gebe. Ein weiteres Vierteljahr später urteilt ein Gutachter, der Officer habe nicht erkennen können, dass die Pistole von Rice nicht echt gewesen sei, der Officer also in Notwehr geschossen habe. Knapp ein weiteres Vierteljahr später entscheidet eine Grand Jury, den Beamten nicht anzuklagen.

Immerhin kam es in einem Zivilverfahren zu einem Kompromiss: Tamirs Familie ließ ihre Anschuldigungen gegen Cleveland fallen, dafür zahlt die Stadt 6 Millionen $ an die Familie (wovon am Ende noch 1,8 Millionen $ an Anwaltskosten abgingen).

Black lives matter!

 

 

 

Nkosi Johnson,

* 4.2.1989 als Xokani Nkosi bei Dannhuser, KwaZulu-Natal,, † 1.6.2001 in Johannesburg, südafrikanischer Schüler

 

Nkosi Johnson war von Geburt an HIV-positiv. Seine Mutter, von der Krankheit geschwächt,  gab ihn zur Adaption frei. Vater unbekannt.

Im Alter von 8 Jahren wollte ihn eine Grundschule wegen seines HIV-Status nicht aufnehmen, das erregte Aufsehen. Er wurde später zur 13. Internationalen Aids-Konferenz eingeladen und beendete sein Referat mit den Worten: Kümmert euch um uns- wir sind alle Menschen. Wir sind normal. Wir haben Hände. Wir haben Füße. Wir können laufen, wir können reden, wir haben Bedürfnisse wie alle anderen – keine Angst vor uns -  wir sind alle gleich!

Im Alter von 12 Jahren starb Nkosi Johnson an Aids. Postum wurde ihm der Internationale Kinderfriedenspreis durch Michail Gorbatschow überreicht. Nelson Mandela nannte ihn eine „Ikone des Kampfes ums Leben.

 

 

 

Hector Pieterson,

* 19.8.1963 als Hector Pitso in Soweto, † 16.6.1976 ebd., südafrikanischer Schüler

 

Der Schüler Hector Pieterson, dessen Familie ihren Namen Pitso, in Pieterson geändert hatte, um im Apartheid-Südafrika besser Chancen zu haben, nahm im Juni 1976 in Soweto an einer friedlichen Demonstration teil, um gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache zu protestieren. Hector Pieterson kam wie mehr als 500 weitere Demonstranten an diesem Tag durch das brutale Vorgehen der Apartheid-Polizei ums Leben.

Hector Pieterson wurde zur Symbolfigur dieses Aufstands, da ihn Sam Nzima fotografiert hatte – auf die Arme eines Studenten gebettet, sterbend. Ein Foto, das um die Welt ging.

An seinem 26. Todestag weihte Nelson Mandela in Sowetos Township Orlando das Hector-Pieterson-Memorial ein und eröffnete das Hector-Pieterson-Museum.

 

 

 

Sadako Sasaki

* 7.1.1943 in Hiroshima, † 25.10.1955 ebd., japanische Schülerin, Hibakusha

 

Heute nach Hiroshima. Zwischenstopp in Osaka, umsteigen in einen anderen der Shinkansen, von Hikari nach Sakura. Rund 1000 Kilometer, gute fünf Stunden unterwegs.

In Hiroshima regnets, nein, es schüttet. Und als wir dann nach halbstündigem Marsch unter rasch gekauften Regenschirmen am Zenograph im Friedenspark stehen, dem Mahnmal für die Atombombenopfer, das weltbekannte leere Grab mit der ewigen Flamme, die solange brennen soll, bis die letzte Atombombe auf Erden vernichtet ist, uns verbeugen, scheint der Himmel auf einmal alle Schleusen zu öffnen. Armenier würden sagen: der Himmel weint. Ja, das aber heftig hier, nein heftigst.

Hier begann am 6. August 1945, genau um 8.165 Uhr, eine neue Zeitrechnung. Und so viele Zeitrechnungen es gibt auf dieser Welt, eine christliche, eine jüdische, eine mohammedanische, eine aztekische, eine buddhistische, eine japanische (die auf den Amtsantritt des jeweiligen Tenno bezogen ist)… - eigentlich sollte es auf dieser Welt nur noch eine einheitliche, alle Menschen mahnende Zeitrechnung geben: das Jahr nach Hiroshima. Dann hätten wir zur Jahrtausendwende im Jahr 70 gelebt…

Hara Taniki, japanischer Lyriker, der die Atomexplosion zwar überlebte, doch sich wenige Jahre später verzweifelt vor einen Zug warf, schrieb in Sonnenblumen: „Durch die Weite des silbernen Nichts, das sich gleißend unter der glühenden Sonne breitete, zogen sich Straßen, Flüsse und Brücken. Da und dort lagen wie künstlich angeordnet rotverbrannte, aufgequollene Leichen. Das musste eine neue, durch eine sorgfältig genaue Methode herbeigeführte Hölle sein. Alles Menschliche war hier ausgemerzt.“

Auf dem so genannten A-Bomben-Dom, der Ruine der einstigen Hiroshimaer Handelskammer mit dem Stahlkuppelskelett, entdecke ich einen Graureiher. Und da wird’s mir ob des Symbolismus ein bisschen zu viel. Der Graureiher, schon so etwas wie mein Wappentier, da der Roman „Graureiherzeit“ wohl eines meiner wichtigsten Bücher ist, im nächsten Jahr als „Graureiherzeiten“ in neuer Fassung sogar neu erscheint… Schauder.

Gut also, dann die Kinder am Kinder-Denkmal zu sehen und singen zu hören vor allem. Für Sadako Sasaki singen sie, die den Atombombenabwurf als Zweijährige überstand, doch an Leukämie erkrankte und begann Origami-Kraniche zu falten um so – entsprechend des japanischen Glaubens - von den Göttern ihren Wunsch nach Gesundheit erfüllt zu bekommen. 1.000 Kraniche müsse man falten, hörte Sadako falten. Doch obwohl sie etwa 1.600 farbenprächtig vollendete, starb sie, wurde Hibakusha, Atombombenopfer, zwölfjährig.

Seitdem falten japanische Kinder und Kinder in der ganzen Welt hoffnungsvoll bunte Kranichketten, schicken oder bringen sie hierher, zum Kinder-Denkmal im Friedenspark, wo all die Kraniche in Vitrinen zu sehen sind.

Ein Denkmal für Sadako gibt es mittlerweile auch in Amerika, in Seattle. Und auch in Köln erinnert seit 2007 das Mahnmal „Atombomben abschaffen“ auch an Sadako. Kinder in Japan wie Kinder in Amerika wie Kinder in Deutschland also falten und falten Kraniche und bringen sie zu Sadako und wünschen sich Frieden, ja, Frieden, weltweit.

Ja, und so singen dann die Kinder auch das Lied für Sadako… Ja, sogar im heftigsten Regen:

Yes I do hear those many voices of

Who had vanished to prove love and peace

Yes I feel so much of love come to me

Even if I try to close my heart

 

Fly away Orizuru

Flying for the true happiness

Fly away Orizuru

Sending in the love to all the world…

 

 

 

Samantha Reed Smith

* 29.6.1972 in Houlton, Maine, † 25.8.1985 in Auburn, Maine, amerikanische Friedensaktivistin

 

Nach der amerikanischen Schülerin Samantha Reed Smith wurden ein Asteroid, ein Berg, eine Rose und ein Diamant benannt. Eine Briefmarke zeigt ihr Konterfei, eine Grundschule ihrer Heimatstadt trägt ihren Namen, vor dem Parlamentsgebäude Maines steht eine Statue, die sie bei Freilassen einer Taube darstellt, zu ihren Füßen ein junger Bär, und sie erhielt Angebote, in Soaps mitzuspielen.

Warum?

Samantha Reed Smith hatte in einer der kältesten Phasen des Kalten Krieges tatsächlich und vernehmbar gesagt, die Russen seien „wie wir“!

Als Zehnjährige hatte sie an den neugewählten KPdSU-Generalsekretär Juri Wladimirowitsch Andropow geschrieben und ihrer Ängste artikuliert, dass es zwischen ihrem Heimatland und der Sowjetunion zu einem Nuklearkrieg kommen könne. Immerhin erhielt sie postwendend eine Eingangsbestätigung aus Moskau, aber keine Antwort auf ihre Fragen und wandte sich daraufhin an den sowjetischen Botschafter in Washington D.C. Das erweckte Medieninteresse. So schrieb ihr Andropow schließlich auch einen Brief und lud sie zu einem Besuch in die Sowjetunion ein. Bald war sie nunmehr medienbegleitet Gast in Leningrad und im Pionierlager Artek auf der Krim. Und nach einem Treffen mit gleichaltrigen Schülern sagte sie eben diesen Satz.

Gut vorstellbar, das Samantha Reed in diesem Sinne noch einiges hätte sagen und bewirken können, wäre das Flugzeug, dass sie zu Dreharbeiten zur Fernsehserie „Lime Street“ bringen sollte, nicht abgestürzt.

 

 

Hana Brady

* 16.5.1931 als Hana Bradyová in Nové Mešto na Moravě, † 23.10.1944 im KZ Auschwitz-Birkenau, tschechische Schülerin

 

Hana Brady wurde durch den Bestseller „Hanas Koffer. Die Geschichte der Hana Brady“ weltweit bekannt.

Hana, genannt „Hanička“, wuchs in Nové Mešto auf, wo ihre Eltern einen Laden bewirtschafteten und sie mit ihrem älteren Bruder, die einzigen jüdischen Kinder des Städtchens waren. Nachdem ihre Eltern 1941 verhaftet worden waren, nahm sich ein katholischer Onkel der beiden an. Im Jahr darauf wurden sie jedoch nach Theresienstadt gebracht, und im Oktober 1944 ins KZ Auschwitz-Birkenau. Noch am Tag ihrer Ankunft wurde Hanička ermordet. Ihr Bruder überlebte.

 

Ihr Koffer überdauerte den Krieg und wurde im Museum in Auschwitz ausgestellt und gelangte dann im Jahr 2000 für eine Ausstellung sogar nach Japan. Durch ein Projekt der Jugendgruppe „Kleine Flügel“ wurde Hanička Leben rekonstruiert und sogar ihr Bruder gefunden, der als George Brady in Toronto lebte. Er erzählte die Geschichte der beiden Brady-Kinder, die kanadische Autorin Karen Levine hörte die Story im Radio und schrieb sie auf. „Hanas Koffer“ wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und 2009 unter dem Titel „Inside Hana’s Suitcase“ verfilmt.

 

 

 

Mattie Stepanek

* 17.7.1990 als Matthew Joseph Thaddeus Stepanek in Wshington, D.C., † 22.6.2004 ebd., amerikanischer Lyriker

 

Maybe,

Someday,

We will all join hands

And live together…

Helping each other,

Loving each other.

Seit seiner Geburt litt Mattie Stepanek an einer Erbkrankheit, an der seine drei älteren Geschwister verstorben waren.

Mattie begann im Alter von drei Jahren Gedichte zu schreiben. Und als er acht Jahre darauf wegen einer lebensbedrohenden Halsblutung in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, erfüllte ein  kleiner Verlag seinen größten Wunsch und druckte 200 Exemplare seines Gedichtbandes „Heartsongs“ für Freunde und Verwandte. Nach einer Pressekonferenz entwickelte sich jedoch eine ungeahntes Nachfrage, mehr als 500.000 Exemplare wurden gedruckt.

Mattie Stepanek starb im Alter von 13 Jahren an seiner Muskeldystrohie.

Maybe,

Someday,

We can become

As close to perfect

As anything and anyone can get.

 

Let us each join our own Heartsong

With this old song of the heart, and believe…

 

“Let there be peace on earth,

And let it begin with me.”

 

 

 

 

Peter James Lenz

* 30.5.1997 in Orlando, Florida, † 29.10.2010 in Indianapolis, Indiana, amerikanischer Motorradrennfahrer

 

Peter James Lenz war wohl einer der jüngsten Motorradrennfahrer, der eine Profi-Lizenz erhielt: mit elf startete er seine Karriere in der 125er Klasse.

Bereits als Fünfjähriger hatte er begonnen, Motorrad zu fahren. Seine Maschinen wurden immer größer und leistungsfähiger und alsbald fuhr er auch Rennen. Insgesamt sollte er dann 125-mal gewonnen haben.

Peter James Lenz war wohl einer der jüngsten Profi-Rennfahrer, der bei einem Motorradrennen ums Leben kam.

 

 

 

John Charles Francis von Großbritannien und Irland

* 12.7.1905 in York Cottage, Norfolk, † 18.1.1919 in Wood Farm, Norfolk, englischer Prinz

 

Zwar war Prince John nur die Nummer 5 in der englischen Thronfolge, doch wer weiß…

Sein ältester Bruder Edward wurde zu Edward VIII., dankte jedoch nach nur zehn Monaten ab, da er seiner amerikanischen Geliebten den Vorzug gab.

Sein zweitältester Bruder George, wurde zu George VI., starb allerdings nach wenigen Jahren Regentschaft.

Sein drittältester Bruder Henry wurde zum Generalgouverneur von Australien ernannt.

Sein viertältester Bruder George kam im Zweiten Weltkrieg bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Und während zum Gedenken an Price George immerhin eine Stadt in der kanadischen Provinz British Columbia benannt wurde, erinnert bis dato nichts an Price John. Price John galt als behindert, er litt an Epilepsie und zeigte Anzeichen von Autismus.

 

 

 

Alexei Nikolajewitsch Romanow

* 12.8.1904 in Peterhof, † 17.7.1918 in Jekaterinburg, russischer Thronfolger

 

Alexei Nikolajewitsch Romanow, der Zarewitsch, war Bluter.

Im alter von zwei Jahren zog sich der russische Thronfolger eine offene Wunde zu, die Ärzte der Zarenfamilie vermochten die Blutungen des Jungen jedoch zu stoppen. Im Herbst des Jahres 1907 waren sie dann aber mit ihrem Latein am Ende, verzweifelt ließ seine Mutter den Wunderheiler Rasputin rufen. Ihre Schwägerin Olga Alexandrowna erinnerte sich: „Alexei war knapp drei Jahre alt und beim Spielen im Park von Zarskoje Selo gestürzt. Er weinte nicht einmal, sein Bein zeigte keine größere Wunde, doch der Sturz hatte innere Blutungen in Gang gesetzt, und innerhalb weniger Stunden litt er unter größten Schmerzen… Es war die erste Krise von so vielen, die folgen sollten. Das arme Kind lag da, den kleinen Körper gekrümmt vor Schmerzen, das Bein schrecklich geschwollen, unter den Augen dunkle Ränder. Die Ärzte waren schlicht nutzlos. Sie schauten angstvoller als wir und flüsterten ständig untereinander. Es gab anscheinend nichts, was sie tun konnten, und es vergingen Stunden, bis sie alle Hoffnung aufgaben. Nun sandte Alicky (die Zarin) eine Nachricht an Rasputin nach Petersburg. Er kam nach Mitternacht in den Palast. Am Morgen traute ich meinen Augen nicht: der Kleine war nicht nur am Leben, sondern gesund. Er saß aufrecht im Bett, das Fieber war weg, die Augen waren klar und hell – und keine Spur mehr von der Schwellung am Bein! Der Schrecken des Vorabends wurde zu einem unglaublichen fernen Albtraum. Ich erfuhr von Alicky, dass Rasputin das Kind nicht einmal berührt hatte, sondern nur am Fußende des Bettes gestanden und gebetet hatte. Natürlich kamen einige Leute sofort auf die Idee, dass Rasputins Gebete einfach mit der Genesung meines Neffen zusammengetroffen wären. Zum einen würde jeder Arzt Ihnen erzählen, dass solch eine ernste Erkrankung nicht innerhalb von wenigen Stunden geheilt werden kann. Davon abgesehen, würde der Zufall als Erklärung, sagen wir, ein- oder zweimal ausreichen, aber ich konnte schon nicht mehr zählen, wie oft dies vorkam.“

Im Oktober des Jahres 1912 stürzte der Zarewitsch während eines Jagdausflugs der Zarenfamilie im Białowieża-Urwald, und da sich die Leibärzte letztlich erneut nicht mehr zu helfen wussten, wurden Alexei sogar schon die Sterbesakramente erteilt. Nun wurde an Rasputin telegraphiert: „Ärzte hoffnungslos. Unsere einzige Hoffnung sind ihre Gebete.“ Rasputin antwortete der Zarin: „Habe keine Angst. Gott hat deine Tränen gesehen und deine Gebete erhört. Dein Sohn wird leben. Die Ärzte sollen ihn nicht weiter quälen.“

Tatsächlich erholte sich der Zarewitsch allmählich und Rasputins Einfluss am Zarenhof wuchs, wuchs und wuchs, wuchs so sehr, dass der monarchistische Abgeordnete Wladimir Mitrofanowitsch Purischkewitsch im November 1916 in der Duma wetterte: „Finstere Kräfte sind es, die das Land regieren und den Willen des Herrschers in Fesseln legen… Dies allein geht von Rasputin aus. Die Existenz des Reiches ist bedroht.“ Ende Dezember 1916 war Purischkewitsch dann einer der Verschwörer, die Rasputin ermordeten.

Und die Verletzungen, die ein Erschießungskommando auf Befehl des Jekaterinenburger Gebiets-Sowjets Zarewitsch Alexei in der Villa Ipatjew zufügte, wo die Zarenfamilie von Bolschewiki nach der Oktoberrevolution gefangen gehalten wurde, Bajonettstiche, Schüsse in Leib und Kopf, waren dann schlicht unheilbar, waren tödlich.

 

 

 

Christian III. Moritz

* 7.11.1680 in Merseburg, † 14.11.1694 ebd., sächsischer Herzog

 

Der Urgroßvater Christians, der sächsische Kurfürst Johann Georg II., hatte testamentarisch verfügt, dass sein Land unter seinen vier Söhnen aufgeteilt werde. So entstand auch die Sekundogenitur Sachsen-Merseburg, und der Großvater Christians, wurde als Christian I., erster Herzog dieses Ländchens. Sein Sohn, Christans Vater also, regierte dann als Christian II. hier. Und am 20. Oktober 1694 folgte ihm Christian als Christian III. nach.

Allerdings herrschte er nur 25 Tage.

Bemerkenswert, wie viele Kinder des Herzoghauses Sachsen-Merseburg wie der benachbarten Sekundogenituren Sachsen-Weißenfels und Sachsen-Zeitz jung starben, und wie viele an die Macht gekommene Herrscher hier kinderlos blieben.

So auch der Nachfolger Christian III., sein Onkel Moritz Wilhelm, und dessen Nachfolger Herzog Heinrich. Der letzte Herzog von Sachsen-Merseburg starb im Jahre 1738, kinderlos. Der letzte Herzog von Sachsen-Zeitz war bereits im Jahre 1718 verschieden, der letzte von Sachsen-Weißenfels entschlief im Jahre 1746.

Nunmehr waren alle drei sächsischen Sekundogenituren ausgestorben. Kursachsen war wieder vereint.

 

 

 

Alfonso de Borbón

* 3.10.1941 in Rom, † 29.3.1956 in Estoril, spanischer Prinz

 

Alfonso de Borbón war der jüngere Bruder des spanischen Königs Juan Carlos. Jener Juan Carlos, der im Alter in die Schlagzeilen geriet, da er in Afrika wüst Großwild abballerte, schamlos fremd ging, üble Rollen in Finanzaffären spielte und schließlich abdanken musste. Und da Juan Carlos gern beharrlich schweigt bleibt wohl unaufgeklärt, was das für eine Ballerei am Gründonnerstag des Jahres 1956 in der Estoriler Villa Giralda war, bei der Alfonso de Borbón zu Tode kam.

Das Königshaus ließ am nächsten Tag verlautbaren, Prinz Alfonso habe sich beim Reinigen seiner Pistole versehentlich selbst erschossen.

Eine Angestellte des Königshauses erzählte, Juan Carlos habe die Waffe auf seinen Bruder gerichtet und abgedrückt, wusste aber nicht, dass die Pistole geladen war.

Pilar, die ältere Schwester von Juan Carlos und Alfonso, vertraute einer Freundin an, Juan Carlos habe abrupt eine Tür geöffnet hinter der sein Bruder stand, und durch diesen Stoss habe sich der Schuss gelöst.

Der Vater der beiden, Juan de Borbón y Battenberg, das Oberhaupt des spanischen Königshauses, soll die Tatwaffe umgehend in einem See versenkt und Juan Carlos schwören lassen haben, dass das, was da während der königlichen Osterferien an der portugiesischen Küste geschah, keine Absicht war.

Geklärt ist also wohl auf ewig nur, dass Alfonso de Borbón am Gründonnerstag des Jahres 1956 gegen 20.30 Uhr zu Tode kam.

 

 

 

Tatjana Nikolajewna Sawitschewa

* 23.1.1930 in Dworischtschi, † 1.7.1944 in Schatki, sowjetische Schülerin

 

Als Tatjana elf war, schlossen deutsche Truppen den Belagerungsring um ihren Wohnort Leningrad. Statt weiter zur Schule zu gehen, hob sie nun Schützengräben aus und platzierte Sprengfallen.

Und sie begann Tagebuch zu schreiben, für jedes Ereignis, das sie in jenen Kriegstagen bewegte, je eine Seite:

* Schenja starb am 28. Dezember um 12.00 vormittags 1941

* Großmutter starb am 25. Januar, 3 Uhr nachmittags 1942

* Ljoscha starb am 17. März um 5 Uhr vormittags 1942

* Onkjel Wasja starb am 13. April um 2 Uhr nach Mitternacht 1942

* Onkel Ljoscha am 10. Mai um 4 Uhr nachmittags 1942

* Mutter am 13. Mai um 7.30 vormittags 1942

* Die Sawitschwews sind gestorben.

* Alle sind gestorben.

* Nur Tanja ist geblieben.

Im August 1942 wurde Tatjana Nikolajewna Sawitschewa evakuiert, war jedoch schon so schwach, so ausgezehrt, so ohne Lebensmut, dass Tanja Anfang Juli 1944 in einem Waisenhaus starb.

 

 

 

Jermo Ribbers

* 4.4.1993, † 4.1.2008 in Oberstdorf, niederländischer Skispringer

 

Pressemeldung: Am Freitag verunglückte der Nachwuchsspringer beim Training in Oberstdorf (Landkreis Oberallgäu) tödlich. Der Niederländer lebte seit einem halben Jahr als Gastschüler im Oberstdorfer Sportinternat und startete für den Oberstdorfer Skiclub. Bei dem Training mit Weiten zwischen 50 und 60 Metern stürzte er bei der Landung, berührte zweimal die Bande und blieb schließlich bewusstlos liegen. Der Teenager verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus und erlag seinen zahlreichen inneren Verletzungen. Nach Polizeiangaben waren sowohl die Präparierung der Schanze, als auch die Witterungsbedingungen optimal. Der junge Sportler hatte in diesem Winter bereits über 100 Sprünge absolviert und auch im Sommer bereits auf der Schanze trainiert. „Ich habe zwar schon viele Stürze erlebt, aber eine solche Tragik ist schwer zu beschreiben. Wir sind alle vollkommen geschockt“, sagt Stützpunkt- und Internatsleiter Peter Bösel. Entsetzt war auch der Trainer des jungen Niederländers, Stefan Pieper, der die Einheit leitete: „Das Training fand unter optimalen Bedingungen statt. Den Unfall selber konnte ich von meinem Trainerpodest aus nicht sehen, aber der Sprung von Jermo verlief reibungslos und ohne Probleme. Wir alle sind natürlich tief betroffen. Unsere aller Anteilnahme gilt vor allem den Eltern und Angehörigen.“

Eine Vermutung: Mit zehn Jahren wollte Jermo Ribbers plötzlich von Schanzen segeln, wollte Skispringer werden - reichlich ungewöhnlich für einen Flach-, für einen Niederländer. Vielleicht hatte er sich beim Anschauen der Zeichentrickserie SpongeBob in die Figur des Flying Dutchman verguckt, den grün leuchtenden Geist eines Piraten, der auf seinem Geisterschiff über die Weltmeere segelt und Leute erschreckt? Wagner wird er kaum gehört haben.

Die Sage: Eine Begegnung mit dem Fliegenden Holländer, auf dem der Fluch lastet, bis zum Jüngsten Tag weitersegeln zu müssen, weiter, immer weiter, gilt als böses Omen. Alle sieben, zehn oder hundert Jahre darf der Fliegende Holländer an Land, und wenn er da eine Frau findet, die ihn aufrichtig liebt und treu bleibt, wird er erlöst.

Jermo Ribbers aber wurde nur vierzehn Jahre alt.

 

 

 

Rudi Schwander

* 3.8.1938 in Berlin, † 17.6.1953 ebd., deutscher Schüler

 

Im Westberliner „Kurier“ war am 18. Juni 1953 zu lesen: „Berlin (Eigener Bericht, DPA): Zu schweren Zwischenfällen kam es gestern abend zwischen 20 und 22 Uhr an der Grenze zwischen dem französischen und dem sowjetischen Sektor in der Chausseestraße, der Brunnenstraße, der Schwedter- und der Wolankstraße. In der Chausseestraße stürmten Demonstranten eine Volkspolizeiwache. Die Vopo machte von der Schußwaffe Gebrauch. Der sechzehnjährige Werner Sendritzky aus N 65, Müllerstraße 33 (Westsektor), und der vierzehnjährige Rudi Schwanke aus N 4, Anklamer Straße 26 (Ostsektor) wurden getötet.“

Der Augenzeuge Rudi R. gab am 20.6.1953 zu Protokoll, dass in den Abendstunden des 17. Juni, kurz nach 18.00 Uhr, der 14jährige dabei ist, als in der Rheinsberger Straße Volkspolizisten von einer Menge zunächst aufgefordert werden, ihre Waffen wegzuwerfen und sich zu ergeben, dann mit Steinen beworfen werden, ohne dass allerdings jemand getroffen wird. Dann sei aber Feuerbefehl erteilt worden  und die Volkspolizisten hätten mit ihren Pistolen blindlings in die Menge geschossen hätten. Die Demonstranten rannten auseinander und versuchten, in den Westsektor zu gelangen. „Ich hatte in einem Hausflur Deckung gesucht. Von dort aus sah ich einen Jungen auf der Straße liegen, der offenbar getroffen worden war. Er blutete heftig am Kopf, und ich versuchte nun, ihn in den Westsektor zu bringen. Ich rief den Volkspolizisten zu, sie sollten das Feuer einstellen, weil ich den Verletzten bergen wollte, doch diese schossen weiter. Es gelang mir trotzdem, den Jungen bis zur Schönholzer Straße zu bringen und dort an den Rinnstein zu legen. Der Schuss musste in den Hinterkopf gegangen und an der Stirn wieder herausgetreten sein. Um den Blutverlust einzudämmen, drückte ich eine zeitlang meine Hand auf die Stirnwunde. (…) Auf unsere Rufe kam ein Omnibus des Zollgrenzdienstes, der in der Nähe stand, herbei gefahren und wir hoben den Jungen in den Wagen hinein. (…) Der kopfverletzte Junge bewegte sich auf der Fahrt zum Lazarus-Krankenhaus zwar noch, er kam aber überhaupt nicht mehr zu sich. Im Lazarus-Krankenhaus bemühte sich sofort ein Arzt um ihn. Dieser Arzt sagte gleich, dass hier nichts mehr zu machen sei."

 

 

 

Ernst Lossa

* 1.11.1929 in Augsburg, † 9.8.1944 in Irsee, Jenische

 

Ernst Lossas Mutter war jung gestorben, sein Vater wurde als ein „nach Zigeunerart umherziehender Landfahrer“ in einem Konzentrationslager umgebracht. So kam Erich in Kinder- und Jugenderziehungsheime, wo man ihn nach Diebstählen psychiatrisch begutachtete und seine „Unerziehbarkeit“ feststellte. Es handele sich bei ihm „zweifellos um einen an sich gutmütigen, aber völlig willenlosen, haltlosen, fast durchschnittlich begabten, triebhaften Psychopathen. Er wird bei seiner starken Triebhaftigkeit voraussichtlich nicht wesentlich gebessert werden können.“ Als „Degenerationszeichen“ führte man die Längengleichheit von Ring- und Zeigefinger seiner rechten Hand an.

Ernst Lossa wurde zuerst in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren und schließlich in die Zweiganstalt Irsee verlegt und im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nazis im Alter von 14 Jahren mittels einer Giftspritze ermordet.

 

 

 

Carl Filtsch

* 28.5.1830 in Mühlbach, † 11.5.1845 in Venedig, siebenbürger Pianist und Komponist

 

Carl Filtsch galt als Lieblingsschüler Frédérik Chopins. Und auch Franz Liszt unterrichtete ihn zeitweise.

In Wien war er der Musizier- und Spielgefährte des späteren Kaisers Franz Joseph und debütierte als Zehnjähriger im Wiener Musikverein.

Chopin soll, nachdem ihm Carl Filtsch ein Chopinsches Klavierkonzerte vorgetragen hatte, ausgerufen haben: „Mein Gott, welch ein Kind! Kein Mensch hat mich jemals so verstanden.“

Carl Filtsch schuf mehr als zehn eigene Kompositionen und starb kurz vor seinem fünfzehnten Geburtstag an Tuberkulose.

 

 

 

Machbuba

* um 1825 als Bilillee, dann Ajiamé genannt, † 27.10.1840 in Muskau, äthiopische Sklavin

 

Machbuba, wohl vom Volk der Orongo, wurde im Alter von 13 Jahren vom zweiundfünfzigjährigen Hermann von Pückler-Muskau in Kairo als Sklavin gekauft und in sein fürstliches Anwesen nach Muskau gebracht. Keine Frage weshalb, nannte er Bililee doch Machbuba - Geliebte.

Pückler-Muskau notierte: „Den Charakter diese originellen Mädchens zu studieren, an dem die Zivilisation noch nichts hatte verderben können, war mir im Verfolg der Reise eine unerschöpfliche Quelle von Vergnügen für mich […].Woher indes Himmels Namen haben diese Mädchen, die barfuß gehen und nie Handschuhe tragen, diese zarten, gleich einem Bildhauermodell geformten Hände und Füße; sie, denen nie ein Schnürleibchen zukam, den schönsten und festesten Busen; solche Perlenzähne ohne Bürste noch Zahnpulver, und obgleich meistens nackt den brennenden Sonnenstrahlen ausgesetzt, doch die Haust von Atlas, der keine europäische gleichkommt und deren dunkle Kupferfarbe, gleich einem reinen Spiegel, auch nicht durch das kleinste Fleckchen verunstaltet wird?“

1840 in Muskau angekommen, wurde Machbuba nicht im Schloss, sondern in der Rosenvilla im Badepark einquartiert. Sie kränkelte und soll sogar einen Selbstmordversuch unternommen haben, doch „ihre Kleider verhakten sich beim Sprung aus dem Fenster an den eisernen Fensterladenbeschlägen.“ Und dann starb Machbuba an Tuberkulose.

Pückler-Muskau: „Diese Wesen aus der Wüste können nun einmal unser Klima nicht vertragen, sie gehen ein wie Blumen, ohne krank zu sein.“

 

 

 

Manche Masemolo

* 1913 in Marishane bei Polokwane, † 4.2.1928 ebd., südafrikanische Märtyrerin

 

Manche Masemolo blickt seit 1998 als Statue vom Westportal der Londoner Westminster Abbey in die Welt, mit ihr neun weitere steingewordene Märtyrer des 20. Jahrhunderts.

Seit jeher verehrte Manches Stamm, die Pedi in Sukhukhuneland. Naturgötter. Zur Schule ging Manche nie, sie hatte ihrer Familie bei der Arbeit zu helfen, auf dem kargen Acker, im Haushalt. Dann tauchte 1919 ein Missionar in Manches Heimatdorf Marishane auf, und Manche ließ sich von seinen Erzählungen betören, wollte getauft werden.

Ihre Eltern befürchteten allerdings, dass ihre Tochter sie verlassen, zumindest nicht den längst ausgesuchten Mann heiraten würde, was beides schwere Verluste für die Familie bedeutet hätte. Sie brachten Manche zu einem Medizinmann, der die bösen Geister aus ihr vertreiben sollte. Ihre Eltern halfen mit Stockschlägen gehörig nach. Und als das alles nicht fruchtete, brachten sie ihre abtrünnige Tochter schließlich an einem abgelegenen Hügel ums Leben.

An Manches Todestag pilgern nunmehr Jahr für Jahr Christen zu diesem Ort, an dem Ort seit 2017 zudem ein Gedenkmonument für die 1975 heilig gesprochene Manche Masemolo steht.

 

 

 

Dawid Rubinowicz

* 27.7.1927 in Krajno, † 1942 im KZ Treblinka, polnischer Schüler

 

Das bislang bekannte Tagebuch des vierzehnjährigen Dawid Rubinowicz bricht am 1. Juni 1942 mitten im Eintrag abrupt ab:

 

Heute morgen waren zwei jüdische Frauen aufs Land gegangen. Mutter und Tochter. Zum Unglück fuhren die Deutschen von Rudki nach Bodzentyn Kartoffeln holen und sind ihnen begegnet. Als die beiden Frauen die Deutschen erblickten, da begannen sie zu fliehen, wurden aber eingeholt und festgenommen. Sie wollten sie gleich im Dorf erschießen, aber der Dorschulze ließ es nicht zu. Da sind sie an den Waldrand gegangen und haben sie dort erschossen. Die jüdische Polizei fuhr gleich hin, um sie auf dem Friedhof zu begraben. Als das Fuhrwerk zurückkam, war es voll Blut. Wer

 

Bekannt war, dass Dawid wenig später mit den anderen jüdischen Einwohnern seines Ortes, seinen Eltern, Geschwistern, Verwandten, Freunden, ins Vernichtungslager Treblinka gebracht und dort ermordet wurde. Durch Zufall wurden jüngst weitere Tagebuchseiten Dawid Rubinowicz gefunden:

 

Ende August: Ich glaube, außer mir lebt hier schon keiner mehr aus Bodzentyn. Unerträglich dieser Qualm, dieser Gestank aus den Schornsteinen der Krematorien, der sich schmierig auf alles legt, die Baracken, die Wege, die Menschen. Vielleicht bin ich nur noch am Leben, da mich dieser Deutsche immer wieder in sein Zimmer holt…

Mitte September: Auch heute Abend holte er mich wieder, und es war dann sogar ein zweiter SS-Mann dabei. Ich kann nicht sagen, nicht aufschreiben, was sie mit mir machten. Der Neue hatte außerdem einen Fotoapparat dabei. Ich schäme mich so, schäme mich so sehr, will lieber sterben.

Ende September: Nun kommen Abend für Abend schon mindestens acht bis zehn SS-Leute in dieses furchtbare Zimmer, acht bis zehn, acht bis zehn… Alles ist so  widerlich, so lähmend, so abgrundtief. Warum

 

 

 

Emmett Louis Till

* 25.7.1941 in Chicago, † 28.8.1956 in Money, Mississippi, afroamerikanischer Schüler

 

Emmett Louis Till besuchte in den Schulferien seinen Onkel, den Prediger Moses Wright. Eines Tages wollte er in einem Lebensmittelgeschäft Süßigkeiten und Limonade kaufen und soll dabei der weißen Verkäuferin, einer ehemalige Schönheitskönigin, einen bewundernd zugepfiffen haben. Vier Tage später erschien der Ehemann der Verkäuferin mit seinem Halbbruder beim Prediger Wright und verlangten die Herausgabe des Jungen. Wright versuchte die beiden zu beschwichtigen, indem er erklärte, dass der Nordstaatenjungen Emmett mit den Gepflogenheiten des Südens nicht vertraut sei, entschuldigte sich, bot sogar Geld an. Die beiden Weißen schlugen den Prediger jedoch nieder, zerrten Emmett aus dem Haus und schmissen ihn auf ihren Pickup. Weitere drei Tage später fanden Angler Emmetts Leiche im Tallahatchie River. An seinen Hals war mit Stacheldraht ein 30 kg schwerer Ventilator einer Baumwollmaschine befestigt, die Nase war gebrochen, ihm fehlte ein Auge und an der rechten Schläfe klaffte ein Einschussloch.

In der Gerichtsverhandlung wurden die beiden Täter freigesprochen, gaben wenig später aber gegenüber einer Zeitung nach einer Honorarzahlung aber zu, Emmett ermordet zu haben – was aufgrund der Rechtslage keine juristischen Konsequenzen hatte. Der Freispruch galt.

Bei der Trauerfeier für Emmett Till defilierten in Chicago 50.000 Menschen an seinem Sarg vorbei. Die Proteste gegen den Freispruch seiner Mörder markieren einen Meilenstein der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

Bob Dylan schrieb den Song „The Death of Emmett Till“. Emmylou Harris sang „My Name is Emmett Till”, Melody Gardot “Preacherman”. Rake and The Throne rappten: „Wir sind weit hinter die Grenzen des Gedränges gegangen, liegen im Feld wie Emmett, ich verliere das Bewusstsein, aber ich gebe nicht auf…“

Clare Cross schrieb das Stück „Emmett, Down In My Heart“, ein Gemälde, eine Oper, ein Dokumentar- und Spielfilm sowie zwei Romane entstanden. Und sogar ein Raumschiff der „Star Trek“ Serie wurde nach Emmett Till benannt.

 

  

 

 

Berkin Elvan

* 5.1.1999, † 11.3.2014 in Istanbul, türkischer Schüler

 

Am frühen Morgen des 13.6.2013 verließ Berkin Elvan sein Elternhaus im Istanbuler Stadtteil Okmeydanı, um Brot zu kaufen. Seit Tagen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen im Geza-Park zwischen Protesten und der Polizei. So stieß Berkin dann auch unvermittelt auf Polizisten und eine Tränengasgranate traf ihn am Hinterkopf. Er fiel ins Koma und starb neun Monate später in einem Krankenhaus.

Nach Berkin Elvans Tod kam es landesweit zu Massenprotesten. Und während der türkische Staatspräsident Abdullah Gül der Familie kondolierte, behauptete Ministerpräsident Erdoğan, der junge Alevit sei ein Terrorist gewesen.

Im April 2016 verlangte das türkische Konsulat in Genf ein Foto Berkins aus einer Ausstellung zu entfernen, die in der Genfer Stadtverwaltung gezeigt wurde. Auf einem zugehörigen Transparent entstand: „Ich heiße Berkin Elvan, die Polizei hat mich auf Anordnung des türkischen Ministerpräsidenten getötet“.

 

 

 

Philipp von Frankreich

* 29.8.1116, † 13.10.1131 in Paris, französischer König

 

Philipp, Lieblingssohn seines Vaters, König Ludwig VI. von Frankreich, wurde im Alter von 12 Jahren zum Mitregenten gekrönt.

Seine Regentschaft währte jedoch nur zweieinhalb Jahre. Denn als er im Oktober 1131 mit seinem Gefolge an der Seine entlangritt, scheute sein Pferd plötzlich vor einem Schwein. Philipp wurde über den Pferdekopf geschleudert und verletzte sich beim Aufprall so schwer, dass er tags darauf verstarb.

Nun rückte sein jüngerer Bruder Ludwig auf, der dann als Ludwig VII. im Jahre 1137 zum Alleinherrscher wurde, 1145 einen katastrophalen Kreuzzug lostrat und daheim herbe Gebietsverluste der seit fast 200 Jahren in Frankreich herrschenden Kapetinger zu verantworten hatte.

Schwer zu sagen, wie die französische Geschichte verlaufen wäre, hätte Philipps Pferd nicht vor einem Schwein gescheut.

 

 

 

John Condon

* um 1900 in Waterford, Irland, † 24.5.1915 bei Ypern, britischer Soldat

 

John Condon gilt als jüngster Soldat der Alliierten, der im Ersten Weltkrieg fiel.

Wahrscheinlich hatte er falsche Angaben über sein Alter gemacht, als er am 24.10.1913 meldete, um in die Armee aufgenommen zu werden. Am 7.8.1914 wurde seine Einheit mobilisiert und am 16.12.1914 wurde das 2. Bataillon des Royal Irish Regiments an die Front im Ypernbogen geschickt. Hier kam es dann am 24.5.1915 zu einem der ersten Giftgasangriffen der deutschen Truppen. John Condon starb infolge dieses Angriffs. Seine Familie soll nicht gewusst haben, dass er Soldat war und an der Front kämpfte.

2014 wurde in Waterford zur Erinnerung an alle Iren aus der Stadt und dem Country Waterford, die im Ersten Weltkrieg fielen, das John Condon Memorial eingeweiht.

 

 

 

Hastings Ndlovu

* 2.2.1961, † 16.6.1976 in Soweto, südafrikanischer Schüler

 

Am 16. Juni 1976 versammelten sich mehrere Tausend Schüler und Studenten im Johannesburger Township Soweto, um gegen die zwangsweise Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache im Zuge der Apartheid zu protestieren. Anrückende Polizisten feuerten umgehend auf die Demonstranten. Hastings Ndlovu war eines der ersten der bis zu 700 Todesopfer.

 

 

 

 

Anne Frank

* 12.6.1929 als Annelies Marie Frank in Frankfurt am Main, † Februar/März 1945 im KZ Bergen-Belsen, deutsche Autorin

 

Während einer Sonnenwendfeier im Jahre 2006 verbrannten Neonazis auf einer Wiese hinter dem Gemeindehaus von Pretzien nach einer US-Flagge das „Tagebuch der Anne Frank“. Anwesend waren sogar Polizisten. Die gaben später zu Protokoll nicht eingeschritten zu sein, da sie nicht gewusst hätten, wer Anna Frank war.

Insofern sollte nunmehr eine obligate Prüfungsfrage für angehende Polizeibeamte sein, warum man Anne Frank kennen muss. Zur Prüfungsvorbereitung könnte ein Merk-Zettel dienen:

 

Die Eltern Anna Franks wanderten 1934 mit ihr und ihrer drei Jahre älterer Schwester Margot von Frankfurt am Main nach Amsterdam aus, um Verfolgungen durch die Nazis zu entgehen. Die Franks waren jüdischen Glaubens. Schon damals begann Anne zu schreiben, ihre Gedanken, ihre Gefühle festzuhalten. diese frühen Aufzeichnungen sind jedoch nicht erhalten. Nachdem die Nazis 1940 auch die Niederlande besetzt hatten, ersuchte Annes Vater für seine Familie Asyl in den USA oder in Kuba zu erhalten. Vergeblich. Die Franks versuchten im Alltag nicht aufzufallen, hofften so zu vermeiden, was Juden in Deutschland schon widerfahren war. An ihrem 13. Geburtstag bekam Anne ein rot-weiß kariertes Tagebuch geschenkt und begann sofort zu notieren, was ihr widerfuhr, auf Niederländisch.

Als Annes Mutter aufgefordert wurde, sich zu melden, um in ein Arbeitslager deportiert zu werden, versteckte sich die Familie in einem Hinterhaus der Firma, die Annes Vater einst geleitet hatte. Vier weitere Juden schlüpften mit unter. Niederländische Nachbarn halfen. Doch die Franks wurden schließlich verraten, um Kopfgeld zu kassieren möglicherweise, nie wurde geklärt, von wem. Am 4. August 1944 verhafteten Nazis die Versteckten. Anne kam zuerst nach Auschwitz und von da am 1. November 1944 nach Bergen-Belsen. Dort starb Anna Frank, kurz bevor die Alliierten die Insassen dieses KZ befreien konnten, wahrscheinlich an Fleckfieber. Ihre Mutter wie ihre Schwester wurden ebenfalls von den Nazis ermordet, nur ihr Vater überlebte.

1947 veröffentlichte er das Tagebuch seiner Tochter - zum Gedenken, als Mahnung, als Warnung vor Rassismus und Völkermord. Nelson Mandela beispielsweise bekannte in seiner Biografie, das „Tagebuch der Anne Frank“ habe ihm während seines Gefängnisaufenthalts auf Robben Island immer wieder Mut gegeben. Der amerikanische Schriftsteller Meyer Levin sprach Annes Tagebuch auch literarische Qualität zu, da es „die Spannung eines gut konstruierten Romans erhält.“ Es wurde in mehr als 70 Sprachen übersetzt und mehrfach verfilmt. Im Jahr 2009 nahm die UNESCO das „Tagebuch der Anne Frank“ in das „Weltdokumentenerbe“ auf.

Am 17. November 1942 verfasste Anne den

„PROSPEKT UND LEITFADEN VOM HINTREHAUS

Stiftung, eigens errichtet zum provisorischen Aufenthalt für Juden und ihresgleichen.

Während des ganzen Jahres geöffnet

Schöne, ruhige, waldfreie Umgebung im Herzen von Amsterdam. Zu erreichen mit Linien 13 und 17, mit Auto und Fahrrad, für diejenigen, denen die Deutschen Gebrauch jeglicher Fahrgelegenheit verboten haben, jedoch auch zu Fuß.

Wohnungsmiete

gratis.

Fettfreie Diätküche

Fließendes Wasser

Im Badezimmer (ohne Wanne) und leider auch an verschiedenen Wänden.

Geräumiges Magazin für Güter aller Art

Eigene Radiozentrale

Mit direktem Anschluß nach London, New York, Tel Aviv und vielen anderen Stationen. Der Apparat steht den Bewohnern ab 6 Uhr zur Verfügung.

Ruhezeiten:

10 Uhr abends bis 7.30 Uhr morgens, Sonntag bis 10 Uhr. Unter den obwaltenden Umständen werden auch Ruhezeiten am Tag eingeschaltet, je nach Anweisung der Hausverwaltung. Diese Anweisungen sind im Interesse der allgemeinen Sicherheit strikt zu befolgen!!!!

Ferien

Fallen bis auf weiteres aus.

Sprachen

Alle Kultursprachen… aber leise!!!

Gymnastik

täglich.

Unterricht

Stenographie wöchentlich eine Stunde (schriftlich). Englisch, Französisch, Mathematik und Geschichte zu allen Tageszeiten.

Mahlzeiten

Frühstück, täglich – mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen – pünktlich 9 Uhr.

Mittagessen 1.15 bis 1.45 Uhr.

Abendessen, kalt oder warm, wegen des Nachrichtendienstes zu verschiedenen Zeiten.

Verpflichtungen gegen den Ravitaillierungsdienst

Jederzeit Bereitschaft zur Hilfe bei Büroarbeiten.

Baden

Die Bade-„Wanne“ steht jeden Sonntag von 9 Uhr ab allen Einwohnern zur Verfügung. Gebadet wird im WC, in der Küche, dem Privatbüro oder Kontor, je nach Wahl.

Starke Getränke sind nur mit ärztlichem Attest gestattet.“

 

Am 11. November 1943 schreib Anne die

„Ode an meinen Füllfederhalter

‚in memoriam’

Mein Füllfederhalter war mir immer ein kostbarer Besitz. Ich habe ihn sehr geschätzt, weil er eine Kugelspitze hatte und ich eigentlich nur mit Kugelspitz-Federn gut schreiben kann. Er hatte ein langes und interessantes Federhalterleben, das ich nun beschreiben will.

Als ich neun Jahre alt war, kam mein Füller (gut in Watte verpackt) hier an als ‚Muster ohne Wert’. Das generöse Geschenk kam von meiner lieben Großmutter, die damals noch in Aachen wohnte. Ich lag gerade mit Grippe im Bett und draußen heulte der Februarwind ums Haus. Der glorreiche Füller hatte ein rotes Lederetui und wurde sehr schnell allen Freundinnen und Bekannten vorgeführt. Ich, Anne Frank, stolze Besitzerin eines Füllfederhalters!

Als ich zehn Jahre alt war, durfte ich ihn zur Schule mitnehmen, und die Lehrerin erlaubte auch, daß ich damit schrieb.

Im nächsten Jahr mußte mein Schatz leider zu Haus bleiben, da die Klassenlehrerin der sechsten Klasse nur Schulfedern erlaubte. Als ich mit zwölf Jahren aufs jüdische Lyzeum kam, wurde ein neues Etui spendiert mit einem Doppelfach noch für einen Bleistift, außerdem sehr schick mit Reißverschluß.

Als ich dreizehn war, kam der Füller mit ins Hinterhaus und begleitete mich treu zu Dir und bei meiner Arbeit. Nun bin ich vierzehn, und er hat sein letztes Jahr mit mir verbracht…

Am Freitagnachmittag kam ich aus meinem Zimmer herüber und wollte mich an den Tisch setzen, um zu schreiben. Ich wurde aber gefühllos weggeschubst weil Margot und Vater Latein arbeiteten. Unbenutzt blieb der Füller auf dem Tisch liegen. Anne mußte sich mit einer kleinen Ecke begnügen und seufzend ‚Bohnen reiben’, das bedeutet, angeschimmelte braune Bohnen wieder saubermachen.

Um drei Viertel sechs fegte ich den Fußboden und warf den Schmutz zusammen mit den Bohnenresten in den Ofen. Eine gewaltige Flamme schlug hoch, und ich war sehr erfreut, weil sich das Feuer, das sehr heruntergebrannt war, wieder erholte. Die ‚Lateiner’ waren inzwischen fertig, und ich konnte wieder an den Tisch, um meine Arbeit fortzusetzen. Aber mein Füller war nicht zu entdecken. Ich suchte gründlich, Margot half, Mutter kam dazu, Vater und Dussel suchten auch, aber mein teurer Freund war spurlos verschwunden. ‚Womöglich ist er mit den Bohnen in den Ofen gekommen’, meiner Margot.

„Ach, nein, das glaube ich nicht’, antwortete ich. Als mein lieber Füllfederhalter dann bis zum Abend nicht zum Vorschein kam, waren wir ziemlich sicher, daß er verbrannt war, um so mehr, als Zelluloid doch so gut brennt. Und wirklich, die traurige Erwartung bestätigte sich, als Vater am nächsten Morgen den Clip in der Asche fand. Von der Goldfeder war nichts mehr übrig. ‚Sicher zwischen den Resten eingeschmolzen“, meinte Vater. Einen Trost habe ich, wenn er auch nur dürftig ist: Mein Füllfederhalter ist eingeäschert, so wie ich es später für mich auch gern möchte!“

 

Annes letzter Eintrag stammt vom 1. August 1944:

„…Ach, ich möchte schon hören, aber es geht nicht; wenn ich still und ernst bin, denkt jeder, es sei eine neue Komödie, und dann muß ich mich mit meinem Witz herausretten, ganz zu schweigen von meiner engeren Familie, die denkt, dass ich krank sei, mir Kopfschmerz- und Nerventabletten zu schlucken gibt, Puls und Stirn fühlt, ob ich Fieber habe, und sich nach meiner Verdauung erkundigt und dann meine schlechte Laune kritisiert. Das halte ich nicht aus. Wenn so auf mich aufgepaßt wird, werde ich erst recht schnippisch, dann traurig, und schließlich drehe ich mein Herz wieder um, drehe das Schlechte nach außen, das Gute nach innen und suche immer wieder nach einem Mittel, so zu werden, wie ich es gern sein möchte, und wie ich sein könnte, wenn… ja, wenn keine anderen Menschen auf der Welt lebten.“

 

 

 

Sanja Milenković

* 30.11.1983 in Kruševac, † 30.5.1999 in Varvarin, serbische Schülerin

 

Am Sonntag nach Pfingsten des Jahres 1999 war Markttag in der serbischen Kleinstadt Varvarin, und nach einem Gottesdienst gab es zudem eine Prozession. Auf der durch die Stadt fließenden Morawa angelte ein Mann und am Ufer des Flusses spielten nahe eine Brücke drei Mädchen, als sich zwei NATO-Jets näherten, um die Brücke zu zerstören. Vier Raketen feuerten sie in zwei Angriffswellen bn. Schon die ersten Raketen töteten Sanja und ihre Freundinnen sowie den Angler, und in der zweiten Welle starben weitere sechs Menschen, die an den Fluss geeilt waren, um zu helfen.

In einem aufsehen erregenden Prozess versuchen Sanjas Eltern in Deutschlands Schadensersatz, will sagen: Gerechtigkeit, zu erlangen. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen.

 

 

 

Anteo Zamboni

* 11.4.1911 in Bologna, † 31.10.1926 ebd., italienischer Anarchist

 

Am 31.10.1926 nahm Mussolini in Bologna an einer Parade zur Erinnerung seines „Marschs auf Rom“ teil. In der Via Rizzoli , drängelte sich Anteo Zamboni nahe eines der Wahrzeichens der Stadt, der Le due Torri, an den Straßenrand und schoss mehrmals auf den Prunkzug. Aneto verfehlte den Duce jedoch. Mussolini-Anhänger aber ergriffen den fünfzehnjährigen Schüler und lynchten ihn sofort.

 

 

 

Amanda Todd

* 27.11.1996, † 10.10.2012 in Port Coquitlam, British Columbia, kanadische Schülerin

 

Als Zwölfjährige versuchte Amanda Todd durch einen Chat, neue Leute kennenzulernen. Von einem Mann ließ sie sich schließlich überreden, vor einer Webcam ihren Oberkörper zu entblößen. Und rasch forderte der Mann von ihr mehr und drohte, ansonsten das Video zu veröffentlichen. Und schon bald darauf informierte die Polizei Amanda, dass dieses Video im Internet kursierte. Und es war auch schon von anderen Leuten entdeckt worden. Amanda wurde gemobbt, ihre Familie zog in eine andere Stadt.

Im Jahr darauf erstellte jemand auf Facebook Amandas Profil unter Nutzung ihres Nacktfotos und machte Klassenkameraden ihrer neuen Schule darauf aufmerksam gemacht. Dem neuerlichen Mobbing versuchte Amanda durch den Wechsel auf eine weitere Schule zu entkommen. Doch mehrere Mädchen beschuldigten sie nun, eine Affäre mit einem Freund eines dieser Mädchen zu haben, beleidigten und schlugen sie. Amanda unternahm einen Suizidversuch, konnte aber gerettet werden.

Die Familie zog erneut um, das Mobbing in sozialen Netzwerken hielt jedoch an. Schließlich veröffentlichte Amanda selbst ein Video, in dem sie Zettel, auf denen sie das, was ihr widerfahren war, aufgeschrieben hatte, schweigend in die Kamera hielt. Einen Monat später brachte sie sich um.

Anderthalb Jahre später ermittelte die Polizei einen fünfunddreißigjährigen Niederländer, dem mehr als dreißig weitere derartige Taten nachgewiesen werden konnten. Drei Jahre darauf wurde er von einem niederländischen Gericht zur Höchststrafe von 10 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt.

 

 

Mario Witt

* 1972, † 28.8.1988 in Ramstein, deutscher Schüler

 

Mario Witt fuhr am 28.8.1988 aus seinem Wohnort Greimersrath bei Trier nach Ramstein, um die große Flugshow mitzuerleben.

Und dann war er einer von 70 Menschen, die bei der Flugtagkatastrophe auf der US-Militärbase ums Leben kamen.

 

 

 

 

Luce Douady

* 17.11.2003 im Départment Isère, † 14.6.2020 in Saint-Pancrasse, französische Freikletterin

 

Luce Douady war bereits Junioren-Weltmeisterin, und nachdem sie bei einem Weltcup-Klettern den fünften Platz belegt hatte postete sie auf Instagramm: „Einfach, unglaublich, magisch, unvergesslich, dieser Wettbewerb bleibt in meiner Erinnerung, ich bin so froh, dass ich mit meinem Herzen geklettert und ich selbst geblieben bin.“

Ihr Trainer sagte dem Le Parisien: „Luce hat beim Klettern so viel Energie und Kraft eingesetzt, dass sie Emotionen freigesetzt hat, sogar Leute, die mit Klettern nicht vertraut waren, waren berührt, nachdem sie Luce gesehen hatten.“

Und der Präsident ihres Kletterclubs fügte hinzu: „Sie hatte eine außergewöhnliche Flexibilität, bemerkenswerte Muskelkraft und einen großen Verstand.“

Dennoch stürzte sie am 14. Juni 2020 tödlich ab, in leichtem Gelände.

Ihre Eltern sagten Tage nach diesem tragischen Unfall: „Wir waren so glücklich zu sehen, wie sie in ihrer Disziplin, ihren Wettbewerben, ihren Erfolgen aufblühte. Gleichzeitig blieb sie bescheiden.“

Luce Douady galt als große Medaillenhoffnung Frankreichs für die Olympischen Spiele 2024 in Paris.

 

 

 

Konradin

* 25.3.1252 auf Burg Wolfsheim bei Landshut, † 29.10.1268 in Neapel, König von Jerusalem und Sizilien

 

In Neapel, in der Kirche Santa Maria del Carmine erinnert eine überlebensgroße Skulptur an Konradin, Sockelinschrift: „Maximilian Kronprinz von Bayern errichtet dieses Denkmal einem Verwandten seines Hauses, dem König Conradin, dem Letzten der Hohenstaufern“.

Dante, Otto Gmelin, Conrad Ferdinand Meyer, Agnes Miegel, Theodor Körner, Martinus Minorita, Benedikte Naubert, August Graf von Platen, Karl Ristikivi, Friedrich Schiller, Gustav Schwab, Ludwig Uhlands, Johannes von Viktring, Giovanni Villani, Konrad Weiß, Johannes von Winterthur beschäftigte das Schicksal Konradins.

Im Alter von zwei Jahren avancierte der Sohn des 1252 wohl an Malaria verstorbenen deutschen Königs Konrad IV. und der Elisabeth von Wittelsbach als Konrad II. zum König von Sizilien, zugleich als Konrad III. zum König von Jerusalem und als Konrad IV. zum Herzog von Schwaben. Im italienischen Volksmund hieß er Corradino, woraus letztlich Konradin wurde.

In den Wirren der damaligen Zeit galt „der gute junge Staufer“ als Friedensbringer, als Einer des Reichs. Da er letztlich jedoch die deutsche Königswürde nicht erlangen konnte, konzentrierte er sich auf das staufische Erbe in Süditalien. Mit einem Heer zog Konradin über die Alpen, verbrachte den Winter 1267/68 in Verona, wurde vom Papst gebannt und geriet in finanzielle Schwierigkeiten, verpfändete einen Großteil seiner Rechts- und Besitzansprüche (was später „Konradinische Schenkung“ heißen sollte und vor allem Bayern nutzte), zog weiter gen Rom und über die Abruzzen und unterlag in der Schlacht von Tagliacozzo den Truppen Karls I. von Anjou, den der Papst mit dem Königreich Sizilien belehnt hatte, vernichtend.

Konradin konnte fliehen, wurde dann aber bei Astura gefangengenommen und schließlich auf der Piazza del Mercato in Neapel im Alter von sechzehn Jahren öffentlich hingerichtet.

 

 

 

Marinus Schöberl

* 4.9.1985 in Wolfen, † 13.7.2002 in Oberuckersee-Potzlow, deutscher Schüler

 

Bei einem Saufgelage wurde Marinus Schöberl von einem Kumpan bezichtigt „wie ein Jude“ auszusehen und forderte ihn auf, das zuzugeben. Und dann prügelten seine Saufkumpane so lange auf ihn ein, bis er dem zustimmte. Daraufhin jedoch brach jedoch eine Gewaltorgie los, Marius wurde gequält, es wurde ihm eine Mischung aus Schnaps und Bier eingeflößt und es wurde auf wehrlosen Jungen uriniert. Schließlich schleppten ihn seine Peiniger in eine nahe Schweinemastanlage und kopierten, was sie in einem Horrorfilm gesehen hatten, den „Bordstein-Kick“: dem Opfer wird in den Nacken getreten während es mit dem Mund auf einer Umrandung fixiert liegt. Danach warfen sie Marius in eine Jauchegrube.

Das Verbrechen konnte aufgeklärt werden, da der Initiator Wochen später vor Gleichaltrigen mit seiner Tat geprahlt hatte. Alle Beteiliten wurden verurteilt, der Haupttäter zu acht Jahren und sechs Monate Jugendhaft, von denen er immerhin acht Jahre absitzen musste.

 

 

 

Heikki Suolahti

* 2.2.1920 in Helsinki, † 27.12.1936 ebd., finnischer Komponist

 

Nie hat Heikki Suolahti gehört, was er komponierte. Erst bei seiner Beerdigung erklangen erstmals Suolahti-Stücke, intoniert von der Sängerin Gertrude Wichmann und dem Städtischen Orchester Helsinki.

Immerhin hatte Heikki Suolahti in seinen sechzehn Lebensjahren eine Sinfonie, ein Klavierkonzert, geistliche Musik, Lieder und eine Oper, die allerdings unvollendet blieb, zu Papier gebracht.

Im Februar 1938 gab es dann eine Uraufführung Suolahtis „Sinfonia piccola“, die Jean Sibelius so sehr begeisterte, dass fortan Werke Heikki Suolahtis vor allem in Konzertsälen Finnlands und der USA erklangen.

 

 

Barthel Schink

* 25.11.1927 als Bartholomäus Schink in Köln, † 10.11.1944 ebd., deutscher Lehrling

 

Nachdem sein Vater 1943 Soldat werden musste, traf sich der Dachdeckerlehrling mit oppositionellen Kölner Jugendlichen heimlich im Ehrenfelder Loch, wurde zum aufmüpfigen Edelweißpiraten. Dann meldete er sich freiwillig zur Waffen-SS und wurde zum Ausbau des Westwalls herangezogen, desertierte jedoch schon am folgenden Tag.

In Köln schloss er sich wieder der wachsenden Ehrenfelder Gruppe der Edelweißpiraten an, die Lebensmittel und Waffen stahlen und im weitgehend zerstörten Ehrenfeld Deserteure, geflüchtete Zwangsarbeiter und untergetauchte Juden versteckten.

Im Herbst 1944 wurde das Versteck der Gruppe verraten, Barthel Schink wurde von der Gestapo verhaftet und mit weiteren 12 Edelweißpiraten ohne Gerichtsverfahren in der Kölner Hüttenstraße gehängt.

1984 wurde Barthel Schink in Israel als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt, 2004 sein Leben unter dem Titel „Edleweißpiraten“ verfilmt.

 

 

 

 

Adrian Maleika

* 22.11.1965, † 17.10.1982 in Hamburg, deutscher Lehrling

 

Als Adrian Maleika mit anderen Bremer „Werder-Fans“ zu einem Spiel des HSV lief, wurde er unweit des Volksparkstadions von Hamburger Hooligans in einem Gehölz unversehens angegriffen. Der sechzehnjährige Glaserlehrling wurde von einem Stein am Kopf getroffen, und als er am Boden lag traten Hooligans auf ihn ein. Tags darauf starb Adrian Maleika an den Folgen eines Schädelbasisbruchs.

Beim Prozess gegen die ermittelten Täter sagte der Richter: die Reaktionen der Angeklagten und ihrer Freunde im Zuhörerraum ließen befürchten, „dass der tragische Tod Adrians nur als Betriebsunfall angesehen werde.“ Drei der acht Angeklagten wurden zu geringen Strafen verurteilt, es wurde allerdings nie geklärt, wer Adrian Maleika getötet hatte.

 

 

 

William Ætheling

* vor 23.11.1103, † 25.22.1120 vor Barfleur, anglonormannisc her Prinz

 

Die Thronfolge schien gesichert: William sollte dem englischen König Heinrich I. nachfolgen. Sein Vater, der auch über die Normandie herrschte,  hatte dafür gesorgt, dass William im Juni 1119 Mathilda, die Tochter des Grafen von Anjou und Maine, heiratete und so auch Ansprüche auf diese Regionen erwarb, und nach diversen Treueschwüren adliger Machthaber wurde William Mitte 1119 in einer Urkunde als designierter König genannt.

Im November 1120 besiegelten William und sein Vater, diese Ansprüche, indem sie nach Frankreich übersetzten, um dem französischen König zu huldigen. Zur Rückkehr nach England bot ein Normannen sein neues Schiff „Blanche-Nef“ an. Der König lehnte das Angebot jedoch ab, nur William bestieg mit seinem Gefolge das Weiße Schiff. Und hier wurde heftig gefeiert, erst gegen Mitternacht setzte man Segel, doch rammte schon an der Hafenausfahrt von Barfleur einen Felsen. Nur ein Passagier überlebte. Williams Leiche wurde nie gefunden.

Und alsbald setzte ein langjähriger Erbfolgekrieg ein.

 

 

 

Sohane Benziane

* 1984, † 4.10.2002 in Vitry-sur-Seine, französische Schülerin

 

Sohane Benziane, Tochter kabylischer Einwanderer, wurde im Alter von 17 Jahren grausam ermordet. Ihr Freund, der Anführer einer Jugendgang, übergoss sie in einem Keller im Beisein anderer Gangmitglieder mit Benzin und zündete sie. Sohane Benziane vermochte noch brennend ins Freie zu laufen, wo eine vorbeikommende Schulklasse ihren Todeskampf sah, für Hilfeleistungen aber war es zu spät.

Infolge dieses Mordes fand ein „Marsch der Frauen aus den Vorstädten“ durch ganz Frankreich statt, der seinen Höhepunkt bei einer Demonstration anlässlich des Internationalen Frauentages 2003 in Paris fand, und es wurde die weltweit agierende Frauenrechtsorganisation „Ni Putes Ni Soumises“ (weder Huren noch unterwürfig) gegründet.

 

 

 

 

Trayvon Martin

* 5.2.1995 in Miami, Florida, † 26.2.2012 in Sanford, Florida, amerikanischer Schüler

 

Der siebzehnjährige Trayvon Martin hatte sich in einem Laden Kaudragees und eine Dose Fruchtsaft gekauft und wollte zum Haus der Freundin seines Vaters. Das kam dem Wachmann einer Wohnanlage verdächtig vor, der Latino verfolgte den jungen Afroamerikaner, und bei einem Handgemenge erschoss er Trayvon Martin „in Notwehr“.

Das war jener Tropfen, der das vielzitierte Fass zum Überlaufen brachte, der die Black-lives-matter-Bewegung auslöste.

Bei einer Demonstration sagte der New Yorker Prediger Al Sharpton: „Wir können einen schwarzen Mann ins Weiße Haus setzen, aber wir können ein schwarzes Kind nicht durch eine geschützte Wohnsiedlung laufen lassen.“ Und Präsident Obama meinte: „Als Trayvor Martin erschossen wurde, habe ich gesagt, er könne mein Sohn sein. Ein anderer Weg das zu sagen ist: Auch ich hätte Trayvor Martin sein können, vor fünfunddreißig Jahren.“

Der Wachmann wurde zwar angeklagt, aber freigesprochen. Die Pistole mit der er Trayvor Martin erschossen hatte, bot er 4 Jahren später einem Aktionshaus an, und als ein „Stück amerikanischer Geschichte“ wurde die Waffe für 250.000 $ verkauft.

 

 

 

Max Burkhart

* 27.9.2000, † 6.12.2017 in Calgary, Kanada, deutscher Skirennfahrer

 

Mit sechzehn nahm Max Burkhart bereits an internationalen Skirennen teil.

Am 5. Dezember 2017 raste der talentierte junge Sportler in Lake Louis die Men’s Olympic Downhill-Piste hinunter, kam aus dem Gleichgewicht, stürzte und schleuderte in die Fangzäune. Die Kanten seines Skis zerschnitten dabei unglücklich ein Sicherheitsnetz, Max Burkhart verletzte sich schwer. Und obwohl er mit einem Rettungshubschrauber rasch in ein Krankenhaus ins nahe Calgary geflogen wurde, starb er dort am nächsten Tag.

Der Ski-Olympiasieger Markus Wasmeier meinte: „Dass der Sport gefährlich ist, weiß jeder, der am Start steht. Das Risiko und die Herausforderung zu meistern, ist genau das, was Spaß macht.“

Max Burkhart wurde nur siebzehn Jahre alt.

 

 

 

Ptolemaios XV. Kaisar, „Caesarion“

* 23.6.47 v. Chr. in Alexandria, † 23.8.30 v. Chr. ebd, Pharao

 

Ptolemaois XV. war der Sohn Kleopatras und Caesars (der ihn in Gestalt des Sonnengottes Re gezeugt haben soll). Von 44. v. Chr. bis zu seinem Tode regierte der „Caesarion“ genannte Pharao gemeinsam mit seiner Mutter Ägypten.

Nach der Ermordung Caesars wurde Antonius der Geliebte Kleopatras, und nachdem beide von Octavian besiegt wurden und Kleopatra sich das Leben genommen hatte, ließ Octavian, um ungestört über Ägypten herrschen zu können. den Caesarion hinrichten.

Ptolemaios XV. Kaisar wurde nur 17 Jahre alt.

 

 

Walerian Wróbel

* 2.4.1925 in Falków, † 25.8.1942 in Hamburg, polnischer Zwangsarbeiter

 

Walerian Wróbel, war der älteste Sohn einer Bauernfamilie, deren Hof in den ersten Kriegstagen durch die deutsche Luftwaffe zerstört wurde. Kurz nach seinem 16, Geburtstag schickten ihn die deutschen Besatzer zur Zwangsarbeit nach Bremen und er wurde dem Martenschen Hof in Lesumbrok zugewiesen. Er litt unter Heimweh und versuchte zu fliehen, wurde gefasst und steckte in der verzweifelten Hoffnung, zur Strafe nach Polen zurückgeschickt zu werden, in einer Scheune ein Heulager in Barnd. Nun verhaftete und verhörte ihn die Gestapo und er wurde ins KZ Neuengamme gebracht. Ein Mithäftling beschrieb ihn später so: „Walerek war sehr jung, sehr naiv. Erfahrung hatte der auch keine. So naiv: Wenn Du ihm sagst: Das und das ist wahr oder so und so ist das im KZ – Der glaubt das sofort. Der glaubt alles. Für solche ist das schwer im KZ, sehr schwer. Da musst Du brutal sein, aber nicht naiv, und Walerek war immer naiv, sehr naiv. Von den Eltern hat er immer erzählt, von der Schwester, von der Schule.“

Als es dann im April 1942 in Bremen zu einem Haftprüfungstermin kam, verurteile ihn das Gericht trotz seiner Minderjährigkeit wegen Brandstiftung, trotz des geringen entstandenen Schadens, zum Tode. Gnadengesuch wurden, zuletzt von Roland Freisler,  abgelehnt und Valerian Wróbel im Alter von 17 Jahren mit dem Fallbeil hingerichtet.

An seine Familie hatte er noch einen Abschiedsbrief verfasst: Liebe Mutti und Papi, ich schreibe diese letzten Worte an Euch, dass ich nie mehr nach Hause zurückkomme, weil ich so eine schwierige Sache habe. Ich bitte aber noch Gott, den Allmächtigen, dass er mir hilft in diesem letzten Augenblick, dass ich zur Beichte und zur Heiligen Kommunion gehen kann. Sollte ich aber noch weiter leben, dann schreibe ich schnellstens an Euch, liebe Eltern, dass Ihr euch um mich keine Sorgen macht. Ich werde noch ein Verfahren haben, und was der Richter über mich bestimmt, ob ich noch lange im Gefängnis sitzen werde oder ob der Tod [mich erwartet], das weiß ich noch nicht. Und ich bitte Euch noch einmal, dass Ihr euch keine Sorgen macht, denn dieser Brief wurde vor dem Verfahren auf den Weg geschickt Und wenn ich nicht lebe, dann bitte ich nur um eine Heilige Messe, und ich verabschiede mich von Euch, Eltern, im letzten Augenblick, Ihr sollt möglichst lange leben und bittet Gott, dann hilft er Euch bei Gesundheit [zu bleiben]. Gute Nacht liebe Mama, Papa, Bruder, Schwesterchen.

 

 

 

 

Trijnte Keever

* 16.4.1616 in Edam, † 2.7.1633 in Veere, Niederländerin

 

Trintje Keever hatte den Spitznahme „De Groote Meid“ und gilt als größte je vermesse Frau der Welt.

Sie war die Tochter eines Schiffsführers und ein er Dienstmagd und litt an einem chronischen Überschuss an Wachstumshormonen, an einer Akromegalie. Mit neun Jahren war sie bereits zwei Meter groß und wurde Friedrich V. von Böhmen stolz vorgeführt, als der ihre Vaterstadt besuchte. Im Jahre ihres Todes maß sie neun Amsterdamer Fuß, also 2,55 Meter, und hatte Schuhgröße 55.

Trintje Keever starb im Alter von 17 Jahren wahrscheinlich an einem bösartigen Tumor.

 

 

 

Sybilla Schwarz

* 24.2.1621 in Greifswald, † 10.8.1638 ebd., deutsche Dichterin

 

Sibylla Schwarz’ „Gesang wider den Neidt“ wurde einmal als das „wohl erste kompromisslos feministische Gedicht der Weltliteratur“ bezeichnet:

Gefellt dir nicht mein schlechtes Schreiben /

Und meiner Feder edles Safft /

So laß nur balt das Läsen bleiben /

Eh dan es dir mehr unruh schafft;

Das / was von anfang ich geschrieben /

Wird kein verfalschter Freund belieben.

Weistu mich gleich viel für zuschwetzen

Von meiner Leyer ab zustehen;

So soll mich doch allzeit ergetzen

Das Arbeitsahme müssig gehen;

Laß aber du dein Leumbden bleiben /

Damit du mich meinst auff zureiben.

Ich weiß / es ist dir angebohren /

Den Musen selbst abholt zu sein /

Doch hat mein Phoebus nie verlohren /

Durch deine List / den hellen Schein;

Die Tugend wird dennoch bestehen /

Wen du / und alles wirst vergehen.

(…)

Vermeynstu / daß nicht recht getroffen /

Daß auch dem weiblichen Geschlecht

Der Pindus allzeit frey steht offen /

So bleibt es dennoch gleichwohl recht /

Daß die / so nur mit Demuht kommen /

Von Phoebus werden angenommen.

Ich darf nun auch nicht weitergehen /

Und bringe starcke Zeugen ein;

Du kanst es gnug an disem sehen

Daß selbst die Musen Mägde sein:

Was lebet soll Ja Tugendt lieben /

Und niemandt ist davon vertrieben.

Gantz Holland weiß dir für zusagen

Von seiner Bluhmen Tag und Nacht;

Herrn Catzen magstu weiter fragen /

Durch den sie mir bekant gemacht:

Cleobulina wird wol bleiben /

Von der viel kluge Federn schreiben.

Was Sappho für ein Weib gewesen

Von vielen / die ich dir nicht nenn /

Kanstu bey andern weiter lesen /

Von den ich acht und fünffzig kenn /

Die nimmer werden untergehen /

Und bey den Liechten Sternen stehen.

Sollt ich die Nadel hoch erheben /

Und über meine Poesey /

So muß ein kluger mir nachgeben /

Daß alles endlich reisst entzwey;

Wer kann so künstlich Garn auch drehen /

Das es nicht sollt in stücken gehen?

Erstaunlich allemal, was Sybilla Schwarz, die als „pommersche Sappho“ gerühmt wurde,  in ihrem kurzem Leben alles zu Papier brachte: Sonette, Kirchenlieder, Oden, Epigramme, Kurzgedichte. Postum erschien „Sibyllen Schwarzin Vohn Greiffswald aus Pommern Deutsche Poëtische Gedichte, Nuhn Zum ersten mahl auß ihren eignen Handschrifften herauß gegeben und verleget.“, Danzig 1650.

Darin auch ihr Gedicht „Poëten gehen dem unadelichen Adel weit vor“:

OB zwar mein schlechter Leib zu deme sich muß halten /

was schlecht und niedrig ist / und lassen alles walten /

was reiche Güter hat / was grossen Titul führet /

was Weißheit / Kunst und Lob mit blassem Ansehn zieret.

So bleibt dennoch mein Sinn allzeit am Himmel kleben /

da ein Poëte kan ohn Schimpff und Schaden leben /

da niemand sagen kan: Sih / diser geht dich für!

da keine Leumder sein / da bloß des Himmels Zier

mit ihnen Sprache helt / da alles muß erbleichen /

da ein vom Adel muß dem schlechsten Diener weichen.

Und wenn ein hoher Heldt bey seinem Degen geht

der sehe sich wohl für / daß er ja feste steht;

denn wer / auß Hoffahrt nur / den Degen angehencket /

dem wird gemeinlich auch der Schwerdter Schmach geschenket /

und wenn die Hoffart denn wird endlich untergehn /

wird der Poëten Volck doch immer oben stehn.

Sybilla Schwarz starb im Dreißigjährigen Krieg an einer Ruhr-Infektion. Sie wurde nur siebzehn Jahre alt.

 

 

 

Richard Epple

* 2.8.1954 in Breitenholz, † 1.3.1972 in Herrenberg-Affstädt, deutscher Lehrling

 

Richard Epple wurde irrtümlicherweise für einen RAF-Terroristen gehalten.

Am Abend es 1. März 1972 fuhr Richard Epple mit einem Ford Taunus durch Tübinger. Einer Polizeistreife fiel auf, dass an Epples Auto ein Blinker defekt war. Als sie ihn anzuhalten versuchte, floh er. Er hatte getrunken und besaß keinen Führerschein.

Eine Verfolgungsjagd setzte ein, die immer rasanter wurde. Richard Epple raste gen Calw, durchbrach Straßensperren. Die Polizisten erhielten die Genehmigung Schusswaffen einzusetzen, beschossen hysterisch das Fluchtauto. Doch erst als Maschinenpistolen zum Einsatz kamen, wurde Richard Epple getroffen, tödlich.

Er wurde nur siebzehn Jahre alt.

Der junge Polizist, der ihn erschossen hatte, nahm sich später das Leben.

 

 

Friedrich Stapß

* 14.3.1792 in Naumburg, † 16.10.1809 in Fünfhaus bei Wien, deutscher Kaufmann

 

Fort muss ich, um Tausende von ihrem Verderben, vom Tode zu retten, und dann selbst zu sterben. Was und wie ich es tun will, darf ich ihnen nicht entdecken, schrieb Friedrich Stapß an seine Eltern. Der streng religiös erzogene Pfarrerssohn hatte nach einer Kaufmannslehre in Erfurt und Leipzig gearbeitet und glaubte, dass für die allgemeine Not in Deutschland Napoleon verantwortlich sei. So entschloss er sich, den Kaiser der Franzosen zu ermorden.

Anfang Oktober 1809 reiste Friedrich Stapß mit geliehenem Geld nach Wien und weiter nach Schönbrunn, wo Napoleon am 12. Oktober eine Truppenparade abnahm. Und als er sich zum Kaiser vorzudrängeln versuchte, wurde er festgehalten und in seinen Sachen ein großes Küchenmesser gefunden. Er gestand seine Tötungsabsicht, und als er Napoleon vorgeführt wurde, und der ihn fragte: „Wenn ich Die nun begnadige, wie werden Sie es mir danken?“, antwortete Friedrich Stapß: „Ich werde darum nicht minder Sie töten!“

Er wurde vor ein Kriegsgericht gestellt, zum Tode verurteilt und am 16. Oktober erschossen. Auf dem Hinrichtungsplatz soll er noch gerufen haben: „Es lebe die Freiheit! Es lebe Deutschland! Tod seinen Tyrannen!“

 

 

 

 

Petja Stojkowa Dubarowa

* 25.4.1962 in Burgas, † 4.12.1979 ebd., bulgarische Dichterin

 

Burgas, Ostern 1987: Im mitternächtlichen Gedränge vor der Kyrill-und-Method-Kathedrale geweihte Eier aufeinanderschlagend wird mir, ob einer in meinen Händen zu guter Letzt heil gebliebenen Schale, Gesundheit prophezeit.

„Und Zuversicht?“

„Ja, auch Glück!“

Nach alltäglichen, schier ewigen Kreuzgängen versuche ich das Osterkerzchen, flackerndes Lebenslicht, das mir daraufhin entzündet wird, gegen einen böig vom Schwarzen Meer her blasenden Wind argwöhnisch zu schützen.

Petja Dubarowa gelang das nicht.

 

Ertrunkene Sterne

Schweben auf dem Meer

Salz verbrannte

Die Frische ihrer Farbe

Wie leise, ohne

Sich zu verabschieden.

Sie verloren

Sowohl Licht als auch Kraft…

schrieb sie vor ihrem Selbstmord, wenige Jahre zuvor.

 

 

 

Rachel Joy Scott

* 5.8.1981, † 20.4.1999 in Littleton, Colorado, amerikanische Schülerin

 

Hätte Rachel Jay Scott ihren Vorahnungen getraut, wäre sie vielleicht noch am Leben. Doch sie ging an diesem 5. August 1981 wie gewöhnlich in die Schule, eine Schule, die an diesem Tage zu trauriger Berühmtheit kommen sollte, die Columbine High School in Littleton, Colorado.

An diesem Tag liefen ein Siebzehn- und ein Achtzehnjähriger Amok und massakrierten 12 Mitschüler und einen Lehrer und verletzten 24 Menschen schwer. Dann erschossen sie sich selbst.

Das Waffenarsenal der beiden Mörder bestand aus einer Pumpgun, zwei halbautomatischen Waffen und einer abgesägten Schrotflinte, aus Molotowcocktails, Propangas-, Kohlenstoffdioxid- und Rohrbomben sowie Messern. Als erste Attentäter inszenierten sich diese beiden zuvor im Internet. Der Autor André Grzeszyk schrieb später: „[Sie] verwalteten im Bewusstsein dessen, was passieren würde, durch ihre Aufzeichnungen schon vor ihrem Tod ihr Erbe – das eigene Bild, wie sie es später medial rekonstruiert sehen wollten. Dass ihre Tagebücher von der Polizei veröffentlicht wurden (…) tat ein Übriges, um sie weltweit bekannt zu machen.“ Und der Journalist Joachim Gaertner meinte, es werde deutlich „wie sich die beiden immer mehr an ihren eigenen Fantasien berauschten, wie sie Hass und Aggressionen geradezu aufsaugten, wie sie ihre eigenen Texte als Verheißung des ultimativen und dann realen Kicks nahmen.“ Nicht wenigen Attentätern wurden diese beiden alsbald zum Vorbild.

Nach dem Littleton-Massaker wurden in den USA insgesamt 800 Gesetzesentwürfe zur Verschärfung des Waffenrechts eingebracht, von denen auf Bundesebene alle Vorlagen im Kongress scheiterten und nur in Colorado einige wenige umgesetzt wurden.

Evangelikale erklärten Rachel Jay Scott zur Märtyrerin. 2016 drehte Brian Baugh den Spielfilm über ihr Leben, Titel: „I’m Not Ashamed“ – „Ja, ich glaube“.

 

 

 

Thomas Chatterton

* 20.11.1752 in Bristol, † 25.8.1770 in London, englischer Dichter

 

Mit elf Jahren schrieb Thomas Chatterton eine Satire auf einen Methodisten, der seines Vorteils halber die Gemeinde verlassen hatte. Mit vierzehn wurde er Schreiber bei einem Rechtsanwalt in Bristol. Und alsbald brachte er Gedichte hervor, die angeblich von einem Mönch des 15. Jahrhunderts stammten, von einem Rowley, die jedoch zweifellos von ihm, von Thomas Chatterton, stammten, und ob ihres Gedankenreichtums und ihrer poetischen Variationsvielfalt großes Aufsehen erregten.

 

If ever obligated to thy purse,

Rowley discharges all— my first chief curse!

For had I never known the antique lore,

I ne'er had ventured from my peaceful shore,

To be the wreck of promises and hopes,

A Boy of Learning, and a Bard of Tropes;

But happy in my humble sphere had moved,

Untroubled, unsuspected, unbelov'd. …

Wenn du jemals deinem Geldbeutel verpflichtet bist,
Rowley entlädt alles – mein erster Hauptfluch!
Denn hätte ich nie die antike Überlieferung gekannt,
Ich hatte mich nie von meinem friedlichen Ufer gewagt,
Das Wrack von Versprechungen und Hoffnungen zu sein,
Ein Junge des Lernens und ein Barde der Tropen;
Aber glücklich in meine bescheidene Sphäre gezogen war,
Ungestört, unvermutet, ungeliebt…

(„Chatterton’s Will”)

 

Im Alter von siebzehn Jahren wurde Thomas Chatterton von seinem Arbeitgeber entlassen, ging von Bristol nach London und nahm Gift.

 

 

 

Mona Mahmudnizhad

* 10.9.1965 in Saana, Jemen, † 18.6.1983 in Schiras, Iran, Märtyrerin der Bahai

 

Mona Mahmudnizhad Eltern waren Bahai und missionierten im Jemen. 1969 wies die jemenitische Regierung jedoch alle Fremden aus und die Familie Mahmudnizhad kehrte in ihr Heimatland Iran zurück.

Im Zuge der Islamischen Revolution dann wurde Mona, die Schüler unterrichtete und wegen ihrer Zugehörigkeit zur Bahai-Gemeinschaft der Schule verwiesen worden waren, im Jahr 1982 von Revolutionswächtern verhaftet, gefoltert und schließlich vom Islamischen Revolutionsgericht wegen „Irreleitung von Kindern und Jugendlichen“ zum Tode verurteilt. Da sich das Weltzentrum der Bahai in Haifa, in Israel also, befindet, wurde ihr zudem vorgeworfen, Zionisten zu sein.

Mit Mona Mahmudnizhad wurden zehn weitere Bahai-Frauen in der Nacht des 18. Juni 1983 auf einem Polo-Feld bei Schiras gehenkt. Sie war die jüngste.

 

 

 

Ritchie Valens

* 13.5.1941 als Richard Steven Valenzuela in Pacoima, Kalifornien, † 3.2.1959 bei Mason City, Iowa, amerikanischer Musiker

 

Bamba, Bamba

Bamba, bamba

Bevor Ritchie Valens Bühnen betrat, arbeitete er als Erntehelfer. Im August 1958 erschien seine erste Single: „Come On, Let’s Go“, die immerhin Platz 42 der US-Charts erreichte. Ein Vierteljahr später kam dann „Donna“ auf den Markt, und erreichte Platz 2. Berühmt wurde Ritchie Valens jedoch für die B-Seite von „Donna“, mit „La Bamba“, seine Version eines mexikanischen Volkslieds.

 

Yo no soy marinero

Ich bin kein Seemann

Yo no soy marinero, soy capitán

Ich bin kein Matrose, ich bin Kapitän

Soy capitán, soy capitán

Ich bin Kapitän, ich bin Kapitän

Bamba, Bamba

Bamba, bamba

Während einer Tournee mit Boddy Holly Anfang 1959 erkältete er sich, da im Tourbus immer wieder die Heizung ausfiel. So bat er Buddy Hollys Gitarristen, ihm seinen Platz in Hollys Flugzeug zu überlassen. Auf dem Flug von einem Konzert in Clearlake, Iowa zu einem Konzert in Moorhead, Minnesota geriet die Maschine in einen Schneesturm und stürzte ab. Der siebzehnjährige Richie Valens wie kam ebenso ums Leben wie Buddy Holly, der Pilot und zwei weitere Flugzeuginsassen.

 

Para bailar la bamba se necesita una poca de gracia

Um die Bamba zu tanzen, braucht man ein wenig Anmut

Una poca de gracia pa' mí pa' ti, ay arriba y arriba

Eine kleine Gnade für mich, für dich, oh auf und auf

Ay, arriba y arriba, por ti seré

Oh, auf und ab, für dich werde ich sein

Bamba, Bamba

Bamba, bamba

 

 

 

Marie Magdalene Charlotte Ackermann

* 23.8.1757 in Straßburg † 10.5.1775 in Hamburg, deutsche Schauspielerin

 

Charlotte Ackermanns Eltern waren Schauspieler, und so stand sie denn auch bereits mit vier Jahren erstmals auf einer Bühne. Vier Jahren später trat sie im neuerrichteten Komödienhaus am Gänsemarkt in Hamburg auf. Mit vierzehn spielte sie die Titelrolle in Lessings „Emilia Galotti“, dann brillierte sie in Goethes „Götz von Berlichingen“ und Lessings „Minna von Barnhelm“. Sie galt als „außerordentliches Talent voll Grazie und erfinderischen Geist“.

Doch mit siebzehn starb Charlotte Ackermann urplötzlich, vermutet wurde durch Selbstmord infolge des „Fieber“, das nach dem Erscheinen von Goethes „Werther“ durch Deutschland geisterte, es war aber auch von Mord durch Vergiften wie von einem Ableben infolge emotionaler Überanstrengung die Rede. Ganz Hamburg schien zu trauern, die Theater wurden schwarz behangen, sogar die Börse für einige Tage ausgesetzt. Ihrem Sarg folgten mehr als 4.000 Menschen. Charlotte Ackermann hatte in ihrem kurzen Leben in 116 verschiedenen Stücken agiert. Folgerichtig verfasste Otto Müller dann über ihr Leben einen Theaterroman, der auch dramatisiert wurde.

 

 

Tjede Peckes

* um 1500 in Padingbüttel-Oberstrich, † 23.12.1517 in Wremen-Wremer Tief, friesische Aufständische

 

Tjede Peckes war die Tochter freier Bauern und Mitglied der Frauenbewegung „virgines capitales“, deren Mitglieder zwar nicht ins Kloster gingen, jedoch zeitlebens unverheiratet blieben, um am politischen Leben ihrer Heimat teilnehmen zu können. So wirkte Tjede Peckes in Wurster Bauernräten mit.

Als der Bremer Erzbischof Christoph von Braunschweig-Wolfenbüttel nach der Eindeichung des Wurster Landes die Steuern erhöhte, setzten sich die Wurster Friesen zur Wehr. Am 23. Dezember 1517 kam es gegen ein übermächtiges erzbischöfliches Söldnerheer am Wremer Tief zur Schlacht, an der auch 500 friesische Mädchen und Frauen teilnahmen. Tjede Peckes trug als Fahnenjungfer das Banner der Friesen voran und fiel. Sie gilt seitdem als Jeanne d’Arc des Nordens.

Kaiser Maximilian I. soll ihren Tod später mit den Worten bedauert haben: „Wahrlich, es ist schade um diese Fahnenjungfrau, sie hätte die Mutter von Helden werden können.“

 

 

Catherine Howard

* wohl 1524 in Lambeth, † 13.2.1542 in London, englische Königin

 

Catherine Howard war die fünfte Ehefrau König Heinrich VIII. und nach Anne Boleyn die zweite, die er enthaupten ließ. Catherine war als Hofdame für die vierte Ehefrau Heinrich VIII. an den englischen Hof gekommen, und der 30 Jahre ältere und wohl an Syphilis leidende König verliebte sich in sie, hoffte wohl auf einen zweiten Frühling und – endlich einen Thronfolger zu bekommen. Und nachdem er die Ehe mit Anna von Kleve, seiner vierten Frau, für ungültig erklärte, heiratete er am 28. Juli 1540 Catherine Howard, die zuvor erklärt hatte: frisch und munter im Bett und bei Tische zu sein.

Auch die neue Gemahlin Heinrich VIII. wurde jedoch nicht schwanger, und nachdem sich Catherine Howard auf eine Affäre mit dem Höfling Thomas Culpeper eingelassen hatte und dies dem König durch Intriganten hinterbracht wurden war, ließ er sie (ebenso wie ihren Liebhaber) im Tower of London hinrichten.

Rick Wakeman setzte ihr wie allen anderen Gatinnen Heirnich VIII. mit "The six wifes of Henry VIII" ein musikalisches Denkmal.

  

 

 

Jane Grey

* wohl 1536 in Bradgate, † 12.2.1554 in London, englische Thronfolgerin

 

Jane Grey wurde „The Nine Day`s Queen“ genannt.

Ihre Mutter war eine Tochter Mary Tudors und Nichte König Heinrich VIII., dem sein einziger legitimer Sohn als Edward VI. im Alter von neuen Jahren auf dem englischen Thron nachfolgte. Mit fünfzehn starb der protestantische Edward VI. jedoch (wahrscheinlich an Tuberkulose), und um zu verhindern, dass seine katholische Halbschwester Maria Königin wurde, hatte er Lady Jane Grey, zur Thronerbin bestimmt. Im Testament Heinrich VIII. war allerdings verfügt, dass seine Tochter Maria englische Königin werden sollte.Maria und ihre Anhänger setzten sich nach neuntägigem Machtkampf durch. Lady Jane wurde im Tower gefangen gesetzt und schließlich enthauptet.

Gut 500 Jahre später sangen die Rolling Stones: „My Sweet Lady Jane / When I see you again / Your servant am I / And will humbly remain // Jest heed this plea my love / On bended knees my love / I Pledge myself to Lady Jane…”

 

 

 

Pauker von Niklashausen

* um 1458 als Hans Böhm in Helmstadt, † 19.7.1476 in Würzburg, deutscher Prediger

 

Nach hochnotpeinlichen Befragungen sagte der Pauker von Niklashausen, dass er als Waisenkind in der Gemeinde aufgewachsen sei und von Kind an viele Menschen kennen gelernt habe, über die er aber nichts Böses zu berichten wisse. Bevor er in Niklashausen zu predigen begann, sei er in mehreren Dörfern als Viehhirte zu Diensten gewesen und habe auch öfters die Pauke geschlagen. Stets habe er seine Sünden gebeichtet und sei sich keiner offenen Schuld bewusst. Er glaube an die heilige Dreifaltigkeit und an die Jungfrau Maria, die ihm auf der Weide erschienen sei. Sie habe ihm aufgetragen, zu ihrem Gnadenbild nach Niklashausen zu kommen und zu den Menschen zu sprechen.

Erstmals predigte der Achtzehnjährige Pauker in der Fastenzeit des Jahres 1476, und es kamen mehr und mehr Menschen, um ihm zuzuhören, bis zu 70.000 wohl. Zu guter Letzt soll er von einem Dachfenster aus gesprochen haben, um die Massen erreichen zu können. Bevor er zu predigen begann, hatte er vor der Kirche von Niklashausen seine Pauke verbrannt und gefordert, dass einjeder sich zuerst von eigenen Sünden verabschieden müsse, damit eine bessere Welt entstehe. „Als sichtbares Zeichen der Sühne forderte er Schmuck, seidene Schnüre, Brusttücher, spitzige Schuhe und sonstigen Tand als Opfergaben. Ein großer Teil der Opfergaben, wie Kleidungsstücke, Zöpfe, Haarnetze, Musikinstrumente, Spielzeug gingen den Weg seiner Pauke. Sie wurden öffentlich auf den Scheiterhaufen geworfen und verbrannt. Nach diesen symbolischen Sühnebeweisen predigte er den Wallfahrern mit folgenden Leitgedanken ein neues Reich Gottes auf Erden: Der Habgier des Adels und der hohen Geistlichkeit drohe der baldige Untergang durch ein furchtbares Strafgericht Gottes. - Jeder solle seinen Lebensunterhalt mit eigner Hände Arbeit verdienen und brüderlich mit den Bedürftigen teilen. - Standesunterschiede, Abgaben und Frondienste seien abzuschaffen. - Der private und hoheitliche Besitz an Feldern, Wiesen, Weiden, Wäldern und Gewässern seien in die Allmende zu überführen.“ (Wikipedia)

Als der Pauker dann nicht nur Zulauf von bäuerlicher Bevölkerung aus dem unteren Maintal bekam, sondern ihm zunehmend Leute aus ganz Franken, aus Bayern, Thüringen und Schwaben, aus dem Rheinland und sogar aus dem Elsass zuströmten, wurde er verhaftet, gefoltert und als Ketzer zum Tode verurteilt, da er mit des Teufels Hilfe Marienerscheinungen vorgetäuscht und die ehrbaren Wallfahrer in Niklashausen durch seine Predigten verhext habe.

Der achtzehnjährige Pauker von Niklashausen, wurde auf dem Würzburger Schottenanger öffentlich verbrannt, die Kirche von Niklashausen im Jahr darauf abgerissen, um sie nicht zum Wallfahrtsort werden zu lassen.

Und die kirchliche Obrigkeit trat eine regelrechte Desinformations-Kampagne los, um den „Heiligen Jünglings“ zu verunglimpfen. Der Pauker von Niklashausen wurde als Schweinetreiber, leichtlebiger Musikant, Sackpfeifenspieler und Narr dargestellt. Auf einem Würzburger Druck von 1490 wird seine Figur nicht nur mit einer Pauke, sondern auch noch mit einer Flöte dargestellt.“ Dem saß dann sogar Sebastian Brant auf: in seinem „Narrenschiff“ fand der Pauker als „Sackpfeifer von Niklashausen“ seinen Platz. Und obwohl das närrische „Pfeiferhänslein“ also rasch in Vergessenheit geriet, kam es nur wenige Jahrzehnte nach seinem Tod zum Bauernkrieg.

 

 

Sebastião Rangel Gomes

* 5.9.1973 in Uai-Mori, † 28.10.1991 In Dili, osttimoresischer Freiheitskämpfer

 

Sebastião Rangel Gomes gehörte zu einer Gruppe von Unabhängigkeitsaktivisten, die in Vorbereitung einer Demonstration Spruchbänder malten und von indonesischen Besatzern aufgespürt wurden. Ein Pfarrer bot ihnen Unterschlupf vor der Verfolgung, doch die Kirche wurde gestürmt und der achtzehnjährige Sebastião Rangel Gomes wurde von drei Kugeln getroffen und verblutete.

Eine Woche nach seiner Beerdigung kam es zu einem Gedenkzug in Dili, den die indonesische Polizei gewaltsam auflöste. Mindestens 271 Menschen starben. Das sogenannte Santa-Cruz-Massaker wurde zu einem Fanal für die Unabhängigkeit Osttimors.

 

 

 

 

Christian Georg Schütz d. J.

* 16.4.1803 in Frankfurt am Main, † 13.5.1821 ebd., deutscher Maler

 

Sein Großvater war Maler und Kupferstecher, sein Vater Maler und Radierer, ebenso sein Lehrer und Pate. Am liebsten aquarellierte Christian Georg Schütz d.J. nach Landschaftsmotiven. Seine Bilder tragen Namen wie „Flußlandschaft mit Uferbebauung“, „Flusslandschaft mit Gebäuden und Figurenstaffage“, „Alte Mühle am Schloßgraben mit Bogenbrücke“, „Rheinlandschaft“ oder „Ideal-Landschaft“

Offensichtlich fühlte sich der junge, begabte, die Familientradition fortsetzende Maler in der Natur wohl, hielt sich wohl gern im Freien auf. Dennoch starb er im Alter von achtzehn Jahren an Schwindsucht.

 

 

 

Meredith Hunter

* 24.10.1951 in Berkeley, Kalifornien, † 6.12.1969 im Alameda County, Kalifornien, amerikanischer Rock-Fan

 

Altamont Festival. Jagger singt „Gimme shelter“. Vor der Bühne plötzlich Tumult.

Ooh, a storm is threatening

My very life today

If I don't get some shelter

Ooh yeah I'm gonna fade away

War, children

It's just a shot away…

Meredith Hunter, stoned offensichtlich, zieht seine Pistole. Hells Angels bedrängen den zugedröhnten Schwarzen, einer sticht auf ihn ein, wieder und wieder.

It's just a shot away

Rape, murder, it's just a shot away…

Jagger singt “Gimme shelter”. Meredith Hunter bricht zusammen, wird getreten, bleibt liegen. Ja, der erste bei einem Rock-Festival Ermordete.

Gimme, gimme shelter

Or I'm gonna fade away…

Die Stones spielen weiter.

 

 

Francis Douglas

* 8.2.1847 in Cummertrees, Dumfries, † 14.7.1865 am Matterhorn, schottischer Bergsteiger

 

Francis Douglas entstammte einem alten schottischen Adelsgeschlecht und widmete sich der Erstbesteigung unbezwungener Alpengipfel.

Bei der Erstbesteigung des Obergabelhorns in den Walliser Alpen kam ihm eine andere Seilschaft um einen Tage zuvor. Bei der Erstbesteigung des Matterhorns stürzten der achtzehnjährige Francis Douglas und drei weitere Bergsteiger ab. Seine Leiche wurde nie gefunden.

 

 

Helga Deen

* 6.4.1925 in Stettin, † 16.7.1943 im KZ Sobibor, deutsche Schülerin

 

Am 1. Juni wurde Helga Deen im niederländischen Tilsit, wo ihr Vater für den jüdischen Rat arbeitete, mit ihrer Familie ins KZ Herzogenbusch gebracht. Sie schrieb in ihr Tagebuch: … bis jetzt ist alles halb so schlimm. Ich sitze im Moment in einer leeren Baracke auf der untersten Pritsche (3 übereinander), und wenn ich von hier aus dem Fenster schaue, sehe ich Birken und Fichten, blaue Luft und weiße Wolken. Ich habe mich für eine mittlere Pritsche entschieden, dann kann ich heute Abend aus dem Fenster schauen und den Sternenhimmel sehen. Wirklich, die Baracken liegen hervorragend, sehr weitläufig und großzügig. Es laufen hier überall Strafgefangenen herum, langsam und freundlich, schrecklich ist hier nichts. Hoppla, ich schwatze so drauflos, ich habe kein Zeitgefühl. Oh, diese Birken, die werden mich trösten, unsere Bäume. Mutter kommt vorbei. Nachher weiter…

Vierzehn Tage später notierte sie: Heute 2 Wochen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, und wie lange noch. […] Gott, ich sehe einfach keinen Anfang und kein Ende, als ob ich ewig hierbleiben müsste. Heute ist alles düster und schwarz, kein einziger Lichtblick. Vorhin habe ich geweint, jetzt schreibe ich, das erleichtert mich immer und gibt mir wieder Vertrauen. Appell, gleich geht’s weiter…

Und am 1. Juli: 1 Monat, ein Jubiläum, und was für eines. Packen, heute Morgen ein sterbendes Kind, was mich völlig aus dem Gleichgewicht gebracht hat, aber das alles ist nichts, verglichen mit dem Letzten. Wieder ein Transport, und diesmal sind wir auch dabei. Ob Mutter, weiß ich nicht. Ich fürchte mich nicht, bin sogar fröhlicher als die letzten Tage. […] alle schreibe, ich tu es auch noch, vielleicht lang, vielleicht kurz. Aber ich kann heute Abend nicht viel schreiben, das spüre ich. Vielleicht doch nervös?

Das sollte Helga Deens letzte Aufzeichnung in ihrem Tagebuch gewesen sein, lange nach dem Krieg zufällig in einem Nachlass gefunden, 2004 erstmals im Regionalarchiv Tilsit ausgestellt und drei Jahre später veröffentlich wurde. Nicht von ungefähr verglich man ihr Tagebuch mit dem Anna Franks.

Am 2. Juli 1943 wurde Helga Deen ins Durchgangslager Westerbork und von da weiter in Vernichtungslager Sobibor verschleppt, wo sie am 16. Juli 1943 zusammen mit ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrem Bruder ermordet wurde.

 

 

 

 

 

Soja Anatoljewna Kosmodemjanskaja

* 13.9.1923 in Ossino-Gai, Gouvernement Tambow, † 29.11.1941 in Petrischtschewo, Oblast Moskau, sowjetische Partisanin

 

Die achtzehnjährige Moskauer Oberschülerin Soja Anatoljewna Kosmodemjanskaja meldete sich Ende Oktober 1941, vier Monate nachdem Nazi-Deutschland ihr Heimatland überfallen hatte, freiwillig an die Front.

Schon bei ihrem dritten Kampfeinsatz wurde sie jedoch gefangengenommen, verhört, gefoltert und schließlich auf dem Dorfplatz von Petrischtschewo gehenkt. Zur Abschreckung blieb ihre Leiche lange liegen, Soja Anatoljewna Kosmodemjanskaja wurde erst Wochen nach ihrer Hinrichtung, wurde erst in der Weihnachtszeit des Jahres 1941 beerdigt.

Postum ehrte man sie dann als „Heldin der Sowjetunion“, bezeichnete sie als „sowjetische Jeanne d’Arc“, ihr wurden Denkmale gesetzt, über ihr Leben Filme und Bücher veröffentlicht, Schulen und sogar ein Asteroid nach ihr benannt.

Und im Jahre 2008 kamen Forderungen auf, Soja Anatoljewna Kosmodemjanskaja zur russischen Nationalheldin zu erheben und sie heilig zu sprechen.

 

 

 

Ryan Wayne White

* 6.12.1971 in Kokomo, Indiana, † 8.4.1990 in Indianapolis, amerikanischer Schüler

 

Ryan Wayne White litt an Hämophilie und wahrscheinlich bei einer Blutinfusion steckte er sich als Dreizehnjähriger mit AIDS an. Nachdem die Diagnose bekannt wurde, verwies man Ryan von seiner Schule. Die Eltern klagten und bekamen Recht. Nun aber wurde Ryan in seiner Schule beleidigt, beschimpft, angefeindet. Das Auto der Familie White wurde demoliert, ihr Haus mit Steinen beworfen. Die Whites zogen fort.

Ryan aber brachte all das in die Öffentlichkeit, prangerte die Diskriminierung von AIDS-Kranken als einer der ersten mutig an. Ryan sprach sogar mit Präsident George H.W. Bush, mit Elisabeth Taylor, mit Elton John.

Und Michael Jackson widmete Ryan Wayne White einen Song auf seinem Album „Dangerous“:

Like a comet

Blazing ’cross the evening sky

Gone too soon

 

Like a rainbow

Fading in the twinkling of an eye

Gone too soon

 

Shiny and sparkly

And splendidly bright

Here one day

Gone one night

 

Like the loss of sunlight

On a cloudy afternoon

Gone too soon

 

Like a castle

Built upon a sandy beach

Gone too soon

 

Like a perfect flower

That is just beyond your reach

Gone too soon

 

Born to amuse, to inspire, to delight

Here one day

Gone one night

 

Like a sunset

Dying with the rising of the moon

Gone too soon

Gone too soon

 

Ryan Wayne White starb im Alter von 18 Jahren an AIDS.

 

 

 

Mathilde von Österreich-Teschen

* 25.1.1849 als Erzherzogin Mathilde Marie Adelgunde Alexandra von Österreich in Wien, † 6.6.1867 auf Schloss Hetzendorf, habsburgische Adlige

 

Erzherzogin Mathilde sollte Prinz Umberto von Savoyen heiraten und Königin von Italien werden. So erhofften sich die Habsburger eine Verbesserung der gespannten Beziehungen zwischen Österreich und dem südlichen Nachbarland. Mathilde war Ende 1865 sogar schon die Ehre zugekommen, im Wiener Albrechtspalais anstelle der abwesenden Königin Victoria im Beisein des Kaisers, ihrer Majestät Franz Joseph I., als Taufpatin zu fungieren

Dann geschah Mathilde jedoch Unglaubliches. Prinz Wilhelm zu Schaumburg-Lippe schrieb in einem Brief an Herzog Adolph von Nassau: „Gestern speisete ich noch mit ihr, sie saß neben mir und war so liebenswürdig, sah so schön aus, und jetzt liegt sie ganz in Watte mit Eisumschlägen. Um 5 1/2 Uhr nach dem Diner heute wollte Erzherzog Albrecht mit ihr ausfahren. Alle zogen sich zurück, auch Erzherzogin Elisabeth mit ihrer so schönen Tochter Therese, welche grad dort sind. Die Erzherzogin Mathilde geht in ihr Zimmer sich zum Ausfahren zu arrangieren, sieht aus dem Fenster, als sie einen Stich in die Wade fühlt, sie sieht sich um – da sieht sie die Flamme! […] ein Lakai kommt, welcher einen Mantel über sie wirft – sie leider aber nicht mit Gewalt festhält, wodurch das Feuer wieder Luft gewinnt, bis ein zweiter kommt und dann auch Wasser Mantel u.s.w. endlich das Feuer bewältigt. Aber leider sind bedeutende Brandwunden vorhanden, so daß Pf. Pitter aussagt, es sei höchst bedenklich. [...] Vom Hals herab sind Schultern, etwas Arme, der ganze Rücken heftig verbrannt, auch rückwärts noch weiter herunter. Glücklich ist vorn nichts verbrannt, was ein kleiner Trost in dem furchtbaren Unglück ist!"

Wahrscheinlich hatte Mathilde vor der geplanten Ausfahrt noch eine Zigarette rauchen wollen, trotz des Rauch-Verbots ihres strengen Herrn Papas. Mathilde hatte sich für die Ausfahrt schmuck gemacht, trug ein Kleid aus indischem Musselin, imprägniert mit Glycerin. Und als ihr Vater plötzlich ins Zimmer kam, versuchte sie wohl die Zigarette hinter ihrem Rücken zu verstecken. Der der leicht brennbare Stoff fing sofort Feuer.

Zwölf Tage später erlag Erzherzogin Mathilde ihren schweren Brandverletzungen. Und die Beziehungen Österreichs zu Italien verschlechterten sich unheilvoll weiter.

 

 

Phaungkaza Maung Maung

* 12.9.1763 als Phaungasa Min Thaya Gyi in Sagaing, † 11.2.1782 in Ava, birmanischer König

 

Es war einmal Phaungkaza Maung Maung, der älteste Sohn von Naundawgyi, dem zweiten König der Konbaun-Dynastie. Dessen Cousin Singu Min herrschte seit 1776 als vierter König dieser Dynastie. Da das Land aber infolge zahlreicher Kriege ausgeblutet war, hatte Singu Min den Adel gegen sich aufgebracht. Und als der König eines Tages auf Reisen war, okkupierte Phaugkaza Maung Maung den Thron.

Schon nach sechs Tagen stürzte ihn jedoch sein Onkel, der Prinz von Badon, und rief sich als Bodawpaya selbst zum König aus. Phaugkaza Maung Maung wurde im Alter von 18 Jahren mit seiner Hauptfrau Nammadaw Mibura Hkaung Gyi noch am selben Tage schnöde ertränkt. Der König ist tot, es lebe der König!

 

 

 

 

Johann Ernst IV.

* 25.12.1696 in Weimar, † 1.8.1715 in Frankfurt am Main, Herzog von Sachsen-Weimar und Komponist

 

Johann Ernst IV., ein deutscher Fürst, der auch komponierte!

Immerhin verfasste er 19 Instrumentalkonzerte. Johann Sebastian Bach, der in jener Zeit am Weimarer Hofe wirkte, bearbeitete drei davon für Cembalo Solo: BWV 982 B-Dur, BWV 984 C-Dur (nach Johann Ernst’ Konzert op. 1 Nr. 4) und BWV 987 d-Moll. Georg Philipp Telemann veröffentlichte die Konzerte des jungen Herzogs postum.

Ein deutscher Fürst, der auch komponierte – allerdings litt Prinz Johann Ernst IV. seit seinem dreizehnten Lebensjahr an einem metastasierenden Sarkom und wurde nur achtzehn Jahre alt.

 

 

 

Peter Kollwitz

* 6.2.1896 in Berlin, † 23.10.1914 bei Diksmuide, deutscher Student

 

Im Mai 1913 schrieb Käthe Kollwitz in ihrem Tagebuch über ihren Sohn Peter: „Ich habe ihn seit Jahren nicht weinen sehen, nur als Junge, und dieses fassungslose, fast gebrochene Schluchzen, an das denk ich immer. Daß er ebenso weinen wird, wenn ich sterbe.“

Und einmal skizzierte sie Peters Vorlieben: „Billard spielen. Bergsteigen. Expressionistisch malen. Schule schwänzen. Der Sternenhimmel. Im Zarathustra lesen. Die Toskana im Mai. Erich Krems. In Aschingers Schnellbüfett rumhängen. Kintopp. Die Ostseedünen bei Prerow. Schlittschuhlaufen. Die Massendemonstration der SPD gegen die Kriegsgefahr. Oscar Wilde auf englisch lesen. Rauche. Gegen die Schule rebellieren.“

Peter Kollwitz wollte Maler werden, besuchte die Malklasse der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschloss er jedoch, sich, wie einige seiner Freunde, als Kriegsfreiwilliger zu melden.

Peters Freund Erich Krems, der sich mit ihm zum Kriegsdienst gemeldet hatte notierte: „Jetzt liegen wir den dritten Tag an der Chaussee. Hohe, feierlich, beängstigend hohe Bäume, herbsttrauernd. Wir hören, schon ganz abgestumpft, die fernen und näheren Schüsse der Batterien, sehen vieles vorbeifahren, rasende, gepeitschte Artillerie, Sanitäter, Pioniere, Munitionskolonnen,  jagende Autos des Generalkommandos, alle nach vorn, in die Schlacht. In die große Schlacht hinein. Denn hier geht es um Entscheidendes. Gewaltiger Aufmarsch. Und ganz nah, vor uns, die donnernden Kanonen. Am Himmel zerplatzende Schrapnells. Feuer des Biwaks. Anbrechen der eisernen Rationen. Da war eine gewaltige Aufregung und Gespanntheit aller Nerven in mir. Wir warten und tun nichts. Sind Reserve. Spüren aber die Schlacht in allem. Und jeden Augenblick kann er kommen, der Befehl »an die Gewehre«, der uns in die Schützengräben bringt und in das große ‚Seiltänze’-Spiel. Peter und Hans Koch sind bei mir.“

Peter Kollwitz starb während der Ersten Flandernschlacht in einem belgischen Straßengraben. Sein Freund Erich Krems fiel anderthalb Jahre später bei Verdun.

Im Dezember 1914 begann Käthe Kollwitz mit der Arbeit an einem Denkmal für ihren gefallenen Sohn: „Ich will Dich ehren mit dem Denkmal. Alle die Dich lieb hatten behalten Dich in ihrem Herzen, weiter wirst Du wirken bei allen, die Dich kannten und Deinen Tod erfuhren. Aber ich will Dich noch anders ehren. Den Tod von Euch ganzen jungen Kriegsfreiwilligen will ich in Deiner Gestalt verkörpert ehren. In Eisen oder Bronze soll das gegossen werden und Jahrhunderte stehn.“ Erhalten blieb jedoch nur ein Foto einer Gips-Fassung.

Im August 1916 notierte Käthe Kollwitz: „Meine unhaltbar widerspruchsvolle Stellung zum Kriege. Wie ist die gekommen? Durch Peters Opfertod. Was mir damals klar wurde und was ich in meiner Arbeit halten wollte, das wird mir jetzt wieder so schwankend. Ich glaube, Peter nur behalten zu können, wenn ich, was er mich damals lehrte, nicht mir entziehen lasse. Nun dauert der Krieg zwei Jahre und fünf Millionen junge Männer sind tot und mehr als nochmals soviel Menschen sind unglücklich geworden und zerstört. Gibt es noch irgend etwas was das rechtfertigt?“

 

 

 

Mark Slavin

* 31.1.1954 in Minsk, † 6.9.1972 in Fürstenfeldbruck, israelischer Sportler

 

Mark Slavin wird kaum gehofft haben, Olympiasieger zu werden, doch sicherlich war er sehr stolz darauf, bei den Olympischen Sommerspielen in München ringen zu dürfen.

Bevor er nach Israel emigrierte, war er immerhin sowjetischer Meister gewesen, nun rang er für Hapoel Tel Aviz und wurde in die israelische Nationalmannschaft berufen.

Palästinensische Terroristen griffen das Olympia-Quartier dieses Teams jedoch am 5. September 1972 an, nahmen Mark Slavin und weitere zehn Sportler und Trainer als Geiseln. Und als ein Befreiungsversuch auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck jämmerlich scheiterte, verbrannte der achtzehnjährige Ringer in einem Hubschauber. Auch seine zehn Mannschaftskollegen kamen ums Leben.

Mark Slavin wurde auf dem Kiryat-Shaul-Friedhof in Tel Avin beigesetzt.

 

 

Rob Knox

* 21.8.1989 als Robert Arthur Knox in Kent, † 24.5.2008 in Sidcup, britischer Schauspieler

 

Rob Knox stand erstmals im Alter von 11 Jahren vor der Kamera, wirkte in der Polizeiserie „The Bill“ mit, dann in der Reality-Show „Trust me, I’M a Teenager“ und mit fünfzehn im Spielfilm „King Arthur“. Weithin bekannt wurde re durch seine Verkörperung des Marcus Belby in „Harry Potter und der Halbblutprinz“.

Rob Knox wurde im Alter von 18 Jahren erstochen, als er seinen jüngeren Bruder vor einer Bar vor einem Angreifer schützen wollte. Nach seinem Tod wurde bekannt, dass er genau ein Jahr zuvor, am 24.5.2007, half, einen Messerstecher in einem Einkaufszentrum zu stellen. Rob Knox wurde postum mit der Tapferkeitsmedaille der Polizei North Kent ausgezeichnet.

 

 

 

 

Okada Yukiko

* 22.8.1967 als Satō Kayo in Ichinomiya, † 8.4.1986 in Yotsuya, Tokyo, japanische Sängerin

 

Okada Yukiko, genannt „Yukko“, gewann im Alter von 16 Jahren die Talentshow „Star Tanjō!“ und veröffentlichte rasch darauf ihre erste Single „First Date“  und gewann als beste Nachwuchskünstlerin den Japan Record Award.

Weitere Hitsingles folgten und sie spielte auch in einer Sci-Fi-Fernsehserie mit. Alsbald galt sie in Japan als die Sängerin mit den lukrativsten Werbeverträgen.

Im Alter von 18 Jahren sprang Okada Yukiko aus einem Fenster ihrer Wohnung und kam ums Leben.

 

 

 

 

 

 

Albert Hans Gustav von Wedell

* 16.1.1791 in Kriegsdorf bei Merseburg, † 16.9.1809 in Wesel, deutscher Offizier

 

Mit der Saalefähre slow motion von der TOTENINSEL WEIDENBACHs. Durch knorrige Auenwäldchen, gelbliche Saaten, holprig, schmierige Dorfstraßen mit dem Fahrrad. Frühlingslüfte. Vor Schleusen hitlerscher Fehlplanung links ab nach Friedensdorf. Gräber der Großeltern, väterlicherseits. Kamen aus Patschkau (heute Paczkow) getreckt, da hieß Friedens- noch Kriegsdorf. Und fuhren ein in die Wechselschichten des Werkes. Was sonst hier. Der Floßgraben, Werk Augusts von Sachsen, stolzer Kanal einst vom Holzland zu den Salinen Kötzschau und Teuditz und weiter zur Elster, längst nur noch versickerte Erinnerung. Kein Flößen, geschweige denn Fischfang mehr. Im Gutshof, dem ehemaligen, Misthaufen der Genossenschaft. Immerhin: von hier kamen die Brüder Wedell zu Schill, das Vaterland zu befreien.

 

 

 

Christiane Luise Amalie Becker-Neumann

* 15.12.1778 in Crossen an der Oder, † 22.9.1797 in Weimar, deutsche Schauspielerin

 

Christoph Martin Wieland schwärmte von Christine Becker-Neumann: „Wenn sie nur noch einige Jahre so fortschreitet, wird Deutschland bald nur eine Schauspielerin haben.“

Und Goethe bekannte sogar: „... meine Mädchen und Frauen bildeten sich nach ihr und ihren Eigenschaften. Es kann größere Talente geben, aber für mich kein anmutigeres.“

Mit sechs Jahren stand Christine Becker-Neumann, Tochter eines Schauspielerehepaars erstmals auf der Bühne und kam zur Belloschen Theatertruppe nach Weimar, wo sie mit neun in der Titelrolle des „Edelknaben“ von Johann Jakob Engel debütierte. Das gefiel Herzogin Anna Amalie so gut, dass sie fortan von der Schauspielerin Corona Schröter ausgebildet wurde. Mit Gründung des Weimarer Hoftheaters gehörte sie zu dessen Ensemble und Theater-Direktor Goethe sagte, sie sei: „das liebenswürdigste, natürlichste Talent, das mich um Ausbildung anflehte“. Tatsächlich übernahm der Dichterfürst diese Aufgabe und soll so sogar seine eigene Theatermüdigkeit überwunden haben.

Mit fünfzehn heiratete Christiane Neumann-Becker Heinrich von Blumenthal, seines Zeichens Regisseur des Weimarer Hoftheaters und stieg zur Rolle der ersten Liebhaberin des Trauer- und Lustspiels auf. Zu ihren glänzendsten Rollen gehörten Lessings Emila Galotti und Minna von Barnhelm, die Amalia in Schillers „Räuber“, die Luise in „Kabale und Liebe", die Prinzessin Eboli in „Don Carlos“, das Klärchen in Goethes „Egmont“ und die Ophelia in Shakespeares „Hamlet“.

Mit sechzehn brachte sie ihre erste Tochter zur Welt, zwei Jahre darauf die zweite, die jedoch alsbald starb. Während eines Gastspiels in Lauchstädt, wo sie die Euphrosyne in Karl Friedrich Henslers „Petermännchen“ gab, erkrankte sie an Tuberkulose, brach schließlich auf der Bühne zusammen. Rasch soll sie per Kutsche zurück nach Weimar gebracht worden sein, wo sie jedoch im Alter von achtzehn Jahren verstarb.

Goethe gestand später: „Ich habe 22 Jahre lang dem Theater vorgestanden, ohne mir eine Schwäche gegen eine Actrise zu verstatten, deren mehrere, besonders Euphrosyne und die Wolff, es mir doch sehr nahe gelegt.“

In seiner Elegie „Euphrosyne“ setzte er Christiane Becker-Neumann ein Denkmal:

„Lebe wohl! schon zieht mich’s dahin in schwankendem Eilen.

Einen Wunsch nur vernimm, freundlich gewähre mir íhn:

Lass nicht ungerühmt mich zu den Schatten hinabgehn!

Nur die Muse gewährt einiges Leben dem Tod.

Denn gestaltlos schweben umher in Persephoneias

Reiche, massenweis, Schatten, vom Namen getrennt;

Wen der Díchter aber gerühmt, der wandelt, gestaltet,

Einzeln, gesellet dem Chor aller Heroen sich zu.

Freudig tret’ ich einher, von deinem Liede verkündet,

Und der Göttin Blíck weilet gefällig auf mir.

Míld empfängt sie mich dann, und nennt mich; es winken die

                                                                            hohen

Göttlichen Frauen mich an, immer die nächsten am Thron.

Penelopeia redet zu mir, die treuste der Weiber,

Auch Euadne, gelehnt auf den gelíebten Gemahl.

Jüngere nahen sich dann, zu früh herunter gesandte,

Und beklagen mit mir unser gemeines Geschick.

Wenn Antigone kommt, die schwesterlichste der Seelen,

Und Polyxena, trüb noch von dem bräutlichen Tod,

Seh’ ich als Schwestern sie an, und trete würdig zu íhnen;

Denn der tragischen Kunst holde Geschöpfe sind sie.

Bildete doch ein Díchter auch mích; und seine Gesänge,

Ja, sie vollenden an mir, was mir das Leben versagt...“

 

 

 

Selma Meerbaum-Eisinger

* 5.2.1924 in Czernowitz, Bukowina, † 16.12.1942 in Michailowka, rumänische deutschsprachige Dichterin

 

Ich bin die Nacht. Meine Schleier sind

viel weicher als der weiße Tod.

Ich nehme jedes heiße Weh

mit in mein kühles, schwarzes Boot.

 

Mein Geliebter ist der lange Weg.

Wir sind vermählt auf immerdar

Ich liebe ihn, und ihn bedeckt

mein seidenweiches, schwarzes Haar.

 

Mein Kuß ist süß wie Fliederduft –

der Wanderer weiß es genau…

Wenn er in meine Arme sinkt,

vergißt er jede heiße Frau.

 

Meine Hände sind so schmal und weiß,

daß sie ein jedes Fieber kühlen,

und jede Stirn, die sie berührt,

muß leise lächeln, wider Willen.

 

Ich bin die Nacht. Meine Schleier sind

viel weicher als der weiße Tod.

Ich nehme jedes heiße Weh

mit in mein kühles, schwarze Boot.

 

58 Gedichte, Verse wie diese, vermochte Selma Meerbaum-Eisinger zu Papier zu bringen, bevor sie im Zwangsarbeiterlager Michailowka entkräftet an Fleckfieber starb.

Sie war eine Großcousine von Paul Celan, und die beiden waren einander als Kinder bei Schabbatfeiern im Hause Selmas Großvaters Israel Scharger begegnet. Mit fünfzehn begann Selma zu schreiben, und sie übersetzte Texte aus dem Französischen, Rumänischen und Jiddischen.

Am 28. Juni 1942 wurde Selma Meerbaum-Eisinger aus dem Ghetto Czernowitz in einen Viehwaggon verfrachtet und musste am Ostufer des Bug beim Bau der Durchgangsstraße IV, die bis in den Kaukasus führen sollte, Schwerstarbeit verrichten.

 

In ihrem Gedicht „Poem“ sagt sie:

Ich möchte leben.

Ich möchte lachen und Lasten heben

und möchte kämpfen und lieben und hassen

und möchte den Himmel mit Händen fassen

und möchte frei sein und atmen und schrein.

Ich will nicht sterben. Nein!

 

Ihre 58 Gedichte schrieb Selma Meerbaum-Eisinger mit Füller sorgfältig auf einzelne Seite, die sie sorgfältig zu einem Album band und „Blütenlese“ betitelte.

Zuletzt schrieb sie:

Das ist das Schwerste: sich verschenken

Und wissen, daß man überflüssig ist,

sich ganz zu geben und zu denken:

daß man wie Rauch ins Nichts verfließt.

Und fügte mit rotem Stift flüchtig hinzu:

Ich habe keine Zeit gehabt, zu Ende zu schreiben…

 

Irgendwie gelangten Selma Meerbaum-Eisingers Texte dann nach Israel, wurden bei der Herausgabe einer Anthologie in einem Safe entdeckt und dann 1976 erstmals veröffentlicht. Mittlerweile wird ihr Werk zur Weltliteratur gezählt.

 

 

Klaus-Jürgen Rattay

* 6.12.1962 in Kleve, † 22.9.1981 in Berlin, deutscher Hausbesetzer

 

Nachdem er seine Berufsausbildung abgebrochen hatte und ein Vierteljahr durch Europa getrampt war, schloss sich Klaus-Jürgen Rattay 1980 der Westberliner Hausbesetzerszene an. Und vor dem Gebäude, das er mit anderen besetzt hielt gab er dem Fernsehmagazin „Panorama“ ein Interview, in dem er sagte: Es ist einfach astrein, wie die Leute zusammenleben. Wohngemeinschaften im besetzten Haus, echt optional […] weil in Berlin einfach mehr los ist, als woanders in Europa, weil ich mich wohler fühle hier, weil da kein Zwang ist. […] Ich hab’ gleichzeitig Angst und ich hab’ gleichzeitig auch Mut zu kämpfen.

Und da Klaus-Jürgen Rattay nach der Räumung „seines“ besetzten Hauses in der Bülowstraße, mutig gegen den rabiaten Polizeieinsatz protestierte, bestätigten sich seine Ängste. Unter nie geklärten Umständen geriet Klaus-Jürgen Rattay in der Potsdamer Straße unter einen Bus und wurde zu Tode geschleift.

In seinen offiziellen amtlichen Leichenbegleitschein wurde unter „Beruf“ eingetragen: „berufsmäßiger Chaot“…

 

 

 

 

Silan Aydin

* 1995, † 14.7.2016 Nizza, deutsche Gymnasiastin

 

Silan Aydin starb auf Klassenfahrt in Südfrankreich als sie am französischen Nationalfeiertag in Nizza promenierte und ein Dschihadist mit einem Lastwagen in die feiernde Menge raste und 86 Menschen tötete, mehr als 400 verletzte.

 

De Panne, 14. Juli 2016

Nach Dünkirchen wollten wir, ja, nach Waterloo noch so ’n Was-wäre-wenn-Ort (Mai 1940)… Mit der Kusttram geht’s aber nur bis Adinkerke und nach Frankreich rüber verkehrt nur ’n Bus. Da der aber ewig nicht kommt (feiertags wegen wohl), schielen wir schon zum nahen Plopsaland (amusements en masse), doch prosten zu guter Letzt vom Strand aus mit bestem belgischen Bier (dreimal) nach Dunkerque hinüber: a votre liberté, égalité, fraternité!

(In der Nacht schon ernüchtern uns brutal die Fernsehbilder vom Anschlag in Nizza.)

 

 

 

Jeanne d’Arc

* wohl 1412 in Domrémy, † 30.5.1431 in Rouen, französische Nationalheldin

 

Meine Frau kam auf den Tag 165 Jahre nach dem Sturm auf die Bastille auf die Welt, und da ihr Vater, ein Kommunist, der im Zweiten Weltkrieg zweimal in U-Booten abgesoffen war, Idealen einen Namen geben wollte, nannte er seine jüngste Tochter Jeanette – Jeanette, nach Jeanne d’Arc.

545 Jahre und 18 Tage vor unserer Hochzeit, am 7. Mai 1429, hatte die siebzehnjährige Bauerntochter Jeanne d’Arc den Sturm auf die Festung Les Tourelles in Orléans angeführt und geschafft, was Generäle und Männerheere in fast hundert Jahren des Hundertjährigen Krieges nicht geschafft hatten - die englischen Invasoren aus dieser Festung und weiter aus der Loire-Region zu vertreiben.

Nach dem erfolglosen Versuch auch Paris zu befreien, wurde sie jedoch verraten, gefangengenommen und an die Engländer ausgeliefert, wurde ihr zweimal der Prozess gemacht und sie schließlich wegen Mordes – da eine Frau von richtenden Männern nicht als Soldat anerkannt wurde, sie sich somit auf dem Schlachtfeld nicht ehrbar geschlagen, sondern eben gemordet habe - , wurde Jeanne d’Arc zudem „wegen ihres Aberglaubens, ihrer Irrlehren und anderer Verbrechen gegen die göttliche Majestät“ verurteilt und als „notorisch rückfällige Häretikerin“ im Alter von 19 Jahren auf einem Scheiterhaufen verbrannt.

So wurde Jeanne d’Arc zur Märtyrerin, ihr wachsendes Ansehen stärkte den französischen König, die mit den Engländern verbündeten Burgunder wandten sich von den Engländern ab und kämpften fortan mit den Franzosen. 22 Jahre nach der Hinrichtung Jeanne d’Arcs wurden die Engländer zu guter Letzt vom europäischen Festland vertrieben, obsiegte Frankreich im Hundertjährigen Krieg.

Zahllose Schriftsteller, Dramatiker, Komponisten, Maler, Filmemacher widmeten der „Jungfrau von Orléans“ Werke. Kate Bush besang Jeanne d’Arc 2005 auf ihrem Album „Aerial“: „All the banners stop waving / And the flags stop flying / And the silence comes over / Thousands of soldiers / Thousands of soldiers / Who is that girl? Do I know her face? / Who is that girl? / Joanni, Joanni wears a golden cross / And she looks so beautiful in her armour…”

Als ich Soldat sein musste, drei Jahre nach unserer Hochzeit, schrieb ich für meine Frau einen Rock-Song: „Jeanny, oh Jeanny, der Urlaub ist vorbei / fünf wundervolle Tage, fünf wundervolle Nächte / und sogar im Monat Mai ( (…) // Ach, so kurz war diese Zeit / und so lang wird nun die Zeit / bis ich wieder bei dir bin. / Komm verliere nie den Mut, / bitte gib mir wieder Mut / bis ich ganz zu Hause bin…“

Auf diesem gemeinsamen Weg machte meine Frau ihrer tapferen Namensgeberin stets alle Ehre. Nach unserem 22. Hochzeitstag, am 207. Jahrestag der französischen Revolution, bestaunten wir beim Arc de Triomphe das quirlige Festtreiben und prosteten uns zu: à votre santé!

 

 

 

Turaidas Roze

* Mai 1601 in Turaida, † Herbst 1620 Gutmannshöhle bei Sigulda, lettische Jungfrau

 

An Maijas Grab im Park der Burg Turaida erzählt Ewald, unser junger, lettischer Guide: Viktor, den Schlossgärtner liebte Maija, den jungen, lettischen. Besitzen aber wollte sie der Pane, der Schlossherr, polnischer, verfluchter, lockte sie mit einem Brief, geschrieben im Namen des Liebsten, täuschend, tückisch, in eine Grotte.

Und als die Leichtgläubige dem Fremden nicht zu Willen sein wollte, versuchte er es mit Gewalt. Maija jedoch widerstand ihm, widerstand ihm mit List, lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihr Tuch, wundersames, zauberhaftes, Tuch das unverletzbar mache! Eingestickt der Sinnspruch: Lass des Muthes Fahne wehen, / Wenn den Stab dein Schicksal bricht! / Lass dein Leben untergehen, / Aber deine Ehre nicht.

Er solle nur sein Schwert ziehen, der Pane, und auf ihren Hals zielen, sich mühen ihren Kopf zu trennen vom Körper, den begehrten. Und der Pole war so blind, es zu tun, erhängte sich immerhin danach am erstbesten Ast.

Heute eine Blume auf das Grab der Maija, Rose von Turaida, legen, hieße zu glauben an die Kraft der Liebe, raunt Ewald, an die Kraft der Tugend, der Freiheit.

Ja, es liegen viele, sehr viele Blumen auf Maijas Grab im Jahre 1984. Und auch ringsum auf den Wiesen beginnt es zu blühen.

 

 

Alessandra Giliani

* 1307 in San Giovanni in Persiceto, † 26.3.1326, italienische Anatomin

 

Alessandra Giliani gilt als erste weibliche Anatomin oder Pathologin der westlichen Welt. Sie war Schülerin und Assistentin von Mondino die Luzi in Bologna und habe als Prosector eine hervorragende Arbeit bei der Vorbereitung von Leichen für Obduktionen geleistet. Bei eigenen anatomischen Untersuchungen soll sie eine Methode entwickelt haben, das Blut aus dem Körper zu entfernen und durch eine aushärtende Farbflüssigkeit zu ersetzen, was ihr zum Verständnis des Blutkreislaufs geholfen habe. Allerdings gibt es keinen zuverlässigen wissenschaftlichen Nachweis über ihre Arbeit.

Alessandra Giliani starb im Alter von 19 Jahren vermutlich an einer Sepsis. Nach ihr wurde ein Krater auf der Venus benannt.

 

 

 

 

Tutanchamun

* um 1342 v.Chr., † zwischen Ende Dezember 1324 v. Chr. und Mitte Februar 1323 v.Chr., Pharao

 

Noch nie war ich auf den Gedanken gekommen, mir Bier mit irgendetwas mischen zu wollen. Wer weiß, was ich mir ausgeschwitzt hatte heute, in den Gräbern Ramses IV., VI., IX. und Tutanchamuns. Meine Bestellung: one beer, one sprite, please, bringt den Kellner jedoch in Verlegenheit. Sorry, der Brauseautomat funktioniert nicht mehr, seit eben, wirklich, sorry Sir, das ist noch nie passiert, sorryAnyway, stöhne ich, und deute es als Fluch und Segen der Pharaonen zugleich.

 

 

 

Allison Beth Krause

* 23.4.1951 in Cleveland, Ohio, † 4.5.1970 in Kent, Ohio, amerikanische Studentin

 

Als Rockmusiker in der DDR – war man da „politisch“, war ich damals „politisch“? Ja und nein. Einerseits wollten wir nichts als unsere Musik machen, andererseits wollten wir damit die Welt verändern. So, wie die Rockmusik die Welt schon verändert hatte und immer weiter veränderte: eine Rebellion der Jugend gegen überlebte Werte und Moralität, gegen Heuchelei und Bigotterie der Eltern, Lehrer, der Alten, der Mächtigen schlechthin, gegen geistige wie körperliche Zwänge oder Gewalt, gegen den dreckigen Krieg der Amis in Vietnam nicht zuletzt. Make love, not war

Wobei das mit der Weltveränderung so eine Sache war, wenn man im Osten lebte und der Westen mindestens so weit entfernt schien wie der Mond (obwohl der in jenen Tagen erstmals betreten wurde). Oder anders: wenn denn die Weltanschauung, die man uns hierzulande alltäglich einzuimpfen versuchte, Illusion war, musste meine damalige Weltsicht wohl radikale Hoffnung heißen.

Wie sehr das alles trog begann ich zu ahnen, als erstmals Repertoire-Streitereien in der Band aufkamen, leise noch, aber immerhin. Manchem von uns genügte es offenbar einfach drauflos zu musizieren oder den Rummel und die Exotik unserer Wochenendtourneen zu genießen. In eine andere Zeit hineingeboren, hätten sie möglicherweise mit eben solcher Begeisterung Operette gespielt. Undenkbar für mich.

Wäre Crosby, Stills, Nash & Young nur eine Band mit beeindruckendem Satzgesang und gleichermaßen harmonisch wie melodisch interessanten Songs gewesen, hätte ich sicherlich nie vorgeschlagen, einen ihrer Titel zu proben. Als ich dann aber Ohio hörte, war mir klar, dass wir dieses Lied spielen mussten, unbedingt, sofort!

Bei Protesten gegen den Vietnam-Krieg waren auf dem Campus der Kent-State-University in Ohio vier amerikanische Studenten von U.S. Nationalgardisten erschossen worden: William Knox Schroeder, Jeffrey Glenn Miller, Sandra Lee Scheuer, Allison Beth Krause. Dieser Toten gedenkt der Song. Und ich konnte es mir bei unseren Auftritten nie versagen, diesen Titel so anzusagen, hin und wieder sogar einige Textpassagen zu übersetzen.

Nun war „unser sozialistisches Vaterland“ zwar natürlich auch gegen diesen Krieg, wenn wir diesen in jeder Hinsicht anspruchsvollen Song jedoch bei einer Einstufung gespielt hätten, hätte es mit Sicherheit Ärger gegeben.

Ohne Einstufung durfte in der DDR niemand auftreten. In regelmäßigen Abständen musste man einer Jury beweisen, dass man ansprechend musizieren konnte, adrett aussah und das Repertoire der Band dem Verhältnis 40:60 entsprach: Ja, man hätte ständig nachzuweisen, dass maximal 40% der gespielten Titel Westprodukte waren. Was für ein Schwachsinn, und selbstredend nicht nur (wenn überhaupt) mit Lizenzgebühren zu begründen.

Wenn wir Ohio hier und so wie bei unseren Auftritten vorgetragen hätten, wäre aus einem politischen Song ein Politikum geworden. Denn wie konnte in einem sozialistischen Land mit einem kapitalistischen Lied gegen den Krieg eines kapitalistischen Landes gegen ein sozialistisches Land protestiert werden! (Wobei es streng genommen eigentlich schon ein Politikum war, dass wir überhaupt Rockmusik machten – ob uns das nun bewusst war, oder nicht...).

Je nach Laune der Jury wurde man am Ende des Kontrollvorspiels in eine Leistungsgruppe eingestuft: Grundstufe, Mittelstufe, Oberstufe, Sonderklasse und bekam eine entsprechende Spielerlaubnis ausgehändigt, die dann wiederum jedem Veranstalter vorzulegen war, ja unbedingt vorzulegen damit der (laut offizieller Lesart) wusste, wie viel Honorar einem zustand.

Logischerweise konnte diese Spielerlaubnis auch jederzeit wieder eingezogen werden. Da hatte man dann beim Kreiskabinett für Kulturarbeit vorzusprechen und hörte fadenscheinigste Begründungen. Wir beispielsweise hätten einmal schwarze Fahnen auf die Bühne getragen und nach dem Auftritt auf einem Feld verbrannt...

Ohio-Effekt.

 

 

 

Louis Antoine de Saint-Just

* 25.8.1767 in Decize, † 28.7.1794 in Paris, französischer Revolutionär

 

Saint-Just: Nationalgardist, Mitglied des Nationalkonvents, Gefährte Robespierres, Mitverantwortlich an der Ermordung Dantons – Terrorist? Guillotiniert im Alter von 26 Jahren.

Jan Wagner schrieb 2004 in „saint-just“: „ein falsches Wort / ein Laut zuviel nur, und der beifall rauscht / als fallbeil herab.“

Der britische Historiker Norman Hampson urteilte: „Er hatte sich in eine Phantasiewelt falscher absoluter Werte hineingesteigert, in der die Tugend der Regierung im Gegensatz zur Verworfenheit all derer stand, deren Begeisterung über die Politik der Regierung zu wünschen übrig ließ. Er hielt nicht nur die Unbescholtenheit der Regierung, sondern auch die ihrer unzähligen Vertreter für selbstverständlich [...] Der ideale Staat mochte auf Konsens beruhen, doch er war der Mann, der die Regeln aufstellen würde, denen die anderen zu gehorchen hatten. Er würde dafür sorgen, daß die Menschen der Gesellschaft, die er zu ihrem Wohl entwickelt hatte, würdig würden. Wenn Luzifers Sünde geistiger Hochmut war, der ihn fast beiläufig dazu verleitete, das Böse als notwendiges Mittel zu einem erhabenen Zweck zu benutzen, dann war Saint-Just Luzifer.“

Und Albert Camus meinte: „Eine so beharrlich ernste, geflissentlich kalte, logische, unerschütterliche Gestalt lässt alle Unausgeglichenheit und Verwirrung ahnen. Saint-Just hat diesen Ernst erfunden, der aus der Geschichte der beiden letzten Jahrhunderte einen so langweiligen, düsteren Roman macht. ‚Wer an der Spitze der Regierung scherzt‘, sagt er, ‚strebt nach der Tyrannei. Ein verblüffendes Wort, besonders wenn man daran denkt, womit damals die bloße Anklage auf Tyrannei bezahlt wurde, und das auf jeden Fall das Zeitalter der pedantischen Cäsaren vorbereitet. […] Saint-Just verkündet das große Prinzip der Tyranneien des 20. Jahrhunderts: ‚Patriot ist, wer die Republik als Ganzes unterstützt, wer sie in Einzelheiten bekämpft, ist ein Verräter.‘“

 

 

 

Taylor Mitchell

* 27.8.1990 als Taylor Josephine Stephanie Luciow in Toronto, † 28.10.2009 in Halifax, kanadische Folksängerin

 

Taylor Mitchells Vorbild und weltberühmte Namensvetterin Joni Mitchell schrieb ihren weltberühmten Song „Coyote“ am 25. November 1975 irgendwo zwischen Hartford, Connecticut und Augusta, Maine, „travelling with Dylan and the Rolling Thunder Review. Read our analysis of The Evolution of Coyote…”

Im März 2009 hatte Taylor Mitchell ihr erstes Album “For your consideration” veröffentlicht. Am 27. Oktober 2009 wollte sie abends in Sydney, Nova Scotia, ein Konzert geben, wanderte zuvor am Nachmittag allein auf dem Skyline Trail im Cape-Breton-Highlands-Nationalpark. Da fielen sie aus heiterem Himmel zwei Coyoten an und verletzten sie so schwer, dass sie am nächsten Tag ihren Verletzungen erlag. Taylor Mitchell war die erste erwachsene Person, die nachweislich durch Coyoten ums Leben kam.

Der erste Song auf ihrem ersten und einzigen Album heißt „I don’t know how I got here“ - Ich weiß nicht, wie ich hierher gekommen bin, der zweite: „For your consideration“ - Für ihre Überlegung

 

 

Helmut Just

* 2.7.1933 in Berlin, † 30.12.1952 ebd., deutscher Polizist

 

Nach der Volksschule schloss Helmut Just eine Malerlehre ab und trat im August 1952 der Volkspolizei bei.

Am 30. Dezember 1952 hatte der Neunzehnjährige Dienst im VP-Revier 64 und ging in den Abendstunden von der Schivelbeiner Straße zum Gleimtunnel, wo er als Posten eingeteilt war. Gegen 23.00 Uhr wurde Helmut Just dann in der Behmstraße von aus West-Berlin zurückkehrenden Passanten erschossen aufgefunden.

Sein Leichnam wurde im Gebäude der Volkskammer aufgebahrt, seine Trauerfeier geriet zum Staatsakt. Die Ostberliner Propaganda bezichtigte Westberliner „Terrororganisationen“ des Mordes, was jedoch nie belegt werden konnte. Die Westberliner Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein Vierteljahr später ein, die Ostberliner Staatsanwaltschaft endgültig 1987, nicht zuletzt da die Stasi bereits 1967 den Täter im kriminellen Milieu vermutet, Helmut Just „Schieberkreisen“ zugeordnet hatte.

Nach der Deutschen Wiedervereinigung verschwand die an Helmut Just erinnernde Gedenktafel in der Berliner Behmstraße.

 

 

 

 

John Gillespie Magee jr.

* 9.6.1922 in Shanghai, † 11.12.1941 bei Roxholm, Lincolnshire, amerikanischer Pilot und Poet

 

Oh! Ich bin den mürrischen Fesseln der Erde entschlüpft

Und tanzte durch den Himmel auf durch Lachen versilberten Flügeln.

Ich stieg der Sonne entgegen, und traf auf die taumelnde Freude

von durch die Sonne geteilten Wolken, - und habe hundert Dinge getan

von denen Du niemals geträumt hast - gerollt und aufgestiegen, empor geschwungen

Hoch in die sonnendurchflutete Stille.

Dort schwebend habe ich den schreienden Wind gejagt, und schleuderte

Meine begierige Maschine durch bodenlose Hallen aus Luft. -

Diese Zeilen kamen dem jungen Pilot John Gillespie Magee jr. in den Sinn, als er am 18. August 1941 in Wales bei seinem siebten Trainingsflug mit einer „Spitfire“ erstmal über 11.000 Fuß aufstieg. Knapp vier Monate später kollidierte er mit seiner „Spitfire“ beim Sinkflug mit einer „Airspeed Oxford“, stürzte ab und John Gillespie Magee kam im Alter von 19 Jahren ums Leben.

Am 28. Januar 1986 zitierte der US-Präsident Ronald Reagan in seiner Rede an die Nation nach der Explosion der Raumfähre „Challanger“aus John Gillespie Magees „High Flight“.

Hoch, hoch hinaus, entlang des wie wahnsinnig brennenden Blaus,

Habe ich die windgepeitschten Höhen mit einer Leichtigkeit des Seins überboten,

Wo niemals Lerchen noch jemals Adler flogen.

Und, während ich mit still erhabenem Gemüt

Die undurchdringliche Heiligkeit des Weltalls betrat,

Streckte ich meine Hand aus und berührte das Antlitz Gottes.

 

 

 

Raymond Radiguet

* 18.6.1903 in Saint-Maur-des-Fossés, † 12.12.1923 in Paris, französischer Schriftsteller

 

Mit siebzehn schrieb Raymond Radiguet „Den Teufel im Leib“. Fünfmal wurde dieser einzigartige Roman bislang verfilmt: 1947, 1970, 1986, 1989 und 1990. In der 1986er Version beispielsweise ist der Mann der Protagonistin Marthe nicht französischer, an der Front kämpfender Soldat, sondern italienischer, vor Gericht stehender Terrorist. Der Regisseur Marco Bellochio wusste oder verstand jedoch nicht, was Jean Cocteau gesagt hatte: „Mitten in der Krise des Dadaismus und Surrealismus erklärte Radiguet: ‚Nicht den Akademismus muß man bekämpfen, sondern die Avantgarde. Man muß schreiben, wie jedermann schreibt.’ Doch dies diente ihm nur als Ausgangspunkt und war ihm unmöglich, denn er schrieb wie niemand sonst.“ Bellochio ging es offensichtlich vor allem um voyeuristische Möglichkeiten, seiner ambivalenten Perspektive fehlt die tiefe Unschuld Radiguets Ich-Erzähler.

„Radiguet besaß den Eigensinn eines schlechten Schülers und die Weisheit eines alten Chinesen“, urteilte sein Freund und Förderer Jean Cocteau.

In seinem zweiten, postum erschienenen Roman „Der Ball des Comte d’Orgel“ schreibt Radiguet: „Wer aber kein Gefühl für das Wesentliche hat und sich an den Schein hält, wagt sich nicht vor, aus Angst, auf trügerischen Grund zu geraten.“

Raymond Radiguet muss man lesen! Er gilt als einer der besten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Raymond Radiguet starb an Typhus, er wurde nur 19 Jahre alt.

Radiguet: „Mit den Menschen ist es wie mit den Meeren; die einen sind in ständiger Unruhe, andere sind wie das Mittelmeer, das nur bei Unwetter in Bewegung gerät und dann wieder in friedliche Ruhe zurücksinkt.“

 

 

 

Jean-Philippe Baratier

* 19.1.1721 in Schwabach, † 5.10.1740 in Halle/Saale, deutscher Universalgelehrter

 

Im Alter von vier Jahren sprach Jean-Philippe Baratier, Sohn eines hugenottischen Pastors, bereits Deutsch und Französisch, mit fünf Latein, mit sieben Griechisch und Hebräisch. Und alsbald beherrschte er zudem das Arabische, Chaldäische und Syrische. Als Zehnjähriger beschäftigte er sich mit geisteswissenschaftlichen und Büchern von großen Rabbinern und verfasste darüber eigene Werke.

Dann studierte Jean-Philippe Baratier Astronomie und Mathematik und fand eine Methode zur Bestimmung des Längengrades im Meer und diverse neue Rechenwege. Nachdem seine Familie nach Halle umgezogen war, studierte er Rechtswissenschaft und begann das Wissen der Welt enzyklopädisch aufzubereiten.

Im Alter von vierzehn Jahre ging Jean-Philippe Baratier an den preußischen Königshof und wurde als Auswärtiges Mitglied in die Berliner Akademie aufgenommen. Er verfasste Studien zum Öffentlichen Recht, zur Antike und zur Literatur und übersetzte diese selbst ins Französische, Hebräische und ins Lateinische. Und er beschrieb auch Methoden zur Ermittlung von Brechungen, zur Schräglage der Ekliptik und zur Erstellung von astronomischen Tabellen.

Im Alter von neunzehn Jahren starb Jean-Philippe Baratier an Krebs.

Fünfzehn Jahre nach seinem Tod schrieb Johann Heinrich Samuel Formey das Buch „La Vie de Mr. Jean-Philippe Baratier“. Anlässlich seines 300. Geburtstages wurde vor der Franzosenkirche seiner Vaterstadt Schwabach eine Sitzbank mit einer Bronzeskulptur Jean-Philippe Baratiers aufgestellt.

 

 

Robert Limpert

* 15.7.1925 in Ansbach, † 18.4.1945 ebd., deutscher Widerstandskämpfer

 

Robert Limpert musste wegen einer schweren Herzerkrankung nicht Soldat werden und wurde nach dem Abitur Gasthörer an der Julius-Maximus-Universität Würzburg. Am 8. Februar 1945 verfasste er unter seinem Wahlspruch „Pietas, Caritas, Castitas“ ein Testament, wahrscheinlich seines Herzleidens wegen, aber auch weil er fürchtete, dass auch seine politische Gesinnung lebensbedrohlich war. Für Robert Limpert war sein strenger katholischer Glaube mit dem Nationalsozialismus unvereinbar.

Nachdem er im März 1945 doch noch zum Wehrdienst eingezogen wurde, bei einem Luftangriff auf Würzburg einen Herzanfall erlitten und wieder ausgemustert worden war, kehrte er in seine Heimatstadt Ansbach zurück, wo er Flugblätter verteilte, die zur kampflosen Übergabe der Stadt an die vorrückenden Amerikaner aufrief. Und als er eines Nachts eine Telefonleitung der Wehrmacht kappte, wurde er beobachtet, denunziert, verhaftet und von einem Standgericht zum Tode verurteilt.

Robert Limpert sollte an einem Haken am Rathaustor gehängt werden, er konnte seinen Henkern jedoch kurz entfliehen, wurde wieder gefasst, doch nun riss der Hinrichtungsstrick, und so legte man ihm erneut eine Schlinge um den Hals. Robert Limpert starb nur wenige Stunden, bevor amerikanische Einheiten Ansbach einnahmen.

Erst im April 1989 entschloss sich der Ansbacher Stadtrat mit knapper Mehrheit, Robert Limpert zu ehren. Heinz Rudolf Kunze schrieb 2015 den Song „Robert Limpert“

 

 

 

 

Juan Crisótomo de Arriaga

* 27.1.1806 als Juan Crisótomo Jacobo Antonio de Arriaga y Balzola in Bilbao, † 17.1.1826 in Paris, baskischer Komponist

 

Juan Crisótomo de Arriaga galt als spanischer Mozart, bewies bereits im Kindesalter erstaunliches Talent als Geiger und Komponist.

Noch vor seinem fünfzehnten Geburtstag schrieb er die Oper „Los esclavos felices“, die rasch auch in seiner Heimatstadt Bilbao aufgeführt wurde. Mit siebzehn komponierte er drei Streichquartette, die sogleich verlegt wurden. Und weiter verfasste Juan Crisótomo de Arriaga die “Sinfonia a gran orquestra“, „Erminia, scène lyrique-dramatique“ sowie Kirchenmusik und kammermusikalische Werke.

Er ging nach Paris, studierte am Konservatorium und wirkte sogar schon als Assistent der Komponistenklasse.

Zehn Tage vor seinem 20. Geburtstag starb Juan Crisótomo de Arriaga jedoch an Tuberkulose.

 

 

 

Maria de Bohorques

* um 1539 in Sevilla, † 24.9.1559 ebd., spanisches Inquisitionsopfer

 

Maria de Bohorques entstammte einer der vornehmsten Familien Sevillas, nahm jedoch an Zusammenkünften teil, bei denen lutherische Schriften gelesen wurden. Sie wurde verhaftet, gefoltert und da sie ihren evangelischen Glauben nicht widerrufen wollte, von einem Inquisitionsgericht zum Tode verurteilt.

Bis zu zuletzt versuchten zwei Jesuiten, dann zwei Dominikaner und weitere Theologen sie zum Widerruf zu drängen. Sie entgegnete jedoch, dass sie jedes Argument, dass ihre Richter gegen sie und ihren Glauben vorgebracht hätten, klar widerlegt hätte und nicht von ihren Überzeugungen abzubringen sei. So wurde Maria de Bohorques noch bevor sie ausreden konnte erwürgt und schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Der Briefroman „Cornelia Bororquia. Historia verdadera de la Judith española” von Luis Gutierrez basiert auf ihrem Schicksal. Maria de Bohorques gilt als evangelische Märtyrerin, der 23 September ist ihr Gedenktag im Evangelischen Namenkalender

 

 

 

Mya Thwe Thwe Khine

* 2000 in Myanmar, † 19.2.2021 in Naypyidaw, myanmarische Studentin

 

1962 putschte das Militär in Myanmar, das damals noch Burma hieß, und schottete das Land für fast 50 Jahre ab. Die unterdrückten Bürger protestierten erstmals vernehmlich 2007, drei Jahre später gab es Wahlen, die Diktatur endete offiziell, jedoch festigten die Militärs ihre Macht durch geschickte Verfassungsänderungen. 2015 siegte dann die Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die Militärs behielten aber das Recht ein Viertel der Parlamentsabgeordneten selbst zu benennen. Und als Ende 2020 wieder gewählt wurde, errang die Partei Aung San Suu Kyi die absolute Mehrheit – 396 von 476 Parlamentssitzen. Nun sprachen die Generäle von Wahlbetrug und putschten am 1. Februar 2021 erneut.

Aung San Suu Kyi wurde des Hochverrats angeklagt, Proteststimmen erhoben sich im Internet, die Militärs sperrten Internetplattformen, verhängten das Kriegsrecht und untersagten Versammlungen von mehr als fünf Menschen. Daraufhin gingen die Bürger landesweit auf die Straßen.

Am 9. Februar suchte Mya Thwe Thwe Khine bei Massenprotesten in der Landeshauptstadt Naypyidaw Schutz vor anrückenden Wasserwerfern, als ihr ein Polizist in den Kopf schoss. Zehn Tage später starb sie an ihren schlimmen Verletzungen.

Mya Thwe Thwe Khine war das erste Todesopfer dieser Erhebungen gegen die ewig gestrigen Diktatoren ihres Landes. Zahllose sollten folgen.

 

 

Max Schoberth

* 1902 oder 1903, † 9.11.1923 in München, deutscher Polizist

 

Hilfswachtmeister Max Schoberth, Oberwachtmeister Friedrich Fink, Unterwachtmeister Nikolaus Hollweg, und der kommandierende Hauptmann Rudolf Schraut wurden beim Hitler-Ludendorff-Putsch von Nazis unter dem Kommando von Franz Röhm erschossen.

Seit 2010 erinnert eine Tafel an der Fassade der Münchner Residenz an die vier Polizisten der Bayerischen Landespolizei.

 

 

 

 

Joachim Wilhelm von Brawe

4.2.1738 in Weißenfels † 7.4.1758 in Dresden, deutscher Dramatiker

 

Joachim Wilhelm von Brawe absolvierte die sächsische Landesschule Pforta und studierte in Leipzig Rechtswissenschaften. Kurz nach seiner Ernennung zum Regierungsrat in Merseburg starb er jedoch plötzlich bei einem Besuch seiner Eltern in Dresden.

In Leipzig verkehrte Joachim Wilhelm von Brawe im Freundeskreis von Christian Fürchtegott Gellert, Ewald Christian von Kleist und Christian Felix Weiße. Und Gotthold Ephraim Lessing förderte den vielversprechenden jungen Autor, der als erster deutscher Dramatiker den reimlosen fünffüßigen Jambus verwendete.

Joachim Wilhelm von Brawes kurzes Leben reichte jedoch nur, um zwei Trauerspiele zu vollenden: „Brutus“ und „Der Freygeist“.

 

 

 

Edward F. Pimental

* 19.6.1965 in Fall River, Massachusetts, † 8.8.1985 in Wiesbaden, amerikanischer Soldat

 

Vorstellbar, dass Edward F. Pimental die Namen Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin oder Andreas Baader noch nie gehört hatte, geschweige denn, dass nach dem Tod der Gründer der RAF, der berüchtigten Roten Armee Fraktion, eine weitere Generation von Linksterroristen Anschläge vorbereitete.

Edward Pimental stammte aus einer Familie katholischer, mexikanischer Einwanderer und wuchs in New York City in ärmlichen Verhältnissen auf. Er wurde Automechaniker und meldete sich zur US-Army, um weiter voranzukommen und die Welt zu sehen.

Drei Monate, nachdem er in Deutschland stationiert worden war, wurde Edward Pimental nachts im Wiesbadener Stadtwald erschossen, um an seinen Dienstausweis zu gelangen. Mit dem verschaffte sich ein bis dato nicht identifiziertes RAF-Mitglied umgehend Zugang zur Rhein-Main-Airbase und parkte ein Auto mit 126 Kilo Sprengstoff, dessen Detonation zwei Menschen tötete, 23 verletzte und einen Sachschaden von einer Million D-Mark anrichtete.

Am Tag darauf bekannte sich die RAF zu der Tat und legte einem bei der Nachrichtenagentur Reuters eingegangenem Schreiben den Dienstausweis von Spezialist Edward F. Pimental bei.

Die Empörung über diese hinterhältigen Tat war groß und wuchs noch, nachdem sich die RAF 14 Tage später zu rechtfertige suchte: „wir haben edward pimental erschossen,… der seinen früheren job an den nagel gehängt hat, weil er schneller und lockere kohle machen wollte, weil wir seine id-card gebraucht haben, um auf die air-base zu fahren… für uns sind die us-soldaten in der brd nicht täter und opfer zugleich, wir haben nicht diesen verklärten, sozialarbeiterischen blick auf sie.“

Klaus Jünschke, ein ehemaliges RAF-Mitglied sagte im Jahr darauf, der „Genickschussmord an einem zwanzigjährigen Soldaten verdeutliche, dass die RAF keine verantwortliche Führung mehr hat. Dieser verkommene Haufen hatte im Gegenteil die Stirn, sich dieses feigen Mordes zu brüsten und ihn als neue Qualität im Aufbau einer westeuropäischen Front des Kampfes gegen den Imperialismus hinzustellen“.

Im April 2019 wurde im Hessischen Staatstheater Wiesbaden das Stück „Verlorene Kämpfer“ uraufgeführt, in dem die Nacht der Ermordung Edward Pimentals mahnend nachgestellt wird. Im Mai 2019 wurde der Film „To Germany, With Love“ vorgestellt, der Gespräche der Schwester Edward Pimentals mit europäischen Terroristen im Prozeß einer Restorative Justice, im Zuge eines Wiedergutmachungsverfahrens, dokumentiert,

Der Schuss im Wiesbadener Stadtwald hallt also weiter nach.

 

 

 

Reinhold Paul Huhn

* 8.3.1942 in Braunsberg, † 18.6.1962 in Berlin, deutscher Soldat

 

Der Rinderzüchter Reinhold Huhn wurde während seines Wehrdienstes im Alter von 20 Jahren an der Berliner Mauer von einem Westberliner Fluchthelfer erschossen.

34 Jahre später, 1996, wurde der Fluchthelfer vom Landgericht Berlin zu einer Freiheitsstraße von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

 

  

 

 

Kevin Schwarze

* 4.6.1999 in Merseburg, † 9.10.2019 in Halle/Saale, deutscher Malerlehrling

 

Hätte Kevin Schwarze an jenem Terrortag zu Mittag statt eines Döners eine Bockwurst essen wollen, wäre er wohl noch am Leben. Und es half ihm auch nicht, dass er in einem Imbiss um Gnade flehte, mehrmals, auf Deutsch, auf gut Deutsch. Sein Mörder, kaum älter als Kevin, hatte Juden erschießen wollen an Jom Kippur, und da er die Tür der Synagoge mit seinen selbstgebastelten Knarren nicht aufzuschießen vermochte, hatte er wahllos eine Passantin gekillt, eine Weiße, eine Deutsche, und war dann wütend in einen Döner-Imbiss eingedrungen. Wenn schon keine Juden, dann wenigstens Kameltreiber!

Hätte Kevin Schwarze zu Jom Kippur 2019 in Halle an der Saale zu Mittag statt eines Döners eine Bockwurst essen wollen, könnte er weiter mit Fan-Freunden den Halleschen Fußballclub bejubeln, stolz seine Lehre zu Ende bringen, in Ehren als Maler Geld verdienen, Reisen genießen, die Welt anschauen, sich verlieben vielleicht, heiraten, Vater werden, Großvater.

Doch Kevin Schwarze wurde nur 20 Jahre alt, 20 Jahre, 4 Monate und 5 Tage.

 

 

Christoph Friedrich Heinle

* 1.3.1894 in Mayen, † 8.8.1914 in Berlin, deutscher Dichter

 

ES STEIGT DER TAG, aus wirrem Traum, befreit,

Zu schlanker Zier, gleich angeschlagnem Ton

Der sich erhält, dem Ohr verloren schon,

Und lehnt uns süß in bunte Helligkeit.

 

Während seines Philosophiestudiums in Freiburg i. Br. Kernte Christoph Friedrich Heinle im Sommersemester 1913 Walter Benjamin kennen, schrieb mit ihm für die Jugendzeitschrift„Anfang“ und wurde sein Freund. Nachdem er im Wintersemester nach Berlin gewechselt war, wirkten die beiden in der „Abteilung und Kunst“ der Freien Studentenschaft und traten gemeinsam bei Veranstaltungen der expressionistischen „Aktion“ auf. Möglicherweise skandierte Heinle hier auch einige seiner Gedichte, die seit 1912 vereinzelt publiziert worden waren.

„Wenn wir seine Texte wieder und wieder studieren (nicht als apologetische Interpreten, die nicht müde werden, die Spuren zu verwischen, die von Georg Büchner direkt zu Heinle führen), entdecken wir eine Modernität, die uns den Atem verschlägt, gespeist von einer explosiven Mischung aus existentialistischen Früherfahrungen und (was ihn von Jean-Paul Sartre unterscheidet) religiöser Bindung. Wir alle sind gefangen hierzulande, Luxus- wie Armutsgefangene in den Knästen des Kapitals, Träger von Charaktermasken nach Marx, wir sind nicht wir selbst. Was ist das für ein ‚Gesetz befreiter Haft’, das der Dichter so inbrünstig beschwört? Nicht Kapitalismuskritik aus Logik, sondern aus Liebe, Kapitallogik eingeschlossen“, schrieb Antonin Dick in einem Heinle-Essay

 

Indes wir trauern um der Nächte Tod

Wo zwischen Bäumen in verglastem Strahl

Die Stadt, gekrönte, Funken sonder Zahl

Und flammender Basteien Gipfel bot.

 

Wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahm sich Christoph Friedrich Heinle mit seiner Freundin im Alter von 20 Jahren das Leben. Walter Benjamin verfasste zu seinem Gedenken mehr als 50 Sonette, die lange als verschollen galten, doch 1981 wiedergefunden worden. Heinles Nachlass hingegen ging verloren.

 

Wir schlafen lang ins tiefe Abendrot

Und gehen aus, bis in die kühlste Flut

Der Leib versinkt und nun getröstet ruht

In leichter Wellen mildem Spiel und Tod.

 

 

 

 

Jan Palach

* 11.8.1948 in Melnik, † 19.1.1969 in Prag, tschechischer Student

 

In seinem Abschiedsbrief schrieb Jan Palach: „Da unser Land davor steht, der Hoffnungslosigkeit zu erliegen, haben wir uns dazu entschlossen, unserem Protest auf diese Weise Ausdruck zu verleihen, um die Menschen aufzurütteln. Unsere Gruppe ist aus Freiwilligen gebildet, die dazu bereit sind, sich für unser Anliegen selbst zu verbrennen. Die Ehre, das erste Los zu ziehen, ist mir zugefallen, damit erwarb ich das Recht, den ersten Brief zu schreiben und die erste Fackel zu entzünden.“

Sein Handeln: „Jan Palach stand am 16. Januar 1969 zwischen 15 und 16 Uhr bei der Treppe des Nationalmuseums, welches den Prager Wenzelsplatz gegen Südosten abschließt, legte dort am Rande des Brunnens seinen Mantel und seine Aktentasche ab, in der sich die Abschrift einer zuvor an seine Verwandten und eine Anzahl seiner Kommilitonen gesandten Nachricht befand, übergoss sich mit dem Inhalt eines Benzinkanisters, entzündete ein Streichholz, stand augenblicklich am ganzen Körper in Flammen und rannte auf den Wenzelsplatz hinaus. Ein Fahrdienstleiter an der dortigen Straßenbahnhaltestelle sah Palach auf sich zukommen und warf seinen Mantel über ihn, noch während Palach ihn darum bat, mit seinem Mantel die Flammen zu ersticken. Danach fiel Palach auf der Straße zu Boden. Der Fahrdienstleiter begleitete ihn in dem umgehend eintreffenden Krankenwagen, in welchem Jan Palach, der bei Bewusstsein geblieben war, ihm mitteilte, dass das Entzünden seine eigene Tat gewesen sei. Palach erlitt hochgradige Verbrennungen an 85 % der Körperoberfläche.“

Drei Tage später erlag Jan Palach seinen schweren Verletzungen. Am Tag davor hatte er einem Arzt gesagt, dass es seine Pflicht gewesen sei, so zu handeln, und dass er es nicht bereue. Er wiederholte, dass es weitere Mitglieder seiner Gruppe gäbe, die bereit seien, ebenso zu handeln wie er. Der Arzt sagte später, Palachs Verstand sei „klar und logisch“ gewesen. Über die Gruppe, der Jan Palach angeblich angehörte, wurde allerdings nie Genaueres bekannt.

Eine Psychologin der tschechoslowakischen Staatssicherheit verhörte Jan Palach im Krankenhaus. Die Tonbänder dieses Verhörs sind erhalten. Auf die Frage, ob die Verbrennungen weh tun würden, antwortete er: „Genug“…

Nach seinem Tod verlas der Anführer der um diese Zeit streikenden Studenten, Lubomír Holeček, im Radio die Worte, die Palach ihm drei Stunden vor seinem Tod diktiert hatte: „Meine Tat hat ihren Sinn erfüllt. Aber niemand sollte sie wiederholen. Die Studenten sollten ihr Leben schonen, damit sie ihr ganzes Leben lang unsere Ziele erfüllen können, damit sie lebendig zum Kampfe beitragen. Ich sage euch ‚Auf Wiedersehen‘. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder.“

Am 8. September 1968 hatte sich bereits der Pole Ryszard Siwiec während einer öffentlichen Veranstaltung im Warschauer Stadion Dziesieciolecia und in Anwesenheit von hunderttausend Menschen – ebenfalls aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings – selbst verbrannt. Vier Tage später erlag er im Krankenhaus seinen Verbrennungen. Es scheint unwahrscheinlich, dass sich Jan Palach Ryszard Siwiec zum Vorbild nahm, da Siwiec’ Selbstverbrennung zum ersten Mal zwei Monate nach Palachs Tod in Radio Free Europe öffentlich wurde. Auch ein Zusammenhang mit dem Saigoner Mönch Thich Quàng Duc, der sich im Jahr 1963 aus Protest gegen den südvietnamesischen Präsidenten Ngo Dinh Diem selbst verbrannte, dürfte kaum nachzuweisen sein.

In der Woche nach Jan Palachs Tod nahmen sich in der ČSSR fünf weitere Menschen aus Protest gegen die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ das Leben.

Jan Palach wurde zum Märtyrer, sein Grab 2019 zum „Nationalen Kulturdenkmal Tschechiens“ erklärt. Bereits 1991 hatte Václav Havel als Staatspräsident Jan Palach mit dem Masaryk-Orden erster Klasse geehrte, eine der höchsten, im Zuge der tschechischen „Samtenen Revolution“ gestifteten Auszeichnungen. Und nicht allein in Tschechien stehen Jan-Palach-Denkmale, sondern auch in London, Rom und Vevey. Agnieszka Holland drehte den Film: Burning Bush – Die Helden von Prag“. Und ein Asteroid wurde nach Jan Palach benannt.

 

 

 

Roy Ravana Junior

* 4.11.1993 in Suva, † 9.6.2014 in Fruitride, Kalifornien, fidschianischer Leichtathlet

 

Ray Ravana Junior vertrat sein Heimatland Fidschi bei diversen Leichtathletik Höhepunkten als Sprinter, so bei den Pazifikspiel 2011 in Neukaledonien, 2012 bei den Hallenweltmeisterschaften in Istanbul und bei den Juniorenweltmeisterschaften in Barcelona.

Ab 2012 studierte er am Iowa Central Community College und war hier Mitglied des Leichtathletik-Teams. Während eines Trainingslaufs wurde er im Alter von 20 Jahren aus einem Auto heraus von zwei Jugendlichen im Auftrag einer Straßengang erschossen.

 

 

 

Bedros Dourian

* 20.5.1851 in Konstantinopel, † 21.1.1872, armenischer Dichter

 

Bedros Dourians Vater war Schmied in Konstantinopel, sein Schullehrer hingegen der wohl größte armenische Satiriker, war Hagop Baronian, der in seinem Buch „Ehrenwerte Bettler“, das bettlerähnliche Dasein von Schriftstellern in der Ära des Sultans Abdülhamit II. parodierte hatte.

Bedros Durian hingegen schrieb vor allem Gedichte, die als Ausgangspunkt einer modernen armenischen Lyriktradition gelten und ins Deutsche, Englische, Französische, Italienische und Russische übersetzt wurden.

Er verfasste jedoch auch Dramen wie „Theater der Außenseiter“, in dem er soziale Ungerechtigkeit und moralischen Verfall angeprangert und zwei Protagonisten auf der Bühne Selbstmord begehen lässt.

Bedros Dourian starb im Alter von zwanzig Jahren an Tuberkolose.

 

 

 

Évariste Galois

* 25.10.1811 in Bourg-la-Reine, † 31.5.1832 in Paris, französischer Mathematiker

 

Nach Évariste Galios wurde ein Teilgebiet der Algebra benannt, die Symmetrien der Nullstellen von Polynomen, die Galoistheorie. Durch ihn lassen sich Fragen beantworten wie: „Welche regelmäßigen Polygone lassen sich mit Zirkel und Lineal konstruieren?“ oder „Warum kann zu einem Würfel nicht die Seite eines Würfels mit doppeltem Volumen konstruiert werden?“ oder „Warum kann ein Winkel nicht dreigeteilt werden?“

Évariste Galois war jedoch nicht nur hochbegabter Mathematiker, sondern auch französischer Republikaner und als solcher vom Ausgang der 1830er Julirevolution schwer enttäuscht. So engagierte er sich zunehmend politisch, wurde von der Hochschule verwiesen und zweimal verhaftet, nach der ersten Verhaftung noch freigesprochen, nach der zweiten jedoch zu einer halbjährigen Haftstrafe verurteilt.

Kaum aus dem Gefängnis entlassen, duellierte er sich, angeblich mit einem agent provocateur der Regierung, somit wäre Évariste also für seine Gesinnung gestorben. Tatsächlich war sein Duellgegner aber sein republikanischer Gesinnungsgenosse Perschin d’Herbinville, und es ging um ein Mädchen. Vermutet wurde sogar, dass dieses Duell ein inszenierter Selbstmord aus Liebeskummer war, denn d’Herbinville galt – im Gegensatz zu Galois - als exzellenter Schütze.

In der Nacht vor dem Duell vertraute er seine mathematischen Theorien seinem Freund Auguste Chevalier an und bat ihn dafür zu sorgen, dass diese Verbreitung und Anerkennung finden. In diesen Manuskripte gab es Randbemerkungen wie „je n’ai pas le temps“ – mir fehlt die Zeit…

Nach Sonnenaufgang des 30. Mai erlitt der zwanzigjährige Évariste Galois in der Nähe der Hotels, in dem er übernachtet hatte, des „Sieur Faultrier“, einen Bauchdurchschuss und starb am folgenden Tag.

 

 

Andrew Goodman

* 23.11.1943 in New York City, † 21.6.1964 in Neshoba County, Mississippi, amerikanischer Bürgerrechtler

 

Andrew Goodman studierte an der University of Wisconsin-Madison und Anthropologie am Queens College in New York. Im Jahr 1964 entschloss er, sich für die Bürgerrechte der Schwarzen Bevölkerung in den Amerikanischen Südstatten zu engagieren.

Am 21. Juni fuhr er mit zwei anderen Aktivisten zu einer Kirche, die aus rassistischen Gründen niedergebrannt worden war. Der Sheriff und der Deputy des Ortes, die beide Mitglieder des Klu-Klux-Klan waren, verhafteten sie und lockten sie dann in einen Hinterhalt. Andrew Goodman und Michael Schwerner wurden sofort erschossen, James Earl Chaney zuvor noch gefoltert. Dem FBI gelang es zwar, das Mordkomplott aufzuklären, doch wurden die Täter nur zu milden Freiheitsstrafen verurteilt.

Paul Simon, der mit Andrew Goodman befreundet war, schrieb zu seinem Gedächtnis einen Song „He was my brother / And he died so his brothers could be free…“

Der Spielfilm „Mississippi Burning“ zeichnet die Ermordung der drei Bürgerrechtler nach.

Im Jahr 2014 wurde Andrew Goodman mit der Presidential Medal of Freedom geehrt.

 

 

 

 

Chris Gueffroy

* 21.6.1968 in Pasewalk, † 5/6.2.1989 in Berlin, deutscher Flüchtling

 

Chris Gueffroy war der letzte Flüchtling, der an der Berliner Mauer erschossen wurde, und zugleich einer der jüngsten. Das jüngste der mehr als 140 Opfer dieses Mauerregimes war Jörg Hartmann, er war erst 10, das älteste die achtzigjährige Olga Segler, das erste, bereits am neunten Tag nach dem Bau dieser Mauer, die achtundfünfzigjährige Ida Siekmann.

Wikipedia weiß: „Chris Gueffroy lebte bis 1970 in Viereck, dann bis 1973 in Schwedt und ab 1973 in Ost-Berlin. Bis 1978 besuchte er die 9. Polytechnische Oberschule „Herta Geffke“ in Johannisthal und von 1978 bis 1980 die Kinder- und Jugendsportschule „Heinrich Rau“ des SC Dynamo Berlin, wo er Turnen als Leistungssport betrieb. Von der 6. bis zur 10. Klasse war er Schüler der 20. Polytechnischen Oberschule „Otto Buchwitz“ in Johannisthal. Im Mitropa-Hotel am Flughafen Berlin-Schönefeld wurde er von 1985 bis 1987 zum Kellner ausgebildet. Hier kam es aufgrund der politischen Situation in der DDR zu Konfrontationen mit Vorgesetzten. Sein Wunsch, das Land zu verlassen, wurde durch mehrere Ausreisen in seinem Freundeskreis bestärkt. Hinzu kam die vorgesehene Einberufung zum Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee, die zunächst im Herbst 1988 erfolgen sollte, aber auf Mai 1989 verschoben wurde. Gueffroy und sein Freund Christian Gaudian planten, einen Fluchtversuch über die Mauer zu wagen. Sie glaubten, dass der Schießbefehl während des Staatsbesuchs des schwedischen Ministerpräsidenten Ingvar Carlsson in der DDR ausgesetzt sei. Beide versuchten, in der Nacht vom 5. zum 6. Februar 1989 in der Nähe der Kleingartenkolonie „Harmonie“ über den Britzer Verbingskanal nach West-Berlin zu flüchten, der hier die Grenze zwischen Baumschulenweg (Ost-Berlin) und Neukölln (West-Berlin) bildet. Die vorgesehene Stelle war ca. 2 km von seinem Wohnsitz in der Südostallee 218 in Johannisthal entfernt. Vor dem Überwinden des letzten Metallgitterzauns wurden die beiden Flüchtlinge von Grenzsoldaten der DDR entdeckt und unter Beschuss genommen. Gueffroy wurde von zwei Kugeln getroffen, von denen eine sein Herz traf. Er starb noch im Grenzstreifen. Gaudian wurde schwer verletzt festgenommen.

An Chris Gueffroys 35. Geburtstag wurde am Ufer des Britzer Verbindungskanals, wo er im Alter von 20 Jahren ums Leben kam, eine Gedenkstele eingeweiht. Dieses Mahnmal erinnert ebenso wie die weißen Kreuze am Reichstagsufer auch an all die anderen Maueropfer.

 

 

Otto Braun

* 27.7.1897 in Zehlendorf, † 29.4.1918 in Marchelcave, Somme, deutscher Lyriker

 

Von Otto Braun wurde zu seinen Lebzeiten wurde wohl nur ein Gedicht in einer Zeitschrift veröffentlicht. Postum wurden seine Werke nach dem Ersten Weltkrieg vor allem in Deutschland, Großbritannien und den USA populär.

Als Siebzehnjähriger hatte er als Kriegsfreiwilliger gemeldet und schrieb dann begeistert an seine Eltern Lily und Heinrich Braun: Um acht Uhr sind wir mit der Division in Warschau eingerückt. Es war wie ein Rausch, der nicht zu sagen ist. Oder: Was ich in dieser kurzen Zeit des Krieges alles hinzugewonnen habe an Erfahrungen in jeder Hinsicht! Ich bemerke, daß man gewissen Seiten des Menschen jedenfalls augenfällig nur im Feuer erkennt, da fällt vieles ab, und Sonderbares steigt auf.

Im Alter von 20 Jahren fiel Leutnant Otto Braun in einem Unterstand an der Westfront.

Den Nachruf verfasste sein ehemaliger Mathematiklehrer: „Otto Braun lenkte schon in frühester Jugend durch seltene Begabung und einen erstaunlich vielseitig interessierten Geist die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich. Die frische Natürlichkeit und jugendliche Fröhlichkeit seiner Veranlagung ließen das Herankeimen einer geistig hochentwickelten harmonischen Persönlichkeit erwarten. Wie ihn hat man sich wohl den Knaben Goethe zu denken.“

Und Hugo von Hofmannsthal schrieb in einem Brief: „…der junge Braun gefallen. Es ist schon grauenhaft, diese Opfer an allerhöchsten Blüten unseres Geisteslebens, grauenhaft, grauenhaft, ich bin ganz umgeworfen durch den Tod dieses Menschen, zu dem man ohne ihn zu kennen so viel Bezug hat und der sich solch fabelhafte, fabelhafte Briefe schrieb. Grauenhaft, grauenhaft…“

  

 

 

Olivia Nova

* 28.4.1997 in Coon Rapids, Minnesota als Alexis Rose Forte, † 7.1.2018 in Las Vegas, Nevada, amerikanische Pornodarstellerin

 

Mit neunzehn posierte Olivia Nova erstmals vor einer Pornofilm-Kamera. Insgesamt spielte sie in 19 Filmchen mit, wurde in der Kategorie „Best Girl/Girl Sex Scene“ sogar für einen Erotik-Award nominiert.

Als offizielle Todesursache wurde eine Sepsis infolge eines Harnwegsinfekts angegeben, dann stellte sich jedoch heraus, dass ständiger Alkohol- und Medikamenten-Missbrauch ihr das Leben gekostet hatte. Ausgereizt.

Olivia Nova wurde nur zwanzig Jahre alt.

 

 

Thomas Aikenhead

* 28.3.1676 (getauft) in Edinburgh, † 8.1.1697 zwischen Edinburgh und Leigh, schottischer Student

 

Im Alter von 17 Jahren immatrikulierte sich Thomas Aikenhead an der Universität Edinburgh für ein Studium der Medizin. Drei Jahre später wurde wegen Gotteslästerung angeklagt, da er gesagt haben soll: Theologie sei eine Schwärmerei (rhapsody) von schlecht erfundenem Unsinn - Gott, die Welt und die Natur seien ein und dasselbe (wörtlich: are but one thing), und die Welt habe seit Ewigkeit bestanden - das Christentum sei bald völlig verschwunden, wahrscheinlich schon im Jahr 1800 - das Alte Testament nenne er „Esras Fabeln“, in Anspielung auf Äsops Fabeln und darauf, dass Esra das Alte Testament erfunden habe - Jesus sei ein Betrüger-Messias (wörtlich: impostor Christ) gewesen und habe mit in Ägypten erlernter Magie seine Jünger, eigentlich unverständige Fischer, hinters Licht geführt - die Trinität sei unglaubhaft und ihrer Widerlegung nicht wert - der Glaube an eine gleichzeitig göttliche und menschliche Natur Jesu sei so absurd wie der Glaube an ein rundes Quadrat oder an einen hircus cervus, ein Tier, das halb Ziegenbock, halb Hirsch sei - die Bibel enthalte so viele Widersprüche wie Seiten.

Thomas Aikenhead wurde zum Tode verurteilt und an der Straße zwischen Edinburgh und Leigh gehängt. Sein Leichnam wurde unter dem Galgen begraben. Seine Hinrichtung war die letzte wegen Blasphemie in Großbritannien.

 

 

 

 

 

 

Ananda Mahidol

* 20.9.1925 als Mom Chao Ananda Mahidol Mahidol in Heidelberg, auch: Rama VIII., † 9.6.1946 in Bangkok, König von Thailand

 

Da sich sein Vater Prinz Mahidol Adulyadej wegen einer Nierenerkrankung in Heidelberg behandeln ließ, kam Ananda Mahidol in Deutschland zur Welt. Vier Jahre später starb sein Vater, und weitere drei Jahre darauf kam es in Thailand durch einen Staatsstreich zum Ende der absoluten und zum Beginn der konstitutionellen Monarchie. Seine Mutter zog mit Ananda Mahidol und seinen beiden Geschwistern in die Schweiz. Und nachdem König Prajadhipok abgedankt hatte, fiel Ananda Mahidol im Alter von neun Jahren die Königswürde zu. Er übte seine Herrschaft jedoch zumeist von Lausanne aus, wo er zur Schule ging und studierte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bat ihn die Regierung Thailands zurückzukehren. So kam er Ende 1945 mit seinem jüngeren Bruder Bhumipol Adulyadej nach Bangkok. Eines halbes Jahr später kam Ananda Mahidol im Alter von 20 Jahren unter nie geklärten Umständen in seinem Schlafgemach durch einen Schuss ums Leben.

Bhumipol Adulyadej folgte ihm als König Rama IX. nach und residierte bis zu seinem Tod im Jahr 2016.

 

 

 

Kamal Ahmed Bamadhaj

* 23.12.1970 im Territorium Kuala Lumpur, † 12.11.1991 in Dili, Osttimor, malaysischer Menschenrechtler

 

Kamal Ahmed Bamadhaj studierte in Sydney und gründete die Action in Solidarity with Indonesia mit, die sich für die Menschenrechte in Indonesien und ging Ende Oktober 1991 für die australische Community Aid Abroad als Übersetzer nach Osttimor.

Am 12. November nahm er am Gedenkgottesdienst für den wenige Tage zuvor ermordeten Unabhängigkeitsaktivisten Sebastião Gomes teil und schloss sich dann dem Trauerzug an. Am Friedhof Santa Clara griffen indonesische Sicherheitskräfte die Trauernden an und erschossen 271 Menschen. Einer von ihnen war der zwanzigjährige Kamal Ahmed Bamadhaj.

Der Presserat des unabhängig gewordenen Osttimors verlieh ihm postum den Titel „Jornalista de Mérito“ – Verdienter Journalist.

 

 

 

Rupert John Cornford

* 27.12.1915 in Cambridge, † 28.12.1936 bei Lopera, Spanien, englischer Dichter

 

Rupert John Cornford war ein Urenkel von Charles Darwin. Im Alter von 20 Jahren ging der junge Dichter nach Spanien und schloss sich den Internationalen Brigaden an.

George Orwell urteilte in einem Essay: „Lassen Sie irgendjemanden das Gedicht vergleichen, das John Cornford kurz vor seinem Tod geschrieben hat („Before the Storming of Huesca“), mit Sir Henry Newbolts "There's a Breathless Hush in the Close Tonight". Lassen Sie die technischen Unterschiede beiseite, die nur eine Angelegenheit sind Zeit, und man sieht, dass der emotionale Inhalt der beiden Gedichte fast genau derselbe ist. Der junge Kommunist, der in der Internationalen Brigade heldenhaft starb, war bis ins Mark eine öffentliche Schule.“

Rupert John Cornford fiel einen Tag nach seinem 21. Geburtstag in der Schlacht von Lopera.

Im Jahr darauf wurde ein Gedenkband an Rupert John Cornford herausgegeben. Stephen Spender rezensierte: „Cornfords Leben spricht für sich selbst auf eine Weise, die die Vorstellungskraft beflügelt […]. Die Tatsache, dass Cornford lebte und dass andere wie er noch leben, ist eine wichtige Lektion für die Führer der Demokratien. Sie zeigt, dass Menschen leben und sterben und für die Demokratie kämpfen werden, wenn sie ihnen die Gerechtigkeit und Freiheit gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt.“

 

Die Zeit der Zukunft hat kein Bild im Raum,

krumm wie die Straße, die wir gehen müssen,

gerade wie unsere Kugeln vorausfliegen.

Wir sind die Zukunft.

  

 

Maximilianus von Numidien

* 274 in Tebessa, † 12.3.295 in Theveste, christlicher Märtyrer

 

Maximilianis verweigerte den Militärdienst: Es ist mir nicht erlaubt Soldat zu sein, weil ich Christ bin, soll er zum römischen Prokonsul Dion gesagt haben..

Daraufhin wurde ihm in Numidien der Prozess gemacht, er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Bestattet wurde er wohl in Karthago, später heilig gesprochen. Seine Reliquien finden sich in St. Maria in Montecelli.

 

 

 

Lucian Tapiedi

* 1921 in Taupota, Papua-Neuguinea, † 1942 bei Kurumbo, papuanischer Lehrer

 

Lucien Tapedi war der Neffe eines papuanischen Zauberers, kam jedoch in eine Missionsschule und unterrichtete schließlich als Lehrer selbst in christlichen Schulen, zuletzt in Sangara.

Im Januar 1942 leiteten die Japaner mit der Schlacht um Rabaul die Invasion Papua-Neuguineas ein. Lucien Tapiedi fürchtete, dass die Eroberer rasch auch Sangara besetzen würden, einen wichtigen Standort der Kaffee-, Kautschuk- und Zucker-Industrie. Er floh ins Hinterland, gelangte in ein Dorf der Orokaiva, wo ihn ein Orokaiva-Krieger namens Hivijapa mit einer Axt erschlug.

Sein Mörder konvertierte später zum Christentum, nannte sich fortan Hivijapa Lucian und erbaute zur Sühne seiner Tat eine Kirche, die dann bei einem Vulkan-Ausbruch zerstört, in der Nähe des Dorfes Buna allerdings wieder aufgebaut wurde. Ein weiteres Lucian Tapiedi geweihtes Gotteshaus steht unweit des Flughafens von Port Moresby, der Hauptstadt Papua-Neuguineas. Sein Grab befindet sich am Bahnhof von Sangara.

Lucian Tapedi gilt als Märtyrer der Anglikanischen Kirche, gedacht wird ihm am 2. September.

 

 

Lea Aaliste

* 24.8.1973, † 28.9.1994 in der Ostsee, estnisches Fähropfer

 

Die Passagierliste der Fähre „Estonia“, die am 27. September 1994, um 19.17 Uhr in Tallin auslief und am nächsten Morgen am Zielort Stockholm nie ankam, beginnt mit: „1 – Aadli, Arvid Kalle, Sweden, old person, dead“ und endet mit 1023 – Zelmin Katre, Estonia, infant, dead“. Insgesamt kamen 852 Menschen beim Untergang dieser Fähre ums Leben, 137 wurden gerettet. Die Estin Lea Aaliste – Nummer 2 auf der Passagierliste - gilt als eine der wenigen Vermissten.

Wer weiß, vielleicht hat sie überlebt, irgendwie, irgendwo, und könnte uns erzählen, was damals wirklich geschah. Denn nach wie vor wird trotz diverser Untersuchungen und (Abschluss)Berichte spekuliert, was in jener Nacht mitten auf der Ostsee wirklich geschah.

War es einfach Schlamperei - Undichtheiten in der Bugklappe sollen mit alten Matratzen verstopft worden sein? Warum riss die Bugklappe plötzlich ab? Wurden Waffen geschmuggelt, atomares Material? Waren Geheimdienste involviert? Explodierte gar eine Bombe? Warum wurde das Wrack nie gehoben? Warum darf man nicht mal in die Nähe des Wracks? Gibt es etwas zu verbergen? Warum blieben und bleiben Fragen über Fragen hartnäckig unbeantwortet?

Lea Aaliste, was könntest du berichten?

 

 

 Tobias Lagenstein

* 28.4.1980 in Wildeshausen, † 28.5.2011 in Taloqan, Afghanistan, deutscher Soldat

 

Tobias Lagenstein war einer von 59 Bundeswehrsoldaten, die von 2003 bis 2021 in Afghanistan fielen.

Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein diente als Leiter eines Personenschutzkommandos und kam bei einer Sicherheitskonferenz vor dem Gouverneurspalast der nordafghanischen Provinz Tachar im Alter von 21 Jahren durch ein Selbstmordattentat ums Leben.

2018 wurde eine Kaserne in Hannover nach ihm benannt.

 

 

 

Philipp Müller

* 5.4.1931 in Neuabing, † 11.5.1952 in Essen, deutscher Arbeiter

 

Philipp Müller war der erste Demonstrant, der in der Bundesrepublik Deutschland durch die Polizei getötet wurde. Protestiert hatte der Einundzwanzigjährige mit zahlreichen anderen Demonstranten vor der Essener Grugahalle gegen die geplante Wiederbewaffnung und die vertragliche Bindung der BRD an die NATO. Das Landgericht Dortmund stufte die tödlichen Schüsse auf Philipp Müller dann als Notwehr ein.

In der DDR wurde Philipp Müller, der Mitglied der westdeutschen FDJ und der KPD war, als „deutscher Patriot“ geehrt. Johannes R. Becher und Kurt Barthel verfassten Gedichte, Paul Wiens mit Paul Dessau ein Lied. In etlichen Städten wurden Einrichtungen und Straßen nach Philipp Müller benannt.

 

 

 

 

Brandon Teena

* 12.12.1972 als Teena Renae Brandon in Lincoln, Nebraska, † 31.12.1993 in der Nähe von Humboldt, Nebraska, amerikanisches Sexualmordopfer

 

Bei seiner Geburt wurde Brandon Teena dem weiblichen Geschlecht zugewiesen und versuchte sich im Alter von 19 Jahren als Mann zu identifizieren, begann eine Hormontherapie und erwog eine geschlechtsangleichende Operation.

Um Brandon Teena einen „Denkzettel“ zu verpassen, wurde er von zwei „Kumpels“ vergewaltigt und schließlich wenige Tage nach seinem 21. Geburtstag mit zwei Vergewaltigungszeugen erschossen.

 

 

Jules-André Peugeot

* 11.6.1893 in Étupes,, † 2.8.1914 bei Delle, Frankreich, französischer Soldat

 

Jules-André Peugeot diente als Caporal im 2. Bataillon des 44e Infanterieregiments führte eine Gruppe der 6. Kompanie dieser Einheit zur Überwachung der Staatsgrenze. Er fiel im Feuergefecht mit der deutschen Aufklärungs-Patrouille unter Leutnant Mayer.

Der Wehrpflichtige Jules-André Peugeot war der erste französische Soldat, der im Ersten Weltkrieg fiel.

 

Albert Mayer

* 24.4.1892 in Magdeburg, † 2.8.1914 bei Delle, Frankreich, deutscher Soldat

 

Albert Mayer gilt als erster deutscher Soldat, der im Ersten Weltkrieg fiel, acht Stunden vor der offiziellen Kriegserklärung an Frankreich!

Albert Mayer, Leutnant des Mühlhausener Jäger-Regiments zu Pferde Nr. 5 führte eine Aufklärungs-Patrouille nach Joncherey, zweifelsohne auf französisches Staatsgebiet also, wo es zu einem kurzen Feuergefecht mit dem 2. Bataillon des 44e Infanterieregiments kam und Leutnant Mayer tödlich getroffen wurde.

 

 

 

 

Nodar Kumarataschwili

* 25.11.1988 in Bordschomi, Samzche-Dschachetien, † 12.2.2010 in Whistler, Britsih Columbia, georgischer Rennrodler

 

Nodar Kumarataschwili verunglückte beim Abschluss-Training für die Rennrodelwettbewerbe der Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver kurz vor der Offiziellen Eröffnungsfeier im Alter von21 Jahren tödlich.

Im abschließenden Untersuchungsbericht wurde festgestellt, wurde ein tragischer Unglücksfall bescheinigt, jedoch auch, dass die olympische Rodelbahn anspruchvoll und schwierig und nur für erfahrene Athleten ausgelegt war. Nodar Kumarataschwili fehlte diese Erfahrung. Der Internationale Rennrodelverband wurde aufgefordert, künftig dafür zu sorgen, dass allen Teilnehmern an Großereignissen genügend Zeit für die Wettkampfvorbreitung auf der jeweiligen Bahn eingeräumt wird.

Für die Ausrichtung der folgenden Olympischen Winterspiele hatte sich Nodar Kumarataschwili Heimatort Bordschomi schon Jahre zuvor beworben. Hier wollte er glänzen. Der Bewerbung wurde allerdings letztlich zugunsten des russischen Sotschi nicht stattgegeben.

 

 

Sergio Corazzini

* 6.2.1886 in Rom, † 17.6.1907 ebd., italienischer Dichter

 

Seine ersten Gedichte schrieb Sergio Corazzini im Alter von 16 Jahren, nicht zuletzt unter dem Eindruck seines engsten Umfelds: sein Vater hatte die Familie durch Börsenspekulationen ruiniert, seine Mutter erkrankte und ein Bruder starb an Schwindsucht und ein anderer Bruder kam bei einem Autounfall ums Leben.

Nach ersten Veröffentlichungen fand unter seiner Ägide eine avantgardistische Gruppe junger Dichter zusammen, die Crespuscolari, nach „Crepuscolarismo – die Poesie der kleinen Dinge“. Er veröffentlichte sechs Gedichtbände, eine weiterer erschien postum

Sergio Corazzini starb im Alter von 21 Jahren an Tuberkulose.

 

 

 

Javier Heraud

* 19.1.1942 in Miraflores, † 15.5.1963 in Madre de Dios, peruanischer Dichter

 

Im Alter von 16 Jahren begann Javier Heraud an der Päpstlichen Universität von Peru zu studieren. Zwei Jahre später setzte er sein Studium an der Universidad Nacional Mayor de San Marco fort und veröffentlichte erste Gedichte. Für „El Viaje“ wurde er sogar ausgezeichnet.

Dann erhielt er ein Stipendium aus Kuba, wo er Fidel Castro kennenlernte. Zurück in Peru schloss er sich der Guerilla-Organisation Ejército de Liberación Nacional an und kämpfte gegen die Militärdiktatur unter General Godoy.

Im Alter von 21 Jahren wurde Javier Heraud auf der Flucht vor einer Festnahme mit drei Weggefährten in einem Kanu erschossen.

Zu Lebzeiten erschienen von ihm drei Gedichtbände, ein weiterer postum.

 

  

Fred Hampton

* 30.8.1948 in Chicago, Illinois, † 4.12.1969 ebd., amerikanischer Bürgerrechtler

 

Fred Hampton studierte Rechtswissenschaften in River Grove und engagierte sich in der National Association for the Advancement of Colored People, übernahm die Führung eines Jugendrates, trat dann den Black.Panthers bei und stieg rasch in örtliche Leitungsgremien auf. Ende 1969 stand er dann kurz vor seiner Ernennung zum landesweiten Stabschef der Black Panther Party.

In der Nacht des 4. Dezember wurde der einundzwanzigjährige Fred Hampton jedoch nach jahrelanger FBI-Bespitzelung von einem Polizei-Einsatzkommando in seiner Wohnung im Schlaf erschossen.

Über sein Leben und seinen Tod wurden zwei Dokumentar- und der Spielfilm „Judas and the Black Messiah“ gedreht.

 

 

  

Tore Eikeland

* 18.5.1990 in Osterøy, † 22.7.2011 auf Utøya, norwegischer Politiker

 

Der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg sagte während des Trauergottesdienstes für die Opfer des Terroranschlags auf der Insel Utøya: „… der jetzt fehlt, ist Tore Eikeland. Er war Chef des AUF in Hordaland und einer unserer talentiertesten Jugend-Politiker. Ich erinnere mich, als er einen ganzen Parteitag der Arbeiterpartei zum Jubeln brachte, als er eine Rede gegen die EU-Postdirektive hielt – und gewann. Jetzt ist er tot. Für immer fort. Es ist nicht zu begreifen.“

Tore Eikeland war auch Mitglied des Landesvorstandes der AUF, der Jugendorganisation der norwegischen Arbeiterpartei, die alljährlich ein Zeltlager auf Utøya im Tyrifjord vor Oslo organisierte. Er studierte Politikwissenschaften an der Universität Bergen und schrieb fleißig Gastkommentare für verschiedene Zeitungen.

Etwa 560 Jugendliche genossen im Jahr 2011 das Sommercamp auf Utøya. Am 22. Juli 2011 erschoss der rechtsradikale Attentäter Anders Breivik von 17.20 Uhr bis 18.35 Uhr gnadenlos 69 Teilnehmer, darunter auch Tore Eikeland. Er wurde nur 21 Jahre alt.

 

 

 

Helmut „Helle“ Hirsch

* 27.1.1916 in Stuttgart, † 4.6.1937 in Berlin-Plötzensee, deutscher Widerstandskämpfer

 

Da Juden von den Nazis verboten worden war zu studieren, emigrierte Helle Hirsch im Alter von 19 Jahren nach Prag und nahm ein Architekturstudium auf. Hier kam er in Verbindung mit der „Schwarzen Front“ und ließ sich überreden, ein Attentat zu begehen.

Am 24. Dezember 1936 wollte Helle Hirsch eine Säule auf dem Nürnberger Parteitagsgelände sprengen. Er wurde jedoch denunziert und auf der Reise nach Nürnberg in Stuttgart von der Gestapo verhaftet, im März 1937 vom Volksgerichtshof in Berlin wegen der „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umstände“ zum Tode verurteilt und im Alter von 21 Jahren hingerichtet.

 

 

 

 

Kristian Jaak Peterson

* 14.3.1801 in Riga, † 4.8.1822 ebd., estnischer Dichter

 

An Kristian Jaak Petersons Geburtstag, am 14. März, wird seit 1996 alljährlich der „Tag der Muttersprache“ als nationaler Feiertag begangen.

Wie hatte er doch in seinem Gedicht „Kuu“ das Estnische, als diese Sprache im Russischen Reich öffentlich kaum noch eine Daseinsberechtigung zu haben schien, hoch gelobt: kas siis selle maa keel, laulutuules ei vöi, taevan töustes üles, igavikku omale otsida? – „Kann nicht die Sprache dieses Landes, Im Winde des Gesangs, Zum Himmel aufsteigend, Die Ewigkeit suchen?“

Seine Lebenszeit reichte nur, um zwei schmale Gedichtbände fertig zu stellen, die zudem erst 100 Jahre nach seinem Tode erschienen und dennoch „zur nationalen Erweckung“ Estlands beitrugen.

Kristian Jaak Peterson starb im Alter von 21 Jahren an Tuberkulose.

 

 

Eddie Cochran

* 3.10.1938 als Ray Edward Cochrane in Albert Lea, Minnesota, † 17.4.1960 in Bath, England, amerikanischer Rock’n-Roll-Musiker

 

Im Alter von 12 Jahren begann Eddie Cochran Gitarre zu spielen, vier Jahre später trat er mit den Cochran Brothers auf, und ein weiteres Jahr darauf veröffentlichte er seine erste Single und war im Fernsehen präsent. Dann wirkte er sogar in Spielfilmen wie „The Girl Can’t Help me“ mit und ging mit Gene Vincent und Little Richard auf Australien-Tournee.

Seinen größten Hit hatte Eddie Cochran im Alter von 20 Jahren mit „Summertime Blues“. Während einer England-Tournee saßen in Liverpool auch John Lennon und George Harrison im Publikum. Harrison sagte später: „He was standing at the microphone and as he started to talk he put his two hands through his hair, pushing it back. And a girl, one lone voice, screamed out, ‘Oh, Eddie!’ and he coolly murmured into the mike, ‘Hi honey.’ I thought, ‘Yes! That’s it—rock and roll!“. Diese Tournee gilt als Meilenstein auf dem Weg zur „British Invasion" – hin zur Beat-Musik.

But there ain't no cure for the summertime blues...

Am letzten Tag dieser Tournee kam Eddie Cochran einundzwanzigjährig infolge eines Verkehrsunfalls ums Leben.

 

 

Elvira Madigan

* 4.12.1867 als Hedwig Antoinette Isabella Eleonore Jensen in Flensburg, † 19.7.1889 in Tåsinge, dänische Seiltänzerin

 

Elvira Madigan debütierte im Alter von acht Jahren im Kopenhagener Tivoli als Zirkusreiterin. Als Seiltänzerin trat sie vier Jahre später erstmals in Sankt Petersburg auf. Erfolgreiche Auftritte in Paris, London, Berlin, Brüssel, Amsterdam und Odessa folgten.

Als sie 1888 mit dem Zirkus Madigan im schwedischen Kristianstad gastierte, verliebte sich ein Dragonerleutnant in sie. Ein Jahr später flohen die beiden zusammen aus ihren Dienstverhältnissen, wurden jedoch entdeckt. Und schließlich erschoss ihr Geliebter erst sie und dann sich selbst im Haus einer Fischerfamilie, wo sie Unterschlupf gefunden hatten.

Elvira Madigans Leben und Tod wurde literarisch und filmisch verarbeitet, zuletzt 1967 in „Das Ende einer großen Liebe“.

 

   

 

 

Otto III.

* Juni oder Juli 980 bei Kleve, † 23.1.1002 in Castel Paterno bei Faleria, deutscher Kaiser

 

Im Alter von drei Jahren wurde Otto III. in Verona zum deutschen König gewählt, nachdem sein Vater, Kaiser Otto II., in Süditalien im Alter von 28 Jahren plötzlich verstorben war. Mit sechs Jahren nahm Otto III. bereits selbst an einem Kriegszug teil - gegen die Slawen. Mit vierzehn wahrscheinlich herrschte er allein, bis dahin hatte seine Mutter Theophanu und nach deren frühen Tod seine Großmutter Adelheid die Regierungsgeschäfte geführt.

Als Papst Johannes XV. verstarb, setzte der fünfzehnjährige Otto III. seinen Hofkapellan Brun von Kärnten als neuen Papst ein, der sich als solcher Gregor V. nannte und Otto III. in Rom umgehend zum Kaiser krönte. Gregor V. starb als Otto III. achtzehn war, und nun ernannte er wiederum einen Vertrauten zum Papst: Silvester II., und seinen Kaplan Leo erhob er selbstherrlich zum Bischof von Vercelli.

Und Otto III.  traf etliche andere Entscheidungen, die zunehmend und nicht nur in Kirchenkreisen Unmut hervorriefen. Als er einmal mehr in Rom weilte, erhoben sich 1001 die Römer. Otto III. floh nach Ravenna. Und als er Ende 1001 an der Spitze eines reichsbischöflichen Heeres gegen Rom ziehen wollte, starb er plötzlich im Alter von 21 Jahren in Norditalien, an einem Malaria-Schub wahrscheinlich.

August von Plathen versuchte Otto III. mit seinem Gedicht „Klagelied Kaiser Otto des Dritten“ herabzusetzen, die Schriftstellerin Getrud Bäumer erhob ihn zum „Jüngling im Sternenmantel“.

Deutsche Geschichte hat Otto III. so und so geschrieben, und wer weiß, welches Kapitel er hinzugefügt hätte oder seinem Leben hinzugefügt worden wäre, hätte ihm nur mehr Lebenszeit zur Verfügung gestanden.

 

 

 

Kaspar Hauser

* angeblich 30.4.1812, † 17.12.1833 in Ansbach, deutsches Findelkind

 

Kaspar Hausers Grabstein trägt die Inschrift: „Hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, ungekannt die Herkunft, geheimnisvoll der Tod 1833“. Und an der Stelle im Ansbacher Hofgarten, wo er mit einer tödlichen Stichwunde aufgefunden wurde verkündet ein Gedenkstein: „Hier wurde ein Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet 14. Dez. 1833“. Er lebte noch und in seiner Nähe fand man einen lilafarbenen Damenbeutel, den ihm nach seinen Angaben ein bärtiger Mann überreicht und dabei zugestochen habe. In diesem Beutel steckte ein Zettel: „Hauser wird es euch ganz genau erzählen können, wie ich aussehe, und wo her ich bin. Den Hauser die Mühe zu ersparen will ich es euch selber sagen, woher ich komme _ _ ich komme von _ _ _ der Baierischen Gränze _ _ Am Fluße _ _ _ _ _ Ich will euch sogar noch den Namen sagen: M. L. Ö.“

Fünf Jahre zuvor war auf dem Nürnberger Unschlittplatz plötzlich ein wohl geistig zurückgebliebener, kaum sprechender Jugendlicher aufgetaucht, der dann auf einer Polizeiwache den Namen „Kaspar Hauser“ auf einen Zettel kritzelte und von Anfang an Rätsel aufgab.

Vermutet wurde später sogar, dass er der lange in Gefangenschaft gehaltene badische Erbprinz sei, den man als Säugling vertauscht hatte, um eine Nebenlinie an die Macht zu bringen. Schon zu seinen Lebzeiten tauchte jedoch Betrugsvorwürfe auf, so schrieb Johann Friedrich Karl Merker im Jahre 1930: „Caspar Hauser, nicht unwahrscheinlich ein Betrüger“. Ein Jahr nach seinem Tod schloss das Ansbacher Amtsgericht die Untersuchungen zum Fall Hauser mit der Begründung ab, man könne sich „des begründeten Zweifels nicht erwehren, ob ein Mord von fremder Hand an Hauser verübt, ob überhaupt ein Verbrechen an ihm begangen wurde“.

Bald nach Hausers Auftauchen hatte sein späterer Vormund Anselm Feuerbach gesagt: „Jedermann wurde zu ihm gelassen, der ihn zu besehen Lust hatte. Wirklich genoß Kasper vom Morgen bis zum Abend kaum eines geringeren Zuspruchs als das Kanguru und die zahme Hyäne in der berühmten Menagerie des Herrn van Aken“. Nicht verwunderlich also, dass dann auch Stimmen laut wurden, die vermuteten, Kaspar Hauser habe sich diese letztlich tödliche, wie zuvor bereits leichtere Verletzungen selbst beigebracht, als das öffentliche Interesse an seiner Person zunehmend schwand.

Gemunkelt wurde sogar, Anselm Feuerbach, der als Erster die Erbprinzen-Theorie ins Spiel brachte, sei vergiftet worden, damit er diese Vermutung nicht weiter vertiefen konnte. DNA-Untersuchungen haben mittlerweile ergeben, dass eine Hauser entnommene Probe nicht auf badisches Fürstenblut schließen lasse.

Doch wer war er wirklich, Kaspar Hauser?

Selbst Georg Friedrich Daumer, einer seiner großen Gönner, der ihn lange gepflegt und unterrichtet hatte, urteilte, Kaspar Hauser habe einen starken Hang in „Richtung zur Unaufrichtigkeit, Unwahrheit und Verstellung“ gehabt. Und im Nachlass Anselm Feuerbachs fand sich ein Zettel auf dem stand: „Caspar Hauser ist ein pfiffiger, durchtriebener Kauz, ein Schelm, ein Taugenichts, den man todmachen sollte.“

Über Kaspar Hauser wurden (neben zahllosen wissenschaftlichen und kriminalistischen Abhandlungen) Dramen, Romane, Erzählungen, Hörstücke, Gedichte, Lieder, Opern, Filme verfasst – weltweit. Seit 1998 finden in Ansbach Kaspar-Hauser-Festspiele statt.

Das Rätsel aber bleibt wohl: Wer war Kaspar Hauser?

 

 

Marianne Cohn

* 17.9.1922 in Mannheim, † 8.7.1944 in Vielle-la-Grand, deutsche Widerstandkämpferin

 

Marianne Cohn besuchte in Berlin das „Lyzeum mit Frauenschule“ bis ihre Familie im Frühjahr 1934 emigrierte. In Frankreich wurde sie Mitglied der Résistance und arbeitete seit 1943 als Kinderfürsorgerin für die zionistische Jugendorganisation „Mouvement de Jeunesse Sioniste“.

Ende Mai 1944 versuchte Marianne Cohn eine Gruppe von 32 jüdischen Kindern von Lyon aus in die Schweiz zu bringen, so vor einer drohenden Deportation in ein KZ zuvorzukommen. Kurz vor der Grenze wurden sie jedoch verhaftet. Die Kinder konnten gerettet werden, Marianne Cohn Leiche wurde jedoch bei der Befreiung ihres Haftortes Annemasse im August 1944 mit den sterblichen Überresten weiterer gefolterter und ermordeter Widerstandskämpfer gefunden.

Die französische Widerstandkämpferin Frieda Wattenberg sagte über Marianne Cohn: „Bei unseren Sitzungen lachte sie immer, sie war so lebhaft. Sie war so einfach, bescheiden, […]. Sie fuhr gerne Schi. Jedes mal, wenn wir Vorträge hatten, meldete sie sich zu Wort, und was sie sagte, war sehr intelligent und überlegt. Daran versuche ich mich zu erinnern, nicht daran, wie sie zermartert in einem Massengrab gefunden wurde. Es war ihr Heldentum, die Kinder nicht verlassen zu haben. […] Und sie hat uns nicht verraten.“

Im Gefängnis hatte Marianne Cohn ein Gedicht geschrieben:

Verraten werde ich morgen, nicht heut.

Heute reißt mir die Nägel aus.

Ich verrate nicht.

Ihr wisst nicht, wo mein Mut aufhört.

Ich weiß es.

 

Ihr seid fünf harte Hände mit Ringen.

Und an den Füßen habt ihr Stiefel

Mit Nägeln.

Verraten werde ich morgen, nicht heut.

Morgen.

 

Ich brauch die Nacht, um mich zu entschließen,

Ich brauch nicht weniger als eine Nacht,

Um zu verleugnen, abzuschwören, zu verraten.

Um meine Freunde zu verleugnen,

Dem Brot und dem Wein abzuschwören,

 

Das Leben zu verraten,

Um zu sterben.

Verraten werde ich morgen, nicht heut.

Die Feile steckt unter der Fliese.

Die Feile ist nichts für das Gitter.

 

Die Feile ist nicht für den Henker.

Die Feile ist für meinen Puls.

Heute habe ich nichts zu sagen.

 

 

 

 

  Halfdan Johnsen Egedius

* 5.5.1877 in Drammen, † 2.2.1899 in Christiania, norwegischer Maler und Illustrator

 

Ab seinem 9. Lebensjahr besuchte Halfdan Egedius verschiedene Kunstschulen in Christiania und studierte schließlich Malerei bei Kristian Zahrtmann in Kopenhagen.

Bekannt wurde er für seine Illustration der „Kongesagaer“, einer Übersetzung der „Heimskringla“. Er illustrierte auch Friedtjof Nansens „In Nacht und Eis“. Zu seinen wichtigsten Gemälden zählen „Lørdagskveld, Telemark“, „Svaja“ und „Mari Clasen“.

Halfdan Egedius starb im Alter von 21 Jahren an Aktinomykose, der selten auftretenden Strahlenpilzkrankheit.

 

 

 

Jeanne Hébuterne

* 6.4.1898 in Meaux, † 26.1.1920 in Paris, französische Malerin

 

Dem japanischen Maler Tsuguhara stand sie in Montparnasse Modell. In Amadeo Modigliani verliebte sie sich und gebar ihm eine Tochter – Jeanne Hèbuterne.

Als sie erneut ein Kind erwartete, verlobte sich Modigliani mit ihr und versprach ihr schriftlich die Ehe. Am 24. Januar 1920 verstarb ihr Verlobter und Vater ihrer Tochter jedoch an Tuberkulose. Am 26. Januar stürzte sich Jeanne Hébuterne, im achten Monat schwanger, aus dem fünften Stock eines Hauses und starb im Alter von 21 Jahren.

72 Jahre nach ihrem Tod wurden in einem Keller zufällig Bilder gefunden, die zweifelsfei Jeanne Héburtene gemalt hatte, und sie nun auch als Malerin bekannt machten.

Weitere 26 Jahre später würdigte der Dokumentarfilm „L’amour à l’œvre. Couples mythiques d’artistes“ ihr Leben und Werk.

 

 

 

Dembo Jobarteh

* 7.6.1976 in Kaiai, † 15.3.2008 in Serekunba-Faji Kunda, gambischer Griot

 

Jahrhundertelang trugen Griots in Westafrika die Geschichten ihrer Stämme von Generation weiter und weiter, Griots waren jedoch auch die Chronisten ihrer Länder, speicherten Geschichtsereignisse, Denkwürdigkeiten, Herrscherlisten ihrer Länder im Kopf. In Westafrika dominierten traditionell und bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein orale Erzählformen. Sprichwort war: Wenn ein Griot stirbt, stirbt eine ganze Bibliothek.

Dembo Jobarteh war ein Griot, ein Jeli, wie man in seiner Heimat Gambia sagt, er erzählte und sang und spielte dazu auf der Kora oder dem Balafon oder trommelte auf der Djémbe. Ab dem Jahr 2001 leitete er zudem die „Griot School of Music and Dance“ in Serekunba.

Gut vorstellbar, dass er bei seinen Auftritten sogar in die Rolle Mungo Parks schlüpfte, dessen letzte Station bei seiner ersten Afrika-Expedition im Jahre 1797 Kaiai am Gambia-River, der Geburtsort Dembo Jobartehs, war.

Tradition soll auch gewesen sein, verstorbene Griots in Baobabs beizusetzen. Allerdings dürfte es in Dembo Jobartehs Heimatregion mittlerweile kaum noch solche Ehrfurcht gebietenden Bäume geben. Dembo Jobarteh starb im Alter von 21 Jahren an chronischer Malaria.

 

 

 

Sophie Scholl

* 9.5.1921 als Sophia Magdalene Scholl in Forchtenberg, † 22.2.1943 in München, deutsche Widerstandkämpferin

 

Schon als Schülerin hatte Sophie Scholl behauptet: „Die Brävste bin ich nicht, die Schönste will ich gar nicht sein, aber die Gescheiteste bin ich immer noch.“

Ihr Biograph Robert M. Zoschke schrieb: „Sophie Scholl ist zu einem Klischee für das Gute und Einfache geworden, eine Heilige ohne negative Züge.“

Und an ihrem 60. Todestag ging sie sogar in die Walhalla ein, wurde dort ihre überlebensgroße Marmorbüste enthüllt und der bayerische Ministerpräsident würdigte Sophie Scholl als „weltweites Symbol für den Aufstand des Gewissens gegen nationalsozialistisches Unrecht“.

Die Walhalla oberhalb eines Donaubogens mit weitem Blick ins Land, benannt nach dem mythischen Ruheort mutiger, tapferer Gefallener, der Einherjer, von Männern also.

Ende 1942 hatte Sophie Scholl zur einer Weiße-Rose-Vertrauten gesagt: „Wenn es die Männer nicht machen, muss es eben eine Frau tun.“ Ja, mutig und gescheit war sie schon immer, die Scholl Sophie.

Respekt.

 

 

 

Stuart Fergusson Victor Sutcliffe

* 23.6.1940 in Edinburgh, † 10.4.1962 in Hamburg, britischer Musiker

 

Stuart Fergusson Victor Sutcliffe und Pete Best (der vor Ringo Starr bei den „Beatles“ trommelte) werden gemeinhin als „Fünfter Beatles“ bezeichnet. Im Alter von 21 Jahren (als die Band langsam erfolgreich wurde, Paul McCartney an seiner Stelle Bassgitarre spielte und Stuart an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste zu studieren begann) starb er an einer Hirnblutung. Aus der Traum.

John Lennon sagte zu seinem plötzlichen Tod: „Ich sah zu Stu auf. Ich verließ mich auf seine Meinung. Wenn er sagte, etwas sei gut, dann glaubte ich ihm.“

Paul McCartney: „Stuarts Tod war ein richtiger Schock für uns. Und ich fühlte mich auch ein wenig schuldig, weil ich früher nicht gerade sehr freundschaftlich mit ihm umgegangen war. Am Schluss wurden wir ganz gute Freunde, aber es gab schon ein paar Rangeleien, teilweise aus Eifersucht, weil wir beide um Johns Freundschaft buhlten; alle buhlten um Johns Freundschaft.“

Immerhin trug Stuart als Erster die stilbildende Pilzkopf-Frisur. Schon bei der ersten Studio-Session der Band, als die Beatles 1961 den Sänger Tony Sheridan begleiteten, war er nicht mehr dabei. Am Bass zu hören ist er jedoch auf dem 1995 veröffentlichten Album „Anthology I“, für das private Tonbandmitschnitte aus dem Frühjahr 1960 aufgearbeitet wurden.

Im August 2002 hätte ich Tony Sheridan fast bei einem Auftritt in Sachsen-Anhalt am Bass begleiten können, und wer weiß, vielleicht wäre bei „My Bonnie is over the ocean“ sogar der Geist Stuart Sutcliffes zu spüren gewesen. Wenige Stunden vor Konzertbeginn brach nahe des Konzertortes Seegrehna beim Jahrtausendhochwasser jenes Sommers jedoch ein Elbdeich. My Bonnie is over the over… oh bring back my Bonnie to me, to me… Aus der Traum.

 

 

 

Sid Vicious

* 10.5.1957 als John Simon Ritchie in Lewisham, † 2.2.1979 in New York City, britischer Punk-Musiker

 

Sein Künstlername Sid Vicious ging angeblich auf den Namen des Hamsters des von ihm verehrten Sex-Pistol-Sängers John Lydon zurück. Seine musikalische Karriere startete er im Alter von 19 Jahren als Schlagzeuger der Punkband Siouxsie and the Banshees und wurde im Jahr darauf Bassist der Sex Pistols – obwohl er nicht Bass spielen konnte. Die Gruppe brauchte vor allem einen personifizierten Punk – der sogar vorgab, den Punk-Tanz Pogo erfunden zu haben - als Aushängeschild. Lenny Kilminster von Motörhead hatte vergeblich versicht, ihm das Bassspielen beizubringen, so spielten im Studio andere Bassisten seine Parts ein, und bei Konzerten wurde sein Instrument leise gemischt.

Nach Auflösung der Sex Pistols versuchte Sid Vicious eine Solo-Karriere zu starten, erstach jedoch im Heroin-Rausch seine Freundin in einem New Yorker Hotel, wurde verhaftet und gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt, setzte sich jedoch bei der Feier dieser Freilassung im selben Hotelzimmer eine Überdosis und starb im Alter von 21 Jahren.

John Lyden sagte: „Sid war etwas naiv, aber voller Witz und Humor. Ein exzellenter Typ, aber die Drogen haben ihn zu einem Tier gemacht, zu einem zutiefst unangenehmen Typen.

 

 

 

Anandi Gopal Joshi

* 31.3.1865 als Yumuna, bekannt auch als Anandibai Gopalrao Joshi, † 26.2.1887 ebd., indische Ärztin

 

Die Brahmanentochter Yumana wurde mit neun Jahren verheiratet und von ihrem zwanzig Jahre älteren Gatten Anandi genannt. Ihr Ehemann war ein Befürworter der Frauenbildung und brachte ihr Lesen und Schreiben sowie mehrere Sprachen bei. Mit vierzehn wurde sie Mutter, das Kind starb jedoch wenige Tage nach der Geburt.

Dies führte zu ihrem Entschluss Medizin zu studieren. Sie sagte, sie wolle meinen armen, leidenden Mitbürgerinnen die medizinische Hilfe leisten, die sie so dringend benötigten, da sie eher sterben würden, als sich von einem männlichen Arzt berühren zu lassen.

Anandi reiste dann tatsächlich in die USA und studierte am Women Medical College of Pennsylvania und promovierte sich über Geburtshilfe der antiken Hindus.

Zu ihrem Studienabschluss gratulierte ihr schriftlich sogar Königin Victoria. Ein Praktikum am New England Hospital for Women and Children musste sie jedoch aufgrund ihrer angegriffenen Gesundheit aufgeben. Zurück in Indien sollte sie Chefärztin des weiblichen Flügels des Albert Edward Hospital in Kolhapur werden. Bevor sie dieses Angebot annehmen konnte, starb Anandi Gopal Joshi, die erste indische Ärztin,  aber im Alter von 21 Jahren an Tuberkulose.

Über ihr Leben wurden Biografien, ein Roman und eine Fernsehserie verfasst. Ein Venuskrater trägt ihren Namen: Joshee.

 

 

Matthew Wayne Shepard

* 1.12.1976 in Casper, Wyoming, † 12.10.1998 in Fort Collins, amerikanischer Student

 

Im Alter von 18 Jahren begann Matthew Shepard am Catawba College in North Carolina Kunstwissenschaft zu studieren und wechselte im Jahr darauf ans College in seiner Heimatstadt Caspar, belegte zusätzlich die Fächer Germanistik und Politikwissenschaften. Hier schloss er sich auch einer kleinen Gruppe schwul-lesbischer Studierender an. Nach einem Studienabbruch und einer depressiven Lebensphase in Denver, nahm Matthew Shepard seine Studien im Wintersemester 1998/99 seine Studien an der University of Wyoming in Laramie wieder auf, wo er sogar in die studentische Selbstverwaltung gewählt wurde.

Am 6. Oktober 1998 wurde Matthew Shepard von zwei Männern, die er in einer Campus-Bar kennengelernt hatte und die später aussagten, sie hätten sich von der Homosexualität Shepards bedroht gefühlt, ausgeraubt und so schwer misshandelt, dass er sechs Tage darauf verstarb.

Der Mord an Matthew Shepard führte im 2009 unter Barack Obama zu einer Verschärfung der Gesetze gegen „Hasskriminalität“, dem „Matthew Shepard an James Byrd Jr. Hate Crimes Prvention Act“.

 

 

 

 

Andreas Walser

* 13.4.1908 in Chur, † 19.3.1930 in Paris, Schweizer Künstler

 

Im Alter von 19 Jahren veröffentlichte Andreas Walser erste Artikel in Tageszeitungen, meist über Bildende Künstler. Dann begann er auch zu Malen und ging im Jahr darauf nach Paris, wo er Kunstschulen besuchte, so die Acádemie Colarossi. Ein weiteres Jahr später stellten sich erste kommerzielle Erfolge ein, nicht zuletzt durch Vermittlung von Picasso. Er stellte in avantgardistischen Galerien aus, begann zu übersetzten, so Werke von René Crevel, und verfasste ein Prosagedicht, das er selbst illustrierte

Im Alter von 21 Jahren starb Andreas Walser durch eine Drogen-Überdosis.

 

  

 

 

Ester Wajcblum

* 16.1.1924 in Warschau, genannt: Toczka, † 6.1.1945 im KZ Auschwitz-Birkenau, polnische Widerstandskämpferin

 

„Etwa im Frühjahr 1943 kam ein Transport aus Warschau, darunter auch zwei Schwestern – Ester und Hana Wajcblum. […] Es war ihnen untersagt, sich mit anderen Häftlingen im Lager zu treffen. Trotzdem habe ich mit beiden Schwestern heimlich verkehrt. Eines Tages überreichte mir Ester Wajcblum ein kleines, leichtes Päckchen, mit der Bitte, ich möchte es aufbewahren, bis sie oder jemand anderer, den sie schicken wird, es abholt. Nach einigen Tagen kam zu mir Rosa Robota, welche in der Bekleidungskammer arbeitete, und verlangte das Päckchen. Dies wiederholte sich mehrmals. […] In den Päckchen war, wie ich später erfuhr, das von den Union Werken herausgeschmuggelte Schießpulver. Ester sprach nie darüber, nur einmal sagte sie zu mir: Wir könnten uns von dieser Hölle befreien ...“, gab eine Mitgefangene, die überlebte, später zu Protokoll.

In Auschwitz musste Ester Wajcblum in einer Munitionsfabrik Granaten herstellen und schloss sich hier einer Untergrundgruppe an. Sie schmuggelte mit anderen Häftlingen Schwarzpulver ins Lager, was am 7. Oktober 1944 beim Aufstand des Sonderkommandos genutzt wurde, um das Krematorium IV zu sprengen. Ester Wajcblum, Rózia Robota, Regina Safirsztajn und Ala Gartner wurden jedoch von Spitzeln verraten, verhaftet, gefoltert und schließlich am 6. Januar 1945, drei Wochen vor der Befreiung des KZ, auf dem Appellplatz gehängt. Es war die letzte öffentliche Hinrichtung hier.

Esters jüngere Schwester Hana überlebte, da niemand ihren Namen preisgegeben hatte, emigrierte nach Palästina, heiratete 1947 und starb 2011 in Ottawa an Krebs.

 

  

 

 

Canela

* 18.11.1994 als Ailton Cesar Junior Alves da Silva , † 28.11.2016 bei La Unión, Kolumbien, brasilianischer Fußballer

 

Canelas Fußballer-Karriere verlief vielversprechend: schon als Schüler hatte er talentiert gekickt, erhielt als Erwachsener einen ersten Profi-Vertrag von Inter de Bebudouro, wechselte zu Atlético Monte Azul, dann zu Botafogo FC.

Ab Sommer 2016 stürmte Canela dann für Chapecoense in der höchsten brasilianischen Spielklasse, der Série A und erreichte mit dieser Mannschaft prompt das Finale der Südamerika-Meisterschaft, der Copa Sudamericana.

Beim Anflug auf den Endspielort Medellin stürzte das Flugzeug mit der Mannschaft von Chapecoense jedoch ab und Canela kam kurz nach seinem 22. Geburtstag mit 18 weiteren Spielern und 26 Funktionären ums Leben.

Vier Tage später erklärte der südamerikanische Fußballverband Chapocoense zum Endspiel-Sieger, und Canela gewann seine bedeutendste Trophäe postum.

 

 

 

Dorothea Flock

* 1608 in Nürnberg, † 17.5.1630 in Bamberg, deutsches Hexenwahn-Opfer

 

Dorothea Flock, genannt „Die Flockin“, stammte aus dem Nürnberger Patriziergeschlecht der Hoffmanns und heiratete 1629 den wohlhabenden Bamberger Ratsherrn Flock, dessen erste Frau im Jahr zuvor als Hexe verbrannt worden war. Dabei trat sie vom protestantischen zum katholischen Glauben über.

Und das könnte ihr im Machtbereich eines unbarmherzigen, als „Hexenbrenner“ bekannten Kirchenfürsten, des Bamberger Fürstbischofs Johann Georg II. Fuchs von Dornheim, zum Verhängnis geworden sein. Wohl nicht von ungefähr kursierte in Bamberg das Gerücht „der Flockin geschehe alles, weil sie konvertiert sei“.

Dorothea Flock wurde schon bald nach ihrer Hochzeit anonym des Ehebruchs bezichtigt und inhaftiert, konnte fliehen, stellte sich jedoch, als sie im sechsten Monat schwanger war – guter Hoffnung und bestens Gewissens wohl. Der Bamberg Rat bat den Fürstbischof um Gnade – vergebens, der kaiserliche Reichshofrat bat den Fürstbischof um Milde – vergebens. Die Flockin gebar im Gefängnis ein Mädchen. Der Reichshofrat forderte Gnade – vergebens.

Im Gegenteil: der Fürstbischof ließ die Flockin foltern und sie gestand nunmehr, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und mit ihm gebuhlt zu haben. Mittlerweile hatte sogar der Papst ein Dekret zur Rettung der Flockin aufsetzen lassen – doch bevor der päpstliche Bote in Bamberg eintraf, ließ Johann Georg II. Dorothea Flock hinrichten – gnadenhalber mit dem Schwert und nicht in aller Öffentlichkeit.

 

 

 

Hamza Kurtović

* 1998 in Hanau, † 19.2.2020 ebd., deutscher, bosnischstämmiger Arbeiter

 

Am 19. Februar 2020 erschoss ein rechtsextremistischer Attentäter in Hanau Hamza Kurtović und acht weitere ihm unbekannte Menschen, tötete anschließend seine Mutter und beging dann Suizid.

Der Tatverlauf: „Gegen 21:50 Uhr der Tatnacht näherte sich der Attentäter zwei Lokalen am Hanauer Heumarkt, welche bevorzugt von Menschen mit Migrationshintergrund besucht werden. Mit zwei Schusswaffen begann er auf die Anwesenden zu schießen und tötete dort zunächst drei Personen. In der Bar ‚La Votre’ erschoss er einen Mitarbeiter, Kaloyan Verlov, und auf der Straße vor der Bar den 34-jährigen Fatih Sracoglu. In der Shisha-Lounge ‚Midnight’ ermordete er den Eigentümer Sedat Gürbüz. Danach betrat er einen Kiosk am Heumarkt, welcher zu dem Zeitpunkt unbesetzt war. Vili Viorel Paun beobachtete ihn dabei aus seinem Auto heraus und versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen. Um 21:53 Uhr floh der Attentäter und schoss dabei auf ein sich näherndes Fahrzeug, eventuell Păuns Auto. Daraufhin begab er sich zum Kurt-Schumacher-Platz in Hnau-Kesselstadt, dem zweiten Tatort. Gegen 22:00 Uhr erschoss er Vili Viorel Păun durch die Windschutzscheibe seines Pkws, der auf dem Parkplatz vor einem Wohnblock stand. Er stürmte dann in einen Kiosk im Erdgeschoss des Wohnblocks und tötete dort Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. Im anliegenden Lokal ‚Arena Bar & Café’ erschoss R. Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović. Zum Schluss fuhr der Täter zu seiner Wohnung in Kesselstadt zurück und erschoss dort seine Mutter und sich selbst. Der Notausgang der „Arena Bar“ und ein weiterer Ausgang des Lagerraums waren zur Tatzeit verriegelt, so dass Anwesenden die Flucht unmöglich war. Laut Augenzeugen war es Gästen bewusst, dass der Inhaber die beiden Türen seit Jahren geschlossen hielt. Auch die Polizei wäre informiert gewesen, da regelmäßig Razzien in der Bar durchgeführt wurden. Die Polizei Südosthessen bestätigte die Razzien, bestritt aber, dass sie das Verriegeln der Tür angeordnet habe. Ab 21:56 Uhr riefen mehrere Tatzeugen den Notruf 110 an, wurden jedoch nicht durchgestellt. Nach den ersten beiden registrierten Anrufen waren die verfügbaren zwei Apparate der Notrufzentrale besetzt. Erst nachdem der Attentäter sein neuntes Opfer erschossen hatte und weggefahren war, nahm die Polizei einen dritten Anruf entgegen.[Es wird vermutet, dass Vili Viorel Păun dem Täter mit seinem Pkw (einem silbernen Mercedes) vom ersten zum zweiten Tatort gefolgt war. In einem Überwachungsvideo vom Heumarkt um 21:53 Uhr ist ein silberner Pkw zu sehen, der auf den Täter zufährt, woraufhin er einen Schuss feuert und flieht, anschließend wendet der Pkw. Laut Păuns Handydaten hat dieser zwischen 21:57 und 21:59 Uhr dreimal vergeblich den Polizeinotruf gewählt, kurz darauf wurde er vom Täter erschossen. Păuns Leiche wurde in seinem Fahrzeug vor dem Kiosk in Kesselstadt aufgefunden. Das Opfer hatte sich laut seiner Eltern nie in dieser Gegend aufgehalten. Insgesamt registrierte die Notrufzentrale nach Recherchen des Fernsehmagazins ‚Monitor’ nur fünf Anrufe aus Hanau. Die zwei Apparate waren nicht durchgängig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle war nicht eingerichtet. Viele Anrufe wurden weder registriert noch aufgezeichnet. Es erfolgten zudem keine Rückrufe. In der Polizeiwache der Innenstadt war nur ein Beamter anwesend, um Notrufe anzunehmen. Hätte Vili Viorel Păun die Polizei erreicht, hätte man ihm höchstwahrscheinlich geraten, sich in Sicherheit zu bringen und den Attentäter nicht zu verfolgen; das hätte ihm das Leben retten können.“

In einem Interview klagte Hamzahs Vater an: „Warum musste mein Sohn sterben? Warum haben die Behörden den Täter nicht kontrolliert? Warum wurde immer noch niemand zur Rechenschaft gezogen? Wo sind wir denn hier? In einem Bananenstaat?“ Und er sagte: „Hamza war ein besonderer Mensch. Schon als Kind war er wie ein 40-Jähriger. Immer vorsichtig, kontrolliert, ruhig. Als er ein Baby war, bin ich manchmal in sein Zimmer gegangen und habe ihn gezwickt, damit er sich mal rührt. Wir hatten schon zwei Kinder, aber Hamza war anders. Er war sehr gerecht. Das hat man am meisten gemerkt, wenn er selbst etwas falsch gemacht hat. Er konnte so wütend auf sich selbst sein. Hamza war wie ein Mannequin. Er hat sich etwa sechsmal am Tag die Zähne geputzt, die waren weiß wie Perlen. Sein Bart war gestutzt, und es musste immer diese Kontur geben, dafür hat er sich extra eine spezielle Rasierklinge gekauft. Er war immer sehr gepflegt, das hat ihm viel bedeutet. Er hatte ein Motto: 'Du kannst rennen und fliehen, aber vor Gott kannst du dich nicht verstecken.' Ich will, dass dieser Satz wahr ist. Denn hier ist so viel schiefgelaufen, ich kann es nicht fassen. Wissen Sie, ich bin deutscher Bürger, ich bin hier geboren, ich glaube an den deutschen Rechtsstaat. Deutschland hat strenge Waffengesetze, schön und gut – aber was nutzen die, wenn sie niemand kontrolliert? Wenn kranke Menschen ganz legal Waffen besitzen können? Obwohl sie ihre Taten im Internet ankündigen? Ich glaube, dass vieles hier und in Deutschland anders gelaufen wäre, wenn die Opfer andere Namen hätten, wenn sie Stefan und Marie geheißen und statt in Shisha-Bars in ‚Waldis Bierkeller’ gesessen hätten.“

Hamza Kurtović war das jüngste Opfer dieses üblen Anschlags. Seine Vorfahren stammten aus dem bosnischen Prijeder. Kurz zuvor hatte er seine Berufsausbildung als Fachlagerist abgeschlossen und war gerade ins Berufsleben eingestiegen. Mit seinem Arbeitsplatz war Hamza Kurtović glücklich, seinen Eltern erzählte er, er wolle dort bis zur Rente bleiben.

 

 

Lautaro

* um 1535, † 29.4.1557 am Rio Mataquito, Häuptling der Mapuche

 

Im Alter von 11 Jahren nahmen spanische Konquistadoren Lautaro gefangen. Er avancierte zum Stallmeister des Gouverneurs von Chile und lernte die spanische Militärtaktik kennen. Mit siebzehn gelang ihm die Flucht.

Als die Spanier immer weiter in die Mapuche-Gebiete vordrangen, bildeten die Ureinwohner die Konföderation Vutanmapu und wählten Lautaro zum Toqui, zum Kriegshäuptling.

Rasch eroberten die Mapuche von den Spaniern errichtete Festungen, überrannten einen Stadt nach der anderen und marschierten auf Santiago de Chile zu. Nach der Zerstörung der Festung Pereoa zogen sie sich jedoch überraschend zurück. Am Rio Mataquito wurden die Mapuche dann in einem Nachtlager von den Spaniern überrascht. Lautaro fiel im Kampf.

Die indigenen Mapuche setzten den Widerstand gegen die Besetzung ihres Landes und ihre Unterdrückung weiter fort. Zum nächsten großen Aufstand kam es von 1598 bis 1604. Und 1641 mussten die Spanier im Vertrag von Quilín eine unabhängige Mapuche-Nation mit südlich des Grenzflusses Bio Bio erkennen – ein in der Kolonisationsgeschichte Südamerikas einzigartiger Vorgang. Dennoch flammten immer wieder Kämpfe auf und setzten sich fort, als das Mapuche-Gebiet nach der Unabhängigkeit Chiles von Spanien gewaltsam in den chilenischen Staat eingegliedert wurde. Der letzte große Aufstand scheiterte 1934 bei Ranquil. Doch auch aktuell kommt es weiter zu Konflikten, nun nicht zuletzt über die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des von den Mapuche seit alters her bewohnten Landes.

 

  

 

 

Perpetua

* um 181, † 7.3.203 in Karthago, christliche Märtyrerin

 

Perpetua wollte sich mit ihrer Slavin Felicitas zu Zeiten, als Christen im Römischen Reich noch tödlich verfolgt wurden, taufen lassen. Sie wurden verhaftet und, da sie ihrem Glauben nicht abschwören wollten, zum Tode verurteilt.

Im Kerker schrieb Perputua eine Art Tagebuch, dass – ergänzt durch ein Vor- und einem Nachwort des Herausgebers, einschließlich der Schilderung ihres Märtyriums - als „Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis“ eines der ältesten und verlässlichsten Zeugnisse christlicher Märtyrer werden sollte.

Ihre Aufzeichnungen beginnen mit dem Besuch ihres wohlhabenden Vaters im Kerker, der versuchte, sie von ihrem Glauben abzubringen. Sie blieb aber standhaft trotz ihrer großen Ängste und Sorgen um ihr erst wenige Monate altes Kind. Perpetua bat Gott um eine Vision, um zu erfahren, was ihr Schicksal sei, woraufhin ihr im Traum eine schmale, bis in den Himmel reichende Leiter erschien, an der gefährliche Eisenwerkzeuge hingen. Unter der Leiter lauerte ein Drache. Oben angekommen, reichte ihr ein alter Hirte süßlichen Käse. Dann erinnerte sie sich bei einem Gebet an ihren Bruder Dinokrates, der im Alter von sieben Jahren an einem Geschwür gestorben war. Prompt erschien ihr nun auch Dinokratis im Traum, dem es nicht gelang aus einem Brunnen zu trinken, und Perpetua konnte ihm nicht helfen, da zwischen ihnen ein tiefer Abgrund klaffte. Und in einer weiteren Vision besiegte sie einen Gladiator und glaubte somit erkannt zu haben, dass sie nicht wie angedroht in einer Arena gegen wilde Tiere, sondern gegen den Teufel selbst zu kämpfen habe.

Tatsächlich wurde schließlich auf Perpetua und Felicitas anlässlich der Geburtstagesfeier von Getas, des jüngsten Sohnes Kaiser Septimus Severus’, im Amphitheater von Karthago eine „wilde Kuh“ gehetzt.

Dargestellt wird die Heilige Perpetua häufig mit einer angreifenden Färse. Ihr Gedenktag ist der 7. März.

 

 

 

Pocahontas

* um 1595 in Virginia als Matoaka, verheiratet: Rebecca Rolfe, 21.3.1617 in Gravesend bei London, Algonkin-Häuptlingstochter

 

Timothy C. Winegard sagt: „Die arme Matoaka. Die elfjährige Tochter des Häuptlings Powhatan würde sich wohl kaum wiedererkennen in der fiktiven Geschichte über ihre unglückliche Romanze mit John Smith, die 1995 in einem Zeichentrickfilm von Walt Disney verewigt wurde. Ihre Filmfigur ähnelt mehr der üppigen Kim Kardashian als einem präpubertären indigenen Mädchen. Doch der Mythos um die englische Kolonie Jamestown, John Smith und die junge Mataoka, in der Geschichtsschreibung und in Hollywood besser bekannt als Pocahontas, wird weiterhin gepflegt und sorgt dafür, dass sich die fiktive Erzählung hartnäckig hält. […] Der Disneyfilm wollte uns glauben machen, dass Jamestown auch in schwierigen Anfangszeiten eine friedliche und vielversprechende Siedlung war. In der Vorstellung der Disney Company laufen Pocahontas und Smith barfuss durch die üppige, prachtvolle Natur der Neuen Welt und vergnügen sich unter idyllischen Wasserfällen. Doch in Wirklichkeit war die Lage in der stechmückenverseuchten Kolonie katastrophal.“

Tatsächlich versuchte Pocahontas die Beziehungen zwischen ihrem alteingesessenem Stamm und den Siedlern in der ersten dauerhaften englischen Kolonie auf amerikanischem Boden, Jamestown eben, nicht eskalieren zu lassen, brachte einem der Siedlern, John Smith eben, sogar Algonkin bei. Dann lockten Engländer sie auf ein Schiff, nahmen sie als Geisel und tauften sie auf den Namen Rebecca. John Rolfe, ein weiterer Pflanzer, nahm sie schließlich im Jahr 1614 zur Frau und versicherte dabei, er habe nicht aus Fleischeslust, sondern zum Wohle der Pflanzung, zur Ehre seines Landes und zum Ruhme Gottes geheiratet. Ein Chronist jener Zeit, Ralph Hamor, hielt den Erfolg dieser Ehe fest: „Seit der Hochzeit haben wir freundlichen Handel nicht nur mit Powhatan, sondern auch mit seinen Untertanen rund um uns herum.

Im Jahr darauf gebar sie ihren Sohn Thomas und reiste als Botschafterin der Virginia-Algonkin an den englischen Königshof, wo sie als „Indianerprinzessin“ empfangen und anerkannt wurde. Kurz vor ihrer Rückreise nach Virginia erkrankte sie schwer und erstarb im Alter von 22 Jahren in der Grafschaft Kent.

„‚Wieso Pocahontas??’ ‚ Ne indianische Prinzessin!’ wie beiläufig; und die Dicke bekam sofort neidische Falten, wisperte mit Erich, und Beide lachten schmetternd aus zerknülltem Augenfleisch: ‚Na lasse man’, entschied er gutmütig: ‚für uns genügt Annemarie ooch, was?’ prägte die die Hand herablassend in ihr geblümtes Rückenfett, und ich registrierte abwesend, wie sie, rötlich und duftend, nach knirschendem Abend, und nasser unterer Erde, nach Wurzelzeug und Seligsuppengrün, fern klang eine Kreissäge, und wir erstickten uns mehrere Male, bis sie sich ins Lichte barg.“, vereinnahmte Arno Schmidt Mataokas Jahrzehnte vor Walt Disney in seinem im Nachkriegs-Oldenburgischen spielenden Kurzroman „Seelandschaft mit Pocahontas“: „…6 Fuß groß,; weißgelb geringelt im zaundürren Wespenkleid, -Wie die Alten den Tod gebildet-; endlose Armstöcke , tiefbraune, knieten vor ihr auf dem Tisch; scheinbar Verlobungsring; Busen zumindest zur Zeit nicht feststellbar. Bussardartig hakte die Nase aus dem Irokesenprofil; der ungefüge, fast lippenlose Mund, randlose Brillengläser ritten vor knallrunden Augen: ‚Hatschi!’“

Nun ja, irgendwo zwischen diesen Disneys und Schmidts Darstellung wie den historischen Überlieferungen könnte die wahre Pocahontas vielleicht zu finden sein, vielleicht.

 

 

Kimpa Vita

* 1684 getauft als Ndona Beatrice, bekannt als Dona Beatrice, † 2.7.1706 in Evululu, kongolesische Prophetin

 

Kimpa Vita gilt als afrikanische Jeanne d’Arc. Die Tochter adliger Eltern wurde als nganga marinda ausgebildet, als ein Medium, das Krankheiten heilen soll, in dem es Kontakte mit der jenseitigen Welt aufnimmt.

Im Alter von 20 Jahren gab Kimpa Vita an, der Heilige Antonius von Padua habe von ihr in einer Vision eine gesellschaftliche Erneuerung gefordert, woraufhin sie sich gegen den portugiesischen Sklavenhandel wandte. In der zerstörten Hauptstadt Mbanza Kongo beschwor sie durch eine Verschmelzung von afrikanischen Religionen mit christlichen Elementen die Wiederbelebung des Königreiches Kongo, und scharte zahlreiche Anhänger um sich, die sich bald Antonier nannten.

Und als ihre Bewegung immer mächtiger wurde, nahmen kapuzinische Missionare Kimpa Vita im Alter von 22 Jahren gefangen und verbrannten sie als Hexe.

 

 

 

Jiří Orten

* 30.8.1919 Jiří Ohrenstein in Kutná Hora, Pseudonyme: Karel Jilek und Jiří Jakub † 1.9.1941 in Prag, tschechischer Dichter

 

Jiří Orten studierte in Prag Fremdsprachen und besuchte dann die Schauspielklasse des staatlichen Konservatoriums, wurde jedoch 1940 wegen seiner jüdischen Herkunft von der weiteren Ausbildung ausgeschlossen.

Im Alter von 17 Jahren hatte Jiří Orten erste Gedichten und Essays in Zeitschriften publiziert. Drei Jahre später debütierte er mit dem Gedichtband „Lesebuch Frühling“. Dem folgten „Der Weg zum Frost“, „Jeremiahs Weinen“ und „Ohnice“ sowie postum „Elegie“ und „Irrweg“. Zudem hinterließ er drei Tagebücher: das Blaue, das Gestreifte und das Rote. Jiří Orten gilt als wichtigster Vertreter der „Kriegsgeneration“ tschechischer Autoren.

Seit 1993 wird in Ortens Heimatstadt Kutna Hora ein Literaturwettbewerb für Dichter unter 22 Jahren ausgeschrieben. Seit 1997 wird in Prag der Jiří- Orten-Preis vergeben.

Jiří Orten wurde an seinem 22. Geburtstag von einem deutschen Krankenwagen angefahren, doch von einem Krankenhaus abgewiesen, erst von einem weiteren aufgenommen und verstarb hier zwei Tage später.

 

 

 

 Moses ter Borch

* 19.6.1645 in Zwolle, † 11.7.1667 in Harwich, holländischer Maler und Zeichner

 

Moses ter Borch war der Sohn des Malers Gerard ter Borch d. Ä. und der Bruder des Malers Gerard ter Borch d. J. Er galt als hochtalentiert, heuerte jedoch im Alter von 20 Jahren bei der holländischen Kriegsmarine an und fiel nach der Schlacht von Chatham.

Drei seiner Gemälde sind im Amsterdamer Rijksmuseum erhalten: „Selbstbildnis“ (um 1660), „Bildnis des Jan Fabus“ und „Bildnis einer alten Frau“.

 

 

 

 

Hasret Gültekin

* 1.5.1973 in Han, † 2.7.1993 in Sivas, Türkei, alevitischer Musiker

 

Im Alter von sches Jahren begann Hasret Gültekin traditionelle Saiteninstrumente zu spielen, so vor allem die Langhalslaute Bağlama. Mit elf entschied er sich Musiker zu werden, mit sechzehn veröffentlichte er sein erstes Album „Gün Olaydi – Wäre es doch Tag“ und gab in Kadikōy bei Istanbul sein erstes Solo-Konzert. Auftritte von Anatolien bis Spanien und in den Niederlanden folgten.

1990 gab er ein Album mit kurdischen Volksliedern heraus und unterstützte Produktionen kurdischer Sänger, trug so zum Protest gegen das Verbot kurdischer Kultur in der Türkei bei.

Im Juli 1992 nahm Hasret Gültekin an einem Folklore-Festival in Sivas teil und wurde mit 34 anderen Künstlern, Autoren und jungen Aleviten im Alter von 22 Jahren Opfer eines Brandanschlags islamistischer Fundamentalistien auf das Festival-Hotel.

Hasret Gültekin veröffentlichte zu Lebzeiten fünf Solo-Alben und gemeinsam mit anderen Musikern sechs weitere Produktionen, zwei eigene Alben erschienen postum.

 

 

 

Darby Crash

* 26.9.1958 als Jean Paul Beahm in Los Angeles, Kalifornien, auch: Bobby Pyn, † 7.12.1980 in Hollywood, amerikanischer Musiker

 

Ich werde nicht für mein Alter sparen, weil ich kein Alter haben werde. Sollte uns das Geld ausgehen, kann ich mich jederzeit umbringen, sagte Darby Crash in einem Interview ein  Jahr vor seinem Tod. Er gilt als Ikone der Punkbewegung.

Im Alter von zehn Jahren gewann er den Schreibwettbewerb einer Wochenzeitung und verfasste fortan exzessiv Texte. Während seiner Highschool-Zeit begeisterte er sich ebenso für Scientology wie für David Bowie oder Friedrich Nietzsche.

Mit achtzehn brach er die Schule ab, scharte weitere Schulabbrecher um sich und gründete die Punk-Band „Germs“. Wegen Gewalt- und Drogenexzessen sowie mangelnder Spielfertigkeit flog diese Band alsbald aus allen Clubs in Los Angeles und Umgebung, genoss jedoch einen Ruf in der Szene.

Nachdem er eines Nachts nicht zu einer Party in Bel Air eingelassen worden war, nahm er sich mit einer Überdosis Heroin das Leben. Tomata du Plenty, Lead-Sänger einer anderen Punk-Band, sagte später über Darby Crash: „Ich konnte mir kein Set der Germs anhören, bitte nicht. Folter! Aber ich konnte gewiss mit einer Flasche Bier auf dem Bordstein sitzen und ihm stundenlang zuhören. Er war eine wirklich interessante Person.“

 

 

Christina Victoria Grimmie

* 12.3.1994 in Marlton, New Jersey, † 10.6.2016 in Orlando, Florida, amerikanische Sängerin

 

Bekannt wurde Christina Victoria Grimmie über YouTube, vor allem durch gecoverte Songs. Ihr erste Album „Find me“ wurde 2011 über iTunes vermarktet. Vier weitere Alben und divers Singles folgten.

Nach einem Konzert in Orlando wurde sie von einem Konzertbesucher, der sich daraufhin selbst das Leben nahm, erschossen. Das Motiv dieser Tat konnte nie aufgeklärt werden, die Polizei sprach von „unrealistischer Vernarrtheit“.

Postum wurde der Film „Machtbreaker“ veröffentlicht, in dem Christina Victoria Grimmie die Hauptrolle spielte.

Einer ihrer letzten Hits war „I won’t give up“:

I don't wanna be someone who walks away so easily,

I'm here to stay and make the difference that I can make

Our differences they do a lot to teach us how to use

The tools and gifts we got, yeah…

 

 

 

 

 

Sébastien Briat

* 17.8.1982 in Louppy-sur Chée, † 7.11.2004 bei Avericout, französischer Atomkraftgegner

 

Sébastien Briat studierte in Nancy, spielte Rugby, war Mitglied der Gewerkschaft CNT und der lothringischen Bürgerinitiative „Carpe Diem“.

Am 7. November 2004 versuchte er mit einer Gruppe von Umweltaktivisten einen Castortransport von La Hague nach Gorleben zu verhindern, wurde dabei unglücklich von Luftwirbeln der vorbeirasenden Lokomotive erfasst, auf die Schienen geschleudert und starb noch am Unfallort.

Er war der erste Atomkraftgegner, der bei einer derartigen Protestdemonstration ums Leben kam.

 

  

 

 

Shani Nicole Louk

* 7.2.2001, † wahrscheinlich 7.10.2023 bei Re’im, deutsch-israelische Influenzerin

 

Shani Louk wollte Musik höre, tanzen, Freunde treffen und fuhr am Feiertag Simchat Tora in den Negev, wo nahe des Kibbuz Re’im das Festival „Supernova Sukkot Gatherin“ stattfand. Beworben worden war es als Feier von „Freude, Liebe und unendlicher Freiheit“

Dann aber überfielen Hamas-Terroristen Israel, stürmten auch das Festivalgelände und ermordeten allein hier 364 Menschen; zahlreiche Besucher wurden verletzt, Frauen brutal vergewaltigt und mindestens 40 Festivalteilnehmer in den Gaza-Streifen entführt.

Eines der Opfer war die Grafikdesignerin, Tattookünstlerin und Influencerin Shani Louk, deren Leiche dann auf einem Propagandavideo der Hamas, gefesselt auf der Pritsche eines Pickups, bespuckt von einem jungen Islamisten, identifiziert werden konnte.

Sie wurde nur 22 Jahre alt.

 

 

   

 

Hans Leybold

* 2.4.1892 in Frankfurt am Main, † 8.9.1914 in Itzehoe, deutscher Dichter

 

Wir Durstigen! Kein Quell stillt unsre Brände.

Wir brüten Wut. Es qualmen grau die Kerzen

in unsern Kellern. Verfluchte Sattheit! Unsre Hände

hart geballt. Nur manchmal leuchtet uns der Mond:

gequollenes Symbol des Feisten, der in Villen wohnt.

 

Nach dem Abitur in Hamburg leistete Hans Leybold seinen einjährigen Militärdienst in Itzehoe ab und begann dann in München Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren. Der spätere Dadaist Hugo Ball wurde sein Freund. Unter dem Kürzel Ha Hu Baley verfassten sie gemeinsam Gedichte.

An 1913 erschienen Leybolds Texte vor allem in der Zeitschrift „Die Aktion“, aber auch andernorts. Und er gab sogar mir  die „Revolution“ zweiwöchentlich sogar eine eigene Publikation heraus, deren meisten Ausgaben jedoch wegen „Unzüchtigkeit“ konfisziert wurden.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Hans Leybold eingezogen und bald vor Namur verwundet. Nach seiner Rückkehr zum Regiment erschoss er sich im Alter von 22 Jahrem.

Hugo Ball sagte in seiner Gedenkrede. „Wir erkannten einander und setzten ein Psychofakt in die Welt, das wir Baley nannten und das den Zweck hatte, Posen, Gesten, Vaxationen zu kultivieren. Arrogant zu sein – wie Einstein.“

  

 

 

Buddy Holly

* 7.9.1936 als Charles Hardin Holley in Lubbock, Texas, † 3.2.1959 bei Mason City, Iowa, amerikanischer Sänger

 

Das Musikmagazin „Rolling Stone“ listete Buddy Holly in den 2010er Jahren in der Kategorie „100 größte Musiker aller Zeiten“ auf Platz 13, in „100 beste Songwriter“ auf Platz 29, in „100 beste Sänger“ auf Platz 48 und in „100 beste Gitarristen“ auf Rang 80. Nur sieben weitere Rock-Stars sind in allen vier dieser Listen zu finden. 1986 wurde er in die „Rock and Roll Hall of Fame“ aufgenommen 2011 mit einem Stern auf dem „Hollywood Walk of Fame“ geehrt.

Jahre vor den Beatles trat Buddy Holly schon in der klassischen Beat-Formation auf: Lead-Gitarre, Rhythmus-Gitarre, Bass-Gitarre, Schlagzeug. Richtungweisend die Soli auf seiner Stratocaster. Nach dem weltweiten Erfolg von „Petty Sue“ ging er auf Tournee durch die USA und Großbritannien und hatte zahlreiche Fernsehauftritte. Im Sommer 1958 erwarb er eine Studio-Aufnahmemaschine und begann eigene Demo-Bänder zu produzieren, experimentierte dabei sogar mit modernster Studio-Technik wie dem Overdubbing. Weiter plante er, Schauspielunterricht zu nehmen, ein eigenes Studio aufzubauen und als Produzent auch andere Musiker zu fördern. Nach seiner Hochzeit bereitete er sich dann auf ein neues Album vor, auf dem auch „Peggy Sue Got Married“ zu hören sein sollte. Das allerdings konnte unter dem Titel „The Buddy Holly Story“ erst postum erscheinen.

Einer seiner größten, sogar von den Beatles gecoverter Hit war „That’ll bet he day“: „Das wird der Tag sein // Nun, das wird der Tag sein, an dem du mir Lebwohl sagst, / Ja, das wird der Tag sein, an dem du mich weinen lässt, / Du sagst, du wirst mich verlassen, / Du weißt, dass das eine Lüge ist, / Denn das wird der Tag sein, an dem ich sterbe.“

Don McLean sang in „American Pie“ über den Absturz des Tournee-Flugzeuges, in dem Buddy Holly im Alter von 22 Jahren ums Leben kam: „The Day the Music Died“, und Bernd Begemann empfahl traurig: „Buddy, nimm lieber den Bus“.

 

 

Robert Pershing Wadlow

* 22.3.1918 in Alton, Illinois, † 15.7.1940 in Manisfee Township, Michigan, amerikanischer Riese

 

Robert Pershing Wadlow gilt als größter Mensch der Welt, dessen Körpergröße sicher belegt ist: 2,72 m.

Im Alter von vier Jahren maß er 1,63 m, mit acht 1,83 m, mit zehn 2,00 m mit 13 2,24 m, mit 19 2,65 m. Zwei Jahre vor seinem Tod versuchte er aus seiner Körpergröße Kapital zu schlagen und ging nach Hollywood.

Das Rekordmß 2,72 m wurden 18 Tage vor seinem Tode an der medizinischen Fakultät der University of St. Louis gemessen, da wog Robert Pershing Wadlow knapp 200 Kilo. Er hatte Schuhgröße 76 und seine Armspannweite betrug 2,88 m.

Robert Pershing Wadlow starb im Alter von 22 Jahren an einer Infektion. In seiner Heimatstadt Alton erinnert ein lebensgroßes Denkmal an ihn.

 

 

 

 

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Elizabeth „Betty“ Short

* 29.7.1924 in Boston, † 15.1.1947 in Los Angeles, amerikanisches Starlet

 

Als „Schwarze Dahlie“, Black Dahlia, war Elizabeth Short wegen ihrer schwarzen Haare und Kleidung bekannt. Als Achtzehnjährige versuchte sie erstmals Schauspielerin zu werden, zog nach Kalifornien, schaffte es aber nur zur Postangestellten in Camp Cooke, wurde dort jedoch immerhin zum „Cutie of the week“ gewählt.

Zwei Jahre später versuchte sie es erneut, arbeitete nun als „B-Girl“, als Animiermädchen in Bars, in denen Hollywood-Leute verkehrten. Nach einigem Hin und Her zwischen Kalifornien, dem Wohnort ihrer Familie in Medford und Gelegenheitsjobs in Florida, zog sie im Juni 1946 mit einem ehemaligen Army-Piloten nach Long Beach. Doch bereits im August 1946 setzte er sie wegen Untreue vor die Tür.

Nun übernachtete sie bei wohl bis zu 50 flüchtigen Bekanntschaften, und dann war sie auf einmal verschwunden. Am Morgen des 15. Januar 1947 wurde ihre Leiche in Leimert Park, Los Angeles gefunden. Shorts Leiche war nackt und in Hüfthöhe durchtrennt, Organe waren entnommen und ihre Mundwinkel in Form eines Glasgow Smile bis zu den Ohren aufgeschlitzt.

Ihr Mörder konnte nie gefunden werden. Verdächtigt wurden nicht zuletzt in der Skandal-Presse neben mehr als 20 anderen Personen sogar Orson Wells und Woody Guthrie. Der Black-Dahlia-Fall gilt als eines der spektakulärsten, unaufgeklärten Verbrechen von Los Angeles.

Immer wieder wurde das Leben von Elizabeth Short als die Geschichte einer leichtlebigen jungen Frau, die in der Hoffnung auf eine Karriere als Schauspielerin nach Hollywood ging, und dort ein schreckliches Ende nahm, kolportiert. 1987 erschien der Roman „Die schwarze Dahlie“, 2006 kam der Film „Black Dahlia“ in die Kinos: sic!

 

 

Otto Warmbier

* 12.12.1944 in Cincinatti, Ohio, † 19.6.2017 ebd., amerikanischer Student

 

Im Dezember 2015 reiste Otto Warmbier mit einer Touristengruppe nach Nord-Korea. Kurz vor dem Rückflug wurde er am Flughafen Pjöngjang wegen „feindlicher Aktivitäten“ festgenommen, weil er angeblich versucht habe, ein Propaganda-Banner zu stehlen.

Am 29. Februar 2016 gestand er in einer Pressekonferenz, das betreffende Banner tatsächlich von der Wand genommen zu haben, dann aber erkannt habe, dass es viel zu schwer war, um es mitzunehmen, und es dann einfach auf den Boden gelegt. Er gab weiter an, dass er das Banner als Souvenir an einer Kirchenwand in Wyoming aufhängen wollte, wofür ihm ein Gebrauchtwagen im Wert von 10.000 Dollar versprochen worden sei. „Spiegel online“ urteilte, dass es sich um einen „offenbar erzwungenen Auftritt“ gehandelt habe.

Am  16. März 2016 wurde Otto Warmbier vom Obersten Gerichtshof Nordkoreas zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt. Offenkundig ein Schauprozess zur Diskreditierung der USA, bei dem er gesagt haben soll: Ich hätte mir nie, nie erlauben sollen, mich von der US-Regierung dazu verlocken zu lassen, ein Verbrechen in diesem Land zu begehen. Ich wünsche mir, dass die US-Regierung in Zukunft keine Personen wie mich dazu manipulieren wird, Verbrechen gegen fremde Länder zu begehen. Inständig bitte ich Sie, das Volk und die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Korea, um Ihre Vergebung. Bitte! Ich habe den schlimmsten Fehler meines Lebens begangen!

Am 13 Juni 2017 wurde Otto Warmbier im Wachkoma liegend aus Nordkorea ausgeflogen. Sechs Tage später starb er im Alter von 22 Jahren nachdem auf Wunsch seiner Eltern, die künstliche Ernährung eingestellt worden war.

 

  

 

 

Aaliyah

* 16.1.1979 als Aaliyah Dana Haughton, in Brooklyn, New York, † 25.8.2001 in Marsh Harbour, Bahamas, amerikanische Sängerin

 

Mit elf Jahren trat Aaliyah mit ihrer Tante Gladys Night in Las Vegas auf. Mit vierzehn Jahren unterzeichnete sie mit dem Label ihres Onkels  Barry Hankerson ihren ersten Plattenvertrag. Mit fünfzehn Jahren heiratete sie (nachdem sie angegeben hatte, sie sei schon achtzehn). Mit achtzehn Jahren wurde ihr Titelsong für den Zeichentrickfilm „Anastasia“ für den Oscar nominiert. Mit 21 Jahren debütierte sie als Schauspielerin in „Romeo must die“. Mit 22 Jahren kam sie auf dem Rückflug von Dreharbeiten bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Postum erhielt sie den Grammy, den American Music Award und den Echo. Von ihr wurden mehr als 30 Millionen Tonträger verkauft.

Aaliyah sang: „Miss you“ und „Try again“.

 

 

 

Maria Tuci

* 12.3.1928 in Ndërfushaz, † 24.10.1950 in Shkodra, albanische Märtyrerin

 

Enver Hoxha erklärte Albanien zum einzigen atheistischen Staat der Welt. Moscheen wurden ebenso geschleift wie Kathedralen, Gläubige verfolgt. Die Katholische Kirche sprach 2016 die „Achtunddreißig Märtyrer von Albanien“ selig. Maria Tuci gehört zu ihnen.

Sie wollte Nonne werden, war davon nicht abzubringen. So wurde sie am 10. August 1949 verhaftet und gefoltert. Mithäftlinge berichteten, man habe sie nackt mit einer Katze in einen Sack gesteckt. In einem Kassiber schrieb Maria Tuci: „Alle Folter kann nur meinen Körper zerstören“.

Maria Tuci starb im Alter von 22 Jahren im Gefängniskrankenhaus von Skhodra.

 

 

Colomba Antonietti

* 19.10.1826 in Bastia Umbra, † 13.6.1849 in Rom, italienische Freiheitskämpferin

 

Im Alter von 19 Jahren kürzte Colomba Antoinetti ihr Haar nach Männerart und trat als Schütze in die Freischar Garibaldi ein. Während der Verteidigung der Römischen Republik kämpfe sie gegen die Spanier in Velletini und in Palestrina. Während einer Kanonade Roms durch ein vom Papst zu Hilfe gerufenes französisches Expeditionskorps wurde Colomba Antoinetti im Alter von 22 Jahren an der Porta San Pancrazio tödlich verletzt.

Seit 1911 findet sich ihre Büste in der Sammlung der Denkmale für Patrioten auf dem römischen Hügel Gianicolo – die einzige einer Frau.

 

 

 

 

Cato Brontjes van Beek

* 14.11.1920 in Bremen, † 5.8.1943 in Berlin-Plötzenseee, deutsche Widerstandskämpferin

 

Ihr Vater war Keramiker, ihre Mutter Malerin und Tänzerin, und so wuchs Cato Brontjes van Beek in der Künstlerkolonie Worpswede auf. Schulen besuchte sie auch in Amsterdam und England, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und begeisterte sich fürs Segelfliegen.

Im Alter von 21 Jahren kam sie im Hause ihres Vaters in Kontakt zur Widerstandsgruppe Rote Kapelle und begann Flugblätter zu drucken und zu verteilen, die zum Kampf gegen das Nazi-Regime aufriefen. Im September 1942 wurde sie von der Gestapo verhaftet, ein Vierteljahr später vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und schließlich im Alter von 22 Jahren hingerichtet.

In einem Abschiedsbrief an ihre Mutter schrieb Cato Brontjes van Beek: Mein Herz ist so übervoll, um Dir zu danken, und die Liebe zu Euch allen werde ich dalassen. […] Schade, daß ich nichts auf der Welt lasse als nur die Erinnerung an mich.

 

 

 

 

Terry Fox

* 28.7.1958 als Terrance Stanley Fox in Winnipeg, † 28.6.1981 in New Westminster, kanadischer Leichtathlet

 

Im Alter von 18 Jahren diagnostizierte man bei dem leidenschaftlichen Läufer Terry Fox Knochenkrebs, im Jahr darauf musste sein rechtes Bein oberhalb des Knies amputiert werden. Er erhielt eine Prothese und entschloss sich, auf höchst originelle Weise Geld für die Krebsforschung zu sammeln: Er startete zu seinem Marathon of Hope – Tag für Tag lief er 42 Kilometer durch Kanada.

Seine letzte Marathonstrecke bewältigte Terry Fox nach 143 Tagen und 5.373 Kilometern am 1. September 1980 in Thunder Bay, Ontario. Seine Lungen waren nun so sehr vom Krebs befallen, dass er nicht weiterlaufen konnte. Doch bis zum 1. Februar 1981 hatte er dann auch sein Spendenziel erreicht: jeder Einwohner Kanadas hatte symbolisch einen Dollar gespendet, mehr als 24 Millionen.

Einen Monat vor seinem 23. Geburtstag starb Terry Fox. Postum erfuhr er zahlreiche Ehrungen, so wurde er 1999 in einer Umfrage zum „Größten Helden Kanadas“ gewählt. In zahlreichen Ländern der Welt gibt es jährlich Terry-Fox-Läufe.

 

 

 

Max Reichpietsch

* 24.10.1894 in Charlottenburg, † 5.9.1911 in Wahn am Rhein, deutscher Matrose

 

Im Alter von 18 Jahren hatte sich der neuapostolische Christ Max Reichpietsch freiwillig zum Dienst in der deutschen Kriegsmarine gemeldet. Aufgrund der schlechten Verpflegung an Bord und von Schikanen durch Offiziere wurde er spätestens nach der Skagerrak-Schlacht zum Kriegsgegner und einer der Organisatoren der Antikriegsbewegung unter den Matrosen der Hochseeflotte.

Im August 1917 wurde Max Reichpietsch als „Haupträdelsführer“ verhaftet, in einem Kriegsgerichtsverfahren zum Tode verurteilt und im Alter von 22 Jahren zusammen mit dem Heizer Albin Köbis hingerichtet.

 

 

Jina Mahsa Amini

* 20.9.1999 in Saqqez, † 13.9.2022 in Teheran, iranische Ladenbesitzerin

 

Jina Mahsa Aminis Grabstein trägt die Inschrift: „Liebe Amina, du wirst nicht sterben. Dein Name wird ein Symbol werden.“ Die Nachricht von ihrem Tod in Polizeigewahrsein, löste die bis dahin schwersten und am längsten andauernden Proteste gegen das iranische Mullah-Regime aus.

Jina Mahsa Amini betrieb in ihrer kurdischen Heimatstadt Saqqez eine Boutique und wollte ab dem Wintersemester 2022/23 in Teheran Biologie studieren. Für das Einschreibverfahren reiste sie nach Teheran und wurde am Abend des 13. September 2022 in einer U-Bahn-Station wegen „unislamischer Kleidung“ von der Sittenpolizei festgenommen. Im Polizeiwagen oder auf der Polizeiwache erlitt sie infolge Gewalteinwirkung dann ein Schädel-Hirntrauma. Sie fiel ins Koma und wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo schließlich ihr Hirntod festgestellt und Jina Mahsa Amini drei Tage später für tot erklärt wurde.

Human Rights Watch wertere ihren Tod als „Indiz für abscheuliche Verkommenheit“ und forderte, die wenige Wochen vor Jina Amimis Tod verschärften Kleidungsvorschriften für Frauen abzuschaffen. Amnesty International wie die UNO und zahlreiche weitere Institutionen forderten strafrechtlich zu untersuchen, wie Jihsa Mahsa Amina zu Tode kam. Wochenlang fanden weltweit Kundgebungen statt. Im Iran kam es in allen Landesteilen, in hunderten Städten, an allen Universitäten zu Protesten, bei denen bis Dezember wahrscheinlich mehr als 600 Demonstranten ums Leben kamen.

Postum verlieh das Europäische Parlament Jina Maksa Amini den Sacharow-Preis. Die Präsidentin des Europäischen Rates Roberta Metsola erklärte: „Das Europäische Parlament steht an der Seite der Tapferen und Aufständischen, die weiter für Gleichberechtigung, Würde und Freiheit im Iran kämpfen. Wir stehen an der Seite derjenigen, die sich auch aus dem Gefängnis heraus für die Frauen-, Lebens- und Freiheitsbewegung einsetzen. Indem wir ihnen den Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2023 verleihen, erinnert dieses Haus an ihren Kampf und ehrt weiterhin all jene, die ihr Leben für die Freiheit geopfert haben.ʺ

 

   

 

 

Carl Theodor Körner

* 23.9.1791 in Dresden, † 26.8.1813 im Forst Rosenow bei Lützow, deutscher Schriftsteller

 

Goethe hatte bei Theodor Körners Schwiegervater Zeichenunterricht gehabt, sein Vater förderte Schiller, der sogar eine zeitlang bei den Körners unterkam. Novalis, Heinrich von Kleist, die Humboldts, die Schlegels, Friedrich Nicolai verkehrten im Hause Körner.

Während seines Studiums an der Bergakademie Freiberg erschien 1810 sein erster Gedichtband „Die Knospen“. In Leipzig begann er Geschichte und Philosophie zu studieren, wechselte aber wegen einer drohenden Relegation ob allzu wilden Studentenlebens nach Berlin, wo er Vorlesungen von Fichte und Schleiermacher hörte, das Corps Guestphalia gründete, in der zelterschen Sing-Akademie sang und bei Jahn und Friesen turnte.

Nach einem Kuraufenthalt in Karlsbad und der nunmehr doch und auch für Berlin ausgesprochenen Relegation ging Theodor Körner nach Wien. Hier begann er fürs Burgtheater zu schreiben, so sein wichtigstes Drama „Zriny“, wurde zum k.k. Hofdichter ernannt, lernte Beethoven kennen und verlobte sich mit Antonie Adamberger, Tochter eines von Mozart hochgeschätzten Hofsängers.

Als Preußen jedoch sein Volk zum Kampf gegen Napoleon an die Waffen rief, kappte Theodor Körner seine vielversprechende Karriere und trat in Breslau dem Lützowschen Freikorps bei, zog stolz die schwarze Freikorps-Uniform an. Schon bald sangen seine Kameraden von ihm verfasste Gedichte wie „Frisch auf, ihr Jäger, freu und flink“ nach bekannten Melodien. Beim Marsch durch Leipzig verfasste er dann auf dem Schneckenberg „Lützows wilde Jagd“. Er avancierte zum Leutnant und zu Lützows Adjutanten. Mitte Juni 1813 wurde das Freikorps südlich Leipzigs, bei Kitzen, von französischer Kavallerie angegriffen. Theodor Körner wurde schwer verwundet, schleppte sich nach Großzschocher, verbarg sich in einem Gehölz und schrieb:

 

Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben.

Ich fühl’s an meines Herzens mattem Schlage,

Hier steh ich an den Marken meiner Tage.

Gott, wie Du willst, Dir hab ich mich ergeben.

 

Er wurde jedoch gefunden, nach Leipzig gebracht, gepflegt und alsbald schloss er sich nach neuerlichem, kurzen Kuraufenthalt in Karlsbad und einer Begegnung mit Freiherrn von Stein, Blücher, Arndt und Gneisenau in Reichenbach im August 1813 wieder seiner mittlerweile in Norddeutschland kämpfenden Truppe an. Hier nun fiel Theodor Körner in einem Gefecht im Alter von 22 Jahren.

 

Was scheidet dort röchelnd vom Sonnelicht,

unter winselnde Feinde gebettet?

Es zuckt der Tod auf dem Angesicht,

doch die wackern Herzen erzittern nicht,

das Vaterland ist ja gerettet.

Und wenn ihr die schwarzen Gefall’nen fragt:

Das ist, das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.

 

Die wilde Jagd und die deutsche Jagd,

auf Henkersblut und Tyrannen!

Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt!

Das Land ist ja frei und der Morgen tagt,

wenn wir’s auch nur sterbend gewannen!

Und von Enkel zu Enkel sei’s nachgesagt:

Das war, das war Lützows wilde, verwegene Jagd.

 

 

 

Tuğçe Albayrak

* 28.11.1991 in Bad Sooden-Salmünster, † 28.11.2014 in Offenbach, deutsche Studentin

 

Tuğçe Albayrak studierte in Gießen Deutsch und Ethik für das Lehramt. Am 15 November versuchte sie zwei Mädchen, die von Jugendlichen in einem McDonald’s Restaurant bedrängt wurden, zu helfen. Ein achtzehnjähriger Serbe fühlte sich dadurch beleidigt und schlug Tuğçe Albayrak dann auf dem Parkplatz nieder. Durch den Aufprall fiel sie in Koma, aus dem sie nicht wieder erwachte. An ihrem 23. Geburtstag wurden alle lebenserhaltenden Maßnahmen abgeschaltet.

Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bülent Arınç sagte: „Sie hat großes Heldentum bewiesen und sich einen Platz in den Herzen der deutschen Öffentlichkeit erworben.“ In deutschen Medien setzte eine breite Diskussion über Zivilcourage ein, Tuğçe Albayrak wurde sogar als „moderne Märtyrerin“ bezeichnet. Die italienische Zeitung „La Stampa“ nannte sie den „Engel von McDonald’s“.

Der Täter wurde zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt und anschließend nach Serbien abgeschoben.

 

 

 

 

Cuautémoc

* wohl 1502, u.a. auch Quauhtemoc, † 28.2.1525 in Itzamkanac, letzter aztekischer Herrscher

 

Cuautémoc, der „Lachende Adler“, war ein Vetter von Moctezuma II., der Herrscher über das Azteken-Reich, den die spanischen Eroberer als Geisel nahmen und der bei einem Aufstand ums Leben kam. Kurzzeitig folgte Moctezuma II. dessen Bruder Cuitáuac, dann wurde Cuautémoc als Tlatoani, als Herrscher, gewählt.

Cuautémoc leistete erbitterten Widerstand gegen die Spanier unter Hernán Cortéz, verteidigte die Azteken-Hauptstadt Tenochtitlán bis zu letzt. Dann wurde er jedoch gefangen genommen. William Prescott schreibt: „Es war unmöglich, länger in der Hauptstadt zu bleiben, wo die giftigen Ausdünstungen der unbestatteten Leichen die Luft verpesteten. Nur eine kleine Wache wurde zurückgelassen, um in den verwüsteten Randbezirken die Ordnung zu wahren. – Es war die Stunde der Vesper, als sich Quauhtemoc ergab, und die Belagerung konnte damit als beendet angesehen werden. Finster brach der Abend an, und es begann zu regnen, ehe die verschiedenen Abteilungen die Stadt geräumt hatten.“ Bald darauf ließ Cortéz ließ Cuautémoc foltern, um zu erfahren, wo die sagenhaften Goldschätze der Azteken versteckt waren.

Und als Cortéz zu einem Feldzug nach Honduras aufbrach, fürchtete er, Cuautémoc könne in seiner Anwesenheit einen neuerlichen Aufstand anzetteln und nahm ihn mit. Nun soll Cuautémoc angeblich in eine Verschwörung verstrickt gewesen sein, und Cortéz ließ den letzten Herrscher des großen Reiches der Azteken hinrichten.

Noch immer gilt Cuautémoc in Mexiko als beliebter Vorname.

 

 

 

 

Matthias Lüders

* 1970, † 27.4.1993 in Obhausen, deutsches Neonazi-Opfer

 

Matthias Lüders diente als Wehrpflichtiger in der Bundeswehr und besuchte während eines Wochenendeurlaubs eine Disco in Obhausen bei Querfurt.

Kurz vor Mitternacht stürmten 40-50 Naziskins die Disco, die als „linker Treffpunkt“ galt, verwüsteten den Saal und schlugen wild um sich. Matthias Lüders wurde mit einem Baseballschläger so schwer am Kopf getroffen, dass er zwei Tage später im Alter von 23 Jahren im Uniklinikum Halle starb.

Der mutmaßliche Täter wurde zu einer Jugendstraße von dreieinhalb Jahren verurteilt. 30 Jahre nach der Tat weihte der Gemeinderat in Obhausen eine Gedenkplatte für Matthais Lüders ein.

 

  

 

 

Ly Song Leng

* um 1953, † wahrscheinlich 1976, kambodschanischer Musiker

 

In einem deutsch-kambodschanischen Kinderbuch, das ich gemeinsam mit Sonny Thet verfasste, verarbeitete ich auch den Lebenslauf dieses großartigen Cellisten. Man kannte sich aus DDR-Rockerzeiten. Er spielte mit seiner Band, ebenso wie ich mit meiner, immer mal wieder im Weimarer Kasseturm. Gemeinsam zuweilen auch damals schon, sogar mit Ly Song Leng?

Bereits in der Schule sei er, Sonny Thet, als begabter Musiker gelobt wurden, spielte Kloi, die Bambusflöte, Skoh, die kleine Trommel und sogar Bai Or, eine Art Oboe mit sehr hohem Klang. Das verdankte er seinem Vater, der im königlichen Tempeltanz-Orchester musizierte. Ja, und eines Tages durfte er dann sogar selbst vor dem König auftreten, tatsächlich, vor Prinz Sihanouk! Und dem gefiel das so gut, dass er ihn zum Musikstudium zusammen mit dem Cellisten Ly Song Leng nach Deutschland schickte, nach Weimar, Hier lernte er dann auch Cello zu spielen und sogar zu Komponieren.

Dann aber brach in Kambodscha ein Krieg aus, ein schrecklicher Bürgerkrieg. Die Roten Khmer unter Pol Pot übernahmen die Macht und bekämpften ihre eigenen Landsleute grausam. Jeder Kambodschaner sollte fortan als Reisbauer vegetieren. Das war die Gleichheit für alle, die Pol Pot als Kommunismus verstand. Irre. So gut wie alle Schulen, Krankenhäuser, Tempel wurden zerstört, alle Intellektuellen (wozu schon Brillenträger, geschweige denn Lehrer, Ärzte, Wissenschaftler, Mönche gezählt wurden) exekutiert. Sogar Nutztiere erschossen…

Diesem Terror fiel jeder dritte Kambodschaner zum Opfer. Auch seinen Vater, seine Mutter, seine Großeltern, Freunde, Brüder und Schwestern sowie viele Verwandte brachten die Roten Khmer um. Und wenn er zu jener Zeit der Rückruf-Order gefolgt, wenn er wie Ly Song Leng nach Hause geflogen wäre, würde er sicher auch längst nicht mehr am Leben sein, ja.

Zwar wurden die Roten Khmer schließlich besiegt, wird es langsam wieder erträglicher in Kambodscha, kommen sogar wieder Touristen nach Angkor Wat, doch fürchtete er sich noch viele Jahre nach all diesem Schrecken, all diesen Grausamkeiten, wieder in sein geschändetes Heimatland zu fahren, dorthin, wo er eine glückliche Kindheit und Schulzeit verbracht hatte. Wen auch sollte er dort besuchen, seine Eltern und so viele vertraute Menschen sind tot, gefoltert und ermordet wie Ly Song Leng.

 

 

 

Johann Ludwig Maximilian Dortu

* 29.6.1826 in Potsdam, † 31.7.1849 in Freiburg im Breisgau, deutscher Revolutionär

 

Im Mai 1848 bezeichnete Johann Ludwig Maximilian Dortu, Referendariat am Potsdamer Stadtgericht, den Prinzen von Preußen, den späteren Kaiser Wilhelm I., als „Kartätschenprinz“, da dieser im März in Berlin den Einsatz von Kartätschen gegen Aufständische befohlen und somit „Hochverrat am Volke“ begangen habe.

Umgehend wurde er aus dem Staatsdienst entlassen und wegen Majestätsbeleidigung zu fünfzehn Monate Festungshaft verurteilt. Dortu ging jedoch rechtskundig in die zweite Instanz und musste im Oktober 1848 auf freien Fuß gesetzt werden. Als im November General Wrangel zur endgültigen Niederschlagung der Revolution gen Berlin marschierte, brachte Dortu Arbeiter und „wohlbekleidete Männer“ dazu, den Gleiskörper der Berlin-Potsdamer Eisenbahn zu beschädigen. Daraufhin wurde er wegen Sabotage per Steckbrief gesucht und floh nach Belgien, dann weiter nach Paris.

Und dann gingen Truppenverbände unter Oberbefehl des Kartätschenprinzen gegen die Revolution in Baden vor. Im Mai 1849 kam Dortu in Karlsruhe an. Gustav Struve empfahl Dortu dem Chef der badischen Volkswehr Johann Philipp Becker mit den Worten „... eine ideale Natur, löwenkühn im Kampfe, ungestüm und begeistert auf der Rednertribüne, voll der edelsten Vaterlandsliebe jederzeit“. Dortu wurde zum Stabsadjutanten im Generalkommando der Volkswehr ernannt und gehörte dann zu den Gründern des „Klubs des entschiedenen Fortschritts“. Nach diversen Scharmützeln geriet Dortu im Juli in Freiburg in Gefangenschaft und von einem preußischen Kriegsgericht zum Tod durch Erschießen verurteilt. Der preußische König lehnte ein Gnadengesuch ab.

In der Nacht vor seinem Tode schrieb Johann Ludwig Maximilian Dortu seinen Eltern: „Wer den Mut hat, eine Überzeugung zu bekennen und für dieselbe zu kämpfen, muß auch den Mut haben, für dieselbe zu sterben.“ Am frühen Morgen des 31. Juli 1849 erschoss den Dreiundzwanzgjährigen ein preußisches Peloton auf dem Friedhof des Freiburger Stadtteils Wiehre. Ein Trommelwirbel sollte seine letzten Worte übertönen. Dennoch hörten die Soldaten Dortu rufen: „Ich sterbe für die Freiheit. Brüder, zielt gut!“

 

 

Lew Natanowitsch Lunz

* 2.5.1901 in Sankt Petersburg, † 8.5.1924 in Hamburg, russischer Schriftsteller

 

Lew Natanowitsch Lunz begann nach der Oktoberrevolution 1918 ein Studium der Sozialwissenschaften an der Universitär Petrograd, das er 1922 abschloss. Danach arbeitete er dort am Lehrstuhl für westeuropäische Literatur. Neben Russisch beherrschte er Alt- und Neufranzösisch, Althebräisch, Englisch, Italienisch und Spanisch.

Schon während seines Studiums hatte er begonnen zu schreiben und veröffentlichte im In- und Ausland Drehbücher, Essays, Feuilletons, Prosa und Theaterstücke. 1921 gründete er die literarische Gruppe der „Petrograder Serapionsbrüder“ mit und schrieb in seinem Gründungs-Manifest: Wir haben uns Serapionsbrüder genannt, weil wir uns dem Zwang und der Beschränktheit widersetzen und weil wir dagegen sind, dass einer soll wie der andere. Weitere bekannte Mitglieder der Gruppe waren Konstantin Fedin, Wsewolod Iwanow, Vladimir Pozner, Michail Sostschenko und Wiktor Schklowski, der zur Ästhetik der Serapionsbrüder sagte: „Die Psychologie ist im Hintertreffen, Analysen sind abgeschafft, die Helden halten einander keine Ansprachen, vielfach fehlt sogar absichtlich die Motivierung für ihre Handlungen, weil vor dem Hintergrund der mit ‚Motivierung’ überladenen russischen Literatur eine Handlung besonders plastisch wird, wenn ihr unmittelbar eine weitere folgt – die Handlungen sind miteinander nur durch die Dynamik der Erzählung verknüpft.“

1923 traten bei Lew Lunz erste Anzeichen einer Herzerkrankung auf, und er reiste zu einer Heilbehandlung nach Deutschland, wohin seine Eltern emigriert waren. Nach einem mehrmonatigen Sanatoriumsaufenthalt starb er wenige Tage nach seinem 23. Geburtstag an einer Gehirnkrankheit.

 

 

 

 

 

Hatun Aynur Sürücü

* 17.1.1982 in Berlin, † 7.2.2005 ebd., deutsch-kurdisches Ehrenmord Opfer

 

Hatun Sürücüs Eltern kamen Anfang der 1970er Jahre nach Westberlin. Hatun war ihr fünftes Kind und die erste Tochter. Im Alter von 16 Jahren wurde sie mit einem Cousin in Istanbul zwangsverheiratet und wurde schwanger, kehrte aber nach einem Zwist nach Deutschland zurück, wo sie ihren Sohn Can zur Welt brachte.

Hatun Sürücü fand in einem Wohnheim für minderjährige Mütter Unterschlupf, holte ihren Hauptschulabschluss nach, bezog dann eine eigene Wohnung und absolvierte eine Lehre als Elektroinstallateurin.

Wenige Tage vor ihrer Gesellenprüfung besuchte sie ihr Bruder Ayhan, und obwohl es zum Streit kam, begleitete sie ihn bis zur Bushaltestelle an der Oberlandstraße. Hier soll er Hatun gefragt haben „Bereust du deine Sünden?“ und sie dann mit drei Kopfschüssen getötet haben.

Als Motiv gaben Ayhan und zwei weitere Brüder, gegen die wegen Beihilfe ermittelt wurde, gekränkte Familienehre an. Sie hätten sich für ihre Schwester geschämt, die eigenständig lebte und kein Kopftuch mehr trug. Ayhan, der minderjährige der drei Brüder, legte vor Gericht ein Geständnis ab, und wurde zu einer Jugendstraße von neun Jahren und drei Monaten verurteilt und nach Verbüßung der Haft in die Türkei abgeschoben, während die beiden älteren Brüder wegen Mangels an Beweisen freigesprochen wurden. In der Zeitung „Die Welt“ war 2011 zu lesen, dass Ayhan Sürücü „bei vielen jungen Türken und Kurden längst zum Idol geworden“ sei und in der Jugendhaftanstalt „von vielen muslimischen Insassen als Held verehrt“ werde.

Am Tatort, dem Haus in der Tempelhofer Oberlandstraße, wurde nach einigem Hin und Her schließlich 2008 eine Tafel mit der deutsch-türkischen Inschrift angebracht: „Hier wurde Harun Sürücü (geb. 1982) am 7. Februar 2005 ermordet, weil sie sich Zwang und Unterdrückung ihrer Familie nicht unterwarf, sondern ein selbstbestimmtes Leben führte. Zum Gedenken an sie und die weiteren Opfer von Gewalt gegen Frauen in dieser Stadt.“

 

 

 

 

Hugo Alfredo Santillan

* 30.5.1996 in Ceres, † 25.7.2019 in Buenos Aires, argentinischer Boxer

 

Am 15. Juni 2019 boxte Hugo Alfredo Santillan in Hamburg gegen Artem Harutyunyan. Nur fünf Tage später stieg er in Buenos Aires gegen Eduardo Javier Abreu in den Ring. Der Kampf endete nach zehn Runden unentschieden, aber gleich nach der Urteilsverkündung brach Hugo Santillan zusammen. In einem nahen Krankenhaus wurde er wegen eines Blutgerinnsels im Kopf notoperiert, dabei versagten seine Nieren, er wurde ins Koma versetzt, doch dann kollabierte auch seine Lunge und er starb, 23 Jahre alt.

Der Bund Deutscher Berufsboxer hatte Hugo Santillan nach seinem Hamburger Kampf eine Schutzsperre bis 30. Juni auferlegt. Dessen Präsident sagte nach Santillans Tod am 25. Juni: „Ein absoluter Wahnsinn, den Mann so schnell wieder boxen zu lassen“. Und der Chef des Harutyunyan-Boxstalls fügte hinzu: „Mit großer Bestürzung haben wir die Mitteilung aufgenommen, dass Hugo Santillan, den wir noch vor Kurzem als fairen Sportsmann und Gegner von Artem Harutyunyan bei uns in Hamburg zu Gast hatten, zu Tode kam.“

In der gleichen Woche, in der Hugo Santillan starb, starb auch der 28-jährige russische Boxer Maxim Dadashev aufgrund von Verletzungen, die er bei einem Profiboxkampf erlitt.

 

 

 

Jorge Chávez Dartnell

* 13.6.1887 in Paris, genannt: Geo, † 27.9.1910 in Domodossola, peruanisch-französischer Luftfahrtpionier

 

Jorge Chávez Dartnell, Sohn eines nach Frankreich ausgewanderten peruanischen Millionärs, erhielt 1910 den französischen Pilotenschein Nr. 32. Er stellte mehrere Flugrekorde auf, so erreichte er eine Höhe von fast 2.500 Metern, übertraf damit die bestehende Rekordmarke beträchtlich.

Und dann wollte er als erster Mensch den Alpenhauptkamm überfliegen. Ein erster Versuch am 19. September 1910 scheiterte wegen schlechten Wetters, vier Tage später flog er von Ried-Brig in 42 Minuten über den Simplonpass nach Domodossola. Bei der Landung brach sein Bleriot-Eindecker nach einem Sturzflug jedoch auseinander, Jorge Chávez Dartnell wurde schwer verletzt und starb vier Tage darauf im Alter von 23 Jahren.

Ihm zu Ehren trägt der Flughafen von Lima den Namen „Aeropuerto Internaticonal Jorge Chávez“.

 

 

 

River Jude Phoenix

* 23.8.1970 als River Jude Bottom in Madras, Oregon, † 31.10.1993 in West Hollywood, Kalifornien, amerikanischer Schauspieler

 

Seine Hippie-Eltern nannten ihren Erstgeborenen nach dem „Fluss des Lebens“ in Hermann Hesses „Siddharta“ und dem Beatles-Song „Hey Jude“. Seine Eltern schlossen sich danach einer Sekte an und missionierten in Südamerika. Im Alter von sieben Jahren verdiente River Jude Geld als Straßenmusiker in Caracas.

1979 kehrte die Familie in die USA zurück und seine Mutter, die als Sekretärin NBC arbeitete, brachte ihren Sohn beim Fernsehen unter, so spielte River Jude als Zwölfjähriger in der Serie „Seven Bridges for Seven Brothers“ mit. Drei Jahre später wirkte er erstmals in einem Spielfilm mit, und im Jahr darauf gelang ihm mit „Stand by me“ der Durchbruch. 1988 wurde er für seine Rolle in „Die Flucht ins Ungewisse“ sogar für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert, und 1989 spielte er den jungen Indiana Jones in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Neben der Schauspielerei wirkte er auch in zwei Bands mit und spielte sogar Songs mit John Frusciante ein.

Währen der Dreharbeiten zu „Dark Blood“ brach River Phoenix in der Nacht zu Halloween durch eine Überdosis Speedball zusammen und starb im Alter von 23 Jahren.

 

  

 

Marco Siffredi

* 22.5.1979 in Chamonix, † 8.9.2002 am Mount Everest, französischer Bergsteiger

 

Einen Tag nach seinem 22. Geburtstag gelang Marco Siffredi die erste vollständige Abfahrt vom Mont Everest auf einem Snowboard.

Im Jahr darauf versuchte er, das zu wiederholen, doch verschwand auf etwa 8.500 Meter spurlos. Eine großangelegte Suchaktion wurde nach sechs Tagen eingestellt. Seine Leiche wurde nie gefunden.

 

 

 

Simonetta Cattaneo Vespucci

* 28.1.1453 wohl in Porto Venere, † 26.4.1476 in Florenz, italienische Muse

 

Im Alter von 16 Jahren wurde Simonetta Cattaneo mit einem Cousin des Entdeckers Amerigo Vespucci verheiratet. Diese Ehe war ein Zweckbündnis zwischen Handelsdynastien und da ihr Mann offenbar zudem homosexuell war, wurde Simonetta bald anderweitig verehrt: so von Giuliano di Piero de’ Medici, der ihr als „regina bella bellezza – Königin der Schönheit“ seinen Auftritt bei einem Florentiner Turnier widmete. Und Maler wie Piero di Cosimo und Sandro Botticelli verewigten sie durch ihre Gemälde, Botticelli nicht zuletzt mit „Die Geburt der Venus“-

Simonetta Vespucci starb im Alter von 23 Jahren an Tuberkulose.

 

 

 

 

 Cemal Kemal Altun

* 13.4.1960 in Samsun, † 30.8.1983 in Berlin, türkischer Asylbewerber

 

Nach dem Militärputsch 1980 floh Cemal Kemal Altun aus der Türkei nach Westberlin. Als dann sein Asylantrag nicht bewilligt wurde und er aufgrund eines Auslieferungsgesuchs in die Türkei, wo ihm die Todesstrafe drohte, abgeschoben werden sollte, sprang er aus dem sechsten Stock des Oberverwaltungsgerichts Berlin und starb.. Er war der erste Flüchtling aus der Türkei, der sich in der Bundesrepublik Deutschland das Leben nahm.

Amnesty International urteilte: „Die fortschreitende Aushöhlung des Asylrechts und die Atmosphäre der Ausländerfeindlichkeit haben ihm das Vertrauen in das Grundgesetz genommen. Im Alter von 23 Jahren starb er als Opfer einer Politik, die die guten Beziehungen zu den türkischen Militärs über den Schutz eines verfolgten Menschen stellte.“

Sechs Monate danach wurde seinem Asylantrag stattgegeben.

 

 

 

 

Georg Büchner

* 17.10.1813 in Goddelau, † 19.2.1837 in Zürich, deutscher Dramatiker und Schriftsteller

 

Woyzeck: „… etwas, was wir nicht fassen, begreifen, was uns von Sinnen bringt. Was soll das sein?“

 

Nachdem Büchner die abermalige Vorladung vom Darmstädter Arresthaus erhalten hatte, wusste er, dass ihm keine Zeit mehr verblieb. Der „Hessische Landbote“ saß seiner Existenz im Nacken. Aber die Flucht gelang. Er erreichte Straßburg, die Stadt seiner glücklichen Studentenjahre, zwei Tage darauf. Jedoch mittellos.

Es war ihm keine Zeit verlieben, das Honorar für den „Danton“ in Empfang zu nehmen. Das Revolutionsdrama für das Drama seiner Flucht… Fieberhaft hatte er die letzten fünf Wochen daheim daran gearbeitet - nachts, am Seziertisch des Vaters, heimlich.

Wie gut, dass er nun Wilhelmine hatte! Logis bei den Jaeglés. Trotz des nachgesandten Steckbriefes fühlte Büchner sich unter den Türmen des Münsters vorerst sicher. Nun drängte es ihn, den „Lenz“ zu schreiben. Doch seine finanziellen Sorgen und die Arbeit an der Dissertation ließen ihm keine Zeit zur Vollendung. Auch später nahm er das Schicksal des geistig Verwandten literarisch nicht wieder auf. Er überließ Gutzkow die Fragmente für den „Phönix“.

„Leonce und Lena“ hingegen vollendet Büchner in Straßburg. Er wollte einem Wettbewerbsaufruf nach dem besten deutschen Lustspiel des Jahres unbedingt nachkommen. Das Geld brauchte er nötig – doch bekam es nie. Das Manuskript war zwei Tage zu spät abgegangen, kam unbesehen zurück, ging später ebenfalls zu Gutzkow, der es entschärft veröffentlichte, ohne seine auch ethische Größe. Büchner sah sich nun weit und breit auf verlorenem Posten und stand doch zu seiner Überzeugung. Ohne Wilhelmine hätte er resigniert.

Da kam aus Zürich das Angebot einer Privatdozentur. Endlich ein Lichtblick! Seine Dissertationsschrift über „Das Nervensystem der Barben“ und seine schier unerschöpfliche Energie brachten ihm die erste Stellung. Der Lebensunterhalt schien gesichert.

Zürich im Januar, welch eine Stimulanz für den Verfolgten! Was waren die dürftigen heimischen Hügel gegen die tiefverschneite Pracht der Alpen! Büchner fand Kraft für den „Woyzeck“.

Anfang Februar 1837 stand er kurz vor dem Abschluss, schrieb an der Selbstmordszene zugunsten der Gerichtsszene, da besuchte ihn sein Giessener Freund August Becker. Er warnte ihn. Die Häscher des Großherzogs hatten Pläne, Büchner aus der progressiven Schweiz zu entführen. Er lachte zuerst, wähnte sich sicher. Eine Durchsuchung seiner Wohnung während seiner Abwesenheit machte ihm den Ernst seiner Lage jedoch klar. Der schärfte die Sinne. Die zu dieser Zeit in Zürich grassierende Typhus-Epidemie brachte den rettenden Einfall: Büchner erkrankte. Büchner starb. Offiziell.

Jedoch?: Ihm befreundete Arztkollegen halfen Becker bei allem Amtskram. Herwegh verfasste ehrlichen Glaubens, tief erschütterte, den Nachruf. Büchner las ihn nicht minder erschüttert in der Genfer Lokalpresse. Nach Genf hatte er sich geflüchtet. Endlich sicher. Nur Becker und Wilhelmine, die ihn kurz vor seinem amtlichen Tod noch in Zürich besucht hatte, wussten wo er sich nun aufhielt.

Um den Lebensunterhalt zu fristen, verdingte er sich als Arzt im Genfer Hospital, begann eine Arbeit über die sozialen Hintergründe der Tuberkulose, veröffentlichte anonym – ohne Erfolg. Becker schuf Verbindungen. Büchner übernahm als Becker die Leitung der deutschen kommunistischen Handwerkerbewegung in der Schweiz.

In der knappen freien Zeit, die ihm verblieb, schrieb und vollendete den „Pietro Aretino“, sein bedeutendstes literarisches Werk, und schickte das Manuskript Wilhelmine. Diese hielt es aus Angst um die Identität des Autors zurück. Über den Namen Büchner sollte erst vollends Gras wachsen.

Obwohl er sein Leben nie an seine literarische Begabung hängen wollte, versetzte ihm das aber einen schmerzhaften Hieb. „Danton“, „Lenz“ und „Leonce und Leona“ waren nur in verstümmelten Fassungen erschienen. Den „Woyzeck“ hielt sein Bruder Ludwig zurück, den „Aretino“ nun Wilhelmine… Letztlich hatte ihn der „Hessische Landbote“ in diese Lage gebracht. Für wen schrieb er denn!

Büchner gab seine Tätigkeiten in der Schweiz auf, übernahm eine Landarztpraxis bei Versailles und widmete sich journalistischer Arbeit. Wieder durch Becker kam er in Verbindung mit dem Pariser „Vorwärts“, später zur „Neuen Rheinischen Zeitung“, arbeitete dann auch konspirativ auf die Revolution hin, die in Deutschland zu schwelen begann. Jetzt oder nie sah er die Chance, seine Ideen in die Praxis umzusetzen. Er spürte die revolutionäre Situation.

Aber er steckte noch immer in seiner theoretischen Misere: durch Aufgabe der idealistischen Philosophie, auch den Entwicklungsgedanken Hegels Dialektik preisgegeben zu haben.

Auch die flüchtige redaktionelle Zusammenarbeit mit dem jungen Karl Marx verhalf ihm nicht zum Verständnis des revolutionären Gehaltes. Mit dem Freund Weerth teilte er nicht das Verständnis der künftigen Rolle der Arbeiter. Büchner setzte auf die revolutionäre Masse schlechthin, insbesondere die Bauern und Handwerker. Und er begann wieder, literarisch zu arbeiten.

Weerth, der einzige, der diese Arbeit, eine Erzählungssammlung über den deutschen Bauernkrieg, kannte, sagte schließlich anlässlich seines letzten Londoner Besuches zu Marx: „Das Fatalste, was je geschrieben wurde. Ich bin im Wissen um die Autorschaft ergriffen!“ Das Manuskript ging in den folgenden Wirren verloren.

Am Vorabend der Revolution verfasste Büchner Flugschriften und kehrte illegal nach Deutschland zurück. Seine Spur verliert sich in Bonn. Sein Freund Becker schrieb später: „Er kämpfte und verlor mit allen, die ein besseres Deutschland wollten.“

Büchner jedoch verlor mehr. Nach dem „Landboten“ hatte er intellektuell die seinerzeitige Unmöglichkeit einer Umwälzung eingesehen. Nun sah er sie in der Praxis. Er resignierte, ging von Neuem nach Straßburg und heiratete Wilhelmine Jaeglé. Weerth suchte ihn dort auf und überredet ihn zu einer Reise in die Karibik. Weerth hatte dort geschäftlich zu tun. Den Freunden schloss sich Becker an. Sie bereisten Haiti und Kuba. Die Exotik faszinierte sie. Büchner widmete sich medizinischen Studien über die Lepra. Ein neues Leben schien sich für ihn aufzutun. Da starb unerwartet Weerth an Gelbfieber. Becker ging nach Nordamerika, wo er später als Feldprediger in den Bürgerkriegen umkam.

Büchner blieb mit Wilhelmine in Havanna, forschte weiter. Freudlos.

Da begann ihn der „Woyzeck“ wieder zu plagen. Büchner versuchte im Selbstexperiment, durch Einnahme von Drogen und ausschließlich Erbsensuppe, der Paranoia auf die Schliche zu kommen. Er kapselte sich ab, beobachtete, führte streng Tagebuch, hoffte es auswerten zu können. Aber die Verzweiflung über sein vermeintliches Scheitern ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Die Exotik der Umgebung gab seinem nüchternen Geist den Rest. Er glaubte an eine persönliche Schuld und begann das Lenzsche Schicksal zu teilen.

Wilhelmine, die später seinen gesamten Nachlass aus Feindschaft zur Familie Büchner gepaart mit ihrem Religionswahn vernichtete, betrieb alsbald die Rückkehr aus der Karibik.

Mitte Juni 1853, bei trübem, regnerischem Wetter, traf Büchner erneut in Straßburg ein. Er schien ganz vernünftig, sprach mit den Leuten. Er tat alles, wie es die anderen taten, es war aber eine entsetzliche Leere in ihm, er fühlte keine Angst mehr, kein Verlangen, sein Dasein war ihm eine notwendige Last.

So lebte er hin?

 

 

 

Carlo Giuliani

* 14.3.1978 in Rom, † 20.7.2001 in Genua, italienischer Student

 

Mit tausenden anderen Jugendlichen protestierte Carlo Giuliani gegen den im Jahre 2001 in Genua tagenden G8-Gipfel. Die Anti-Globalisierungsdemo eskalierte, es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auf der Piazza Gaetano Alimonda wurde ein Polizeiauto attackiert. Ein Carabinieri brüllte: „Ich werde euch töten!“ und schoss, zweimal. Eine Kugel traf Carlo Giuliani in den Kopf. Und beim Zurücksetzen und Wegfahren überrollte der Wagen ihn dann sogar noch, zweimal. Diese Bilder fanden globale Verbreitung: Fernsehen, Internet, Massenmedien.

Verurteilt wurde der Schütze jedoch nie. Eine Richterin folgte letztlich einem ballistischen Gutachten, nach dem der Schuss in die Luft abgegeben, die Kugel dann unglücklich von einem Stein abgeprallt, und das ganze Handeln der Carabinieri eh Notwehr gewesen sei. Carlo Giulianis Vater urteilte hingegen: „Mein Sohn ist ermordet worden und das war nicht eine Einzelperson, sondern der Staat. Aber wahrscheinlich werden die Ermittlungen zu dem Ergebnis kommen, dass Carlo Selbstmord verübt hat, währen die Polizei gleichzeitig ein Tontaubenschießen auf dem Platz veranstaltete.“

„Was passierte auf der Piazza Alimonda“ titelte 2006 ein Dokumentarfilm. Auch in Büchern wurde versucht, dieses Geschehen aufzuklären. Mehr als 20 Bands weltweit besangen Carlo Giuliani, erhoben ihn zum Märtyrer des frühen 21. Jahrhunderts.

 

 

 

Emilio Jacinto

* 15.12.1875 in Trozo, † 16.4.1899 in Majayjay, philippinischer Revolutionär

 

Eines schönen Tropentages wollten stolze Filipinos nicht länger Spanier sein, nicht länger Spanisch statt Filipino sprechen müssen, wollten selbst wieder das eigene Inselreich beherrschen und all seine Schätze selbst genießen. Maka-Diyos, Maka-Tao, Makaklaikasan at Makabansa! – Für Gott, die Menschen, die Natur und das Land!

Sie gründeten heimlich die, höchste und ehrenhafteste Gesellschaft der Landeskinder, kurz: Katiputan, der auch der neunzehnjährige Emilio Jacinto beitrat. Rasch avancierte er zum „Gehirn der Katiputan“, er verfasste die Kartilya ng Katiputan – die Lehre des Katiputan und den Eid der Geheimorganisation, gab unter dem Decknamen Pingkian die Zeitung der Organisation heraus, die „Freiheit“ und wurde zum Finanzchef der Katiputan gewählt.

Und als dann die philippinische Revolution ausbrach kämpfte Emilio Jacinto auch mit der Waffe gegen die spanischen Besatzer, er wurde verwundet, gefangengenommen, konnte jedoch fliehen. Nun versuchte er den Aufstand in der Provinz Laguna zu koordinieren, richtete in den Hügeln von Majayjay ein geheimes Hauptqaurtier ein, erkrankte jedoch schwer an Malaria und starb wenige Wochen nach der Ausrufung der ersten Philippinischen Republik – die allerdings eines üblen Tropentages, nur zwei Jahre später, wieder aufgelöste wurde – von den Amis, die daraufhin für Jahrzehnte das Land besetzten.

Emilio Jacinto wird als philippinischer Nationalheld geehrt. Und im Jahr 1995 fand man in der Pamitinan-Höhle unter der Inschrift „Freiheit für die Philippinen“ die eingeritzten Signaturen der wichtigsten Revolutionführer und dabei auch die Emilio Jacintos. Maka-Diyos, Maka-Tao, Makaklaikasan at Makabansa!

 

 

 

Carlo Raimondo Michelsteadter

* 3.6.1887 in Görz, † 17.10.1910 ebd., italienischer Philosoph

 

Der Philosoph Carlo Michelstaedter wurde nur 23 Jahre alt. Er nahm sich das Leben bevor das alte Europa im Ersten Weltkrieg explodierte.

Er wuchs im habsburgischen Görz, an der Grenze zwischen dem Friaul und Slowenien, in einer wohlhabenden italienischen Familie deutsch-jüdischer Herkunft auf. Bereits während seiner Schulzeit befasste er sich mit der klassischen Philosophie, Platon vor allem, studierte dann aber erst einmal in Wien Mathematik, ging jedoch alsbald nach Florenz und wechselte zu Griechisch und Latein. Und begann zu schreiben und sogar zu malen.

Seine Abschlussarbeit verfasste er über das philosophische Thema „La persuasione e la rettorica“, kritisierte er die Rhetorik und die darauf aufbauende moderne Zivilisation als ein letztendlich in die Irre führendes, von den eigentlichen Wahrheiten ablenkendes Täuschungsmanöver. Anstatt das Individuum mit den sprachlichen und künstlerischen Mechanismen der Kultur zu einem vordergründigen und historischen Vergnügen zu überreden, verlangt er dessen Rückkehr zu den höchsteigenen, unverfälschten und nur im Hier und Jetzt erfahrbaren Überzeugungen, somit auch zur schmerzlichen Einsicht und zur Annahme der tragischen Endlichkeit seiner Existenz.

1907 hatte sich seine Geliebte, die Russin Nadja Baraden, umgebracht, 1909 sein Bruder in New York. Und bevor sein Freund Enrico Mreule nach Argentinien ausreiste, ließ er sich von ihm – damit er ja nichts Unüberlegte anstellte – dessen Pistole aushändigen.

Mit der aber erschoss sich Carlo Michelstaedter am 56. Geburtstag seiner Mutter im Zuge eines Familienstreits.

Sein Name sollte eine Rolle spielen, wenn im Jahr 2025 das italienische Gorizia gemeinsam mit der slowenischen Zwillingsgemeinde Nova Gorica als Kulturhauptstadt Europas fungiert.

 

 

Amadou Diallo

* 2.9.1975 in Guinea, † 4.2.1999 in New York City, guinesischer Immigrant

 

Amadou Diallo war über London in die USA gelangt, wo er politisches Asyl beantragte. Am frühen Morgen des 4. Februar 1999 verwechselten ihn vier Polizisten mit einem gesuchten Serienvergewaltiger, und als er in seine Jacke greifen wollte, wohl um sich auszuweisen, schossen die Cobs 41-mal auf Amadou Diallo und trafen ihn 19-mal. Er starb im Alter von 23 Jahren.

Die Polizisten wurden letztlich freigesprochen, da ein Berufsgericht ihnen glaubte, dass sie aus Furcht vor einem Angriff sofort geschossen hätten.

Die Erschießung von Amadou Diallo führte in den USA zu Bürgerrechtsprotesten. Bruce Springsteen schrieb den Song „American Skin (41 Shots)“, Wcylef Jean „Diallo“, Lauryn Hill „I Find it Hard To Say (Rebel)”, die Metal-Band Trivium „Contempt Breeds Contamination“ und Mos Def mit anderen Hip-Hoppern „A tree never grown“ zu seinem Gedächtnis.

 

 

 

 

Hermann Kükelhaus

* 4.8.1920 in Essen, † 30.1.1944 in Berlin, deutscher Autor

 

In einem Referat zum Abitur hatte Hermann Kükelhaus die totalitäre Herrschaft als kosmisches Karzinom bezeichnet. Er wurde verhaftet, verhört und zu einem Jahr Strafarbeit in einem Bergwerk verurteilt. Das Reifezeugnis erhielt er nicht.

Dann wurde Hermann Kükelhaus eingezogen und an der Ostfront mehrmals verwundet. Nach einem Kopfschuss blieb er in Berlin in letztlich in ambulanter Behandlung und meldete sich als Feuerwehr-Helfer. Bei einem Löscheinsatz nach einem Bombardement stürzte er von einem brennenden Hausdach und kam im Alter von 23 Jahren ums Leben.

Eine erste Sammlung seiner Gedichte hatte sein Bruder bereits 1942 als Privatdruck herausgegeben. Daraus entstand dann der Band „…ein Narr, der Held. Briefe und Gedichte“, der erstmals 1964 und dann nochmals 1998 erschien-

Am 10. Februar 1942 hatte Hermann Kükelhaus an seinen Bruder Hugo geschrieben: Vor einigen Tagen fiel der zweite von meinen guten Freunden. Ein junger Maler, ein Mann nach meinem Herzen. Von unserer Kompanie leben jetzt nur noch neun. Es wird so weitergehn. Wir werden nicht abgelöst.

Der Tor steht da

von Tod umwittert –

in grauer Welt

ein Narr der Held.

Nimm hin und horch

und sei vergessen

und weine nicht,

doch lach mir zu,

so bleich,

so gleich,

und stirb in Ruh’…

 

 

 

 

Pellegro Piola

* 5.6.1617 als Pellegrino Piola in Genua, † 26.11.1640 ebd., italienischer Maler

 

Zwei seiner Onkel waren Maler und zwei seiner Brüder wurden es auch. Pellegro Piola erlernte das Malen in der Werkstatt Giovanni Capellinos vor allem durch das Kopieren von Gemälden Raffaels, Luca Cambiasos und Parmagianos.

Pellegro Piolas bekanntestes und zugleich letztes Werk ist die „Madonna der Goldschmiede“, das 25. November 1640 im Beisein des Künstlers in der Straße der Goldschmiede in Genua angebracht. In der Nacht darauf geriet er vor seinem Haus in eine Messerstecherei und wurde tödlich verwundet.

Seine „Madonna der Goldschmiede“ wurde danach zum Gegenstand langwieriger Verhandlungen, die erst 225 Jahre nach Pellegro Piolas tragischem Tod endeten, indem das Genueser Appelationsgericht dieses Gemälde als ein für alle Ewigkeit unveräußerliches Gemeingut erklärte. Seitdem kann es im Museo dell’Accademia Ligustica in Genua bewundert werden.

 

 

 

 

Esmond Romilly

* 10.6.1918 als Esmond Marcus David Romilly in London, † 30.11.1941 in der Nordsee, englischer Journalist

 

Im Alter von 15 Jahren rebellierte Esmond Romilly gegen seine adlige Herkunft im Allgemeinen und kritisierte in Zeitschriften das englische Schulsystem im Speziellen. Er war der Neffe der Ehefrau Winston Churchills und sah dem verdächtig ähnlich, was immer mal wieder zu Gerüchten führte.

Drei Jahren später schloss sich Esmond Romilly in Spanien den Internationalen Brigaden an und veröffentlichte einen Bericht über den Spanischen Bürgerkrieg. Weithin bekannt wurde er aber, als er seine hochadlige Geliebte nach Spanien entführte und schließlich in Bayonne heiratete.

1938 zogen die Romillys nach dem Tod ihres Babys nach Amerika, und bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs meldete sich Esmond Romilly bei der Royal Canadian Air Force. Untauglich als Pilot, diente er als Navigator.

Nach einem Angriff auf Hamburg verschwand sein Flugzeug über der Nordsee spurlos. Die großangelegte Suche wurde drei Tage später erfolglos abgebrochen.

 

 

Harry Nicolas Gunther

* 5.6.1895 in Baltimore, Maryland, † 11.11.1918 bei Ville-devant-Chaumont, Frankreich, amerikanischer Soldat

 

Harry Nicolas Gunter war der letzte Gefallene des Ersten Weltkriegs.

Am 30. September 1917 wurde er eingezogen und kam im Juli 1918 an die Front in Frankreich.

Am 11. November 1918 um 5.00 Uhr morgens unterzeichneten Vertreter des Deutschen Reichs und der Alliierten in Compiégne den Waffenstillstand, der um 11.00 Uhr in Kraft treten sollte.

Harry Nicolas Gunther wurde um 10.59 Uhr beim Vorrücken auf eine deutsche Stellung tödlich getroffen.

 

   

 

 

Otto Weininger

* 3.4.1880 in Wien, † 4.10.1903 ebd., österreichischer Philosoph

 

„Er sah immer aus wie nach einer dreißigstündigen Eisenbahnfahrt, schmutzig, ermüdet, zerknittert, ging schief und verlegen herum, sich gleichsam an eine unsichtbare Wand drückend, und der Mund unter dem dünnen Schnurrbärtchen quälte sich irgendwie schief herab. Seine Augen (erzählten mir später die Freunde) sollen schön gewesen sein: ich habe sie nie gesehen, denn er blickte immer an einem vorbei (auch als ich ihn sprach, fühlte ich sie keine Sekunde lang mir zugewandt): all dies verstand ich erst später aus dem gereizten Minderwertigkeitsempfinden, dem russischen Verbrechergefühl des Selbstgepeinigten“, beschrieb Stefan Zweig seine Begegnung mit Otto Weininger.

Als Konstrukt seines Frauenhasses, dem auch das Judentum zum Opfer fiel (obwohl er selbst Jude war, aber zum Protestantismus konvertierte), da es ihm durchtränkt scheint von Weiblichkeit, verfasste er das 600-seitige Pamphlet „Geschlecht und Charakter“, das jedoch zu den klassischen Dokumenten der Wiener Moderne gezählt wird und auf das sich namhafte Schriftsteller und Philosophen bezogen.

Siegmund Freud sagte: „Der Kastrationskomplex ist die tiefste unbewußte Wurzel des Antisemitismus, denn schon in der Kinderstube hört der Knabe, dass dem Juden etwas am Penis – er meint, ein Stück des Penis – abgeschnitten wurde, und dies gibt ihm das Recht, den Juden zu verachten. Auch die Überhebung gegen das Weib hat keine stärkere unbewußte Wurzel. Weininger, jener hochbegabte und sexuell gestörte junge Philosoph, der nach seinem merkwürdigen Buche ‚Geschlecht und Charakter‘ sein Leben durch Selbstmord beendigte, hat in einem vielbemerkten Kapitel den Juden und das Weib mit der gleichen Feindschaft und mit den nämlichen Schmähungen überhäuft. Weininger stand als Neurotiker völlig unter der Herrschaft infantiler Komplexe  die Beziehung zum Kastrationskomplex ist das dem Juden und dem Weibe dort Gemeinsame.“

Aufsehen erregte auch sein Tod: Otto Weininger nahm sich im Alter von 23 Jahren in Beethovens Sterbehaus das Leben.

 

  

 

 

Krzystof Kamil Baszyński

* 22.1.1921 in Warschau, † 4.8.1944 ebd., polnischer Dichter

 

Krzystof Kamil Baszyński agierte in seinem kurzem Leben unter zahlreichen Pseudonymen: „Emil“, „Jan Bugaj“, „Jan Krzyski, „Krzysztof“, „Piotr Smugocz“, Krzysztof Zieliński“, „Krzyś“, teils als Dichter und Journalist, und vor allem als Untergrundkämpfer – aus gutem Grund also.

Er gehörte zur „Generation der Columbusse“, alle hier zugehörigen Dichter waren kurz nach dem Ersten Weltkrieg geboren und hatten kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Abitur gemacht. Und die meisten „Columbusse“, die nach einem gangbaren Weg aus den Herausforderungem den Lähmungen jener Zeit suchten, kamen in diesem Krieg ums Leben: Tadeusz Gajcy, Józef Szczepánski, Zdzisław Stroiński, Andrzej Trzebiński.

Nach der Besetzung seines Heimatlandes trat Krzystof Kamil Baszyński der im Untergrund agierenden polnischen Heimatarmee bei. Als der Literaturhistoriker Stanisław Pigoń davon hörte, sagte er: „Nun, wir gehören zu einer Nation, deren Schicksal es ist, den Feind mit Diamanten zu erschießen“.

Krzystof Kamil Baszyński wurde zum Schützen ausgebildet, leitete dann „aufgrund der geringen Eignung unter Feldbedingungen“ eine Presseabteilung, avancierte schließlich aber dennoch zum stellvertretenden Kompaniechef. Schon am dritten Tag des Warschauer Aufstandes fiel er.

Die letzte Zeile seines Gedichts „Historia“ diente 1971 als Vorlage für einen Filmtitel: „Man kann immer noch das Singen und Wiehern der Pferde hören“. Und sein Leben wurde mehrfach verfilmt, so 1984 in „Der vierte Tag“. Im Jahr 2009 wurde eine 10-Złoty-Münze zu seine, Gedächtnis ediert.

 

 

 

Hertha Kräftner

* 26.4.1928 in Wien, † 13.11.1951 ebd., österreichische Schriftstellerin

 

Und das heißt Mädchen sein:

am Fenster stehn und warten

und so voll Sehnsucht sein,

wie draußen im Garten

die roten Rosen sind,

wenn sie in Nächten fühlen:

wir werden blühen. –

Und man ist nicht mehr Kind…

schrieb Hertha Kräftner am 1. Dezember 1946 in ihrem ersten datierbaren Gedicht.

Und weder aus ihren Texten, geschweige denn aus ihrem Leben, sollte fortan die Melancholie, die Depression, die Todessehnsucht mehr weichen. Der Schriftsteller Hans Weigel nannte sie eine „Selbstmörderin auf Urlaub“.

Eines halbes Jahr vor ihrem Tod, am 11. Mai 1951 brachte sie zu Papier:

Ach, der Tod wird nach Pfeffer

und Majoran riechen,

weil er vorher im Laden beim Krämer saß,

der am silbrigen Schwanz

eines Salzherings erstickte.

In der Nacht vom 12. auf den 13. November 1951 nahm sich Hertha Kräftner mit einer Überdosis Veronal das Leben. Sie wurde 23 Jahre alt.

 

 

 

Robert Dean Stethem

* 17.11.1961 in Waterbury, Connecticut, † 15.6.1985 in Beirut, amerikanischer Marine-Taucher

 

Der Navy-Taucher Robert Stethem war auf der Rückreise von einem Einsatz in Griechenland, als das Linienflugzeug, in dem er saß, auf Weg nach Rom entführt wurde.

Als die der Hisbollah nahe stehenden Terroristen bemerkten, dass Robert Stethem amerikanischer Soldat war, wurde er gefoltert und erschossen, Seinen Leichnam, der aufgrund der schweren Misshandlungen nur anhand der Fingerabdrücke zu identifizieren war, warfen die Hijacker bei einem Zwischenstopp in Beirat schnöde auf die Landebahn.

Robert Stethem wurde postum mit dem „Purple Heart“ und 25 Jahre nach seinem Tod ehrenhalber zum Master Chief Officer of the Navy ernannt.

 

 

 

 

Henri Gaudier-Brzeska

* 4.10.1891 in Saint-Jean-de-Braye, † 5.6.1915 in Neuville-Saint-Vaast, französischer Bildhauer

 

Im Alter von 19 Jahren ließ sich Heinri Gaudier-Brzeska als freier Künstler in London nieder und wurde durch die Bekanntschaft mit Wyndham Lewis und Ezra Pound (den er auch porträtierte) zum Mitbegründer des Vortizismus. Sein in nur vier Jahren geschaffenes bildhauerisches Werk beeinflusste die englische und französische Kunst des 20. Jahrhunderts.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Henri Gaudier-Brzeska zur französischen Armee und fiel im Alter von 23 Jahren.

 

 

 

 Loreta Asanavičiūtė

* 22.4.1967 in Vilnius, † 13.1.1991 ebd., litauische Arbeiterin

 

Die Näherin Loreta Asanavičiūtė hatte sich zur Buchhalterin qualifiziert und engagierte sich für die Freiheit ihres Landes in der 1988 gegründeten Reformbewegung „Sajudis“.

Um die angestrebte Souveränität Litauens durch einen Putsch zu verhindern, griffen sowjetische Spezialeinheiten im Januar 1991 den Fernsehturm von Vilnius an. Eine Menschenkette stellte sich den Panzern mutig entgegen. Loreta Asanavičiūtė wurde dabei überrollt und so schwer verletzt, das sie wenig später im Alter von 23 Jahren im Krankenhaus starb. Sie war das einzige weibliche Opfer dieses Unabhängigkeitskampfes.

 

 

 

Gavrilo Princip

* 25.7.1894 in Obljaj, Bosnien, † 28.4.1918 in Theresienstadt, Böhmen, bosnisch-serbischer Nationalist

 

Gestern erreichte mich eine Anfrage aus Sarajevo. Ob ich einen Vortrag halten könne über: Perspektiven der Menschheit im Spiegel jüngerer abendländischer Literatur? In Sarajevo! Natürlich vermutete ich einen Scherz, einen reichlich üblen. Ein Rückruf bestätigte mir jedoch rasch die Richtigkeit und Seriosität der Einladung. Alles höchst offiziell, alles höchst professoral. Danach schlief ich schlecht, grottenschlecht.

Normalerweise entwickele ich zu Aufträgen, die ich erwäge anzunehmen, alsbald eine Affinität, verspüre zumindest vage, wie man das Ganze angehen und abhandeln könne. Nun aber rumorte ein unverdaulicher Symbolsalat in mir, durchspukten mich Attentats- und Kriegsszenen.

Und dass ich seit einiger Zeit mit dem Gedanken spielte, zwei meiner Kindheitserinnerungen alsbald zusammen zu schreiben, nämlich, dass ich Losbuden hasste, hier jedoch oft anderen Glück brachte, indem ich mit schlafwandlerischer Sicherheit stets nur Nieten aus dem Lostopf zog, sowie, dass ich einmal fast alle Etappensieger einer Friedensfahrt präzise, doch zum ungläubigen Spott meiner Mitschüler, vorausgesagt hatte, war wohl alles andere als ein konstruktiver, ein seriöser Einstieg ins Thema. Oder?

Eigentlich beherzige ich längst, besser von Angeboten zu lassen, bei denen es von Anfang an hakt, klemmt, sperrt. Sarajevo aber reizte mich über alle Maßen.

So kam ich auf ein Buch von Absalom Mathendele Mbane: „Der Sonnenstaat“: Keine Gefahr mehr, dass sein Volk aussterben könne, absolut nicht. AIDS wurde gebannt, da alle HIV-positiven Frauen dank der Ratschläge und Fürsorge von Monarchen und Medizinmännern emsig Rote Beete kauten und all die infizierten Männer brav mit Jungfrauen schliefen.

Jamila Marsa-i-Sharif hingegen schildert in „Utopia“ aus der Sicht einer Burka-Trägerin eindrucksvoll die Segnungen grenzenloser Gleichberechtigung und Toleranz nachdem rund um den Globus endlich und endgültig eine Religion obsiegte.

Und Apisai Funafuti klärt in „Robinson“ auf, wie die Reichen und Reichsten der Welt selbst in vollklimatisierten Palästen plötzlich vom drohenden Klimawandel geschockt werden, all ihre Möglichkeiten und ihre Macht einsichtig umgehend zur Abwehr möglicher Klimakatastrophen einsetzen und er auf seiner schon halb überfluteten Insel zu guter Letzt überleben kann.

So plastisch mir diese drei Literaturbeispiele vor Augen standen, war mir aber zugleich klar, dass ich sie auch nicht verwenden konnte. Es sei denn, das Thema meines Vortrages würde modifiziert, abendländisch epigonal oder so…

Da hatte ich auf einmal, wie eingeflüstert, wie eingehaucht, ohrwurmgleich meine Überschrift: Das Gavrilo-Prinzip. Deutlich, überdeutlich: Das Gavrilo-Prinzip! Unverrückbar stand dieser Titel über dem, was ich in Sarajevo sagen wollte, nein, sagen musste, denn es konnte doch kein Zufall sein, dass gerade mein Name aus dem Topf möglicher Anwärter gezogen worden war. Mitnichten!

Was aber war das Gavrilo-Prinzip?

Klar, Gavrilo Princip war derjenige, welcher den Erzherzog… und damit den ganzen Schlamassel auslöste. 28. Juni 1914. Doch dieser Name, allein dieser Name…?

Selbstredend gab’s da nichts zu ergoogeln, nichts nachzuschlagen, nichts zu recherchieren, nichts zu finden. Natürlich nicht. Ich würde diesen Begriff prägen, ich würde der Erste sein, der dazu spricht.

Doch was sollte ich sagen?

Dass Ausweglosigkeit, bar jeder Vision, Kopflosigkeit provoziert? Dass Attentate weitaus mehr bewirken können als das, was Attentäter planten? Dass längst nicht mehr die Ohnmächtigen, sondern die Mächtigen, dieser apokalyptische Klüngel, die wirklichen Attentäter sind? Dass keine Zeit mehr ist für erfolgsorientiertes, egozentristisches Gesülze? Dies sogar letztlich für das Schweigen jüngerer, ernst zu nehmender Literaten spricht? Dass da, wo ein Anfang vom Ende lokalisiert werden könnte, schlichtweg keine Perspektiven aufzuzeigen sind? Dass Ausweglosigkeit, bar jeder Vision…

Umso mehr ich über all das nachdachte, kam mir das Ganze mehr und mehr unglaubwürdig vor. Gavrilo-Prinzip! War ich wirklich eingeladen wurden? Hatte ich wirklich zurückgerufen und Bestätigung erfahren? Oder war alles, einfach alles nur ein Hirngespinst?

Keine Ahnung. Tatsächlich wusste ich schließlich aber vorauszusagen, präzise vorauszusagen, selbst wenn meine Auftraggeber, oder wer auch immer, schadenfroh kichern sollten, wusste ich: Ich würde nach Sarajevo fahren, ja, alsbald, auf eigene Kasse, als Tourist. Weil es mich anzog, seit langem nicht mehr aus dem Kopfe ging, unerklärlich anzog.

Doch ich würde ums Verrecken nichts sagen. Nein, ich hatte nichts zu sagen, prinzipiell zum Vortragsthema nichts. Nichts! Ich würde handeln.

 

 

Hermann Stenner

* 12.3.1891 in Bielefeld, † 5.12.1914 in Iłów, Masowien, deutscher Maler

 

Im Alter von 18 Jahren besuchte Hermann Stenner die Kunstakademie München und schuf in den folgenden fünf Jahren rund 300 Gemälde und mehr als 1500 Aquarelle und Zeichnungen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich aber als Kriegsfreiwilliger. „Das malerische Werk, das der Dreiundzwanzigjährige 1914 in seinem Stuttgarter Atelier zurückließ, gehört mit zu den aufbauenden Kräften der modernen Kunst in Deutschland“, sagte er Kunstkritiker Gustav Vriesen.

Nachdem sein Regiment von der West- an die Ostfront verlegt worden war, fiel Hermann Stenner bei einem Morgenangriff auf die Stadt Iłów.

„Stenner war ein frischer, heiterer Mensch und Künstler“, urteilte der Maler Willi Baumeister, „Ich schätze die Malereien von Hermann sehr, auch Oskar Schlemmer war durchaus dieser Meinung. Seine Kunst war ein grosses Aufblühen ohne Hemmung und Unterbrechung. […] Hermann Stenner wäre einer der besten Maler Deutschlands geworden, wenn nicht der sinnlose, verbrecherische Krieg seine Opfer geholt hätte.“

 

 

 

 Jimmy Blanton

* 5.10.1918 in Chattanooga, Tennessee, † 30.7.1942 in Los Angeles, Kalifornien, amerikanischer Jazz-Bassist

 

Jimmy Blanton trat bereits im Alter von acht Jahren als Geigenspieler auf, wechselte dann jedoch an der Tennnessee State University zum Kontrabass. Er spielte im Universitätsorchester, in Fate Marables Riverboat-Orchester und nach dem Studium in St. Louis im Jeter-Pillar-Orchestra.

Im Alter von 21 Jahren kam Jimmy Blanton zum Duke Ellington Orchestra, und entwickelte hier durch sein geniales Spiel den Kontrabass als Solo-Instrument. Nicht von ungefähr spielte er sogar Aufnahmen im Dua mit Duke Ellington am Klavier ein, so „Body and Soul“.

Der Jazz-Kritiker James Lincoln Collier urteilte: „Aber es waren nicht nur seine Soli, die eine vollere, vielfältige Weise des Bass-Spiels demonstrierten, er veränderte auch die Zusammenarbeit der Rhythmusgruppe.“

Der Bassist Percy Heath nannte Jimmy Blanton den „Vater des modernen Bass-Spiels“.

Jimmy Blanton starb im Alter von 23 Jahren an angeborener Tuberkulose.

 

 

 

Ian Kevin Curtis

* 15.7.1956 in Stretford, † 18.5.1980 in Macclesfield, englischer Punk-Musiker

 

When routine bites hard and ambitions are low

And resentment rides high but emotions won't grow

And we're changing our ways, taking different roads

Then love, love will tear us apart again…

Im Alter von 20 Jahren gründete Ian Curtis die Punk-Band „Warsaw“, aus der dann „Joy Division“ wurde. Seine Ehefrau sagte, er habe eine „Besessenheit für seelische und körperliches Leiden“ entwickelt.

In der Nacht vor dem Beginn einer Amerika-Tournee erhängte sich der an Epilepsie leidende Ian Curtis im Alter von 23 Jahren. Love, love will tear us apart again – stand auf seinem Grabstein, der 28 Jahre nach seinem Tod gestohlen wurde.

Wenn die Routine hart ist und die Ambitionen gering sind

Und der Groll ist groß, aber die Emotionen wachsen nicht

Und wir ändern unsere Wege, gehen andere Wege

Dann wird Liebe, Liebe uns wieder auseinander reißen…

 

 

 

 

Matthias Domaschk

* 12.6.1957 in Görlitz, † 12.4.1981 in Gera, deutscher Feinmechaniker

 

Matthias Domaschk engagierte sich in Jenaer Jungen Gemeinde, beteiligte sich an Bürgerprotesten, geriet ins Visier der Stasi und wurde schließlich vom Abitur ausgeschlossen. Seine Facharbeiterausbildung durfte er jedoch abschließen, fand jedoch keine Anstellung als Feinmechaniker, jobbte als Maschinist im Schichtbetrieb.

Nach Ableistung seines Grundwehrdienstes hatte er Anfang der 1980er Kontakte zu Solidarność, las Bücher von Trotzki und Mao Tse Tung, hörte Radio Tirana  und wurde denunziert.

Am 10. April 1981 fuhr Matthias Domaschk zu einer Geburtstagsfeier nach Berlin, wo gerade ein Parteitag der SED stattfand. In Jüterbog wurden er und ein Freund im Zug verhaftet, Vorwurf: sie hätten Störaktionen geplant. Er wurde ins Untersuchungsgefängnis Gera gebracht, stundenlang verhört und unterschrieb schließlich eine Erklärung, als inoffizieller Informant für die Stasi zu arbeiten.

Danach sollte er am 12. April 1981 um 14.00 Uhr entlassen werden, kam jedoch kurz zuvor im Besucherraum des Gefängnisses unter nie geklärten Umständen im Alter von 23 Jahren ums Leben.

 

 

 

 Anneliese Michel

* 21.9.1952 als Anna Elisabeth Michel in Leiblfing, † 1.7.1976 in Klingenberg am Main, deutsche Studentin

 

Anneliese Michel studierte an der Pädagogischen Hochschule Würzburg. Schon als Jugendliche litt sie unter epilepsieähnlichen Anfällen. Nach einer Behandlung in Würzburg wurden ihr „neurotische Depressionen mit Entwicklungscharakter“ diagnostiziert. Dennoch bestand sie alle Prüfungen zur Erlangung der kirchlichen Lehrerlaubnis, schaffte es aber nicht mehr, ihre Staatsexamensarbeit einzureichen.

Nachdem eine katholische Wallfahrtsleiterin bei Anneliese Michel Besessenheit zu erkennen glaubte, kam nach und nach ein Exorzismusverfahren in Gang, und am 15. September 1954 ordnete der Würzburger Bischof den „Großen Exorzismus“ gegen sie an. Mit Beginn der Fastenzeit 1976 verweigerte sie die Nahrungsaufnahme und marterte sich, indem sie ihren Kopf auf den Boden schlug. Zwei Monate später wurde sie von Würzburg in das Haus ihrer Eltern nach Klingenberg gebracht, wo sie weiter versuchte, sich selbst zu verletzten. Sie glaubte zuletzt, an sich die Stigmata von Jesus an sich zu erkennen.

Ein letzter, von insgesamt 67 Exorzismen wurde an Anneliese Michel am 30. Juli 1976 durchgeführt. Sie starb am Tag darauf im Alter von 23 Jahren an den Folgen ihres Ernährungszustands: bei einer Größe von 1,66 m wog sie nur noch 31 kg.

Im sogenannten „Aschaffenburger Exorzismus-Prozess“ wurden die Eltern Anneliese Michels und einer der Exorzisten-Priester zu Bewährungsstrafen verurteilt, da das Gericht von einer verminderten Schuldfähigkeit der Angeklagten ausging, da die „unumstößlich an die personale Existenz des Teufels glaubten“.

Das medizinische Gutachten fasste zur Todesursache von Anneliese Michel zusammen: „Paranoid-halluzinatorische Psychose bei Epilepsie auf dem Hintergrund besonderer psychosozialer Faktoren, wobei eine psychogene Identifizierung krankhafter Art mit der Rolle einer Besessenen gegeben war.“

Und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Josef Kardinal Höffner, erklärte zum „Fall Klingenberg“: „Die katholische Theologie hält an der Existenz des Teufels und dämonischer Mächte fest. Es besteht auch für den Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts kein Grund, das Wirken Satans und böser Geister in unserer Welt zu leugnen oder die Aussagen darüber als absurd zu empfinden. Die Kirche lehrt in ununterbrochener Tradition, dass Gott unsichtbare Wesen mit Erkenntnis und Willen erschaffen hat. Einige wandten sich aus freier Entscheidung gegen Gott als den Urheber alles Guten und wurden böse. Die Kirche ist ferner der Überzeugung, dass diese bösen Geister auch einen unheilvollen Einfluss auf die Welt und den Menschen auszuüben versuchen. Diese Einwirkung hat viele Formen. Eine dieser Formen kann die Besessenheit sein.“

Der Leidensweg von Anneliese Schmidt war Gegenstand zahlreicher künstlerischer Auseinandersetzungen, in Dokumentationen, Spielfilmen, Songs und einem Theaterstück.

 

  

 

 

Marie Bashkirtseff

* 24.11.1860 als Maria Konstantinowna Bashkirtzewa in Gawronzy bei Poltawa, † 31.10.1884 in Paris, russische Malerin

 

Als Jugendliche begann Marie Bashkirtseff, als sie mit ihrer adligen Familie in Nizza lebte, Tagebuch zu führen. Sie wollte Sängerin und Schauspielerin werden, was jedoch eine Kehlkopferkrankung verhinderte. Ab 1877 studierte sie in Paris Malerei. Einige ihrer Werke wurden im Palais de l’Industrie ausgestellt.

Marie Bashkirtseff starb kurz vor ihrem 24. Geburtstag an Tuberkulose. Ihr letzter Tagebucheintrag stammt vom 20. Oktober 1884.

Ihr Tagebuch wurde 1887 erstmals publiziert, als bald auch ins Englische und Deutsche übersetzt. Die baltische Autorin Laura Marholm bezeichnete es als „Geheimbibel“ der jungen Frauen ihrer Zeit. Die deutsche Schriftstellerin Fanny Reventlow schrieb in ihr Tagebuch: „Ich lese Marie Bashkirtseff, das möchte die einzige Frau gewesen sein, mit der ich mich ganz verstanden hätte, vor allem auch in der Angst, etwa vom Leben zu verlieren und vor dem unerhörten Prügelbekommen vom Schicksal“. Und Theodor Adorno nannte Marie Bashkirtseff eine „Schutzheilige des fin de siècle“.

Zweimal wurde ihr Leben verfilmt und ein Asteroid nach ihr benannt.

 

 

 

 

Mohsen Schekari

* 24.2.2000 in Narmak, † 8.12.2022 in Teheran, iranischer Rapper

 

Mohsen Schekari arbeitete in einer Kaffeebar und wirkte als Rapper. Im Zuge der landesweiten Proteste nach dem Tod von Jina Mahra Amini soll er Ende September 2022 eine Straße blockiert und einen Milizionär verletzt haben. Er wurde verhaftet, verhört und zu einem öffentlichen Geständnis gezwungen. Im Wiener „Standard“ war danach zu lesen: „Das Regime glaubt selbst nicht, dass sein unter Folter erzwungenes öffentliches Geständnis jemanden überzeugt. Es soll Terror verbreiten…“

In einem Schnellverfahren wurde Mohsen Schekari im November 2022 wegen „Feindschaft zu Gott“ zum Tode verurteilt und trotz weltweiter Proteste Anfang Dezember im Alter von 23 Jahren hingerichtet.

Amnesty International schrieb: „Die schockierende Geschwindigkeit, mit der das Verfahren gegen Mohsen Schekari im Justizystem abgehandelt wurde, ohne ihm ein faires Verfahren oder wirksame Rechtsbehelfe zu gewähren, zeigt einmal mehr, dass die Behörden die Todesstrafe zur politischen Repression instrumentalisieren. Sie klammern sich verzweifelt an die Macht und verfolgen eindeutig das Ziel, die Bevölkerung einzuschüchtern und so die Unruhen zu beenden."

 

 

 

 

Neerja Bhanot

* 7.9.1962 in Chandigarh, † 5.6.1986 in Karatschi, Pakistan, indische Flugbegleiterin

 

Neerja Bhanot wurde postum mit der höchsten indischen zivilen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet, dem Ashok Chakra Award. Sie war die erste Frau, die so geehrt wurde.

Neerja Bhanot fungierte bei einem Pan-Am-Linienflug von Bombay nach New York als ranghöchste Flugbegleiterin. Bei einer Zwischenlandung in Karatschi drangen palästinensische Terroristen in das Flugzeug ein. Da Neerja Bhanot jedoch die Piloten über das Bordtelefon gewarnt hatte, konnten die das Cockpit verschließen und sich durch eine Luke abseilen, wodurch die geplante Flugzeugentführung verhindert war. Als die Hijacker dann alle Pässe der Passagiere einsammeln ließen, um amerikanische Staatsbürger herauszufinden, versteckte Neerja Bhanot die US-Pässe. Und als schließlich nach 16 Stunden die Stromversorgung der Boeing 747 zusammenbrach und die Terroristen das Feuer auf ihre Geiseln eröffneten, half sie Flüchtenden, warf sich, schon getroffen, schützend vor drei Kinder und wurde tödlich verletzt.

Neerja Bhanot starb zwei Tage vor ihrem 24. Geburtstag. 30 Jahre nach ihrem Tod kam der indische Film „Neerja“ in die Kinos.

 

 

Heinrich Kuhl

* 17.9.1797 in Hanau, † 14.9.1821 in Buitenzong, Java, deutscher Zoologe

 

Heinrich Kuhl studierte in Groningen Anatomie, Botanik, Chemie, Naturgeschichte und Physik. Zudem wirkte er hier als Museumsamanuensius und erhielt im Alter von 21 Jahren die Ehrendoktorwürde und wurde in die Leopoldina gewählt. Während des Studiums unternahm er Forschungsreisen durch Deutschland, nach England und Frankreich.

Mit zweiundzwanzig berief ihn die niederländische Regierung zum Mitglied der „Natuurkundige Comissie voor Niederländisch-Indië“, und er fuhr über Madeira, Kapstadt und den Kokos-Inseln nach Java. Umgehend begann er neue Pflanzen- und Tierarten und bestieg als erster Mensch den Vulkan Pangrango.

Dann erkrankte Heirnich Kuhl aber an einer Leberinfektion und schweren Durchfällen und starb drei Tage vor seinem 24. Geburtstag.

Er veröffentliche sechs wissenschaftliche Arbeiten, und zahlreiche Arten der Amphibien, Fische, Reptilien, Säugetiere, Vögel und Wirbel sowie Pflanzen tragen seinen Namen

 

 

 

Selena Quintanilla-Pérez

* 16.4.1971 in Lake Jackson, Texas, bekannt als: Selena, † 31.3.1995 in Corpus Christi. Texas, amerikanische Tejano-Sängerin

 

Schon als Kind wirkte Selena in einer Familienband mit, ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie im Alter von acht Jahren. Im Jahr darauf sang sei erstmals Songs ein, und in ihrer Jugendzeit tourte sie schon regelmäßig. Nach zwei erfolgreichen Alben gewann sie mir fünfzehn den Preis „Entertainer of the Year“ bei den Tejano Music Awards. 1990 wurde ihr Album „Van conmigo“ als einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Zwei Jahre erreichte sie mit „Entre ami mundo“ Platz 4 der Latincharts. Und weitere zwei Jahre darauf wurde sie für „Live!“ mit einem Grammy geehrt.

Ihre größten Hits waren „Como la flor“, „Bidi Bidi Bom Bom“, „Amor Prohibido“. Dreimal erhielt sie eine Diamantene, 35-mal eine Platin-Platte. Ihr letztes Konzert gab Selena, die ihre Fans „La reina del Tex-Mex – Die Königin des Tex-Mexs“ nannten, Ende Februar 1995 vor 64.000 Zuhörern im Houston Astrodome.

Als sie ihre Mangerin wegen Betrugsvorwürfen zur Rede stellen wollte, schoss die Selena nieder. Sie starb Stunden später wenige Tage vor ihrem 24. Geburtstag in einem nahen Krankenhaus.

Como la flor / Con tanto amor me diste tú / Se marchitó / Me mercho hoy / Yo sé perder / Pero,ay, cómo me duele – Wie die Blume / Die du mir mit soviel Liebe gabst, / Verwelkt ist / Verlasse ich dich heute. / Ich weiß, dass ich verloren habe / Und es tut so furchtbar war…)

 

 

 

Beatrix I.

* 1037 in Italien, † 13.7.1061, deutsche Äbtissin

 

Zu Johanni im Schaltjahr 1044, für Mittwoch, den 24. Juni also, hatte Kaiser Heinrich III. zum Hoftag in die Pfalz Merseburg eingeladen. Neben seinem Hofstaat und diversen kirchlicher wie weltlicher Würdenträger waren auch der polnische König Kasimir der Eroberer sowie Bratislaw I., Herzog von Böhmen, angereist. Sicherlich hatten sie prächtige Geschenke im Gepäck, stand auf dem Programm dieses Hoftages doch die Weihung der siebenjährigen Tochter des Kaisers zur Äbtissin von Quedlinburg. Uszka oder Borschtsch, Kolatschen oder Skubanki hingegen dürfte sie nicht mitgebracht haben, denn die Pfalz Merseburg war berühmt dafür, die leistungsfähigste Sachsens zu sein, hier gab es bei Hofe stets reichlich zu Essen und zu trinken, gab es Musik und Gaukler und Zaubereien.

Im Vorjahr hatte Heinrich III. sein Töchterchen bereits als Äbtissin in Gandersheim eingesetzt. Damit setzte er sich über geltendes Wahlrecht schnöde hinweg, und sicherte damit, dass Klostergüter fortan an kaiserliche Gefolgsleute, an milites, verlehnt werden konnten. Allerdings stellte er damit den Unterhalt der Kanonissen infrage, was zu endlosen Streitigkeiten führte, die sogar drei Päpste beschäftigten: Leo IX., Viktor II. und Stephan IX. Erst Ende 1057 gab es einen Kompromiss, der jedoch nach dem Tod von Beatrix erneut ausbrach.

In Merseburg läuteten zu Johanni 1044 aber sicherlich die Glocken des Domes. Möglicherweise blickte Heinrich III. aber etwas skeptisch zu den Domtürmen auf – immerhin waren Teile dieses erst im Jahre 1021 von seinem Vorgänger Heinrich II., geweihten Domes, schon zweimal eingestürzt, hatte er, Heinrich III. dieses Gotteshaus erst vor zwei Jahren wieder eingeweiht. Sogar eine Sage machte schon die Runde, nach der unter dieser Kathedrale eine riesige Schildkröte ihr Unwesen treibe sich von Zeit zu Zeit umwende

Gott sei Dank ging nun aber alles gut. Würdevoll betrat Beatrix an der Hand ihres Vaters den Merseburger Dom, wurde zur Äbtissin des Reichsstifts Quedlinburg und somit zu einer der einflussreichsten Frauen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.

 

   

 

 

 

Hans Cranach

* um 1513 in Wittenberg, † 9.10.1537 in Bologna, deutscher Maler

 

Lucas Cranach der Ältere wurde 81, Lucas Cranach der Jüngere 70, der älteste Sohn des älteren Cranach und Bruder des jüngeren, wurde wohl jedoch nur 24 Jahre alt.

Dennoch schuf auch er Bleibendes: so das „Bildnis eines bärtigen jungen Mannes“, eine „Maria mit dem Kinde“, ein „Bildnis einer jungen Frau“, die Gemälde „Adam und Eva“, „Herkules und Omphale“ und „Judith“ – nicht von ungefähr zu bewundern in der Fundación Collección Thyssen-Bornemisza in Madrid, dem Museum of Fine Arts in San Francisco, der Nasjonalgalerie Oslo, dem Länsmuseet Östergötland in Linköping oder dem Musée du Petit Palais in Paris.

 

 

 

Anton Wilhelm Christian Fink

* 1770 in Halle/Saale, † 15.6.1794 Rothenburg/Saale, deutscher Schriftsteller

 

Aus den Küchenschwaden ruft der Koch: „Wo haste das bloß her?“

Auf der Suche nach Fink war ich zur Saale hinunter gefahren, wartete vor einem rotumrandeten Schild Rad- und Kraftfahrer sowie Reiter absitzen! im Auto bequem auf die Fähre. Sommer 1980. In der Mitte des Flusses, der einst ein Strom war und sich hier durch den Porphyr wusch, fragte ich den Fährmann nach den die Idylle störenden Antennen, die wie Kreuze auf dem Felsen thronten.

„Prima Westbild, aber vierhundertachtzig Meter Kabel und vier Verstärker.“

Danach klatschte mir das Rebhuhn auf die Frontscheibe.

„Ich mache dir eine prima Soße, sage ich dir, mit Rotwein, du wirst dir alle zehn Finger…“

Auf dem schmierigen Asphalt bildete sich eine kleine, dickflüssige Lache, Blut, das langsam aus dem Schnabel des Tieres heraussickerte. Die Krallen zuckten noch ein wenig. Die weißen Lider bedeckten zur Hälfte die starren Pupillen.

„Na, was sagst du nun – ein bisschen klein, aber daraus wird eben nicht mehr. Lass es dir schmecken!“

Ich wagte nicht, das Rebhuhn anzufassen. Aus dem Kofferraum holte ich ein Leinentuch, das bislang zum Putzen der Scheiben diente, leget es neben den Vogel auf die Straße, schob ihn vorsichtig mit dem Schuh darauf und hüllte den Vogel ein.

„Was ist, schmeckt nicht?“

„Doch, doch, prima. Die Soße ist prima!“

In der Kneipe hatte ich nach Fink gefragt, Schulterzucken. „Hä?“ und irgendwie waren wir auf das Rebhuhn gekommen.

„Musste dir braten lassen, unbedingt. Oder trauste dich nicht?“

Gut, ich hatte erlegt, in einer Art Treibjagd erlegt. Also gebührte mir nun auch das Recht, nein, eine verdammte, gottverdammte Pflicht, schier aus Zeiten, als jener Strom in Antennenkreuzeshöhe noch müßig über die roten Felsen strich. Ja, ich hatte dem Ritus zu folgen, keine Frage.

„Na siehst, geschafft.“

„Danke, was bin ich schuldig?“

„Ach, wir trinken einen.“

„Ja, auf Fink!“

 

 

Guillaume Lekeu

* 20.1.1870 in Verviers, † 21.1.1894 in Angers, Frankreich, belgischer Komponist

 

Sein erstes Werk komponierte Guillaume Lekeu mit fünfzehn. Zwei Jahre später folgte sein erstes Orchesterwerk. Und im Alter von 19 Jahren wird er Privatschüler von César Frank.

Für seine Kantate „Andromède“ wurde Guillaume Lekeu mit dem belgischen „Prix de Rome“ geehrt. Als das bekannteste seiner etwa 50 Werke gilt die für den berühmten Geiger Eugène Ysaÿe Violinsonate G-Dur.

Guillaume Lekeu starb einen Tag nach seinem 24. Geburtstag an Typhus.

 

  

 

 

Petronilla de Meath

* um 1300, † 3.11.1324 in Kilkenny, irische Magd

 

Petronilla war die Dienstmagd von Lady Alice Kyteler, die nach dem Tod ihres vierten Gatten der Hexerei beschuldigt wurde. Auch Perronilla, möglicherweise nicht nur die Magd, sondern auch deren Geliebte der Lady, wurde mitangeklagt. Und während es ihrer Herrin gelang nach England zu fliehen, folterte man Petronilla und richtete sie schließlich im Alter von 24 Jahren öffentlich hin. Vorgeworfen worden war den beiden Frauen: ... dass sie Christus und die Kirche verleugnet haben; dass sie lebende Tiere zerstückelten und die Stücke an Kreuzwegen zerstreuten, als Opfergaben an einen Mann, der als Sohn der Kunst für seine Hilfe gerufen wurde; dass sie die Schlüssel der Kirche stahlen und dort nachts Versammlungen abhielten; im Schädel eines Räubers platzierten sie den Darm und die inneren Organe von Hähnen, Würmern, Nägeln, die aus Leichen geschnitten waren, Haare aus dem Gesäß und Kleider von Jungen, die starben, bevor sie getauft wurden; dass sie aus diesem Gebräu Zaubertränke herstellten, um Menschen dazu zu bringen, Christen zu lieben, zu hassen, zu töten und zu quälen ...“

Petronilla de Meath war die erste Frau in Irland, die als Hexe verbrannt wurde.

 

  

 Sacajawea

* wohl 1788 in Lemli River Valley, Idaho, † 20.12.1812 in Fort Manuel Lisa, South Dakota, Indianerin

 

Sacajawea war bei den Shoshonen zur Welt gekommen und im Alter von zehn Jahren von den Hidatsa entführt worden. In Jahr 1804 stieß die Lewis-und-Clark-Expedition, die das land bis zum Pazifik hin erkunden sollte, zu den Hidatsa vor und Sacajawea schloss sich an, wurde zur Dolmetscherin des Expeditionscorps und trug auch als Kundschafterin zum Erfolg der Expedition bei.

Während Meriwether Lewis und William Clark wie Helden gefeiert wurden, geriet Sacajawea für mehr als 100 Jahr in Vergessenheit, wurde erst im Zuge der aufkommenden Frauenrechtsbewegung wieder bekannt. Immerhin schenkte ihr Lewis ein Stück Land in St. Louis.

Sacajewa starb im Alter von 24 Jahre, vermutlich an Fleckfieber, in einem Handelsposten am Missouri River. Nach ihr wurden Berge, Seen und ein Fluss, Schiffe, ein Asteroid sowie ein Vulkankrater auf der Venus benannt. Steve Wonder besang Sacajawea in „Black Man“ auf seinem berühmten Album „Songs in the Key of Life“. Auch in mehreren Filmen und zwei Romanen spielt das Leben und Wirken Sacajaweas eine Rolle.

 

 

 

Patrick Hamilton

* um 1504 bei Linlithgow, † 29.2.1528 in St. Andrews, schottischer Theologe

 

Im Alter von 13 Jahren wurde der Adelsspross Patrick Hamilton mit einer kirchlichen Pfründe ausgestattet und zum Studium nach Paris geschickt. Sechs Jahre später wollte er seine Studien an der University St. Andrews fortsetzen, geriet ob seiner Ansichten jedoch mit Professoren in Konflikt und entzog sich Prüfungen durch eine Reise nach Wittenberg, brach diese aber in Marburg ab, da angeblich Martin Luther dorthin kommen sollte.

Patrick Hamiltons einzige überlieferte Schrift „Patrick’s Places“ wurde oft mit Luthers „Kleinem Katechismus“ verglichen.

Zurück in St. Andrews  bezichtigte man Patrick Hamilton der Ketzerei, und nach kurzem Prozess verurteilte man ihn zum Tod und verbrannte ihn umgehend. Er gilt als evangelischer Märtyrer.

 

 

 

  

Rolf Werner Juhle

* 7.10.1929 in Greenwich. Connecticut, † wohl 8.9.1953 im Valley of the Ten Thousned Smokes, Alaska, amerikanischer Vulkanologe

 

Rolf Werner Juhle studierte und promovierte an der John Hopkins University in Baltimore. Danach arbeitete er für die National Geodetic Survey und den National Research County vor allem in Alaska.

Im Sommer 1953 forschte er im heutigen Katmai-Nationalpark. In das Lager am Oberlauf des Knife Creek kehrte er Anfang September 1953 nicht zurück. Eine großangelegte Suche wurde 10 Tage später eingestellt. Rolf Werner Juhle gilt als verschollen.

Im Katmai-Nationalpark wurde ein Berg nach ihm benannt.

  

 

 

 

Claude Le Petit

* 1638 in Beuvron-en-Auge, † 1.9.1662 in Paris, französischer Satiriker

 

Scandaleuse, scandaleuse! Eine „Chronique scandaleuse de Paris” hatte Claude Le Petit geschrieben und im Jahre 1662 veröffentlicht, Satiren über Straßen, Plätze, Brücken und nicht zuletzt über Paläste der französischen Hauptstadt. Zwar war eine ähnliche „Chronique“ bereits im Jahre 1488 in Umlauf gebracht worden, die sich gesellschaftlicher Missstände unter Ludwig XI. zuwendete und „Chroniques du très-chréstien et victorieux Louys de Valois“ hieß. 1611 druckte ein Buchhändler diese alten Satiren unter dem Titel „Chronique scandaleuse“ nach. Und Claude Petit hatte es nun gewagt, sich über Mächtige seiner Zeit lustig zu machen.

„Meyers Konversationslexikon 1895“ führt den Begriff „Chronique scandaleuse“ namentlich auf Claude Le Petit zurück und definiert diese als: „geheime (namentlich auch böswillig übertriebene) Auswahl Geschichte von den Thorheiten und Lastern einer Person oder eines Orts“

Claude Le Petit wurde verhaftet, wegen Blasphemie und Majestätsbeleidigung - Crime de lèse-majesté divine et humaine“; „plusieurs feuilles écrites de sa main contre l’honneur de Dieu et de ses saints – zum Abhacken der Schreibhand, Erwürgen und Verbrennen auf dem Scheiterhaufen verurteilt – Widerspruch abgewiesen!

Das Urteil wurde am 1. September 1662 öffentlich vollstreckt. Scandaleuse, scandaleuse!

 

 

 

Andreas Scultetus

* um 1623 als Andreas Scholz in Bunzlau, † 25.4.1647 in Troppau, schlesischer Dichter

 

Als Achtzehnjähriger schilderte Andreas Scultetus in „Friedens Lob und Krieges Leid“ die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Sein zwei Jahr später, erschienenes episches Gedicht „Blutschwitzendttodesringender Jesus“ gilt als erste neuhochdeutsche Messiasdichtung. Und wenn Gotthold Ephraim Lessing die Werke von Andreas Scvulterus nicht 124 Jahre nach dessen Tod neu herausgegeben hätte, wäre Sculterus wohl vergessen geblieben. Insbesondere schätzte Lessing die Bildkraft von Sculterus „Österliche Trimph-Posaune“ von 1642:

Auf ein Gesangturnier des Flügelvolks Armee, / Als jedermann erscheint, so schickt die Nachtigall, / Das Orgelwerk, so lebt, den tausendfachen Schall/ In Deliens Losier. Hier sausen hundert Zinken, / Hier wird das Meisterwerk zu steigen und zu sinken, / Auf einmal angewandt. Der Vogelpöbel summt, / auf ihren Mund ergrimmt: Das meiste Teil verstummt. Die Lerche bittet bloß ihre Tiretirelieren / Der Fugenkünstlerin hernach zu praktizieren / Und schweifet trotziglich, bis an der Wolken Port, / Auf allerhand Manier mit lauten Kreisen fort…

 

  

 

 

Tecún Umán

* um 1500, † 20.2.1524, Maya-Feldherr

 

Der guatemaltekische Literatur-Nobelpreisträger Miguel Ángel Asturia widmete dem Nationalheld Guatemales, dem Maya-Feldherrn Tecún Umán, ein Gedicht:

 

Tecún-Umán, der mit den grünen Türmen,

der mit den hohen grünen, grünen Türmen,

der mit den grünen, grünen, grünen Türmen,

Und in einer einzigen Datei Indianer, Indianer, Indianer

unzählige wie hunderttausend Zompopos:

zehntausend Pfeil in Fuß der Wolke, tausend

von der Schlinge bis zum Pappelfuß siebentausend

Cerbateneros und tausend Axtkanten

auf jedem Gipfel Schmetterlingsflügel

fallen in Ameisenhaufen der Krieger.

 

Nach der Eroberung Mexicos hatte Hernán Cortés Botschafter nach Q’umarkaj, die nach dem Maya-Gott Quetzalcoatl, der grün gefiederten Schlange, benannten Hauptstadt des Maya-Stammes der Quiché mit der Forderung der Unterwerfung unter die spanische Krone entsandt. Selbstredende lehnte Tecún Umán, der Anführer der Qiché, ab.

 

Tecún-Umán, der mit den grünen Federn,

der mit den langen grünen, grünen Federn,

der mit den grünen, grünen, grünen Federn,

Grüns, Grüns, Quetzal mit mehreren Fronten

und bewegliche Flügel im Kampf,

im Stampfen der Kolben

von Männern von Mais, die geschält sind

von Feuervögeln gepickt,

in einem Netz des Todes zwischen den losen Steinen.

Quetzalumán, der mit den grünen Flügeln

und langer grüner, grüner, grüner Schwanz,

grün grüne Pfeile von den Türmen

grüne Tattoos, tätowiert mit grünen Tattoos.

 

Daraufhin entsandte Cortés 300 Soldaten, 135 Reiter, 120 Bogenschützen und Gewehrträger sowie indianische Hilfstruppen ins Hochland Guatemalas. Tecún Umán stellte sich ihnen mit einem Heer von 8.400 Kriegern entgegen.

 

Tecún-Umán, der mit den Trommeln,

Nebengeräusch des Sturms

trockene Trommeln, Leder

mittelgroße Wadentrommel, Leder

aus Tamburin, das Leder trägt, Leder

innen Leder in der Mitte, Leder außen,

Trommelleder, bón, bón, borón, bón,

Bon, Bon, Bor, Bon, Bon, Bon, Bor, Bon,

Bon, Bor, Bon, Bon, Bon, Bor, Bon, Bon,

Donnerschlag, der zuschlägt

mit riesigen Nuggets im Knochen

des Echos, das den Teponastel entfaltet,

Teponpon, Teponpon, Teponastle,

Teponpon, Teponpon, Teponastle,

Tepon, Tepon, Tepon, Tepon,

Teponpon, Teponpon, Teponpon ...

 

Am 20. Februar 1524 kam es bei Olintepeque zur Entscheidungsschlacht.

 

Quetzalumán, der mit den grünen Thunfischen,

der mit den hohen grünen, grünen Thunfischen,

der mit den grünen, grünen, grünen Thunfischen.

Das Geweih der Speere mit Metallen

Blitzsieg kostbar

und die Federn reuelos

unter den Bannern der Kaktusfeigen

und das Zerfallen der Erde

bewölkt und die Seen dieser Stein

mit dem Gewand seiner Stürze ohne Schaum.

 

Der Legende nach soll Tecún Umán versucht haben, den auf einem Pferd sitzenden Anführer der Spanier, Pedro de Alvarado, direkt anzugreifen. Da der Tecún Umán jedoch wie die Mayas allgemein glaubte, Pferd und Reiter seien ein Wesen, tötete er nur das Pferd und wurde selbst von der Lanze des Reiters durchbohrt.

 

Tún, Tecúns Kriegsmunition

Wer ruft, schreit, trifft, zieht Männer

vom Land zum Kriegstanz

des Krieges, der der Tanz des Tún ist.

Tún, Tecúns Kriegstrommel,

innen blind wie das Tunnelnest

des riesigen Kolibris, des Quetzals,

Tecúns riesiger Kolibri.

 

Und ein grüner Quetzal-Kolibri, der nagual, der Schutzgeist des Maya-Feldherrn, soll sich auf Tecún Umáns Brust niedergelassen haben, woraufhin sich das Brustgefieder des Vogels rot färbte und er starb.

 

Quetzal, Magnet der Sonne, Tecún, Magnet

von der tún, Quetzaltecún, Sonne und tún, tún-

bo del lago, tún-bo del monte, tún-

Bo von Grün, Tun-Bo des Himmels, Tun,

tun, tun, tun-bo des grünen Herzens

der Tunika, Herzklopfen des Frühlings,

im ersten Frühjahr tún-bo

von Blumen, die die lebende Erde badeten.

Beidhändig Großvater! Große Hand

die Brust mit Tlascalas zu bedecken

und Spanier, Tiere mit menschlichem Antlitz!

Mann von Galibal und Lordschaft

Quetzales im Erbe

Sling Bowl Hoden,

und Bart von tropfenden Vögeln

bis zur letzten Generation

von Köpfen mit rotem Annatto bemalt

und verwickeln Bohnenhaar

in Federn gefangener Adler!

 

Jahr für Jahr wird der legendäre Kampf zwischen Tecúm Umán und Pedro de Alvarado bei der Balle de la Conquista nachgespielt, tanzen Tecún Umáns Nachfahren nun maskiert in bunten Uniformen bei Festspektakeln im Hochland Guatemalas.

 

Chef der Tapferkeit und Wälle

von tapferen Steinstämmen und Clans

von Vulkanen mit Armen! Feuer und Lava.

Wer erklärt die armlosen Vulkane?

In Federn gewickelte Sturmrasse

Quetzal, rot, grün, gelb!

Quetzalumán, die Korallenschlange

färbt das Sequijel mit Kriegshonig

die Blutung des Baumes von Augury,

im Omen des Blutes im Regen,

auf der Höhe der Quetzals Hügel

und vor dem Gavilán de Extremadura!

Tecún-Umán!

 

Vor Jahren endete jede Balle de la Conquista mit der symbolischen Unterwerfung der Indianer unter das Christentum.

 

Stille im Zweig ...

Durchlöcherte Nachtmaske ...

Eschenomelett und tote Federn

in den Griffen des Schattens,

jenseits der Dunkelheit, in der Dunkelheit

und unter der Dunkelheit ohne Heilung.

Der Falke der Extremadura, Nägel,

Rüstung und Longinada-Speer ...

Wen soll man ohne Wasser bei den Schülern anrufen?

In den Ohren windstiller Schnecken

wen man anruft ... wen man anruft ...

 

Seit Jahren regt sich aber Widerstand gegen die Unterdrückung der Hochland-Mayas, und nicht nur in der nach ihrem großen Anführer benannten Stadt Ciudad Tecún Umán.

 

Tecún-Umán! Quetzalumán!

Sie halten nicht den Atem an, weil es immer noch brennt

Eine Stadt in Waffen in seinem Blut

Folgen Sie einer Stadt in Rüstung

von Glocken statt Tunika, Besitzer

der Freiheit Samen auf Flügeln

vom riesigen Kolibri, vom Quetzal,

süßer Samen beim Durchstechen der Zunge

in dem sie ihn jetzt Captain nennen!

Es ist nicht mehr die Tunika! Es ist nicht mehr Tecún!

Jetzt ist es das Mittel der Glocken,

Kapitän!

 

 

 

Raimund-Roger Trencavel

* 1185, † 10.11.1209 in Carcassonne, französischer Adliger

 

Der Vicomte Raimund-Roger Trenceval unterstützte die Sekte der Katharer, die im Languedoc Albigenser genannt wurden, und gegen die Papst Innozenz III. zum Kreuzzug aufrief.

Zbiegniew Herbert schrieb: „Man vernichtete im Herzen des christlichen Europa eine blühende Zivilisation, in deren Schoß sich eine wichtige Synthese westlicher und östlicher Elemente vollzog. Der Glauben der Albigenser hätte bei der Ausformung des geistigen Antlitzes der Menschheit eine ebenso machtvolle Rolle spielen können wie der Buddhismus oder der Islam. Seine Auslöschung von der religiösen Weltkarte verbindet sich mit der Entstehung einer Institution, die jahrhundertlang wirken sollte, nämlich der Inquisition.“

Carcassonne, die Burg und Stadt des Vicomtes Trencavel, war zwar gut befestigt, doch durch Albigenser, die hier Schutz vor den Kreuzfahrern suchten, völlig übervölkert. Das Wasser wurde knapp, der Vicomte versuchte zu verhandeln, die Angreifer nahmen ihn jedoch entgegen aller Versprechen gefangen. Er starb, vermutlich an der Ruhr, im Alter von 24 Jahren in einem seiner Burgtürme.

Bis zu einer Million Albigenser sollen bis zum Ende der gnadenlosen Verfolgung ihrer Heilslehre ums Leben gekommen sein.

 

 

Erna Lauenburger

* 4.3.1920 in Berlin, genannt Unku, † zwischen 23.3. und 15.4.1944 im KZ Auschwitz, deutsche Sintiza

 

In den 1930 Jahren zog Erna Lauenburger mit ihrer Familie nach Magdeburg. Am 1. März 1943 wurden die im „Zigeunerlager Magdeburg Holzweg“ lebenden 470 Sinti und Roma verhaftet und deportiert, darunter auch Erna Lauenburger und ihre beiden Töchter. Im „Zigeunerlager Auschwitz“ erhielten sie die Nummern Z 633, Z 634 und Z 635. Im Alter von 24 Jahren wurde Erna Lauenburger mit ihren beiden Kindern in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Bekannt wurde Erna Lauenburger als Unku – als eine der beiden Protagonisten im Erstlingswerk „Ede und Unku“ von Alex Wedding, 1931 erschienen im Berliner-Malik-Verlag, 1933 von den Nazis verbrannt. „Ede und Unku“ ist die Geschichte der Freundschaft einer Sintiza mit einem Berliner Jungen in der Weimarer Republik.

Eine Neuauflage von „Ede und Unku“ erschein 2005. Im Jahr 2015 edierte Heike Makatsch ein Hörbuch mit dem Alex-Wedding-Text. 2018 erschien „Ede und Unku – die wahre Geschichte. Das Schicksal einer Sinti-Familie von der Weimarer Republik bis heute“, erzählt von Juliane von Wedemeyer und Janko Lauenberger, einem Verwandten Unkus.

 

  

 

 

Günther Messner

* 18.5.1946 in Brixen, † 29.6.1970 am Nanga Parbat, Pakistan, südtiroler Bergsteiger

 

Der erste Mensch, der versuchte den Nanga Parbat zu besteigen, war der Engländer Albert F. Mummery, er kam dabei 1895 ums Leben. In den 1930er Jahren stilisierte die NS-Propaganda den neunthöchsten, doch mit am schwierigsten zu besteigenden Berge der Erde, zum „Schicksalsberg der Deutschen“, da Expeditionen reihenweise scheiterten und dabei zahlreiche Alpinisten starben: Alfred Drexel, Pert Fankhauser, Adolf Göttner, Hans Hartmann, Günther Hepp, Willy Merkl, Peter Müllritter, Martin Pfeffer, Willo Welzenbach, Uli Wieland, Karl Wien. Im Jahr 1953 gelang dem Österreicher Hermann Buhl dann die Erstbesteigung. Bei der zweiten Besteigung im Jahr 1962 stürzte der Dresdner Sigi Löw tödlich ab. Ihm zu Ehren brach dann 1970 Reinhold Messner mit seinem Bruder Günther und weiteren Bergsteigern zur Sigi-Löw-Gedächtnisexpedition zum Nanga Parbat auf.

Am 27. Juni 1970 erreichten Reinhold und Günther Messner über die Rupalseite den Gipfel -  wobei ursprünglich nicht geplant war, dass Günther Reinhold nachstieg. Beim Abstieg über die lawinengefährdete Diamirwand kam Günther jedoch unter bis heute nicht eindeutig geklärten Umständen ums Leben. Reinhold überlebte knapp.

Reinhold Messner schrieb 1989 in seinem Buch „Die Freiheit aufzubrechen, wohin ich will“: „Der Tod meines Bruders belastet mich schwer. Ich hatte die Verantwortung dafür zu tragen. Er wäre nicht gestorben, wenn ich ihn nicht aufgefordert hätte, mitzukommen. […] Wenn ich nicht sein Bruder gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich nicht versucht, mich im letzten Teil der Rupalflanke einzuholen. Auch hatte ich ihn nicht zurückgeschickt, und beim Abstieg war ich häufig vorausgegangen. So gesehen war ich verantwortlich für seinen Tod, und ich mußte mit dieser Tragödie leben.“

Am 17. August 2005 wurde am Nanga Parbat eine Gletscherleiche entdeckt, deren DNS mit hoher Wahrscheinlichkeit Günther Messner zugeordnet wurde. Reinhold Messner identifizierte die Schuhe und Jacke des Toten als die seines Bruders. Die sterblichen Überreste wurden nach tibetanischer Tradition auf einem Scheiterhaufen am Fuße des Berges verbrannt.

 

 

Dorie Miller

* 12.10.1919 als Doris Miller in Waco, Texas, † 24.11.1943 bei den Gilbert Islands, Kiribati, amerikanischer Schiffskoch

 

Im Alter von 20 Jahren ging Dorie Miller zur US Navy. Während des japanischen Überfalls auf Pearl Harbor war er an Bord der „USS West Virginia“, und kämpfte so tapfer, dem als ersten Afroamerikaner die höchsten Auszeichnung der US Navy verliehen wurde, das „Navy Cross“.

Im Herbst 1924 fiel Dorie Miller im Alter von 24 Jahren an Bord der „USS Liscome Bay“ im Pazifik.

 

 

 

Federico Borrell García

* 3.1.1912 in Benilloba, † 5.9.1936 bei Cerro Muriano, spanischer Mühlenarbeiter

 

Wahrscheinlich ist Federico Borrell García auf einem der berühmtesten Kriegsfotos zu sehen, auf Robert Campas „Loyalistischer Soldat im Moment seines Todes“.

In Alcoy hatte er die Ortsgruppe der anarchistischen „Federación Ibérica de Juventudes Libetarias“ mitgegründet und trat dann der Miliz „Columna Alcoyana“ bei, um gegen Francos Falange zu kämpfen.

Am 5. September 1936 war Federico Borrell García der einzige republikanische Soldat, der bei Verteidungskämpfen nahe Cerro Muriano fiel: gegen 17.00 Uhr wurde er auf dem Hügel La Loma des las Malagueñas tödlich getroffen. Just in diesem Moment drückte Robert Capa auf den Auslöser.

Federico Borrell Garcías Leiche oder sein Grab wurde jedoch niemals identifiziert.

 

  

  

 

 

Camilo Marcelo Catrillanca Marin

* 13.9.1994 in Victoria, Araucaría, † 14.11.2018 in Ercilla, chilenischer Aktivist

 

Camilo Catrillancas Großvater war ein Lonko, ein Chief mehrerer Mapuche-Stämme, sein Vater Präsident der Mapuche-Gemeinschaft „Ignacio Queipul Millanao“.

Fast 300 Jahre lang widersetzten sich die Mapuche der spanischen Kolonisation, hatten von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1883 einen eigenen Staat, der Chile dann einverleibt wurde. Ein letzter großer Aufstand dieses seit vorkolumbianischer Zeit nachweisbaren indigenen Volkes scheiterte im Jahr 1934.

Viele Mapuche wanderten nach dem Verlust ihrer Länderein an Großgrundbesitzer in die großen Städte des Landes ab. Unter Allende schien sich die Lage zu entspannen – sogar ein zweisprachiger Schulunterricht in Spanisch und in Mapuche-Sprache Mapudungun war geplant -, unter Pinochet verschlechterten sich die Lebensbedingungen für die Mapuche jedoch weiter. Chilenische Nationalisten lehnen noch immer ab, die Mapuche als eigenständiges Volk anzuerkennen.

Im Jahr 2008 flammte der Konflikt zwischen dem chilenischen Staat und den Mapuches um die Nutzung von natürlichen Ressourcen wie Wasser und Wald wieder auf. Mapuche-Aktivisten besetzten Farmen und setzten Lastwagen von Holzfällern in Brand, um die Abholzung tausendjähriger Araukarien-Wälder zu verhindern.

Camillo Catrillanca engagierte sich bereits als Schüler für sein Volk, war bei Protestaktionen dabei, hatte sich durch Forderungen nach besserer Bildung einen Namen gemacht.

Am 14. November 2018 fuhr er mit einem Traktor zur Feldarbeit, als ihn ein Polizist, ein Mitglied der Anti-Terror-Einheit „Comando Jungla“, hinterrücks erschoss. Angeblich sollte Camillo Catrillanca ein Auto gestohlen haben und es sei zu einem Schusswechsel mit der Polizei gekommen – was sich nicht zuletzt infolge landesweiter Protestaktionen als plumpe Lüge herausstellte. Amnesty International nannte die Ermordung Camillo Catrillancas „empörend und alarmierend“. Er wurde 24 Jahre alt und hinterließ eine Frau und eine sechsjährige Tochter.

 

 

Julius Reubke

* 23.3.1834 in Hausneinburg, † 3.6.1858 in Pillnitz, deutscher Komponist

 

Julius Reubke, Sohn des Orgelbaumeisters Adolf Reubke, wurde im Alter von 22 Jahren Schüler von Franz Liszt in Weimar. In jener Zeit kam Liszt immer wieder nach Merseburg, wo Friedrich Ladegast die Domorgel umbaute, und Liszt dann für diese zweitgrößte Orgel Deutschlands sein berühmtes Orgelwerk „Präludium und Fuge über B-A-C-H“ schrieb. Julius Reubke dürfte gern mit nach Merseburg gereist und hier inspiriert worden sein, denn als eines seiner wichtigsten Werke gilt die Orgelsonate „Der 94. Psalm“, die wie Liszts „B-A-C-H“ im Merseburger Dom uraufgeführt wurde und seitdem zum Standardrepertoire von Organisten gehört.

Julius Reubke infizierte sich Ende 1857 mit Tuberkulose und starb im Alter von 24 Jahren in einem Sanatorium.

 

 

Lee Eun-ju

* 22.12.1980 in Gunsan, † 22.2.2005 in Seongnam, südkoreanische Schauspielerin

 

Im Alter von 16 Jahren begann Lee Eun-ju zu modeln und agierte zwei Jahre später erstmals auch vor Fernseh- und Filmkameras. Sie wirkte in 12 Filmen und sechs Fernsehserien mit. Oft verkörperte sie in ihren Rollen eine unglückliche, junge Frau, die am Ende des Stücks ums Leben kommt oder sich selbst umbringt. Zu ihren bekanntesten Filmen zählen „O! Sujeong“, „Bunjee Jumping of their own“ und „Brotherhood“.

In ihrem letzten Film „The Scarlet Love“ musste Lee Eun-ju auch nackt auftreten, bekam Depressionen und nahm sich im Alter von 24 Jahren das Leben.

 

 

 

Lari Gilges

* 28.4.1909 als Hilarius Gilges in Düsseldorf, † 20.6.1933 ebd., afrodeutscher Arbeiter

 

Lari Gilges Vater war vermutlich ein afrikanischer Rheinschiffer, seine Mutter Textilarbeiterin. Seit Mitte der 1920er Jahre engagierte er sich in Wolfgang Langhoffs Agitprop-Theatergruppe „Nordwest ran“ als Laienschauspieler.

Nach einer Straßenschlacht mit „Stahlhelm“-Anhängern“ wurde Lari Gilges 1931 verhaftet und wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Körperverletzung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Und nach der Machtergreifung der Nazis dann versuchte er in den Untergrund zu gehen, was aufgrund seiner Hautfarbe damals jedoch kaum realisierbar war.

In der Nacht zum 20. Juni 1933 wurde er vermutlich von SA-Leuten aus einer Düsseldorfer Wohnung ans Rheinufer verschleppt, schwer misshandelt und schließlich ermordet. Lari Gilges wurde nur 24 Jahre alt.

Zu seinem Gedenken strahlte der Saarländische Rundfunk 1986 den Film „Deutsche sind weiß, ‚Neger’ können keine Deuschen sein“ aus.

 

 

Andy Wood

* 8.1.1966 als Andrew Patrick Wood in Columbus, Künstlername: L’Andrew, Mississippi, † 19.3.1990 in Seattle, Washington, amerikanischer Rock-Musiker

 

Im Alter von 11 Jahren gründete Andy Wood beeindruckt von einen „Kiss“-Konzert seine erste Rockband, und zehn Jahre später die Gruppe, mit der er bekannt werden sollte: „Mother Love Bone“. Das erste Album veröffentlichte er 1988: „Shine“, ein weiteres Album sowie mehrere Kompilationen folgten postum.

Andy Wood spritzte sich eine Überdosis Heroin und starb drei Tage darauf im Alter von 24 Jahren.

 

 

  

 

 

Haroutune Krikor jr. „Harry“ Daghlian

* 4.5.1921 in Waterbury, Connecticut, † 15.9.1945 in Los Alamos, New Mexico, amerikanischer Physiker

 

Harry Daghlian war der erste Mensch, der bei einem Atomunfall ums Leben kam.

Im Jahr zuvor wohl, 1944, war der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge ausgebildete Physiker nach Los Alamos gekommen, um beim Manhattan-Projekt, der Entwicklung einer Atombombe, mitzuwirken. Am 16. Juli 1945 war er am Trinity-Test, der allerersten Kernwaffenexplosion, beteiligt. Dass es diesen Test gab, wurde bis zum 6. August 1945 verheimlicht, bis zu dem Tag also, als um 8.16 Uhr über Hiroshima die allererste Atombombe der Weltgeschichte explodierte.

Am 21. August 1945 führte Harry Daghlian einen Versuch mit einem Plutonium-Kern durch. Dabei entstand durch Dahlians Unvorsichtigkeit um 21.55 Uhr eine überkritische Masse und er wurde verstrahlt. Zwar wurde er ungehend ins Los Alamos Hospital gebracht, doch sein Zustand verschlechterte sich zusehends. Am 15. September 1945, um 16.30 Uhr, starb Harry Daghlian.

Am 21. September 1945 gab Associated Press (AP) eine Meldung heraus, wonach sechs Tage zuvor in Los Alamos ein „Arbeiter seinen Verbrennungen erlag, die er sich bei einem Industrieunfall zugezogen hatte“. Was am 21. August 1945 wirklich geschah, wurde als Kriegsgeheimnis eingestuft und bis 1956 hartnäckig verschwiegen.

Harry Daghlians Freund Louis Slotin war der zweite Mensch, der bei einem (ähnlichen) Atomunfall im Jahr darauf, 1946,  ums Leben kam.

 

 

 

Elisabeth von Thüringen

* 7.7.1207 im Komitat Pressburg, † 17.11.1231 in Marburg, deutsche Landgräfin und Heilige

 

Am 27. Mai 1235 wurde Elisabeth von Thüringen heilig gesprochen. Mehr als einhundert Berichte lagen vor, in denen Wunder bezeugt wurden, die sich an ihrem Grabe zugetragen haben sollen. Papst Gregor IX. forderte, dies zu überprüfen, forderte, Zeugen zu befragen, und wollte zudem eine Beschreibung des Lebenswandels der thüringischen Landgräfin, nicht zuletzt einen Bericht über Elisabeths Unterstützung der Armen lesen. Dann gab er seinen Segen.

Eine besondere Rolle könnte dabei die Legende vom Rosenwunder gespielt haben. Die ging womöglich zwar auf andere Personen zurück, gilt jedoch seit langem als beredtes Zeugnis des Lebens der Elisabeth von Thüringen.

Und sollte es doch irgendeinen Zweifel am Wirken Elisabeths gegeben haben, wäre die Entscheidung Gregors IX. im Nachhinein durch die von Ludwig Bechstein in feine Worte gebrachte Sage „Das Rosenwunder“ bestens gerechtfertigt:

„Das Königskind Elisabeth erwuchs auf der Wartburg in Holdseligkeit, Frömmigkeit und Tugend zu aller Freude, ebenso ihr Verlobter, der junge Landgrafensohn, der früh den Vater verlor und die Herrschaft antrat und seine Verlobte immer lieber gewann, obgleich Elisabeth ob ihres frommen Sinnes und ihrer Demut manchen Spott und Hohn erleiden mußte, davon gar viel erzählt wird. Und als der Landgraf seine Hochzeitfeier mit ihr beging, da haben zwei edle thüringische Ritter, Graf Reinhard von Mühlberg und Ritter Walter von Vargula, die sie einst aus dem Ungarlande nach Thüringen abgeholt, sie im schönsten Schmuck in Sankt Georgs Kirche geführt. Als junge Frau lag die fromme Landgräfin vielleicht mehr, als ihrem Gemahl lieb sein konnte, frommen Werken und Bußübungen ob. Sie zerschnitt oder verschenkte ihre schönsten Kleider und ging einfach und ärmlich einher, aber wenn es nötig war, umkleidete sie der Himmel selbst mit reichen und königlichen Gewanden.

Elisabeth, die fromme Landgräfin, war eine wahrhafte Mutter der Armen und gegen diese schier allzu freigebig, so daß man sich sogar darüber aufhielt und es tadelte. Es war aber auch eine schwere Zeit gekommen, Mangel und Not, und die Scharen der Armen wuchsen zusehends. Da geschah es, daß Elisabeth, wie sie täglich tat, einmal weder Speisen und Gaben hinabtrug an den Ort, wo die Lahmen und Blinden und Notleidenden sich einfanden, und ihr der Landgraf begegnete, der diesmal kein freundliches Gesicht zeigte, denn es war ihm eben frisch hinterbracht worden, wie sie alles verschenke. Da rief sie der Landgraf nicht gerade zärtlich an: Was trägst du da?, und sie sah in seinen Mienen den Wetterbaum seines Unwillens aufsteigen und erbebte und sprach mit unsicherer Stimme: Herr, Rosen! - Zeige her! rief der Landgraf und hob die Hülle von dem Korbe - siehe, da war der Korb eitel voll Rosen und andere blühende Blumen. Da stand der Landgraf beschämt vor ihr da, und wenn der und jener Diener wieder sich unterfing, gegen die milde Freigebigkeit der Herrin zu reden, so sprach der Landgraf: Lasset sie immer gewähren, da sie an Almosengeben ihre Freude hat, wenn sie uns nur Wartburg und Eisenach und die Niuwenburg nicht verschenkt. - In der Hand dieser edlen und frommen Spenderin mehrten sich auch alle Gaben gar wundersam, auch wurden ihre Gewande nicht naß und nutzten sich nicht ab. Da Agnes, Landgraf Ludwigs Schwester, mit einem Herzog von Österreich Hochzeit hielt, war die Wartburg voll Gäste, und alles prunkte im Festgewande, Elisabeth aber hatte am Tore einen armen preßhaften Greis, der halbnackt einherging, gefunden, der bat gar zu sehr um ein Gewand, seine Blöße zu bedecken, und da gab ihm die Landgräfin ihren Mantel; da man nun zu Tische gehen sollte, fragte der Landgraf seine Gemahlin, wo sie denn ihren Mantel habe, denn es war die Frauensitte so, im leichten Mantel bei Festen einherzugehen, und da antwortete sie kleinlaut und erschrocken: In meiner Kammer; so sendete der Landgraf eine Jungfrau hin, und siehe, da hing ein Mantel, schöner wie der einer Königin, himmelblau mit goldnen Bildchen überstreut, der Arme aber war verschwunden. Ein anderes Mal hatte Elisabeth gar einen Aussatzkranken mit herauf in das Haus genommen und ihn in ihr Bette lesen lassen - das erregte ihr einen großen Sturm bei ihrer Frau Schwiegermutter, war auch just nicht appetitlich - allein als man nun kam, den Aussätzigen hinauszuwerfen, lag ein wunderbar schönes Kruzifix in dem Ehebette, überaus kunstvoll, aber leider nicht mehr auf der Wartburg vorhanden. Darüber vergoß der fromme Gemahl dieser überfrommen Frau heiße Tränen. Der Kranke aber war Eli geheißen, den Elisabeth so treulich wartete, er genas und wohnte hernach noch lange nahe der Wartburg in einer ganz engen Felskluft und lebte von Wurzeln und Kräutern, der bekannten Waldbruderkost. Die Höhle ist noch vorhanden.

Eines Tages ward die milde Herrin, da sie in Eisenach die Kirche besuchte, vor dem Portale von einer ganzen Schar Bettler umringt; sie gab, solange sie noch zu geben hatte, bis ihre Münze zu Ende war, aber da war immer noch ein armer Alter, einer von den beharrlichen, der bestand auf einer Gabe und drängte sich ihr bis in die Kirche nach; das erbarmte die freigebige Herrin, und sie zog einen ihrer reich mit Silber gestickten Handschuhe aus und reichte diesen dem unabweisbaren beharrlichen Greis. Das sähe ein Ritter, der auch zur Kirche einging, trat schnell herzu und gab dem Alten für den Handschuh vieles Geld. Hernach hat er selben Handschuh an seinen Helm als ein Kleinod befestigt und ist in das Heilige Land gezogen, hat auch allda ritterlich gekämpft, und der Handschuh hat ihn geschützt wie ein Talisman, daß er glücklich wieder die Heimat sah. Und dann hat er Elisabeths Handschuh in sein Wappen gesetzt.

Ganze Bücher sind vollgeschrieben von den Taten und Wundern der frommen Landgräfin Elisabeth, die ein gottgefälliges heiliges Leben führte, darum sie auch nach ihrem Tode unter die Zahl der Heiligen aufgenommen worden ist.“

 

 

Alice Augusta Ball

* 24.7.1892 in Seatlle, Washington, † 31.12.1916 ebd., amerikanische Chemikerin

 

Alice Augusta Ball studierte Chemie und Pharmazie an der University of Washington und erwarb einen Mastertitel an der University of Hawaii, wo sie dann auch forschte und lehrte.

Sie entwickelte ein injizierbares Öl-Extrakt, das lange Zeit die wirksamste Behandlung von Lepra war. Die dabei von ihr verwendete Technik wurde nach ihrem frühen Tod „Ball-Methode“ genannt. Ihre Entdeckung ermöglichte, dass hawaiianische Lepra-Kranke nicht mehr auf die Insel Molokai für den Rest ihres Lebens in Quarantäne geschickt, sondern nunmehr zu Hause behandelt werden konnten.

Alice Augusta Ball starb wahrscheinlich an den Folgen einer Chlorgas-Vergiftung im Alter von 24 Jahren. Im Jahr 2000 wurde der 29. Februar in Hawaii zum Alice-Ball-Tag erklärt, der seitdem alle vier Jahre gefeiert wird.

 

  

 

Reinhard Johannes Sorge

* 29.1.1892 in Rixdorf, † 20.7.1916 in Ablaincourt-Pressoir, Frankreich, deutscher Schriftsteller

 

Mit seinem Stück „Der Bettler“ gilt Reinhard Sorge als Begründer des expressionistischen Theaters. Vollendet am Weihnachtsabend 1911, veröffentlicht bei S. Fischer 1912, wurde ihm für sein Drama in fünf Akten, das er selbst als Eine dramatische Sendung bezeichnet hatte, noch im Erscheinungsjahr durch Richard Dehmel der Kleist-Preis zugesprochen.

 

Lied der Bettler

Wir lagern auf dem harten, magren Boden,

Ein Wind zerrt eisig brüderliche Fetzen;

Tränen, die rastlos unsre Glieder netzen,

Flehen zu Gott, in Gnade uns zu roden.

 

Die Uraufführung durch Max Reinhardt am 23. Dezember 1917 erlebte Reinhard Sorge jedoch nicht mehr. Im Jahr zuvor war an der Westfront gefallen.

 

Da sendet er uns Sterne an die Ränder

Der Nächte, hell in Höhen aufzusteigen,

Und reicht den rissigen Stirnen goldne Bänder:

Nun ahnen wir der blinden Seelen Geigen –

 

Siegfried Jacobson rezensierte das Stück. „In Reinhard Sorges Bettler stammt von Max Reinhardt die Behandlung des Lichts. Scheinwerfer erhellen einen Ausschnitt der Bühne, dann einen andern, dann einen dritten, während jeweils der Rest im Dunkel bleibt. Das ist bezeichnend fur den blutjungen Sorge. So tastet sein seherisch begabtes Auge das Leben ab, ohne es doch mit Einem Blick zu umfassen. Es wird von dem lastenden Jammer der elterlichen Behausung geredet: aber diese wirkt durchaus behaglich. Der Vater wird für verrückt erklärt: aber er spricht nicht verrückter als alle Erfinder und Poeten. Er bittet den Sohn um Gift: aber aus Versehen trinkt die gesunde, keineswegs todesbedürftige Mutter mit, geht dabei drauf, und der schuldige Sohn hats in der nächsten Minute vergessen. Soll man moralisieren und nach der Wahrscheinlichkeit fragen? Des Dichters Aug' in holdem Wahnsinn rollend: hier haben wirs vor uns. So will Sorge, so befiehlt er. Willkür ist alles. […] Was er hinterlassen hat, ist das Werk der Dichter, in denen das Gewichtsverhältnis der Mischung von Lyriker und Dramatiker sich umkehren müßte, um im Theater seine Wirkung zu tun.“

 

Der Gott ward Güte, der mit Blitzen geißelt;

Er schickte dann aus seinen dunklen Ecken

Den dunklen Menschen, den die Lichte recken,

Der uns den Engel in den Himmel meißelt.

 

 

 

 

Chris McCandless

* 12.2.1968 als Christopher Johnson McCandless, in Elegundo, Kalifornien, genannt: „Alexander Supertramp“, † wohl 18.8.1992 im Denali Borough, Alaska, amerikanischer Abenteurer

 

Chris McCandless studierte an Emory Universtity in Atlanta Anthropologie und brach nach dem Erlangen des Bachelor-Abschlusses im Alter von 22 Jahren zu einem Trip durch die USA auf. Und nach zweijähriger Wanderschaft ging er nach Alaska, das ihn spätestens seit der Lektüre von Jack Londons „Wolfsblut“ anzog.

Per Anhalter kam er bis Fairbanks und wollte fortan fast ohne Ausrüstung live off the land leben. Nach der Überquerung des Teklanika Rivers fand er einen verschrottenen Bus in dem er dann 113 lebte. Er hatte große Probleme sich zu ernähren, versuchte sogar in die Zivilisation zurückzugelangen, was wegen Hochwassers und mangelhaften Kartenmaterial scheiterte. Ende Juli 1992 notierte er in sein Tagebuch: Extrem schwach, Schuld sind die Kartoffelsamen. Viel Mühe nur um aufzustehen. Verhungern. Große Gefahr.

Postum bekannt wurde Chris McCandles durch einen Artikel und ein Buch Jon Krakauers, das dann von Sean Penn sogar erfilmt wurde: „Into the wild“.

 

 

 

 

Lili Boulanger

* 21.8.1893 als Marie-Juliette Olga Boulanger in Paris, † 15.3.1918 in Mèzy-sur-Seine, französische Komponistin

 

Im Alter von acht Jahren debütierte Lili Boulanger als Geigerin. Mit elf komponierte sie für ihren verstorbenen Vater das Lied „La Lettre de Mort“. Mit sechzehn fasste sie den Entschluss, Komponistin zu werden. Mit neunzehn gewann sie als erste Frau den hochangesehenen Grand Prix de Rome.

Die Zeitungen waren des Lobes voll:

„Eine Frau, Lilli Boulanger, die 19-jährige Tochter eines Gesangslehrers am Konservatorium, hat den Grand Prix de Rome gewonnen, wobei es das erste Mal in seiner 110-jährigen Geschichte ist, dass eine Frau den heißbegehrten Preis erhielt. Dass unter anderem so bemerkenswerte Komponisten wie Berlioz, Bizet, Gounod, Massenet, Debussy und Charpentier Rompreisträger waren, macht seinen Wert deutlich.“ (The Musical Leader)

„Vor mehreren Monaten warnte ich Musiker an dieser Stelle vor einer immanenten ‚rosa Gefahr‘: die Tatsachen ließen nicht lange auf sich warten, um mir Recht zu geben. Mlle Lili Boulanger hat im diesjährigen Rom-Wettbewerb über alle ihre männlichen Konkurrenten triumphiert und gewann den Ersten Großen Rompreis auf Anhieb (das erste Mal in der Endrunde), mit Souveränität, Tempo und Leichtigkeit; was die übrigen Kandidaten einigermaßen verstört zurückgelassen hat, schwitzten sie doch seit Jahren Blut und Wasser, um sich dem Preis unverdrossen zu nähern. Damit kein Irrtum aufkommt: Der Sieg ist hart verdient. Es war nicht so, dass die Juroren ihr ritterlich den ersten Platz überließen. Im Gegenteil, sie verfuhren mit dem 19-jährigen Mädchen sogar noch strenger als mit den übrigen Bewerbern. Die Frauenfeindlichkeit der Jury war bekannt. Der Eintritt einer Eva in das irdische Paradies der Villa Medici wurde von gewissen Patriarchen als totale Katastrophe gefürchtet. Der Präzedenzfall bei den Bildhauern (Mlle Lucienne Heuvelmans, Bildhauerin, hat den Prix de Rome von 1911 gewonnen und lebt bereits in der Villa Medici) vermochte ihre Aufregung nicht im Mindesten zu lindern. Folglich wurde die weibliche Kantate mit gnadenloser Aufmerksamkeit gehört, was ihr in dieser Atmosphäre den Stellenwert einer beeindruckenden und bedrohlichen feministischen Präsentation gab. Und es bedurfte der überwältigenden und unbestreitbaren Überlegenheit dieses Werks einer Frau, um über die Hausaufgaben der Studenten, in deren Gesellschaft sie sich befand, zu triumphieren.“ (Musica)

Wenige Wochen nach ihrem Rom-Preis-Triumph wurde Lili Boulangers Kantate „Faust et Hélène“ in Paris erstmals aufgeführt. Le Monde Musical urteilte: „Mlle Lili Boulanger zeigt bereits eine glückliche Vorliebe für durchsichtige Melodien, eine geradezu erstaunliche Ader für das Theater, eine bewundernswerte Natürlichkeit im Ausdruck leidenschaftlicher Gefühle und eine starke gestalterische Kraft, die sich nicht in belanglose oder nebensächliche Einzelheiten verliert, was sofort verraten hätte, dass eine Frau die Musik komponierte. (…) Das Alter (…) und die weitere Arbeit werden die schon jetzt nicht zu leugnende Begabung zur Erfüllung bringen, eine Begabung, die sich mit Anmut paart. Dieser Meinung schien auch das Publikum zu sein, das so lange klatschte, bis die tief bewegte Mlle Lili Boulanger zusammen mit ihren hervorragenden Interpreten (…) auf der Bühne erschien.“

Seit ihrer Kindheit litt Lili Boulanger jedoch an chronischer Bronchialpneunomie und Morbus Crohn. Wohl nicht zuletzt aufgrund all ihrer öffentlichen Auftritte verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand zusehends. An eine Freundin schrieb sie

„27. September 1917. Meine liebe kleine Miki, zum ersten Mal seit meiner Operation komme ich wieder zum Schreiben – und meine allerersten Zeilen sollen für Dich sein, sollen Dir sagen, wie leer es hier ist ohne Dich und wie groß Dein Platz in meinem Herzen ist. (…) Und dann sollst Du noch einmal wissen, meine liebe kleine Miki, wie tief Dein Vertrauen mich bewegt hat – wie alles, was Du mir eröffnet hast, mich mit Schmerz erfüllt und gerührt hat. Treuer denn je ist Dir mein Herz und mir scheint sogar, dass das Leben selbst – mehr noch als die innigen Gefühle, die ich schon immer für Dich empfunden habe – mich zu Dir hinführt. Ich habe gleichsam die Gewissheit, Dein Schicksal klar gesehen zu haben, und dass die Stunde Deines Glücks, die noch aussteht, kommen wird – und ich wünsche so, dass Du Dir bis dahin Deine ganze Unschuld bewahrst und auch die Freude, die Dir jetzt abhanden gekommen ist. So bitte ich Dich mit aller Kraft, nicht nachzulassen, sondern zu kämpfen – und in den traurigen Stunden ein bisschen Mut zu schöpfen aus unserer Liebe für Dich – Sei umarmt L.B.“

Im Alter von 24 Jahren starb Lili Boulanger. Ihre Schwester Nadja, die im Jahr 1939 als erste Frau das New York Philharmonic Orchestra dirigiert hatte, setzte sich immer wieder für die Werke Lilis ein. Sie gründete die Vereinigung „Les Amis de Lili Boulanger“, deren Ehrenmitglieder beispielsweise Königin Elisabeth von Belgien, George Auric, Marc Chagall, Marcel Dupré, Yehudi Menuhin, Olivier Messiaen, Darius Milhaud, Arthur Rubinstein und Igor Strawinsky waren.

1960 wurden Kompositionen von Lili Boulanger erstmals auf Schallplatte veröffentlicht. In einer Musikzeitschrift war zu lesen: „Wann können wir die Werke von Lili Boulanger endlich regelmäßig in unseren Konzertsälen hören? (…) Ein Verkaufserfolg für Plattenaufnahmen solcher Art wird sich natürlich erst dann einstellen, wenn die Musik immer wieder im Konzertsaal gespielt wird und es eine große Anhängerschar gibt (zu der ich mich unbedingt dazurechne). (…) Eine Komponistin unseres Jahrhunderts, die keiner kennt, die nicht mehr lebt, wie gut kann sie sein? Gut ist gar kein Ausdruck. Sie ist außergewöhnlich. Ohne Wenn und Aber, sie ist eine ganz besondere Begabung (…) ihre Musik ist männlich in ihrem ausgeprägt kraftvollen Charakter und äußerst weiblich in ihrer Reinheit und lyrischen Sensitivität. Honegger, Poulenc, Roussel, um nur drei zu nennen, die sie überlebten, verdanken ihr viel (…) Wir möchten mehr von ihr hören. Wir möchten wissen, was uns entgangen ist.“ (Saturday Review)

Zeit ihres Lebens hatte Lili Boulanger an ihrer Oper „La Princesse Maleine“ gearbeitet, vermochte aber nicht mehr, diese zu vollenden - „La Princesse Maleine“ nach einer Figur des Symbolisten Maurice Maeterlinck, „La Princesse Maleine“ deren Geliebter eine andere Prinzessin heiraten musste, „La Princesse Maleine“ mit der sich Lili Boulanger identifizierte.

 

 

Cliff Burton

* 10.2.1962 als Clifford Lee Burton in Castro Valley, Kalifornien, † 27.9.1986 in Dörarp, Schweden, amerikanischer Rock-Bassist

 

Cliff Burton hatte Klavierunterricht und begann im Alter von 16 Jahren Bassgitarre zu spielen. Mit achtzehn schloss er sich erstmals einer Heavy-Metal-Band an, und zwei Jahre später wurde er der Bassist von „Metallica“ und spielte drei deren Alben mit ein: „Kill ’Em All“, „Ride the Lightning“ und „Master of Puppets“. „Metallica“ sagte später, er sei das musikalischstes Mitglied der Band gewesen.

Auf dem Weg zu einem Konzert in Schweden kam Cliff Burton im Alter von 24 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

Der Song „To Live is to Die“ auf dem zwei Jahre später erschienenen Metallica-Album „… And Justice for All“ basiert auf Riffs und einem Gedicht Cliff Burtons:

When a man lies, he murders some part of the world.

These are the pale deaths which men miscall their lives…

 

  

 

 

James Dean

* 8.2.1931 in Marion, Indiana, † 30.9.1955 in Cholame, Kalifornien, amerikanischer Schauspieler

 

Wenige Tage bevor James Dean an der Kreuzung der California State Route 41 mit der California State Route 46 bei Cholame in seinem Porsche ums Leben kam, hatte er in einem Werbespot für mehr Verkehrssicherheit gesagt: „ Früher bin ich auch ganz schön gerast und habe unnötig viel riskiert. Aber seit ich Rennen fahre, bin ich auf der Straße besonders vorsichtig geworden. Die Leute haben ja oft gar keine Ahnung, was für einen gefährlichen Mist sie bauen. Man weiß nie, was so ein Typ auf der Straße als nächstes tut. Auf dem Rennplatz gibt es viele Leute, die über neue Regeln und Sicherheitsmaßnahmen nachdenken. Ich bin in letzter Zeit sehr vorsichtig im Straßenverkehr. Ich habe überhaupt keine Lust mehr, zu rasen. Es heißt, dass man als Rennfahrer gefährlich lebt, aber ich fordere lieber auf der Rennbahn das Glück heraus als auf dem Highway… Fahrt vorsichtig! Vielleicht bin ich es, dem ihr damit eines Tages das Leben rettet.“

Die Beach Boys sangen für den zur Legende, zum Idol einer rebellierenden Generation gewordenen James Dean: „A young man is gone“:

Now a young man's gone

But his legend lingers on

For so much had he to give

But his life is through

For the story told is true

For he died just as he lived

For this daring young star

Met his death while in his car

No one knows the reason why

Screaming tire, flashing fire

And gone was this young star

Oh how could they let him die

Still a young man is gone

Yet his legend lingers on

For he died without a cause

And they say that he'll

Be known for evermore

As the 'Rebel Without A Cause'

 

Der Film, auf dem James Deans Ruhm vor allem basiert, “Denn sie wissen nicht, was sie tun…” kam erst Ende Oktober 1955, einen Monat nach seinem Unfalltod, in die Kinos. Das „Lexikon des internationalen Films“ urteilt: „Zukunftsangst und Richtungslosigkeit amerikanischer Teenager der 50er Jahre und ihre Rebellion gegen die satte Selbstzufriedenheit ihrer gutbürgerlichen Elternhäuser bestimmen das Klima des Dramas dreier Halbwüchsiger, die ihre Aggressionen als Mitglieder einer motorisierten Bande bei gefährlichen, in einem Fall tödlichen Spielen abreagieren. Ein aufregender und alarmierender Film, mit dem James Dean, der Prototyp dieser Generation, zum Weltstar wurde.“

In einem Interview hatte James Dean gesagt, dass er eines Tages auch mal gern selbst Regie führen, dann sein Lieblingsbuch „Der kleine Prinz“ verfilmen möchte.

 

 

 

Peg Entwistle

* 5.2.1908 als Lilian Millicent Entwistle in Port Talbot, Wales, † 16.9.1932 in Los Angeles, Kalifornien, amerikanische Schauspielerin

 

Im Alter von 17 Jahren stand Peg Entwistle erstmals am Broadway auf der Bühne. Sie erhielt überwiegend gute Kritiken und sagte 1929 in einem Interview: Ich spiele am liebsten Rollen, die Überzeugung tragen. Vielleicht liegt es daran, dass es für mich die einfachsten und doch schwierigsten Dinge sind, die ich tun kann. Um irgendeine Art von emotionaler Szene zu spielen, muss ich mich bis zu einer bestimmten Tonhöhe hocharbeiten. Wenn ich das in meinem ersten Wort erreiche, erledigen sich die restlichen Wörter und Zeilen von selbst. Aber wenn ich scheitere, muss ich die Ausgewogenheit der Reden aufbauen, und dabei fällt die ganze Charakterisierung flach. Ich habe das Gefühl, dass ich mich selbst betrüge. Ich weiß nicht, ob andere Schauspielerinnen die gleiche Reaktion bekommen oder nicht, aber es macht mir Sorgen.

1932 erhielt Peg Entwistle einen Vertrag vom Belasco Theater in Los Angeles, spielte neben Humphrey Bogart und wurde so alsbald für den Film entdeckt. Noch im selben Jahr debütierte sie in „Thirteen Women“, doch der Film floppte und der Produzent David O. Selznick musste ihn von 74 auf 59 Minuten kürzen. Den Schnitten fiel der größte Teil von Peg Entwistles Rolle zum Opfer.

Verzweifelt stieg sie so eines Abends zum Mount Lee hinauf und stürzte sich vom 15 Meter hohen „H“ des weltberühmten Schriftzugs „Hollywood“ im Alter von 24 Jahren zu Tode. In ihrem Portemonnaie wurde ein Zettel mit dem Satz gefunden: Ich fürchte, ich bin ein Feigling. Es tut mir alles leid: Hätte ich dies vor langer Zeit schon getan, hätte es viele Schmerzen erspart.

 

 

 

Piero Gobetti

* 19.6.1901 In Turin, † 15.2.1926 in Paris, italienischer Publizist

 

Mit siebzehn gründete Piero Gobetti seine erste Zeitschrift, „Energie nove“ – Neue Energien – und trat hier für eine umfassende Bildung des Volkes, für das Frauenwahlrecht und gegen den aufkeimenden Faschismus ein.

Mit zwanzig gab er seine zweite Zeitschrift heraus: „La Rivoluzione Liberale“ – Die Liberale Revolution -  und propagierte eine radikale Erneuerung von Politik und Kultur. Mit der Machtergreifung Mussolinis wandte er sich mehr und mehr auch antifaschistischen Themen zu.

„La Rivoluzione Liberale“ wurde zensiert, die Auflage immer wieder beschlagnahmt, Piero Gobetti mehrmals verhaftet - und schließlich durfte diese Oppositions-Zeitschrift nicht mehr erscheinen.

Damit jedoch nicht genug: Am 4. September 1925 wurde Piero Gobetti von vier Mitgliedern der faschistischen Sturmabteilung vor seinem Haus angegriffen und so schwer verprügelt, dass er im Jahr darauf im Alter von 24 Jahren in Paris, wohin er noch fliehen konnte, an den Folgen seiner Verletzungen verstarb.

 

 

 

Hans Kaltneker

* 2.2.1895 als Hans Kaltnecker von Wallkampf in Temesvár † 29.9.1919 in Gutenstein, österreichischer Dramatiker

 

„Eine Flamme, die leuchtend und hoch aufloderte, und plötzlich erlosch, vom ewigen Dunkel verschlungen.“, nannte Felix Salten, der Autor von „Bambi“ wie wohl auch von „Josefine Mutzenbacher“, Hans Kaltneker.

„Er war ein großgewachsener Jüngling im Schiller’schen Sinn. Er hatte schöne schwarze, glänzende Haare, einen großen, sinnlichen Mund und in seinen Augen lag schon damals ein verdächtiger Glanz – verdächtig sage ich deshalb, weil er ja schon damals im Zeichen seiner sich bald bei ihm einstellenden Krankheit war“, beschrieb ihn sein Mitschüler am Hietzinger Gymnasium Hans Flesch-Brunningen.

Bereits im Alter von 16 Jahren mehrten sich bei Hans Kaltenecker die Symptone einer schweren Lungentuberkulose. Dennoch begann er zu schreiben, Dramen, Erzählungen, Lyrik. In einem Schweizer Sanatorium lernte er Klabund kennen, der ihn zum Weiterschreiben ermutigte.

Mit Hermynia zur Mühlen übersetzte er Swinburne, Gedichte von Hans Kaltenecker wurden später sogar vertont. In seinem letzten Lebensjahr verfasste er drei aufsehenerregende expressionistische Dramen, die „Trilogie des Erlösungsgedankens“. Und sein Arbeitstempo erhöhte sich signifikant: in nur zehn Tagen schrieb er das letzte Stück dieser Trilogie „Die Schwester“, an nur einem Tag dann das Märchenspiel „Schneewittchen“.

Vierundzwanzig Jahre nur wurde Hans Kaltneker alt. Robert Musik schrieb „von einem jung verstorbenen Wiener Dichter, so jung, dass man wohl kaum noch sagen kann, ob er ein Dichter geworden wäre.“ Alfred Polgar sagte in der „Weltbühne“ nach der Aufführung des ersten Teiles der Erlösungs-Trilogie „Die Opferung“: „Der reine, von dichterischer Inbrunst hochgerissene Jüngling, der dieses merkwürdige Erlöserstück (in dem ikarische Schwingen rauschen) geschrieben hat, denkt mit dem Gefühl… Man könnte sagen: Das Herz ist ihm zu Kopf gestiegen.“ Und Felix Salten meinte: „Wie viel Triebkraft aber, wie viel Zauber und wie viel Weisheit in dieser Verkürzung des Lebens liegen kann, in diesem Gedankensplitter, diesem Epigramm eines Daseins, wie es dasjenige Hans Kaltnekers war, können wir nicht wissen.“

Hans Kaltneker schrieb im 5. Sonett seines Zyklus „Tasso an die Prinzessin“:

Ich kenne langer Fieber schwarze Glut

Der Krankheit Brot fraß ich in vielen Jahren

zum Lager riß der Tod mich an den Haaren

und ich erbrach in Qual mein letztes Blut.

 

 

 

Lautréamont

* 4.4.1846 als Isidor-Lucien Ducasse in Montevideo, † 24.11.1870 in Paris, französischer Dichter

 

Als Kind durchlebte Isidor-Lucien Ducasse, der sich als Dichter Lautréamont nennen würde, die Belagerung Montevideos im uruguayischen Bürgerkrieg. Sein Vater, ein französischer Konsulatsbeamter, schickte ihn zur Vollendung seiner Schulausbildung mit dreizehn nach Paris. Und alsbald beschloss er dann, Schriftsteller zu werden.

Der Verleger Léon Genonceaux berichtet, Lautréamont habe „nur des Nachts an seinem Klavier“ geschrieben, wo er laut deklamierte, wild in die Tasten schlug und zu den Klängen immer neue Verse heraus hämmerte“.

Seinen Anspruch formulierte Lautréamont so: „Die Dichtkunst wird nur darin bestehen, den Menschen, dieses Raubtier, mit allen Mitteln anzugreifen und mit ihm den Schöpfer, der ihn nicht hätte erzeugen sollen.“

Der Covertext einer modernen Taschenbuchausgabe seiner „Gesänge des Maldoror“ verspricht: „Das verbotenste Buch des 19. Jahrhunderts – ein Klassiker der schwarzen Romantik. Maldoror ist der gefallene Engel, der satanische Verführer, der Rache nimmt und Gott für die Erschaffung des Menschengeschlechts bestrafen will. Mit seinem einzig vollendeten Werk schuf Lautréamont einen ästhetisch kühnen, alle Tbaus brechenden Gesang über Schmerz und Grausamkeit, der vielen Interpreten noch heute als eines der radikalsten Bücher der abendländischen Literatur überhaupt gilt.“

Gleich im ersten Gesang lässt Lautréamont Maldoror sagen: „Es gibt Leute, die schreiben, um mittels edler Herzenseigenschaften, die ihre Phantasie erfindet oder die sie besitzen, nach menschlichem Beifall trachten. Ich aber bediene mich meines Geistes, um die Wonnen der Grausamkeit zu schildern. Keine flüchtigen, künstlichen Wonnen, sondern solche, die mit dem Menschen begonnen haben, die mit ihm enden werden. Kann sich der Geist in den geheimen Beschlüssen der Vorsehung nicht der Grausamkeit verbünden? oder hat einer keinen Geist, weil er grausam ist?“

Und im sechsten Gesang: „Um auf mechanische Weise das Hirn einer Geschichte zu konstruieren, genügt es nicht, Dummheiten zu zerlegen und die Intelligenz des Lesers mit immer neuen Dosen gewaltig abzustumpfen, so dass seine Fähigkeiten für den Rest seines Lebens durch das unfehlbare Gesetz der Müdigkeit gelähmt sind; man muss ihn außerdem mit gutem magnetischem Fluidum auf findige Weise in die nachtwandlerische Unmöglichkeit versetzen, sich zu bewegen, indem man ihn zwingt, seine Augen gegen sein Naturell durch die Unbeweglichkeit der euren zu verdunkeln. Ich will sagen, nicht um mich besser verständlich zu machen, sondern nur um meinen Gedanken zu entwickeln, der durch eine der penetrantesten Harmonien interessiert und zugleich irritiert, dass ich es zur Erlangung des gesetzten Zieles nicht für notwendig halte, eine Dichtkunst völlig außerhalb des Naturablaufs zu erfinden, deren verderblicher Hauch selbst die absoluten Wahrheiten zu erschüttern scheint; ein solches Resultat herbeizuführen (das übrigens mit den Regeln der Ästhetik übereinstimmt, wenn man es recht überlegt) ist aber nicht so leicht wie man denkt; das ist es, was ich sagen wollte.“

Gegen Ende seines Lebens plante Lautréamont eine Ergänzung seine vollständig erst postum erschienenen Gesänge, dieser „Phänomenologie des Bösen“, in der er dialektisch das Gute besingen wollte. Er schaffte es jedoch nur noch das Vorwort zu Papier zu bringen:  „Ich ersetze die Schwermut durch den Mut, den Zweifel durch die Gewissheit, die Verzweiflung durch die Hoffnung, die Bosheit durch das Gute, die Klagen durch die Pflicht, die Skepsis durch den Glauben, die Sophismen durch kühlen Gleichmut und den Hochmut durch die Bescheidenheit“.

Isidor-Lucien Ducasse, der sich auch Comte de Lautréamont nannte, starb im Alter von 24 Jahren während des deutsch-französischen Krieges während der Belagerung von Paris in einem Hotel einsam an einem „bösartigen Fieber“.

 

 

Günter Litfin

* 19.1.1937 in Berlin, † 24.8.1961 ebd., deutscher Schneider

 

Günter Litfin wohnte in Ost- und arbeitete in West-Berlin. Anfang August 1961 hatte er eine Wohnung im Westteil der Stadt, in Charlottenburg, gefunden und am 12. August, am Vortag des Mauerbaus, begonnen, diese Wohnung einzurichten.

Danach erkundete er, wie er trotz Mauer in den Westen gelangen konnte. Am 24. August dann überstieg er die Außenmauer der Charité, wurde jedoch von Grenzern entdeckt, sprang ins Wasser des Humboldthafens und versuchte ans Westufer zu schwimmen. Dabei wurde er in den Kopf getroffen.

Günter Litfin war das erste, durch gezielte Schüsse getötete Maueropfer. Er starb im Alter von 24 Jahren.

 

 

 

 

Wilhelm Heinrich Wackenroder

* 13.7.1773 in Berlin, † 13.2.1798 ebd., deutscher Autor

 

Wilhelm Heinrich Wackenroder studierte Rechtswissenschaften, hörte kulturgeschichtliche Vorlesungen und gilt gemeinsam mit seinem Freund Ludwig Tieck als Begründer der romantischen Musikästhetik.

Im Alter von 23 Jahren veröffentlichte er seine „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“, eine Sammlung kunsttheoretischer Betrachtungen und teils fiktiver Biografien. In der Abhandlung „Schilderung, wie die alten deutschen Künstler gelebt haben…“ schreibt er: Es ist eine schöne Sache, einem längst verstorbenen Künstler aus seinen hinterbliebenen Werken sich im Geiste neu zu erschaffen und aus allen den verschiedenen leuchtenden Strahlen den Brennpunkt zu finden, wohin sie zurückführen, oder vielmehr den himmlischen Stern, von welchem sie ausgingen. Dann haben wir die Weltseele aller seiner Schöpfungen vor uns – ein Gedicht unserer Einbildungskraft, wovon das wirkliche Leben des Mannes völlig ausgeschieden ist.

Die Publizistin Evi Rietzschel urteilt: „Mit dem Erscheinen der ‚Herzensergießungen’ beginnt eine Differenzierung in der deutschen bürgerlichen Literatur sichtbar zu werden, in deren Ergebnis eine neue Strömung entstand: die Frühromantik.“

In einem Brief hatte er an Tieck geschrieben: Nur Schaffen bringt uns der Gottheit näher; und der Künstler, der Dichter ist Schöpfer. Es lebe die Kunst! Sie allein erhebt uns über die Erde und macht uns unsers Himmels würdig. Und wohl zusammen mit Tieck verfasste er die „Phantasien über die Kunst“.

Wilhelm Heinrich Wackenroder starb im Alter von 24 Jahren an Typhus.

Ricarda Huch sagte: „Sein ganzes Leben war wie das Aufschrecken eines müden Schäfers, der blinzelnd ins Morgenlicht sieht, aus den umschlingenden Blumenranken seines Traumes sich nicht losreißen kann und sich willig von ihnen in den Schlummer zurücklocken lässt“.

 

  

Hannie „Jo“ Schaft

* 16.9.1920 als Jannetje Johanna Schaft in Haarlem, † 17.4.1945 in Blomendaal, niederländische Widerstandskämpferin

 

Hannie Schaft studierte Jura an der Universität Amsterdam und verfasste nach der deutschen Besatzung der Niederlande politische Artikel für die Universitätszeitung, druckte und verteilte Flugblätter, besorgte Verstecke, organisierte Ausweise und Essensmarken für jüdische Mitbürger. Als sie sich 1943 weigerte, eine Loyalitätserklärung für die nationalsozialistische Universitätsleitung zu unterzeichnen, wurde ihr eine Weiterführung des Studiums verwehrt. Sie ging zurück in ihre Heimatstadt Haarlem und schloss sich dem militanten Widerstand an.

Kurz vor der Befreiung der Niederlande wurde sie von den Nazis, die sie „Het meisje met het rode haar – das Mädchen mit dem roten Haar“ nannten, verhaftet, gefoltert und in den Dünen von Bloemendaal erschossen.

Harry Mulisch setzte Hannie Schaft mit seinem Roman „Das Attentat“, der dann auch verfilmt wurde, als Truus Coster ein literarisches Denkmal. Theun de Vries verfasste unter dem Titel „Het meisje met hot rode haar“ ihre Biografie, die ebenfalls verfilmt und 70 Jahre nach ihrem Tod zum Musical wurde.

 

 

 

 

Conrad Dietrich

* 18.5.1889, † 30.1.1914 in Lünen-Brambauer, deutscher Bergmann

 

Wie viele Bergleute sind unter oder über Tage ums Leben gekommen seitdem die Menschheit versucht, Bodenschätze zu gewinnen: Zehntausende, Hunderttausende, Millionen? Und wie viele werden so noch zu Tode kommen?

Am 30. Januar 1914 kam es in der Zeche Minister Achenbach in Lünen-Brambauer einmal mehr zu einer Schlagwetter-Explosion. 25 Bergleute überlebten das nicht, zehn wurden verletzt. Der jüngste Tote war der 24-jährige Steiger Conrad Dietrich.

An ihn sei für all die toten Kumpel weltweit hier erinnert.

 

 

 

Ursula Kuhr

* 3.10.1939, geb. Erwen, † 11.6.1964 in Volkhoven, deutsche Lehrerin

 

Unzählige Kinder und Jugendliche, doch auch Pädagogen, Erzieher, Betreuer kamen bei Angriffen auf und Amokläufen in Bildungsreinrichtungen ums Leben. Die vierundzwanzigjährige Lehrerin Ursula Kuhr war eine von ihnen.

Am 11. Juni 1964 betrat ein frühverrenteter Polizist vor der großen Pause den Hof der Katholischen Volksschule Köln-Volkhoven. Mit einem selbstgebauten Flammenwerfer und einer Lanze brachte der offenkundig Geisteskranke acht Schülern und zwei Lehrererinnen tödliche Verletzungen zu, weitere zwei Lehrerinnen und 20 Kinder verletzte er schwer.

Als Ergebnis einer öffentlichen Auseinandersetzung darüber, ob die Gefährlichkeit dieses Mannes hätte erkannt und sein Angriff somit verhindert werden können, teilte der zuständige Landschaftsverband Rheinland mit, dass die Rechtslage eine zwangsweise Unterbringung des Täters in einer psychiatrischen Klinik nicht ermöglicht habe.

Im Jahr nach der Tat wurde die neuerbaute Katholische Volksschule in Köln-Heimersdorf nach Ursula Kuhr benannt.

 

 

Ian Parry

* 12.4.1965 in Prestatyn, Wales, † 28.12.1989 bei Găeşti, Rumänien, britischer Fotojournalist

 

Im Alter von 16 Jahre brach Ian Perry seine Schulausbildung ab und begann ein Praktikum als Fotograf bei einer walisischen Lokalzeitung. Dann studierte er in Sheffield am National Council fort the Training of Journalists und arbeitete danach als Freelancer für die “Mail”, die “Times” und die “Sunday Times”.

Im Dezember 1989 berichtete er aus Rumänien vom Aufstand gegen Ceauşescu. Als er sein Fotomaterial außer Landes bringen wollte, stürzte das Flugzeug, in dem er saß, auf dem Flug von Bukarest nach Belgrad ab, alle Insassen kamen ums Leben. Eine Untersuchung ergab später, dass es wahrscheinlich von einer Boden-Luft-Rakete getroffen worden war.

Ian Parry starb im Alter von 24 Jahren.

 

 

 

 

Michael Grzimek

* 12.4.1934 in Berlin, † 10.1.1959 in der Serengeti, deutsche Tierfilmer

 

„Serengeti darf nicht sterben“ – seit Dezember 1957 arbeitete Michael Grzimek im tansanischen Serengeti-Nationalpark, sammelte Material für seine Doktorarbeit, schrieb das Drehbuch für diesen Film, filmte auch selbst, verfasste das Manuskript für das gleichnamige Buch. Sein Vater Bernhard vollendete die Arbeit an Film und Buch, nachdem sein Sohn mit seinem, wie ein Zebra gestrichenem Forschungsflugzeug in der Nähe des Ngorongoro-Kraters mit einem Geier kollidiert und beim Absturz ums leben gekommen war.

Das Buch wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und zum Welt-Bestseller. Der Film wurde sogar mit dem Oscar geehrt.

Bevor der Film in Deutschland aber gezeigt werden durfte, gab es eine heftige Auseinandersetzung mit der deutschen Filmbewertungsstelle. Um einen wirtschaftlich notwendigen Vergnügungssteuernachlass zu erhalten, musste der Film mit dem Prädikat „Wertvoll“ bewertet werden. Das allerdings wollte die Filmbewertungsstelle nur zuwilligen, wenn Textpassagen gestrichen würden, beispielsweise „Diese letzten Reste des afrikanischen Tierlebens sind ein kultureller Gemeinbesitz der ganzen Menschheit, genau wie unsere Kathedralen, wie die antiken Bauten, wie die Akropolis, der Petersdom und der Louvre in Paris. Vor einigen Jahrhunderten hat man noch die römischen Tempel abgebrochen, um aus den Quadern Bürgerhäuser zu bauen. Würde heute eine Regierung, gleich welchen Systems, es wagen, die Akropolis in Athen abzureißen, um Wohnungen zu bauen, dann würde ein Aufschrei der Empörung durch die ganze zivilisierte Menschheit gehen. Genau so wenig dürfen schwarze oder weiße Menschen diese letzten lebenden Kulturschätze Afrikas antasten. Gott machte seine Erde den Menschen untertan, aber nicht, damit er sein Werk völlig vernichte.“

Bernhard Grzimek reagierte empört und schrieb der Bewertungsbehörde: „Menschliche Kunstwerke können immer wieder neu geschaffen werden, während eine Tierart nie wieder neu erstehen kann, wenn sie einmal ausgerottet worden ist. Die Hersteller des Filmes sehen es als sittliche und kulturelle Verpflichtung an, sich ebenso für den Schutz der letzten und großartigen Reste afrikanischer Natur einzusetzen wie für die

Erhaltung europäischer Kulturbauten. Dieser Satz stellt überhaupt den Sinn und die Arbeit dieses Filmes dar.“ Doch erst nachdem er öffentlichkeitswirksam angezweifelt hatte, ob das ganze Bewertungsverfahren überhaupt grundrechtsreform sei, lenkte die Zensurbehörde ein.

45 Jahre danach erschien der Film auch auf DVD, und in einer Besprechung hieß es: „Mit ebenso viel Herzenswärme wie Sachverstand wird … erzählt und die tief empfundene Passion der Grzimeks für das Schicksal nicht nur der Tiere, sondern des Landes und auch der in ihm lebenden Menschen teilt sich in jedem Bild mit. Inzwischen ist der Film, was man gemeinhin Kult nennt, ein Knüller heute schon deshalb, weil er so hübsch angestaubt daherkommt. Der Titel prangt in den reißerischen Lettern eines Horrorfilms der 50er, die Musik von Wolfgang Zeller rührt in herzzerreißender Streicherpathetik zu Tränen. Es passt aber zusammen und funktioniert heute wie damals.“

Michael Grzimek starb im Alter von 24 Jahren in der Serengeti.

 

 

Johannes Secundus

* 15.11.1511 als Johann Nico Everaerts in Den Haag, † 25.9.1536 bei Saint-Amand, Frankreich, niederländischer Dichter

 

Im Alter von 18 Jahren verfasste Johannes Secundus sein erstes Werk mit neulateinischen Elegien. Mit einundzwanzig studierte er in Bourges Rechtswissenschaften und ging im Jahr darauf an den Hof von Karl V. nach Madrid. Hier wirkte er zwei Jahre lang als Sekretär des Erzbischofs von Toledo.

Johannes Secundus verfasste in seinem kurzen Leben zahlreiche Bücher mit Elegien, Epigrammen, Episteln, Oden und mit Prosa. Als sein wichtigstes Werk gilt die „Basia“, in der er sich in Nachahmung Catulls dem Kuss widmete: so mit der „Arithmetik des Kusses“, mit Küssen als Heil- und Nahrungsquelle, mit dem Seelentausch durch Küssen und mit Küssen, die verwunden oder töten.

Er starb im Alter von 24 Jahren auf der Rückreise von Spanien.

 

Der 3. KUSS

„Gib mir ein Küsschen“, so bat ich, „du süsses, du köstliches Mädchen!“

Leicht da hast du sogleich Lippen mit Lippen berührt.

Doch wie einer erschreckt, eine Schlange tretend, zurückzuckt,

Reißest du deinen Mund wieder vom Munde mir weg.

Ach, du mein liebliches Licht! Das war doch kein Küsschen, du Lose!

Branntest nach süßestem Kuss erst mir die Sehnsucht ins Blut.

 

 

 

The Notorious B.I.G.

* 21.5.1972 als Christopher George Latore Wallace in Brooklyn, New York, auch: Biggie, Biggie Smals, Big Poppa, Frank White, † 9.3.1997 in Los Angeles, amerikanischer Rapper

 

Wallace gilt als seiner der erfolgreichsten Rapper. Die Musikzeitschrift „Rolling Stone“ bezeichnete ihn sogar als „besten Rapper, der je gelebt hat“.

Mit zwanzig unterschrieb er seinen ersten Plattenvertrag. Zwei Jahre darauf erschien sein erstes Album „Ready to Die“. Er sagte dazu: Mein Debütalbum ist ein großer Kuchen, wobei jedes Stück einen anderen Punkt in meinem Leben darstellt. „Rolling Stone“ urteilte „Ready to Die“ kontrastiere „düstere Straßenvisionen“ mit „übermütigem Spaß, der das Lustprinzip zurück in den Hip-Hop bringt“.

Vierzehn Tage vor dem Erscheinen seines zweiten Albums „Life After Death“ wurde im Alter von 24 Jahren in einem eskalierenden Streit zwischen East und West Coast Rappern erschossen. 

 

  

 

 

Duane Allman

* 20.11.1946 in Nashville, † 29.10.1971 in Macon, Georgia, amerikanischer Gitarrist

 

Gern zogen sich die Allman Brothers in Macon auf den Rose Hill Cemetery zum Kiffen und Spinnen zurück. Besonders lauschig schien ihnen das Grab von Elizabeth Reed zu sein, einer Freundin ihres Musikerfreundes Boz Scaggs. Dickey Betts meinte später, Duane habe ihn hier auf die Idee zu In Memory of Elisabeth Reed gebracht, allerdings soll Skydog, wie sie Duane riefen, ursprünglich einen Song mit dem Titel In Memory of Duane Allman halluziniert haben.

Und übers Jahr, nachdem In Memory of Elisabeth Reed schon unverzichtbar zu ihrem Konzertprogramm gehörte, sollte Duane nachdem er sich an der Kreuzung Hillcrest Ave/Bartlett St (wie dann auch ihr Basser Berry Oakley) mit seiner Harley zu Tode gefahren hatte, auf dem Rose Hill Cemetery beerdigt sein (wie auch Berry Oakley). Und mittlerweile steht auch ein Grabstein für Gregg Allman hier.

Skydog soll auch gesagt haben, dass er immer, wenn er nach Georgia zurückkomme, einen Pfirsich für den Frieden esse. So heißt denn ihr letztes gemeinsames Album auch Eat a peach.

Wohlan.

 

 

 

Nadia Anjuman

* 27.12.1980, † 5.11.2005 in Herat, afghanische Dichterin

 

Nadja Anjumans erster Gedichtband „Dunkle Rote Blüte“ (Gul-e-dodi) war soeben erschienen und hatte sie rasch in Afghanistan und dem Iran bekannt gemacht, ein zweiter Band sollte im nächsten Jahr folgen.

In einem häuslichen Streit verprügelte ihr Ehemann sie jedoch so schwer, dass sie im Alter von 24 Jahren verstarb.

Ihre Familie verweigerte eine Obduktion, um die genauen Umstände ihres Todes zu ermitteln. Ihr Ehemann erkannte keinerlei Schuld an.

Immerhin verurteilte die UNO die Ermordung Nadia Anjumans als solche und erklärte, dass ihr Tod einen großen Verlust für Afghanistan bedeute.

Allahu akbar.

 

 

 

Ruan Lingyiu

* 26.4.1910 in Shanghai, † 8.3.1935 ebd., chinesische Schauspielerin

 

Ruan Lingyiu spielte in 29 Stimmfilmen und gilt als eine der bekanntesten chinesischen Schauspielerinnen ihrer Zeit. In ihrem wohl bekanntesten Film „Shennū“ verkörperte sie eine alleinerziehende Prostituierte. In „New Woman“ stellte sie eine gebildete Frau dar, die von der Gesellschaft in den Tod getrieben wird. Die Handlung dieses Films basierte auf dem Schicksal der Schauspielerin Ai Xia, die sich 1934 im Alter von 21 Jahren mit Rohopium vergiftet hatte. Infolge von „New Woman“ wurde Ruan Lingyiu übel angefeindet und nahm sich schließlich mit einer Überdosis Barbiturate am Frauentag des Jahres 1935 im Alter von 24 Jahren das Leben. Ihr Trauerzug war durch Shanghai drei Kilometer lang und drei Frauen sollen sich dabei das Leben genommen haben.

Jeanny und ich besuchten ein dreiviertel Jahrhundert nach Ruan Lingyius Suidzid ihre Heimatstadt: Shanghai. Hafenkräne wirken im fahlen Morgenlicht wie überdimensionale chinesische 3D-Schriftzeichen. Die Ankunftshalle am Pier sieht aus wie das Raumschiff Orion. Überhaupt scheint in dieser 22-Millionen-Einwohner-Metropole alles überdimensioniert und futuristisch.

Shanghai gilt als die aufstrebendste Stadt Asiens schlechthin. Und wie steht’s so schön in meinem Reiseführer: Shanghai hat keine Attraktionen, Shanghai ist die Attraktion!

Fantastisches Panorama an einer Biegung des Huangpo, auf dem unablässig Lastkähne, Frachter, Ausflugsboote, Dschunken flussauf- und flussabwärts streben: auf der einen Uferseite die prächtigen Bauten aus Kolonialzeiten, Banken und Hotels vor allem, auf der anderen der weltberühmte Blick auf die Wolkenkratzer, mit dem Orient-Pearl-Tower, dem Shanghaier Fernsehturm, dem Jin Mao Building, das ob seiner Pagodenform als eines der schönsten Hochhäuser weltweit gilt, und dem erst kürzlich fertig gestellten Shanghai World Financial Center, derzeit das höchste Gebäude Chinas.

Wir flanieren durch dichte Menschentrauben über den Bund, flanieren durch dichte Menschentrauben über die Fußgängermeile Nanjing Lu, essen Nudelsuppe mit Stäbchen und köstliche, gefüllte Dampfnudeln, fühlen uns wohl.

Scharen fliegender Händler bieten selbst leuchtende, an die Schuhe zu klemmende Rollleisten feil (der neueste Renner hier offenbar), doch als es plötzlich zu regnen beginnt, preisen dieselben Scharen fliegender Händler urplötzlich Regenschirme an.

Durch den Bund-Sightseeing-Tunnel (psychadelischer Flimmer) gelangen wir zur anderen Flussseite, nach Pudong, wo all die Wolkenkratzer aufragen. Noch 1990 sollen hier Reisbauern ihre Felder bewirtschaftet haben. Unglaublich.

 

 

 

Tammi Terrell

* 29.4.1945 als Thomasina Wimifred Montgomery in Philadelphia, Pennsylvania, † 16.3.1970 ebd., amerikanische Sängerin

 

Tammi Terrel gewann als Schülerin mehrere Talentwettbewerbe und nahm ab ihren sechzehnten Lebensjahr Schallplatten auf. Als sie achtzehn war produzierte James Brown mit ihr zwei Songs und sie tourte mit ihm.

Ab 1965 nahm sie Titel für Motown Records auf und zwei Jahre später wurde sie als Partnerin von Marvin Gaye berühmt. Sie hatten Welthits wie „Ain’t No Mountain High Enough“ oder „Your Precious Love”.

Während einer Tournee bekam Tammi Terrell gesundheitliche Probleme. Es wurde bei ihr ein Gehirntumor diagnostiziert und sie wurde fünfmal operiert. Nach einer vorübergehenden Besserung nahm sie 1969 ein letztes Duo-Album mit Marvin Gaye auf: „Easy“. Und postum erschien im nächsten Jahr noch ein Best-of-Album.

Tammi Terrell starb im Alter von 24 Jahren nach einer weiteren Gehirn-Operation.

 

  

 

 

Wilhelm Hauff

* 29.11.1802 in Stuttgart, † 18.11.1827 ebd., deutscher Schriftsteller

 

Fast genau ein Jahr bevor Wilhelm Hauff im Alter von 24 Jahren starb, schrieb ihm ein Bekannter: „Bekanntlich können Sie das schreiben nicht lassen  und so werden  Sie von Jahr zu Jahr berühmter.  Es kann aber nicht fehlen, daß Sie, in Folge der ungeheuren geistigen Aufreibung, über kurz oder lang in der Blüte ihrer Jahre das Zeitliche segnen.“

Gut ein halbes Jahr vor seinem Tod hatte Wilhelm Hauff über sich gesagt: „Ich bin ein junger armer Mensch, der sich mit seiner Feder durch die Welt schlagen muß; aber diesen Stolz habe ich mir doch aufbewahrt, dass, wenn auch alle übrige Freiheit verloren ist, diese Freiheit noch in meinem Innern fortlebt und meine Gedanken wie meine Handlungen leitet. […] Ich fühle keinen Herrn und Meister über mir, dem ich Gehorsam schuldig wäre, als die ewigen Gesetze des Guten und Schönen, denen ich, wenn auch auf unvollkommener Weise, nachzustreben suche.“

1825, als Wilhelm Hauff sein Brot noch als Hauslehrer verdiente, war er nicht zuletzt mit seinem „Märchen-Almanach auf das Jahr 1826 für Söhne und Töchter gebildeter Stände“ weithin bekannt geworden. Im Vorwort lässt er das personifizierte Märchen sagen: „Sie, die Menschen haben kluge Wächter aufgestellt, die alles, was aus deinem Reich kommt, o Königin Phantasie, mit scharfen Blicke mustern und prüfen. Wenn nur einer kommt, der nicht nach ihrem Sinne ist, so erheben sie ein großes Geschrei, schlagen ihn tot oder verleumden ihn doch so sehr bei den Menschen, die ihnen aufs Wort glauben, daß man gar keine Liebe, kein Fünkchen Zutrauen mehr findet. Ach! wie gut haben es meine Brüder, die Träume, fröhlich und leicht hüpfen sie auf die Erde hinab, fragen  nicht nach jenen klugen Männern, besuchen die schlummernden Menschen und weben und malen ihnen, was das Herz beglückt und das Auge erfreut!“

Die Liste der Werke, die Wilhelm Hauff in seinem kurzem Leben vollendete, mutet nachgerade fantastisch an: Dem ersten Märchen-Almanach, mit der „Geschichte vom Kalif Storch“ oder der „Geschichte von dem kleinen Muck“, folgten zwei weitere Almanach-Bände nach, der zweite beispielsweise mit „Zwerg Nase“ und der dritte mit „Das Wirtshaus im Spessart“ und „Das kalte Herz“. Am Anfang dieser Liste steht die Satire „Der Mann im Mond oder Der Zug des Herzens ist des Schicksals Stimme“. Von seinen Erzählungen dürfte „Jud Süß“ am bekanntesten geworden sein – die Verarbeitung eines Stoffes aus der württembergischen Geschichte um Joseph Süß Oppenheimer, der Opfer eines Justizmordes wurde, ein Stoff, den auch Lion Feuchtwanger in seinem gleichnamigen Roman adaptierte – und den die Nazi-Propaganda dann für jenen berüchtigten Film missbrauchte.

Wilhelm Hauffs historischer Roman „Lichtenstein“ führte dazu, dass an der Stelle, wo er die alte Ritterburg verortet hatte, in den 1840-er Jahren eine neue Burg errichtet wurde, das heutige Schloss Lichtenstein – wo sich auch ein Wilhelm-Hauff-Denkmal bewundern lässt.

Die Erzählung „Jud Süß“ erschien in Fortsetzungen in Cotta’schen „Morgenblatt für gebildete Stände“, bei dem Wilhelm Hauff seit Jahresbeginn 1827 als Redakteur arbeitete. Als nächsten historischen Stoff wollte er sich dem Freiheitsheld Andreas Hofer widmen, trat im Sommer 1827 sogar eine Recherchereise nach Tirol an. Dort infizierte er sich jedoch mit Typhus.

Ludwig Uhland sprach nach dem Tod Wilhelms Hauffs vom „reichen Frühling, dem kein Herbst gegeben“.

 

 

 

Marinus van der Lubbe

* 13.1.1909 in Leiden, † 10.1.1934 in Leipzig, niederländischer Arbeiter

 

Marinus van der Lubbe wurde beschuldigt am 27. Februar 1933, knapp einen Monat nach der Machtübernahme durch die Nazis, den Deutschen Reichstag in Brand gesetzt zu haben.

Auf der Basis eines eigens geschaffenen, nach ihm benannten Gesetzes, der Lex van der Lubbe, verurteilte man ihn wegen „Hochverrats in Tateinheit mit vorsätzlicher Brandstiftung“ zum Tode.

Wikipedia weiß: „Die Nationalsozialisten nutzten den Reichstagsbrand als Vorwand, um mit der Reichsbrandverordnung und der Lex van der Lubbe gegen Anhänger von KPD und SPD vorgehen zu können. […] Bereits kurze Zeit nach der Verhaftung van der Lubbes gab es Zweifel an seiner tatsächlichen Schuld. Sein geistig verwirrtes Auftreten im Prozess ließ Zweifel aufkommen, ob er denn wirklich in der Lage gewesen sei, allein das Parlamentsgebäude anzuzünden und ob demnach sein Geständnis glaubhaft sein könne. Darüber hinaus wurde auch seine Schuldfähigkeit bezweifelt. Vielfach wurde vermutet, dass man ihn zum Prozess absichtlich unter Drogen gesetzt habe. […] Von 1967 bis 1983 wurde das Urteil von bundesdeutschen Gerichten mehrfach abgemildert, für ungültig erklärt oder in veränderter Form wieder bestätigt. Im Dezember 2007 wurde es auf der Grundlage des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege von 1998 endgültig aufgehoben.“

Drei Tage vor seinem 25. Geburtstag wurde Marinus van der Lubbe hingerichtet.

 

 

 

Agnes Bernauer

* um 1410 in Augsburg, † 12.10.1435 bei Straubing, bayerische Hofdame

 

„Es ist das klagwürdige Schicksal der Agnes Bernauer von Augsburg ein Gegenstand würdig dramatischer Behandlung oder eine Novelle“, sagte Christian Friedrich Schönbein. Und tatsächlich beschäftigten sich immer wieder Autoren mit dem Leben und Sterben Agnes Bernauers, nicht zuletzt Friedrich Hebbel in seinem Trauerspiel „Agnes Bernauer“ und Carl Orff in seinem Stück „Die Bernauerin“.

Wahrscheinlich lernte der bayerische Herzogssohn Albrecht III. Agnes Bernauer während eines Turniers in Augsburg kennen. Im Jahr 1428 scheint sie dann Mitglied des bayerischen Hofstaates gewesen zu sein. Sie war die Geliebte und möglicherweise sogar die erste Ehefrau des Albrecht III., ihr selbstbewusstes Auftreten gegen einen Raubritter, der immerhin ein Schwager Albrechts war, im Jahr 1432 lässt darauf schließen.

Albrechts Vater, dem bayerischen Herzog Ernst, schien die unstandesgemäße Beziehung seines Sohnes aber wohl prinzipiell gestört haben. Während Albrecht Jagen war, ließ er Agnes Bernauer verhaften und in der Donau ertränken. Ein Jahr später heiratete Albrecht III., genannt: der Fromme, dann brav Agnes von Braunschweig-Grubenhagen.

 

  

 

Pernette du Guillet

* um 1520 in Lyon, † 7.7.1545 ebd., französische Lyrikerin

 

Der wohl bedeutendste Vertreter der Lyoneser Dichteschule Maurice Scéve ermutigte Pernette du Guilett zum Schreiben und setzte ihr nach ihrem frühen Tod mit seinem Gedichtzyklus „Délie“ ein literarisches Denkmal.

Pernette du Guillet starb im Alter von 25 Jahren an der Pest. Postum erschien „Rymes de gentile et vertueuese dame, D. Pernette  du Guillet, lyonnoise“.

 

 

 

 

Semra Ertan

* 26.5.1957 in Mersin, † 26.5.1982 in Hamburg, türkische Autorin

 

Im Alter von 14 Jahren war Semra Ertan ihren in Kiel arbeitenden Eltern nach Deutschland gefolgt. Sie wollte Bauzeichnerin werden und begann zu schreiben.

Im Alter von 25 Jahren rief sie dann jedoch beim Norddeutschen Rundfunk an und sagte, dass sie sich aufgrund der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland aus Protest öffentlich verbrennen werde. Und am frühen Morgen des 26. Mai 1982 setzte sie dies an der Kreuzung Simon-von-Utrecht-Straße/Detlef-Bremer-Straße im Hamburger Stadtteil St. Pauli tatsächlich um. Ihre letzten Worte sollen eine Verfluchung all derer gewesen sein, die sie nach ihrer Sicht zu dieser Tat getrieben hatten.

2020 erschien unter dem Titel „Mein Name ist Ausländer“ die erste eigenständige Buchpublikation von Semra Ertans Texten auf Türkisch und Deutsch. Für dieses Werk wurde der Autorin von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur postum eine außerordentliche Alfred-Döblin-Medaille zuerkannt. In der Jurybegründung hieß es, in ihren Gedichten erweise sich „das Selbstbewusstsein einer jungen Dichterin, die sich schreibend denkt und schreibend das Wahrgenommene unter ethischen Gesichtspunkten prüft und dabei häufig verwirft. Ihr Tod ist ein Fanal, dass das Dichten in einer gleichgültigen Welt nicht geholfen hat.“ Ursula Krechel, die Vizepräsidentin dieser Akademie, fügte hinzu: „So bestürzend Semra Ertans Entscheidung war: Sie hatte ein genaues Empfinden für die Kluft, die sie von der Mehrheitsgesellschaft trennte und in der vielleicht nur die Poesie ein Augenöffner in einem zukünftigen Raum der Wahrnehmung wäre.“

 

 

 

Johannes XII.

* 939 als Octavian von Spoleto in Rom, † 14.5.964 in der Campagna, Papst

 

Aus Machtspielchen ging Octavian von Spoleto, sechzehnjährig, als Papst hervor: Johannes XII.! Sein ausschweifender Lebenswandel und seine eigenen Machtspielchen führten allerdings dazu, dass er, vierundzwanzigjährig, als Papst abgesetzt wurde. Und im Jahr darauf kam der Mann dann zu Tode.

Franco Cesati unterschrieb in seinem Band „I Misteri del Vaticano o la Roma die Papi“ das zugehörige Bild so: „Giovanni XII è gettano dalla finistra dal marito di Stefanetta, che lo ha sorpreso colla moglie“ – Johannes XII. wird vom Ehemann der Stefanetta aus dem Fenster geworfen, der ihn mit seiner Frau überrascht hat.

Mehr muss dazu wohl nicht gesagt werden.

 

 

 

Heinrich Pfeiffer

* um 1500 als Heinrich Schwerdtfeger in Mühlhausen, † 27.5.1525 bei Mühlhausen, deutscher Prediger und Bauernführer

 

Da er sich mir reformatorischen Schriften beschäftigt hatte, musste der Mönch Heinrich Pfeiffer 1521 aus dem Zisterzienserkloster Reifenstein fliehen. Auf dem nahen Scharfenstein predigte er im Sinne Luthers bis man ihn des Ortes verwies. In Mühlhausen führten seine Predigten zur Verschärfung der innerstädtischen Auseinandersetzungen. Er wurde auch hier verwiesen, ging nach Weimar, doch kehrte nach Mühlausen zurück, wo im August 1524 Thomas Müntzer eintraf. Mit ihm formulierte er die „Elf-Artikel“, in denen die Einsetzung eines „ewigen Rates“ und eine christliche Ordnung gefordert wurden. Danach wurden beide der Stadt verwiesen. Nun ging Pfeiffer nach Nürnberg, wo er seine Schriften „wie die auffrur zu Mühlhausen sich erhebt hab“ und „von aufhebung des gesetz“, drucken lassen wollte. Das allerdings wurde untersagt, die Schriften gingen später verloren. Pfeifer wurde auch aus Nürnberg ausgewiesen und kehrte über Erlangen nach Mühlhausen zurück. Und nachdem auch Müntzer wieder in Mühlhausen weilte, wurden die beiden zu Anführern des hiesigen Aufstands. Ende April 1525 leitete Pfeiffer dann sogar eine militärische Aktion in Bad Langensalza.

Nach der Niederlage der Bauern in der Schlacht bei Frankenhausen verließ Heinrich Pfeiffer mit etwa 300 Aufständischen Mühlhausen, wurde jedoch bei Eisenach rasch gefangengenommen, und am folgenden Tag im Feldlager der siegreichen Fürstenheere zwischen Mühlhausen und Görmar zusammen mit Thomas Müntzer hingerichtet.

 

  

 

 

Jack Phillips

* 11.4.1887 als John George Phillips in Godalming, Surrey, † 15.4.1912 im Nordatlantik, britischer Seemann

 

Der 15. April 1912 gilt als ein Tag, an dem der blinde Fortschrittsglaube, der Glaube daran, dass Technik die Natur beherrschen oder sogar besiegen könne, eine Schramme bekam. Am 15. April 1912 versank das damals größte und für unsinkbar gehaltene Schiff der Welt, die RMS „Titanic“ auf ihrer Jungfernfahrt nach der Kollision mit einem Eisberg 300 Seemeilen südöstlich vor Neufundland im Atlantik. 1514 Menschen ertranken.

Einer von ihnen war Jack Philipps, einer der Funker, die Eiswarnungen an die Schiffsleitung weiterzuleiten hatten.

 

 

 

Gideon Klein

* 6.12.1919 in Přerov, Pseudonym: Karel Vranek, † 27.1.1945 im KZ Fürstengrube, tschechischer Komponist und Pianist

 

Mit zehn begann Gideon Klein zu komponieren, mit elf nahm er Klavierunterricht, mit vierzehn gab er sein erstes Konzert. Nach der deutschen Besatzung seines Heimatlandes konnte er als Jude nicht weiter Musikwissenschaften und Komposition studieren und die Annahme eines Studienplatzes an der Londoner Royal Academy of Music verwehrten ihm die Nazis.

Ende 1941 wurde Gideon Klein ins KZ Theresienstadt deportiert. Hier engagierte er sich mit anderen Künstlern für ein Kulturleben, das anfangs verboten, dann für Propagandazwecke missbraucht wurde. Er komponierte weiter, bearbeitete beispielsweise tschechische und russische Volksweisen für Tenor und Frauenchor, gab Konzerte, hielt Vorträge und gab Unterricht.

Im Oktober 1944 wurde Gideon Klein nach der Auflösung seines Streichtrios nach Auschwitz und weiter ins Außenlager Fürstengrube gebracht, wo er in Kohlegruben schuften musste und im Alter von 25 Jahren, kurz vor der Befreiung des KZs, unter nie geklärten Umständen ums Leben kam.

 

 

 

 

 

Alfred Lichtenstein

* 23.8.1889 in Wilmersdorf, † 25.9.1914 bei Vermandovillers, deutscher Schriftsteller

 

Als Einjährig-Freiwilliger im 2. bayerischen Infanterieregiment nahm Alfred Lichtenstein vom ersten Tage an am Ersten Weltkrieg teil.

Und von Anfang an beschlich ihn offenbar eine Todesahnung, schrieb er doch das Gedicht „Abschied“, in dem er sagt: „Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot“.

Alfred Lichtenstein fiel wenige Wochen nach seinem 25. Geburtstag am 55. Tag des Ersten Weltkriegs.

 

 

 

Maria von Burgund

* 13.2.1457 in Brüssel, † 27.3.1482 in Brügge, Herzogin von Burgund

 

Zwei autobiografische Bücher erschienen über Maximilan I., Erzherzog von Österreich und späterer römisch-deutscher Kaiser, verfasst von seinem Geheimsekretär Marx Treitzsaurwein: der „Weißkunig“ und der „Theuerdank“. Ein Holzschnitt des reich illustrierten „Weißkunig“ heißt: „Wie der junge weiße König die burgundische Sprache lernt.“ Und im zugehörigen Text geht es um die Hochzeit Maximilians mit Maria von Burgund, in deren Folge die burgundischen Niederlande (in etwa die heutigen Beneluxstaaten) für lange Zeit unter habsburgischen (statt unter französischen) Einfluss gerieten.

Am 18. August 1477 kam Maximilian in Gent an und er und Maria sahen sich zum ersten Mal, unterzeichneten aber umgehend den von langer Hand vorbereiteten Ehevertrag, der festschrieb, dass beide gleichberechtigt über die burgundischen Niederlande herrschten. Und am 19. August 1477 wurde schon feierlich geheiratet:

Die braunhaarige Braut, von ihrem Gemahl als schöne, fromme und tugendhafte Frau gelobt,  trug ein goldbesticktes weißes Atlaskleid mit um die Schultern drapiertem Hermeliencape und ihrer burgundischen Krone selbstredend. Maximilian, den man gern auch „den letzten Ritter“ nannte, erschien in silberner Rüstung. Nachdem Ferry de Clugly, Bischof von Tournai, die Hochzeits-Zeremonie vollzogen hatte, übergab Maximilian seiner Gattin 13 Goldstücke, um damit seine lebenslange Bereitschaft auszudrücken für sie zu sorgen. Danach wurde tagelang mit Banketten und Turnieren gefeiert.

Am 10. Februar 1482 nahm Maximilian einmal mehr an einem großen Lanzenstechen in Brügge teil. Maria, die selbst eine vorzügliche Reiterin war, feuerte ihn an. Am 6. März 1482 stolperte ihr Pferd dann aber bei einer Beizjagd über eine Baumwurzel und Maria stürzte. 21 Tage später starb sie im Alter von 25 Jahren an den Folgen dieses Reitunfalls.

25 Jahre später veröffentlichte Maximilian I. seinen Versroman „Theuerdank“, in der er seine Brautfahrt zu Maria von Burgund besingt. Er agiert darin als der werbende und liebende Ritter Theuerdank und Maria erscheint als Fräulein Ernreich. Nicht von ungefähr also wurde Maximilians Herz nach seinem Tode im Sarkophag Marias beigesetzt.

 

 

 

Tarita Cheyenne Brando

* 20.2.1970 auf Tahiti, † 16.4.1995 in Punaauai, tahitianisches Model

 

Während der Dreharbeiten für „Meuterei auf der Bounty“ hatte Marlon Brando Tarita Teripaia kennengelernt, mit ihr einen Sohn gezeugt, und acht Jahre später kam Cheyenne Brando durch künstliche Befruchtung auf die Welt. Marlon Brando führte mit Cheyennes Mutter eine Fernbeziehung, tauchte nur gelegentlich auf Tahiti auf.

Erst kurz vor ihrem 16. Geburtstag besuchte sie ihren berühmten Vater erstmals in Los Angeles, und nachdem sie lange Zeit verehrt hatte, begann sie nun ihn zu verachten, da er sich nie um sie gekümmert habe. Später sagte sie sogar, dass er sie als Kind sexuell missbraucht habe.

Als Cheyenne Marlon Brando dann 1989 an einem Filmset in Toronto besuchen wollte, lehnte der es ab, sie zu treffen, woraufhin sie ihr Auto mutwillig in den Straßengraben lenkte. Sie trug schwere Gesichtverletzungen davon, ihre Karriere als Model war zu Ende, kaum das die begonnen hatte.

Nach einer gescheiterten Ehe verbrachten Tarita Cheyenne Brando die folgenden Jahre zumeist in Entzugskliniken und psychiatrischen Einrichtungen und nahm sich im Alter von 25 Jahren das Leben.

 

 

 

 

 

Richard Gerstl

* 14.9.1883 in Wien, † 4.11.1908 ebd., österreichischer Maler

 

In flagranti hatte Arnold Schönberg seine Gattin Mathilde mit dem Maler Richard Gerstl, dem sie Modell gestanden hatte, erwischt. Porträtiert worden war Mathilde Schönberg von Richard Gerstl schon des Öfteren, und da er als Freund der Familie galt, den großen Komponisten sogar selbst zum Malen gebracht hatte, gab es zudem ein großes Ölgemälde vom Sommer 1908: „Gruppenbild mit Schönberg“.

Einem sitzenden weiblichen Akt (Tempera auf Leinwand, 166 x 116 cm, Herbst 1908) hatte Gerstl jedoch das Gesicht überpinselt, völlig unkenntlich gemacht – vermutlich nachdem sich seine Geliebte der gemeinsamen Kinder wegen für ihren Ehemann aussprach und bevor er verzweifelt einen allerletzten Akt in Szene setzte.

Anlässlich einer Gerstl-Ausstellung schrieb ein Kritiker: „…die nackte Frau, sitzend, die tunlichst ein Rätsel bleiben sollte. Wie gut, dass ihr der Maler das Gesicht zugemalt hat. Dann hat sie wenigstens nicht sehen müssen, wie er sich ein Messer in den Bauch gerammt und elend, wie er war, gleich noch erhängt hat. Dass sie und er, der Maler und sein Bild, knapp hundert Jahre später doch noch vereint sein und dabei keinen Platz hinter dem Streichquartett in fis-Moll rangieren würden, das Arnold seiner lieben untreuen Mathilde gewidmet hat, ja, wer hat das damals wissen können.“

Richard Gerstl suizidierte sich vor einem Wandspiegel. Was für ein Bild!

 

 

 

Fritz Weiss

* 28.9.1919 in Prag, † 4.10.1944 im KZ Auschwitz, tschechischer Swing-Musiker

 

Fritz Weiss spielte schon in den Schülerband der Prager International English Grammar School Trompete. Und als im Zuge der deutschen Besatzung Schulen und Universitäten geschossen wurden, versuchte sich der Student Fritz Weiss als Jazz-Musiker durchzuschlagen. Aufgrund der Rassengesetzte war ihm selbst dies allerdings nur heimlich möglich, so arrangierte er vor allem.

Ende Dezember wurde Fritz Weiss dann aber nach Theresienstadt deportiert, seine Arrangements schmuggelten Freunde nach Prag, wo das Orchester Karel Vlach diese sogar auf Platte einspielten. Und Fritz Weiss leitete in Theresienstadt die von Erich Vogel gegründeten „Ghetto Swingers“, denen auch der Jazz-Gitarrist Coco Schumann, der bei den „Ghetto Swingers“ als Schlagzeuger mitwirkte.

Coco Schumann erinnerte sich: „„Die Kunst, die Musik, das Spiel dienten als direkte, einfache und komfortable Flucht aus dem furchtbaren Lageralltag. Gebraucht wurde nur, was die Häftlinge sowieso mitbrachten: ihr Können und ihr Handwerkszeug. Ich war ein Paradebeispiel. Wenn ich spielte, vergaß ich, wo ich stand. Die Welt schien in Ordnung, das Leid der Menschen um mich herum verschwand – das Leben war schön. […] Wir waren eine ‚normale' Band mit ‚normalem' Publikum. Wir wußten alles und vergaßen alles im gleichen Moment für ein paar Takte Musik. Wir spielten für und um unser Leben – wie alle in dieser 'Stadt', diesem grausamen, verlogenen Bühnenbild für Theateraufführungen, Kinderopern, Kabaretts, wissenschaftliche Vorträge, Sportveranstaltungen, für ein absurdes soziales Leben und ein skurril selbstverwaltetes Überleben in der Warteschlange vor den Öfen des Dritten Reichs.“

Im Gegensatz zu Coco Schumann und Erich Vogel überlebte die meisten der „Ghetto Swingers“ den Holocaust nicht, so auch Fritz Klein, der, am Ende nach Auschwitz gebracht, sich an der Rampe angeblich nicht von seinem alten Vater trennen wollte, als „arbeitsuntauglich“ selektiert und sogleich ins Gas geschickt wurde.

 

 

 

Wassili Iwanowitsch Ignatenko

* 13.3.1961 in Spjaryschscha, Weißrussische SSR, † 13.5.1986 in Moskau, sowjetischer Feuerwehrmann

 

Im Herbst 2013 besuchte ich eine Gedenkstätte, die auch für Wassili Iwanowitsch Ignatenko eingerichtet wurde, für ihn, wie für die 41 Menschen, die direkt durch die Tschenobyl-Katastrophe ums Leben kamen, wie auch für all Menschen, die an den Spätfolgen dieses Super-GAUs verstarben, vermutete: eine Million.

Erwogen hatte ich, bis nach Tschernobyl zu fahren. Zum einen schien mir das letztlich jedoch dem Ort einer solchen Katastrophe nicht angemessen. Zum anderen erfuhr ich, dass es (noch immer) eine 30-Kilometer-Sperrzone um Tschernobyl gibt, in die kein Privatfahrzeug darf. Gruppenbesichtigungen per Bus werden zwar angeboten, aber zu horrenden Preisen. Und: als Gruppen-Touri nach Tschernobyl… ? Nein, danke. Nicht zuletzt scheint es einfach nach wie vor gefährlich, gibt’s dort beispielsweise reichlich Hotspots, deren Strahlungsintensität tödlich sein kann.

Das Tschernobyl-Museum also: eingerichtet in einer alten Kiewer Feuerwache. Und keinesfalls zufällig, waren doch Kiewer Feuerwehrleute unter den ersten Opfern. Und ohne recht zu wissen, was in jener Aprilnacht des Jahres 1986 eigentlich geschehen war, ohne entsprechende Schutzausrüstung und –kleidung waren sie nach Tschernobyl beordert worden. (Irgendwie kommen mir die New Yorker Feuerwehrleute in den Sinn, die am 11. September 2001 in den Twin Towers ums Leben kamen…)

Das Museum bietet solide sachliche und künstlerische Aufarbeitungen der Vorgänge an. Und im Ausgangsbereich entdeckte ich zu guter Letzt sogar eine kleine Ausstellung über Fukushima.

 

 

Juraj Jánošik

* 25.1.1688 (getauft) in Terchová, † 18.3.1713 in Liptovský Mikulaš, slowakischer Nationalheld

 

Im Alter von 18 Jahren trat Juraj Jánošik den aufständischen Kuruzen um Franz Rákóczi gegen die Habsburger bei. Spätestens fünf Jahre später kämpfte er im Robin Hood Stil gegen Reiche, wurde zur Legende, da er seine Beute angeblich unter den Armen verteilte. 1712 wurde er in Hrachov erstmals verhaftet, konnte jedoch fliehen, Im Jahr darauf zechte er in der Dorfkneipe von Valaská Dubová mit einer Liebsten, und als Gendarmen anrückten, soll ihm ein altes Weib Erbsen unter die Stiefel gestreut haben, so dass er beim Fluchtversuch stürzte.

Juraj Jánošik wurde grausam gefoltert und nach kurzer Gerichtsverhandlung im Alter von 25 Jahren gehenkt.

Der slowakische Dichter Ján Botto verfasste einen Roman über Juraj Jánošik Leben, und mehrere Spielfilme wurden gedreht. Weit verbreitet war in den 1970er Jahren die 12-teilige polnische Fernsehserie „Janosik, Held der Berge“. Benannt nach dem slowakischeh Nationalhelden wurde der Ort Jánošiková.

 

 

 

 

 

Wilhelm Waiblinger

* 21.11.1804 in Heilbronn, † 17.1.1830 in Rom, deutscher Dichter

 

Wilhelm Waiblinger studierte Theologie am Tübinger Stift, als er eines Sommertages den wahnsinnigen Friedrich Hölderlin in seinem Turm besuchte. Diese Begegnung beeindruckte ihn so sehr, dass er umgehend einen Roman zu schreiben begann, der bereits im Jahr darauf, 1823, erschien und weite Verbreitung fand, der „Phaeton“:

 

Ach! jene Zeiten waren verſchunden,

und das ſo bald! Mit ihnen jene ſtille Ein

falt des heitern kindlichen Sinnes, des unge-

truͤbten, warmen Herzens, jenes ahnende ſchwel-

lende Hangen an Allem, jenes Wogen und

Fuͤhlen einer ſo vollen, ſo zarten, und doch

ſo geſtillten Bruſt! Das all’ war dahin!

 

Und Wilhelm Waiblinger blieb von Friedrich Hölderlin fasziniert, veröffentlichte vier Jahre darauf dann sein Buch „Friedrich Hölderlin’s Leben, Dichtung und Wahnsinn“, das als Beginn der Hölderlin-Forschung gilt.

 

Mich umgab die unermeßliche Welt, die

Bilder alles Schoͤnen und Großen, mit rau

ſchender Fuͤlle. Mit kuͤhnem, unbefriedigtem

Sinne griff ich nach allem, draͤngte mich ſu-

chend und ſtrebend in alles. Aber alles war

ſo weit, ſo auseinander, ſo fern und kalt, ſo

gar nicht mein, und ich wollte doch etwas ſo

ganz Anderes! Was mir oft, wie ein heißer,

liebender Kuß, meine gluͤhenden Wangen

druͤckte, das fand ich nicht!

 

Und alsbald galt Wilhelm Waiblinger als „junge Wilde“ der Biedermeierzeit, verkehrte mit einer fünf Jahre älteren Frau, hatte eine homoerotische Beziehung zu Edward Mörike, lebte ausschweifend und schrieb darüber. Und als seine „Lieder der Verirrung“ und sein Text „Drei Tage in der Unterwelt erschienen waren, war’s vorbei mit dem Theologie-Studium. Sein Verleger Friedrich Wilhelm Cotta riet ihm zu einer Italienreise.

 

Warum war ich herausgegangen aus

mir? Suchte mit namenloſem Drange nach

jenem Etwas, und konnt’ es doch nur finden

im eigenen Buſen? Jch ſuchte mich ſelbſt und

ſuchte mich auſſen.

Jch fand, und .... das genuͤgte mir doch

nicht. O wie mich das ſchmerzte!

Jch gieng tiefer, bald mit Wehmuth,

bald mit Verzweiflung. Aber mein Sehnen

ward nur heißer, nur voller.

Da fand ich das Eine, jenes Etwas,das alt iſt, wie Gott.

 

In Rom lebte Wilhelm Waiblinger in wilder Ehe mit Nena Carlenza, genoss alle Freizügigkeiten, schrieb, zog sich in Sizilien eine schwere Lungenentzündung zu und starb, zurück in der Ewigen Stadt, im Alter von nur 25 Jahren.

 

Er iſt die ſchrankenloſe Freyheit. Jhn

ahnt der Menſch, aber er gehorcht

ihm. Weh’ ihm, wenn er mehr will!

Wahnſinn faͤllt auf ihn.

So entſtand dieß Gebilde, meine Welt!

O Freund! ſie iſt mein, ich bin nur in ihr, durch ſie. Phaethon hat mich geſchaffen.

 

 

 

Françoise Dorléac

* 21.3.1942 in Paris, † 26.6.1967 in Vielleneuve-Loubet, französische Schauspielerin

 

Françoise Durléac studierte klassischen Tanz, nahm Schauspielunterreicht und arbeitete am Pariser Theater. Bereits im Alter von 15 Jahren hatte sie in einem Kurzfilm mitgewirkt, mit zwanzig hatte sie ihre erste Hauptrolle im Spielfilm „Die tolle Masche“. Berühmt wurde sie im Jahr darauf durch Truffauts „Die süße Haut“ und de Brocas „Abenteuer in Rio“. Erfolgreich war auch der Musicalfilm „Die Mädchen von Rochefort“, in dem sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Catherine Deneueve agierte. Insgesamt wirkte sie in mehr als 20 Filmen mit.

Françoise Durléac kam im Alter von 25 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

 

 

 

Edeltraut Eckert

* 20.1.1930 in Hindenburg, † 18.4.1955 in Leipzig, deutsche Autorin

 

Im Alter von 15 Jahren floh Edeltraut Eckert mit ihrer Familie aus Schlesien nach Brandenburg. 1949 begann sie ein Pädagogik-Studium an der Berliner Humboldt-Universität und schloss sich einer antikommunistischen Widerstandsgruppe an, verteilte mit Freunden in Rathenow Flugblätter.

Im Mai 1950 wurde Edeltraut Eckert verhaftet und von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Als Insassin des Zuchthauses Waldheim begann sie Gedichte zu schreiben, schrieb weiter im Gefängnis Hoheneck und wurde Ende 1954 der DDR-Justiz überstellt, die ihr eine Haftentlassung für 1958 in Aussicht stellte. Dann erlitt sie bei einem Arbeitsunfall jedoch eine schwere Kopfverletzung, wurde nach Leipzig verlegt und mehrfach operiert. Eine Serie von Infektionen führte letztlich zu Wundstarrkrampf, dessen Behandlung erfolglos blieb.

Edeltraut Eckert starb im Alter von 25 Jahren. Postum erschienen zwei Gedichtbände: „Hinter Gittern – ein Mensch“ (München, 1969) und „Jahr ohne Frühling“ (Frankfurt a.M., 2005).

 

 

 

Deniz Gezmiş

* 27.2.1947 in Ankara, † 6.5.1972 ebd., türkischer Studentenführer

 

Im Alter von 19 Jahren begann Deniz Gezmiş an der Universität Istanbul Jura zu studieren und gründete zwei Jahre darauf die „Organisation der revolutionären Jurastudenten“.

Er nahm an diversen Protestaktionen teil und wurde mehrfach verhaftet. Nachdem er bei einer Aktion verwundet worden war, floh er aus der Türkei nach Jordanien und erhielt in PLO-Camps eine Guerilla-Ausbildung. Ende 1969 gründete er dann die Volksbefreiungsarmee der Türkei mit. Nach einer Aktion dieser Organisation geriet er in der Provinz Sivas in ein Feuergefecht und wurde schließlich verhaftet.

In einem Prozeß wurden Deniz Gezmiş und 17 weitere Angeklagte zum Tode verurteilt. Sein Begnadigungsgesuch wurde abgelehnt und Deniz Gezmiş im Alter von 25 Jahren gehängt. Zuletzt soll er gerufen haben: Es lebe die vollkommen unabhängige Türkei!

Über sein Wirken wurden mehrere Theaterstücke, Filme, Bücher und Lieder sowie eine Fernsehserie verfasst.

 

 

 

 

 

Scott LaFaro

* 3.4.1936 in Newark, New Jersey, † 6.7.1961 in Flint, New York, amerikanischer Jazz-Bassist

 

In der Grundschule lernte Scott LaFaro Klavier zu spielen, an der Junior High School Bassklarinette, an der High Scholl Tenosaxophon und schließlich im College Kontrabass.

Alsbald gab er sein Studium auf, um mit Buddy Morrows Big Band zu touren. In Los Angeles versuchte er sein Glück dann auf eigene Faust, jammte mit Chet Baker, Ornette Coleman, Benny Goodman, Stan Kenton und anderen Jazz-Größen und spielte dann im Bill-Evans-Trio, wo er zu einem der einflussreichsten Bassissten der Jazzgeschichte wurde. Christopher Meeder sagte: „LaFaro spielte mit virtuoser Technik, begab sich oft für lange Soli in die höheren Register des Instruments und entschied sich häufig dafür, Gegenmelodien anstatt traditioneller Walking-Bass-Linien zu spielen.“

Scott LaFaro kam im Alter von 25 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

 

  

 

 

Rita Maiburg

* 23.6.1952 in Bonn, † 9.9.1977 in Greven, deutsche Pilotin

 

Im Alter von 15 Jahren begann Rita Maiburg mit dem Segelfliegen, zwei Jahre später erwarb sie die Privatpilotenlizenz, und danach bildete sie sich im nichttechnischen Bereich bei der Bundesanstalt für Flugsicherung in Bonn weiter aus.

Nachdem sie arbeitslos geworden war, prozessierte sie gegen die Lufthansa, die sich weigerte, Frauen als Piloten auszubilden, geschweige denn anzustellen. Zwar verlor Rita Maiburg vor Gericht, wurde aber so bekannt, dass sie von der regionalen Fluggesellschaft DLT als Pilotin eingestellt, und im Alter von 24 Jahren zur ersten Flugkapitänin im regulären Liniendienst befördert wurde, weltweit!

Im Jahr darauf stieß Rita Maiburg auf dem Weg zum Flughafen am Steuer ihres Autos mit einem Milchtankwagen zusammen und starb im Krankenhaus eine Woche später an einer Lungenembolie.

 

 

 

Randy Rhoads

* 6.12.1956 als Randall William Rhoads in Santa Monica, Kalifornien, † 19.3.1982 in Leesburg, Florida, amerikanischer Rock-Gitarrist

 

Im Alter von sechs Jahren begann Randy Rhoads Gitarre zu spielen, mit vierzehn gründete er seine erste Band und fünf Jahre später „Quiet Riot“, mit dieser Heavy-Metal-Gruppe spielte er drei Alben ein. Und ebenso viele dann mit Ozzy Ozborn, mit dem er seit 1979 zusammenarbeitete. Ozzy Osborn sagte, Randy Rhoads sei „der vielleicht beste Gitarrist unten den vielen tollen Saitenzauberern, mit denen ich bisher zu tun gehabt habe, und eine riesige Inspirationsquelle, die mich aus meinen Depressionen gerissen hat.“ Das Fachmagazin „Rolling Stone“ liste ihn 20111 auf Rang 36 der „100 größten Gitarristen aller Zeiten“.

Randy Rhoads starb im Alter von 25 Jahren bei einem Flugzeugabsturz.

 

  

 

 

 

Tupac Amaru Shakur

* 16.6.1971 als Lesane Parish Crooks in Manhattan, New York, Pseudonyme: 2Pac und Makaveli, † 13.9.1996 in Las Vegas, Nevada, amerikanischer Rapper

 

Tupac Amaru Shakur hatte auch gefühlvolle Zeilen drauf, zärtliche fast wie in „Dear Mama“, zumeist klangen seine Texte jedoch deutlich nach seiner Herkunft aus East Harlem, aus den Slums, und nicht von ungefähr hatte seine Mutter, eine Black-Panther-Aktivistin, seinen Vornamen vom harmlosen Lesane Parish nach einem südamerikanischen Revolutionär zum kämpferischen Tupac Amaru ändern lassen, als er ein Jahr alt war.

Bevor er Rapper wurde, verdiente er seine Kohle allerdings erstmal als Dealer und Gangster, verinnerlichte so nicht nur die Sprache der Gewalt, sondern auch die Gewalt selber, und als Rapper trug er so machen Beef, so manchen aggressiven Disput, auch mit anderen Rappern aus. Er disste, er beleidigte also nicht nur verbal, sondern geriet auch mehr und mehr in rüde Gewalt.

1994 wurde er schwer angeschossen, 1996 auf offener Straße von Projektilen durchsiebt.

Tupac Amaru Shakur wurde nur 25 Jahre alt. Weltweit wurden 75 Millionen seiner Tonträger verkauft. Die Oskar-nominierte Dokumentation„Tupac: Resurrection“ und der Film „All Eyez on Me“ basieren auf seinem Leben, ebenso das Hörspiel „Offenbarung 23“. Im Jahr 2020 erhielt er den „Namibian Annual Music Award“. Im Ranking der Musikzeitschrift „Rolling Stone“ erscheint er auf Rang 86 der „100 größten Musiker aller Zeiten“.

 

 

 

Maurice Bavaud

* 15.1.1916 in Neuenburg, Schweiz, † 14.5.1941 in Berlin-Plötzensee, Schweizer Seminarist

 

Am 9. November 1938, in der Kristallnacht also, versuchte Maurice Bavaud Hitler zu erschießen. Anlässlich des Gedenkmarsches für den Hitlerputsch des Jahres 1923 war der Schweizer nach München gekommen, hatte tatsächlich einen Platz auf der Ehrentribüne bei der Feldherrenhalle ergattert, fand dann aber keine Möglichkeit seine Schmeisserpistole zu ziehen und auf den Diktator zu feuern.

Auf der Rückfahrt in die Schweiz geriet Maurice Bavaud in eine Fahrkartenkontrolle, konnte keinen Fahrschein vorweisen und wurde verhaftet. In Verhören konnte er jedoch irgendwie glaubhaft machen, dass er die Pistole nur bei sich trage, da er ein großer Waffennarr sei. Das Amtsgericht Augsburg verurteile ihn wegen Schwarzfahrens und unbefugten Waffentragens zu zwei Monaten und einer Woche Gefängnis.

Dann prüfte die Gestapo jedoch den Fall und fand heraus, was Maurice Bavaud wirklich vorhatte. Er gestand schließlich, wurde nach Berlin überführt und vor den Volksgerichtshof gestellt, der ihn in einem Geheimprozess am 18. Dezember 1939 zum Tode verurteilte.

Die Schweizer Gesandtschaft in Berlin hatte es nicht nur abgelehnt, Maurice Bavaud die übliche konsularische Hilfe zukommen zu lassen, einen Verteidiger zu stellen beispielsweise, sondern der Gesandte hatte gegenüber dem Außenministerium der Schweiz die Attentatspläne Bavauds sogar als verabscheuungswürdig gebrandmarkt. Und er gab dann die Nachricht vom Todesurteil für Maurice Bavaud nicht mal an dessen Vater weiter. Gegenüber dem deutschen Außenministerium hatte ein Schweizer Legationsrat versichert, dass die Schweiz gegen eine Hinrichtung nichts unternehmen werde, „sie würde keinen Antrag auf Begnadigung von Bavaud stellen“

Nach dem Krieg versuchte Maurice Bavauds Vater seinen Sohn rehabilitieren zu lassen. Ein erster Versuch endete am 12. Dezember 1955 mit einem Urteil des Landgerichts Berlin-Moabit, in dem die Strafe Maurice Bavauds postum reduziert, jedoch die Verurteilung wegen versuchten Mordes prinzipiell bestätigt wurde. In der Urteilsbegründung hieß es: „Das Leben Hitlers ist […] in gleicher Weise als geschütztes Rechtsgut anzuerkennen, wie das Leben eines jeden anderen Menschen. Ein Rechtfertigungsgrund im Sinne einer etwa erlaubten Diktatorentötung ist dem Strafrecht fremd.“ In einem zweiten Wiederaufnahmeprozess wurde Maurice Bavaud im Jahr darauf aber endlich vollständig rehabiliert und die Bundesrepublik Deutschland sprach den Hinterbliebenen Maurice Bavauds eine Wiedergutmachung in Höhe von 40.000 Schweizer Franken zu.

Es dauerte jedoch bis zum Jahr 2008, dass sich die Schweizer Regierung für ihr Versagen im Fall Bavaud erklärte. Der damalige Schweizer Bundespräsident Pascal Couchepin: „Aus heutiger Sicht hatten sich die Schweizer Behörden damals zu wenig für den Verurteilten eingesetzt […]. Er hatte wohl das Verhängnis, das Hitler über die ganze Welt brachte, vorausgeahnt, und er verdient damit unsere Erinnerung und Anerkennung.“

Hitler hatte, als er von Maurice Bavauds Attentatsversuch erfuhr, höchstpersönlich angeordnet, dass Schillers Drama „Wilhelm Tell“ im Tausendjährigen Reich nicht mehr aufgeführt und auch dessen Behandlung im Schulunterricht verboten werde.

 

 

 

Tommy Bolin

* 1.8.1951 als Thomas Richard Bolin in Sioux City, Iowa, † 4.2.1976 in Miami, Florida, ameriaknischer Rockgitarrist

 

Tommy Bolin erste Instrumente waren Schlagzeug und Klavier. Mit vierzehn spielte er zum ersten Mal mit einer Band, mit fünfzehn gründete er seine erste Gruppe, weitere folgten. Das Gitarrespiel eignete er sich autodidaktisch an. Ein erstes Album veröffentlichte er im Alter von neunzehn Jahren mit Zephyr.

Mit zweiundzwanzig spielte er mit Billy Cobham, dann mit der James Gang, mit Dr. John und Alphonse Mouzon. Und dann stieg Tommy Bolin  im Alter von vierundzwanzig Jahren nach dem Weggang von Ritchie Blackmore bei Deep Purple ein.

Der letzte Song des Albums „Come Taste The Band“, für das er gemeinsam mit David Coverdale sechs Titel beigesteuert hatte, heißt „You Keep on Moving“:

You keep on moving

Far away far away

Everyday wheels are turning

An the cry still returning…

Tommy Bolin starb im Alter von 25 Jahren nach einem Konzert der „Tommy Bolin Band“ durch eine Überdosis Heroin in Verbindung mit Alkohol.

 

 

 

Rudolf Braune

* 16.2.1907 in Dresden, † 12.6.1932 bei Düsseldorf, deutscher Autor

 

Franz war einmal unten über den großen Strom geschwommen und in die Strudel hineingeraten. Er kam aus einem in den anderen, sie zogen ihn glatt hinunter, und er machte sich ganz steif. Als er wieder oben war, kam der nächste. Das Spiel ging so eine Weile fort, und er hatte es eigentlich schon aufgegeben. Aber er konnte sich später genau erinnern, daß er bei jedem Strudel gesagt hatte: Du schwimmst nie mehr über den Fluß. Er war natürlich wieder herausgekommen. Man muß nur den Atem anhalten und sich steif machen, hatte Rudolf Braune in seiner Erzählung „Der Kurier“ geschrieben.

Was ihm als Erzähler gelang, wurde ihm in der Realität zum Verhängnis: Rudolf Brauen starb genau auf die von ihm geschilderte Art beim Baden unweit des Freibades Pappelteich bei Düsseldorf.  Es galt als Mutprobe unter jungen Männern, sich im Sog von Schleppern, die den Rhein befuhren, in den sich bildenden Strudeln in die Tiefe ziehen zu lassen.

Als Rudolf Brauen im Alter von 25 Jahren ums Leben kam, hatte er bereits Artikel in der „Weltbühne“ und in der „Frankfurter Zeitung“ sowie zwei Romane: „Der Kampf auf der Kille“ und „Das Mädchen an der Orga Privat“ veröffentlicht. Das Erscheinen seines dritten Romans „Junge Leute in der Stadt“ erlebte er schon nicht mehr.

 

 

 

Peaches Geldof

*13.3.1989 als Peaches Honeyblossom Geldof in City of Westminster, † 4.7.2014 in Wrotham, britisches Model

 

Peaches Geldof war das zweite Kind des Musikers Bob Geldof und der TV-Moderatorin Paula Yates, die im Jahr 2000 an einer Überdosis Heroin starb.

Peaches Geldof besuchte die New York University und schrieb und produzierte dann ihre Reality-Shows „Peaches Geldof: Teenage Mind“ und „Peaches Geldof: Teen America“. Sie schrieb auch Artikel für den „Daily Telegraph“ und „The Guardian“. Dann versuchte sie sich als DJ, Model und Moderatorin.

Im Alter von 25 Jahren kam Peaches Geldof durch Heroin ums Leben.

 

  

 

  

John Keats

* 31.10.1795 in London, † 23.2.1821 in Rom, englischer Dichter

 

John Keats wurde zu Halloween in einem Stall geboren. Alsbald war er Waise und als er 1817 seinen ersten Lyrikband „Poems“ veröffentlichte, verhöhnte ein Kritiker seine Gedichte als „Cockney Poetry“ – von sozial niederer Herkunft. Folgenden Bänden wie dem „Endymion“ erging es kaum besser.

Ja, es brauchte seine Zeit, bis John Keats neben Byron und Shelley als einer der bedeutendsten Vertretern der zweiten Generation der englischen Romantik galt, und Oscar Wilde ihn einen „gottgleichen Jungen, den wahren Adonis unserer Zeit“, nannte. „[…] In meinem Himmel geht er ewig neben Shakespeare und den Griechen.“

Nicht von ungefähr wohl findet sich unter John Keats Gedichten auch eines mit dem Titel „Über den Ruhm“:

 

Wie fieberkrank ist, wer das nicht vermag:

Kaltblütig seine Sterblichkeit besehn.

Sein Lebensbuch zerrauft der Tag für Tag,

Sein guter Name muß abhanden gehen.

Als reiße sich die Rose selbst vom Stengel!

Als greif die Pflaume in ihr Blühn zurück!

Als trübe die Najade, elfisch quengelnd,

Der Grotte Reinheit mit der Schwermut Schlick!

Die Rose auf dem Busche aber bleibt,

Dem Winde Küsse, Bienen Speise schenkend.

Die Pflaume wölbt ihr wie beschlagnes Kleid

Und  den kristallnen Leib der stete See.

Warum nun soll, erhitzt sich anverrenkend

Der Welt um Gunst, der Mensch dem Heil entgehn?

 

John Keats starb im Alter von 25 Jahren an Tuberkulose.

 

 

 

Raden Adjeng Kartini

* 21.4.1879 in Mayong, Java, † 17.9.1904 in Rembang, Java, indonesische Frauenrechtlerin

 

Raden Adjeng Kartinis Geburtstag wird in Indonesien, an den Schulen des Landes insbesondere, als Feiertag begangen, der Hari Kartini, ihre Grabstelle in Bulu gilt als Wallfahrtsstätte. Ein Venuskrater wurde nach ihr benannt und Präsident Sukarno erklärte sie zur indonesischen Nationalheldin.

Geboren als javanische Prinzessin hatte Raden Adjeng Kartini, entgegen der üblichen Erziehung von Mädchen, das Privileg eine Schule zu besuchen, lernte sogar Niederländisch, die Sprache ihrer Kolonialherren und erfuhr durch die Korrespondenz mit niederländischen Schulfreundinnen, von den Fortschritten der Frauenbewegung andernorts. In einem Brief schrieb sie: „Wie viel besser würde es meinem Land doch gehen, wenn auch die Frauen eine gute Schulbildung erhielten!“

Als sie dann 1903 mit dem 25 Jahre älteren Regenten von Rembang, der bereits drei Frauen hatte, verheiratet werden sollte, willigte sie nur unter einer Bedingung ein: Die Gründung einer Mädchenschule.

Ihre umfängliche Korrespondenz wurde postum veröffentlicht, zuerst auf Niederländisch („Door Duisternis tot Licht“),  dann auf Indonesisch („Habis Gelap Terbitlah Terang“) und auf Englisch („Letters of a Javanese Princess“). Bereits der erste Brief vom 25. Mai 1899 erklärt klar Raden Adjen Kartinis Streben:

Ich sehne mich danach, zu einem ‚modernen Mädchen’ zu werden, zu einem stolzen, unabhängigen Mädchen! Sie, die glücklich und selbständig, leicht und aufmerksam ihren Weg durch das Leben tritt, voller Enthusiasmus und warmem Gefühl. Sie arbeitet nicht nur für ihr eigenes Wohlergehen und Glück, sondern für das Wohl der gesamten Menschheit.

Ich strahle vor Begeisterung für die neue Zeit und kann wirklich sagen, dass ich in meinen Gedanken und Sympathien nicht zur indischen Welt gehöre, sondern zu der meiner blassen Schwestern, die im fernen Westen vorwärts kämpfen.

Wenn die Gesetze meines Landes es erlaubten, gab es nichts, was ich lieber getan hätte, als mich ganz der Arbeit und dem Streben der neuen Frau in Europa zu widmen; Aber jahrhundertealte Traditionen, die nicht gebrochen werden können, halten uns in ihren unnachgiebigen Armen fest. Eines Tages werden sich diese Arme lockern und uns gehen lassen, aber diese Zeit liegt noch weit von uns entfernt, unendlich weit. Es wird kommen, dass ich weiß; es können drei, vier Generationen nach uns sein. Oh, du weißt nicht, was es heißt, diesen Jungen, dieses neue Zeitalter mit Herz und Seele zu lieben und dennoch an Hand und Fuß gebunden zu sein, gefesselt durch alle Gesetze, Bräuche und Konventionen des eigenen Landes. Alle unsere Institutionen sind direkt gegen den Fortschritt, nach dem ich mich so sehr für unser Volk sehne. Tag und Nacht frage ich mich, auf welche Weise unsere alten Traditionen überwunden werden könnten. Für mich selbst könnte ich einen Weg finden, sie abzuschütteln, zu brechen, wenn mich nicht eine andere Bindung, die stärker ist als jede uralte Tradition, jemals an meine Welt binden könnte; und das ist die Liebe, die ich für diejenigen trage, denen ich mein Leben verdanke und denen ich für alles danken muss. Habe ich das Recht, die Herzen derer zu brechen, die mir mein ganzes Leben lang nichts als Liebe und Güte geschenkt haben und die mich mit der zärtlichsten Sorgfalt umgeben haben?

Aber es waren nicht nur die Stimmen, die mich aus diesem fernen, so hellen, neugeborenen Europa erreichten, die mich nach einer Änderung der bestehenden Bedingungen sehnen ließen. Schon in meiner Kindheit verzauberte das Wort ‚Emanzipation’ meine Ohren; es hatte eine Bedeutung, die nichts anderes hatte, eine Bedeutung, die weit über mein Verständnis hinausging, und erweckte in mir eine immer größer werdende Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit - eine Sehnsucht, allein zu stehen. Die Bedingungen sowohl in meiner eigenen Umgebung als auch in denen anderer um mich herum brachen mir das Herz und ließen mich mit namenlosem Leid nach dem Erwachen meines Landes sehnen.

Dann wurden die Stimmen, die aus fernen Ländern drangen, klarer und klarer, bis sie mich erreichten, und zur Zufriedenheit einiger, die mich liebten, aber zum tiefen Kummer anderer brachten sie Samen, die in mein Herz eindrangen, Wurzeln schlugen und stark wurden und kräftig…

Raden Adjeng Kartini starb bei der Geburt ihres ersten Kindes im Alter von 25 Jahren.

Der Indonesienkenner Rüdiger Siebert sagte: „Kartini hätte in Indonesien nicht die geringste Chance gehabt, ein Mythos zu werden, wenn sie kinderlos oder gar unverheiratet gestorben wäre. Dass sie im Kindbett verschied und das Baby überlebte, hat ihrem Schicksal die Tragik verliehen, die den Namen Kartini über die Generationen hinweg volkstümlich erhalten wird.“

 

 

 

Lukan

* 3.11.39 als Marcus Annaeus Lucanus in Corduba, † 30.4.65 in Rom, römischer Dichter

 

Lukan war ein Neffe Senecas des Jüngeren und gehörte zum Kreis der Gebildeten am Hofe Kaiser Neros. Er schrieb fleißig und erfolgreich, erhielt sogar Preise, einen Lorbeerkranz bei den Neronia nicht zuletzt.

Das allerdings schien sein Verhängnis: Nero, der sich selbst für einen begnadeten Dichter hielt, wurde neidisch und Lukan beschuldigt, sich einer Verschwörung gegen den Kaiser angeschlossen zu haben. Man zwang ihn, sich die Pulsadern aufzuschneiden.

Während er verblutete, soll Lukan tapfer aus seinem unvollendeten Epos „De bello civili“ rezitiert haben: „…a nullo tenebris damnabimur aevo!“ (… wir werden von keinem Zeitalter in die Dunkelheit verbannt!)

In seiner „Göttlichen Komödie“ ließ Dante Lukan immerhin neben Homer und Vergil ein schmerzfreies Dasein genießen. Goethe erweckte eine von Lukan erfundene Figur, die Hexe Erichtho, in der Walpurgisnacht des „Faust II“ zum Leben.

 

 

 

Gurgen Margaryan

* 26.9.1978 in Jerewan, † 19.2.2004 in Budapest, armenischer Soldat

 

Im Rahmen des NATO-Programms „Partnerschaft für den Frieden“ nahm der armenische Leutnant Gurgen Margaryan an einem Englischkurs in Budapest teil. Ein anderer Teilnehmer war der aserbaidschanische Leutnant Ramil Safarow.

Am Morgen des 19. Februar 2004 erstach Safarow den schlafenden Leutnant Margaryan in der gemeinsamen Unterkunft und trennte ihm aus tiefsitzendem Hass auf Armenier mit einer Axt fast den Kopf ab. Ein ungarischer Zeuge sagte aus, Safarows Gesichtausdruck nach der Tat verhieß, er sei froh, etwas Wichtiges getan zu haben.

Im Strafprozess behaupteten seine Verteidiger, er leide seit dem ersten Berg-Karabach-Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan an einer posttraumatischen Belastungsstörung, und als Margaryan die aserbaidschanische Flagge beleidigte, habe er ihn bestrafen müssen. Allerdings stellte sich heraus, dass Safarow in jener Zeit überall, nur nicht in Berg-Karabach war, sondern in Baku und in der Türkei studierte.

Das Gericht verurteilte Safarow aufgrund der Brutalität seines Handelns und dass er nicht im Leisesten Reue zeigte, zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Berufungsmöglichkeit bis 2036. Schon sechs Jahre später, im Sommer 2012, lieferten die ungarischen Behörden den Mörder jedoch nach Aserbaidschan aus, damit er dort den Rest seiner Straße verbüße.

Bei seiner Ankunft in Baku wurde Safarow jedoch ein triumphaler Empfang bereitet. Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew begnadigte ihn und alsbald wurde er zum Major befördert.

Gute Voraussetzungen also, Safarow für kommende Gefechte mit Armeniern zu motivieren.

 

 

 

Roger Willamson

* 2.2.1948 in Ashby-de-la-Zouch, † 29.7.1973 in Zandvoort, Niederlande, britischer Automobil-Rennfahrer

 

Ab seinem 16. Lebensjahr fuhr Roger Williamson Kart-, dann Tourenwagen-Rennen und startete mit Zwanzig in der Formel 3, dann in der Formel 2 und schließlich ab seinem 25. Lebensjahr in der Formel 1. Schon bei seinem zweiten Rennen in dieser Klasse verunglückte Roger Williamson tödlich.

 

  

 

 

Josef Ahrer

* 30.8.1908 in St. Ulrich, † 17.2.1934 in Steyr, österreichischer Widerstandskämpfer

 

Josef Ahrer war Bauschlosser und Mitglied des Republikanischen Schutzbundes. Als es im Februar 1934 zum Aufstand gegen den österreichischen Diktator Dollfuß kam, geriet Josef Ahner beim Waffenholen in einen Streit und wurde dann des Mordes bezichtigt, vor ein Standgerichtgestellt und trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen für schuldig befunden und gehenkt. In anderen Aufstandsorten Österreichs wurden weitere acht Widerständler hingerichtet, Anton Bulgan, Johann Hois, Karl Münichreiter, Viktor Rauchenberger, Emil Swoboda, Josef Stanek, Koloman Wallisch und Georg Weissel.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Steyr eine Straße nach Josef Ahrer benannt.

 

 

 

Maksin Adamawitsch Bahdanowitsch

* 9.12.1891 in Minsk, † 25.5.1917 in Jalta, weißrussischer Autor

 

Maksin Adamawitsch Bahdanowitschs Vater war mit Maxim Gorki befreundet, und im Alter von 16 Jahren veröffentlichte Maksin Adamawitsch erste Gedichte auf Belorussisch. Im Alter von 23 Jahren erschien dann sein einziger, zu Lebzeiten veröffentlichter Gedichtband „Der Kranz“.

Er schrieb auch Erzählungen und Märchen sowie diverse Artikel und übersetzte aus dem Deutschen, Französischen, Lateinischen, Polnischen, Russischen und Ukrainischen. Mit seinem Werk prägte er die Weiterentwickung des Belorussischen mit und gilt als eine der Hauptfiguren der „Belorussischen Wiedergeburt“.

Maksin Adamawitsch Bahdanowitsch starb im Alter von 25 Jahren an Tuberkulose.

 

 

 

Vitězslava Kaprálová

* 24.1.1915 in Brünn, † 16.6.1940 in Montpellier, tschechische Komponistin

 

Vitězslava Kaprálová studierte in Brünn Komposition, setzte ihre Ausbildung am Pager Konservatorium und an der Pariser „École normale de musique“. Im Alter von 22 Jahren erhielt sie für ihre „Militärsinfonietta“ den Smetana-Preis.

Nach der deutschen Okkupation der Tschechoslowakei ging Vitězslava Kaprálová nach Paris ins Exil, heiratet den Schriftsteller Jiři Mucha, floh vor der deutschen Besatzung von Paris nach Montpellier, wo sie unter nie geklärten Umständen im Alter von 25 Jahren starb.

Vitězslava Kaprálová schuf etwa 50 Kompositionen, war die erste weibliche Dirigentin der Tschechischen Philharmonie und dirigierte auch das BBC Symphony Orchestra.

 

  

  

 

 

Paul Francis Kossoff

* 14.9.1950 in London, † 19.3.1976 auf dem Flug von Los Angeles nach New York, britischer Rock-Gitarrist

 

Mit Paul Rodgers gründete Paul Kossoff 1969 „Free“, und ihr größter Hit, geprägt durch sein feinfühliges Gitarrenspiel, wurde dann auch zu seinem Epitaph: „Alright Now“. Eine Musikzeitschrift nannte ihn „einen der meisten unterschätzten Gitarristen aller Zeiten“.

In einem Interview nach Paul Kossoffs plötzlichen Tod sagte Paul Rodgers: "Als wir mit Free anfingen, wurden Paul und ich schnelle Freunde, weil wir so viel gemeinsam hatten. Wir haben auch den Blues geliebt, wir haben uns Peter Green's Fleetwood Mac angesehen und sind einfach in London herumgetobt und haben nur davon geträumt, was sein könnte. Es ist jammerschade, dass Paul es nicht geschafft hat. Er war so großartig, aber ich musste immer sein Selbstvertrauen stärken. Ich denke, er war ein bisschen zu sensibel für dieses Geschäft. Da kann das Musikgeschäft sehr hart sein. Wenn es großartig ist, ist es großartig, aber manchmal kann es wirklich hart werden, und dann muss man tief in sich gehen.“

Paul Kossoff wurde drogenabhängig und starb im Alter von 25 Jahren während eines Fluges von Los Angeles nach New York an einer Lungenembolie.

Für ein Solo-Projekt hatte Paul Kossoff den Song „Molten Gold“ komponiert:

 

A grey day turns my mind away

To places past and gone

Broken hearted dreams I've seen

Broken hearted dreams I've dreamed

 

But there's a big low song

Keeps a pushing me along

Day by day, on and on

And there's a sound like molten gold

Keeps a burning to my soul

To my soul, to my soul

 

A grey day thoughts of yesterday

To faces past and gone

Sounds to me like I should be

Oh, I should be

On my way…

 

 

 

Abu al-Qasim asch-Schabbi

* 24.2.1909 in Tozeur, auch: Ab El Karem Chabbi, † 9.10.1934 in Tunis, tunesischer Dichter

 

Im Jahre 2010 besuchte ich auf Einladung des tunesischen Schriftstellerverbandes zum ersten Mal Tozeur und so selbstredend auch das Museum und das Denkmal für den Nationaldichter Abu al-Qasim asch-Schabbi:

„Tozeur. Sahara-Oase. George Lucas drehte Krieg der Sterne hier. Und womöglich obsiegte eine der Welten, scheint die Attraktion doch arabisches Disneyland zu sein. Immerhin zeigt ihr Mount Rushmore einzig das Antlitz eines Dichters: Ab El Karem Chebbi. Das lässt hoffen noch.“

Und ich kam tatsächlich nochmals nach Tozeur:

„2018: Tozeur. Ich versuche von Salah zu erfahren, was sich seit dem Arabischen Frühling verändert habe in Tunesien. Zuvor war er der Generalsekretär, nun ist er Präsident des Tunesischen Schriftstellerverbandes. Das weiß ich schon. Aber sonst? Er lächelt salomonisch. Und als ich ihm erzähle, dass ich bei der Einreise-Passkontrolle endlos befragt wurde, welchen Beruf ich habe und nachdem ich writer angegebenen hatte, die Passkontrolleurin wieder und wieder wissen wollte, für welche newspaper ich schriebe, und ich wieder und wieder sagte: „No, I’m not a journalist“, sie dennoch weiter bohrte welche newspaper es denn sei. Und erst als mir in den Sinn kam zu sagen: „I’m a poet – I write about love!“, schaltete sie plötzlich von verbissen auf freundlich um und stempelte ruckzuck meinen Pass. Als ich dies also Salah erzählte, sagte er nur: Pass auf, was du sagst! Aja. Kutschfahrt durch die Oase von Tozeur, eine der größten, wenn nicht gar die größte der Sahara wohl. Vor acht Jahren wurde mir dies schon mal geboten. Und eine Neuerung bemerke ich: um einige der Dattelpalmen ist Erde angehäufelt, zwei mal vier im Quadrat etwa. Die Binnenfläche fein von Plastik- und sonstigem Müll gesäubert. Das seien neue Pachtgärten, erklärt der Kutscher. Bald werden hier Tomaten oder Paprika wachsen.

Am Nachmittag weiß ich noch immer nicht, was mich beim Festival erwartet und was von mir erwartet wird. Kein Plan, keine Erläuterungen. Immerhin wird nun in ein anderes Hotel umgezogen. Aus meinem Drei- wird ein Zweibettzimmer – und die Betten haben sogar ein Zudeck! Als ich das Fenster öffne, höre ich im Hotelgarten einen Kuckuck rufen. Der war mir also vorausgeflogen. Hallo! In diesem Hotel gibt es allerdings wieder andere Probleme: Geld tauschen kann ich frühestens nächsten Morgen. In der Bar gibt’s aber nur was gegen cash, nein, aufs Zimmer schreiben ist unmöglich! Und dann sehe ich Kakerlaken durchs Zimmer huschen. Und was für welche! Beim besten Willen, kann ich mich nicht erinnern solche Tierchen hierzulande früher schon mal in Hotels gesehen zu haben.  Und auf einmal – es ist längst dunkel und der Muezzin hat längst gerufen, läutet das Telefon und Salah sagt: Komm, wir gehen in ein anderes Hotel. Hm – ich habe doch nicht gemeckert, nicht eine Silbe…? Kann man hier jetzt meine Gedanken lesen? Also denn nun das dritte Hotel in 24 Stunden, das scheint einen Stern mehr zu haben, immerhin. Doch zum dritten Mal endlose Eincheckformulare ausfüllen, Koffergeld geben… das kommt langsam Entwicklungshilfe nahe. Weiter keinerlei Informationen über das Festival jedoch. Na denn, gute Nacht.“

Abu al-Qasim asch-Schabbi starb im Alter von 25 Jahren an einem Herzleiden und wurde berühmt, da er die beiden letzten Strophen der tunesischen Nationalhymne dichtete:

Wenn eines Tages das Volk sich zum Leben entschließt

Dann muss das Schicksal sich beugen

Die Nacht muss weichen

Und die Fesseln werden gebrochen

 

 

 

Rafał Wojaczek

* 6.12.1945 in Mikolów, † 11.5.1971 in Wrocław, polnischer Lyriker

 

Rafał Wojaczek studierte Polonistik in Krakau, brach das Studium jedoch ab, ging nach Wrocław, jobbte, lebte exzessiv  und begann zu schreiben. Im Alter von 19 Jahren debütierte er als Dichter in der Zeitschrift „Poezja“, vier Jahre später erschien sein erster Gedichtband „Sezon“. Zu seinen Lebzeiten kam noch der Band „Inna bajka“ heraus, postum sechs weitere Sammlungen.

Rafał Wojaczek starb im Alter von 25 Jahren nach der Einnahme eines Medikamentencocktails.

 

  

 

 

Aubrey Vincent Beardsley

* 21.8.1872 in Brighton, † 16.3.1898 in Menton, Frankreich, britischer Illustrator und Autor

 

Erste Zeichnungen von Aubrey Vincent Beardsley wurden in der Zeitung einer Grammar School veröffentlicht. Dann arbeitete er als Schreiber in einem Architektenbüro und bei einer Lebensversicherung, bildete sich autodidaktisch weiter und erhielt schließlich eine professionelle Ausbildung an der Westminster-Kunstschule.

Im Alter von 20 Jahren erhielt Aubrey Vincent Beardsley erstmals einen Illustrationsauftrag und durch seine Zeichnungen zu Oscar Wildes „Salome“ machten ihn bekannt. Und berühmt wurde er dann durch die von ihm mitgegründete, durch vor allem für ihre Erotik erfolgreiche Zeitschrift „The Yellow Book“. Später wechselte er zu der, ob ihrer „anstößigen“ Inhalte kritiserten Zeitschrift „The Savoy“.

Als Autor verfasste er vor allem die erotische Novelle „Under the Hill“.

Aubrey Vincent Beardsley, der bereits seit seiner Kindheit an Tuberkulose litt, im Alter von 25 Jahren in Südfrankreich, wo er sich eine Milderung seiner chronischen Erkrankung erhoffte.

 

 

 

 

 

Karl Wilhelm Jerusalem

* 21.3.1747 in Wolfenbüttel, † 30.10.1772 in Wetzlar, deutscher Jurist

 

In „Dichtung und Wahrheit“ schrieb Goethe: „… von unbefriedigten Leidenschaften gepeinigt, von außen zu bedeutenden Handlungen keineswegs angeregt, in der einzigen Aussicht, uns in einem schleppenden, geistlosen bürgerlichen Leben hinhalten zu müssen, befreundete man sich in unmutigem Übermut mit dem Gedanken, das Leben, wenn es einem nicht mehr anstehe, nach eignem Belieben allenfalls verlassen zu können.“ Und in seinem 1774 erschienenen Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“, ließ er seinem Protagonisten diese Option als letzten Ausweg sehen.

Goethe hatte sich für seinen Werther vom Handeln einer konkreten Person anregen lassen; Karl Wilhelm Jerusalem, der sich im Alter von 25 Jahren, frustriert über seinen Berufsalltag am Reichskammergericht in Wetzlar und vor allem wegen Liebekummers, das Leben nahm. Goethe und Jerusalem kannten sich, waren einander beim Studium in Leipzig und dann auch in Wetzlar begegnet.

Goethes „Werther“ löste die sogenannte „Lesesucht“ wie eine „Selbstmordwelle“ aus und gilt als einer der erfolgreichsten Romane der Literaturgeschichte.

 

  

 

 

Carl Lossow

* 6.8.1835 in München, † 12.3.1861 in Rom, deutscher Maler

 

Carl Lossow besuchte die Kunstakademie in München. Bei einer Reise nach Norditalien lernte er im Alter von 21 Jahren den Erbprinzen von Sachsen-Meiningen kennen, der beauftrage Gemälde nach historischen und Stoffen aus der Sagenwelt zu schaffen.

In den ihm verbleibenden vier Lebensjahren schuf er Werke wie „Gang nach Canossa“, „Gudrun“ oder „Eroberung der Stadt der Mallier durch Alexander den Großen“.

 

 

 

Charlie Christian

* 29.7.1916 in Bonham, Texas, † 2.3.1942 in New York City, amerikanischer Gitarrist

 

„Als Charlie uns in der Schule mit seiner ersten Gitarre aus einer Zigarrenkiste amüsierte und in Erstaunen versetzte, spielte er seine eigenen Riffs. Aber diese stützten sich auf raffinierte Akkorde und Tonfolgen, die Blind Lemon Jefferson niemals gekannt hat“, sagte der afroamerikanische Autor Ralph Ellison.

Nachdem er mit der Band seiner Schule gejammt hatte, spielte Charlie Christian ab seinem achtzehnten Lebensjahr mit mehreren Südstaaten-Orchestern sowie Teddy Wilon und Art Tatum. Durch Empfehlung des Impressarios John Hammond kam er im Jahr darauf in New York zu Benny Goodman. Und in kleinen Besetzungen spielte er erste Aufnahmen ein.

Der Jazz-Kritiker Arrigo Polillo urteilte: „Sein Gitarrenstil war völlig originell. Seine langen und widerhallenden Phrasen mit einstimmiger Melodieführung deren Klang elektronisch verstärkt und verlängert wurde, gründeten sich auf Prinzipien, die den Blasinstrumenten, genauer gesagt den Saxophonen, eigen waren. Sie unterschieden sich deshalb sehr von den leichten Einzelphrasen der Pioniere der Jazz-Gitarre wie Lonnie Johnson oder Eddie Lang. Wenn ein geistiger Vater für Charlie Christian gefunden werden soll, muss er mithin unter den Saxophonisten gesucht werden, und wahrscheinlich ist er in Lester Young zu sehen.“

Charlie Christian gilt als einer der Pioniere der E-Gitarre und Vorbereiter des Bebop. Zu seinen bekanntesten Stücken zählen „Flying Home“, „A Smo-o-o-oth One“ und „Air Mail Special“ sowie die Jam-Session im New Yorker „Minton’s Playhouse“ mit Kenny Clarke, Dizzy Gillespie oder Thelonious Monk, die 1941 mitgeschnitten wurden.

„In meiner ganzen Laufbahn bin ich nur wenigen Genies begegnet, Leuten wie Lester Young, Teddy Wilson, Louis Armstrong oder Coleman Hawkins. Das sind wirklich nicht viele. Aber Charlie gehörte offensichtlich dazu. Er holte aus seinem Instrument etwas absolut Neues heraus. Wie Lester in seinen besten Tagen spielte er einen Chorus nach dem anderen und erdachte und entwickelte bei jedem Chorus Ideen, die origineller als seine vorherigen waren“, meinte der Produzent und Musiker John Hammond.

Charlie Christian starb im Alter von 25 Jahren an Tuberkulose.

 

 

 

Clifford Brown

* 30.10.1930 in Wilmington, Delaware, † 26.6.1956 in Bedford, Pennsylvania, amerikanischer Jazz-Trompeter

 

Als Fünfzehnjähriger spielte Clifford Brown in der Band seiner Highschool. Während seines Studiums am Delaware State College jammte er in Jazzclubs Philadelphias und Fats Navarro wie Dizzie Gillespie ermunterten ihn, Berufsmusiker zu werden. Im Alter von 22 Jahren spielte er mit Chris Powell sein erstes Album ein, im Jahr darauf engagierte ihn Lionel Hampton. Mit vierundzwanzig gwann er den Wettbewerb des Jazz-Magazins „Down Beat“ und gründete mit Max Roach das „Brown-Roach-Quartet“, die alsbald als eine der besten Hardbop-Bands galt. Zudem begleitete er die Jazz-Sängerinnen Helen Mirrel und Sarah Vaughan. Zu seinen bekanntesten Kompositionen zählen: „Bones for Jones“, „Brownie Speaks“, „Cliffords Axe“, „I’m the one“ oder „The Best Thing for You is Me“.

Clifford Brown kam im Alter von 25 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

„Der Tod ‚Brownies‘ war der größte Schock, den die Jazzgemeinde seit dem Tod Charlie ‚Bird’ Parkers ein Jahr zuvor erlebt hatte, er wurde sogar als noch sinnloser, tragischer, unverschuldeter empfunden. […] [Clifford Brown] hatte es geschafft, dank seiner technischen Brillanz, seines ansprechenden Sounds, seines melodischen Erfindungsreichtums zum Trompeten-Idol des Bop zu werden. Mehr noch: Der stets planvoll zu Werk gehende Künstler, der weder trank noch Drogen nahm, war nicht nur stilistisch, sondern auch in seiner Lebensführung Vorbote und Vorbild einer jüngeren, disziplinierteren, gesünder lebenden Generation“, sagte der Jazz-Journalist Marcus A. Woelfle.

Zu seinem Gedächtnis komponierte Benny Golson „I Remember Clifford“.

 

  

 

Li Yangjie

* 9.9.1990 in Henan, † 13.5.2016 in Dessau-Roßlau, chinesische Studentin

 

„Ein Sexualmord und die merkwürdige Rolle der Polizei“, titelte „Die Welt“. Auf rtinext.de war zu lesen: „Chinesische Austauschstudentin verschwindet beim Joggen: Polizei findet weibliche Leiche“, und auf mz-web.de: „Heftige Schläge und Tritte: Yangjie Li starb an Herzversagen in Folge stumpfer Gewalt“.

Li Yangjie, die Tochter eines Polizisten, hatte in ihrer Heimatstadt Henan an der School of Civil Engineering studiert und war nach Dessau gekommen, um ihr Architektur-Studium an der Hochschule Anhalt fortzusetzen. Am 11. Mai 2016 verließ sie gegen 20.30 Uhr ihre Studentenunterkunft, um zu joggen - und verschwand. Zwei Tage später fand man ihre nackte, übel zugerichtete Leiche in einem Gebüsch.

Die Mutter von Li Yangjies Vergewaltiger und Mörder war Polizistin, und mit den Ermittlungen in diesem Fall befasst. Sein Stiefvater leitete das Dessauer Polizeirevier. Vor allem die Mutter versuchte die Tat ihres Sohnes, der schon als Kind psychiatrisch behandelt wurde und dessen Hang zum Sadismus bekannt war, zu vertuschen. Eine Zeugin sagte jedoch aus, gesehen zu haben, wie „Mutter und Stiefvater einen Tag nach der Entdeckung der Studentin mehrere Tüten aus der Wohnung ihres Sohnes… getragen hätten“, um Beweismittel zu beseitigen. Es dauerte Wochen bis die Eltern zur Verantwortung gezogen wurden, halbwegs. Einen Tag nach der Trauerfeier für Li Yanjie eröffneten die Beiden „krankgeschrieben“ sogar ein Gartenlokal…

In der „Volksstimme“ stand: „Mordfall Li: Chinesische Familie sieht Würde beschmutzt“, und auf mdr.de: „Innenminister entzieht Dessauer Revierleiter die Dienstgeschäfte“. Doch schließlich meldete dpa: „Lebenslange Haft für Mord an chinesischer Studentin“.

 

 

 

 Wilfred Edward Salter Owen

* 18.3.1893 in Oswestry, † 4.11.1918 am Canal de la Sambre à L’Oise bei Ors, britischer Dichter

 

Benjamin Brittens 1962 uraufgeführtem „War Requiem“ sind Zeilen eines Gedichtes Wilfied Owens vorangestellt:

“My subject is War, and the pity of War,

The Poetry is in the pity…

All a poet can do today is warn.”

(Mein Thema ist der Krieg und das Leid des Krieges. / Die Poesie liegt im Leid… / Alles, was ein Dichter heute tun kann, ist warnen.“)

„War, and the pity of War“ und „The Poetry is in the pity” gingen sogar als Redewendungen in die englische Sprache ein.

Vorm Ausbruch des Ersten Weltkrieges arbeitete Wilfred Owen als Privatlehrer für Englisch an der Berlitz-Schule in Bordeaux. Im Oktober 1915 trat er als Freiwilliger in die British Army ein, im Januar 1917 avancierte er zum Second Lieutenant, war nach einer Schlacht drei Tage lang in einem Granattrichter verschüttet, litt fortan unter einem Kriegstrauma, kehrte jedoch nach einem Lazarettaufenthalt in Schottland an die Front nach Frankreich zurück.

Fast auf die Stunde genau eine Woche vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstands fiel Wilfred Owen bei der zweiten Schlacht an der Sambre.

 

 

 

Wilhelm „Willi“ Graf

* 2.1.1918 in Kuchenheim, † 12.10.1943 in München-Stadelheim, deutscher Widerstandskämpfer

 

„Mein Vater war korrekt und ehrlich in seinem Berufs- und Privatleben und hielt auch seine Kinder zu gleichem Benehmen an und griff mit Strenge durch, wenn ich mir irgendwie einen Fehler zuschulden kommen ließ. Das Verhältnis zu meiner Mutter war immer das allerherzlichste, denn sie umsorgte uns Kinder mit aller erdenklichen Liebe und versuchte immer wieder, uns eine Freude zu machen, etwa an Weihnachten oder am Namenstag und auch sonst zu irgendwelchen Anlässen. Wir Kinder vergalten diese Liebe mit kleinen Erweisen der Gegenliebe, wir halfen früh bei den Arbeiten im Haushalt und versuchten, dankbare Kinder zu sein. Früh wurde ich mit den Gebräuchen und dem Leben der katholischen Kirche vertraut gemacht und die einzelnen Jahreszeiten waren erfüllt vom Geiste religiöser Vorstellungen, und auch das tägliche Leben richtete sich nach den Gebräuchen der Kirche: Gebet, Kirchgang usw. Die ersten Lebensjahre verbrachte ich in der Obhut einer guten und liebevollen Familie“, schrieb Willi Graf 1943 in seinem Lebenslauf, den er im Gefängnis für die Gestapo verfassen musste.

Als Sanitäter wurde er von 1940 bis 1942 in Kriegseinsätzen in Belgien, Frankreich, Jugoslawien und der Sowjetunion dabei und schrieb an seine Eltern: „Ich wünschte, ich hätte das nicht sehen müssen, was sich in meiner Umgebung zugetragen hat.“ Seiner Schwester sagte er: „Ich muss etwas tun!“

Im April 1942 wurde Willi Graf nach München abkommandiert und lernte an der Universität Hans und Sophie Scholl kennen. Als Mitglied der Widerstandgruppe „Weiße Rose“ verbreitete er Flugblätter, pinselte Parolen wie „Nieder mit Hitler“ oder „Hitler der Massenmörder“ an Münchner Hauswände und wurde schließlich verhaftet.

Am 19. April 1943 verurteile der Volksgerichtshof unter Vorsitz Roland Freislers Willi Graf wegen Hochverrats, Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung zum Tode. Da die Gestapo jedoch hoffte, ihm in Verhören Namen von weiteren Widerstandskämpfern zu entlocken, richtete man ihn im Gegensatz zu Hans und Sophie Scholl und weiteren Mitgliedern der „Weißen Rose“ nicht umgehend hin.

Willi Graf wurde am 12. Oktober 1943 im Gefängnis Stadelheim mit dem Fallbeil enthauptet.

 

 

 

Clement Harris

* 8.7.1871 als Clement Hugh Gilbert Harris in Wimbledon, † 23.4.1897 in Pente Pigadia, Griechenland, englischer Komponist

 

Clement Harris studierte in Frankfurt am Main bei Clara Schumann Klavier. Durch Mäzene lernte er Johannes Brahms, Hans Thoma, Siegfried Wagner und andere Persönlichkeiten kennen. Er reiste nach Indien und China, Ägypten, Palästina und Italien. Ab 1893 lebte er in Heidelberg, wo er dann auch Vorlesungen in Kunstgeschichte hörte und die meisten seiner Kompositionen schuf, so seine sinfonische Dichtung „Paradise Lost“, den „Festival March“ oder die Klavieretüde „Il Penseroso“.

1896 reiste Clement Harris nach Korfu. Hier begeisterte er sich für die kretischen Unabhängigkeitsbestrebungen, schloss sich dem Freiheitskampf gegen die türkischen Besatzer an und fiel im Alter von 25 Jahren.

Stefan George widmete Clement Harris das Gedicht „Pente Pigadia“:

„Als ihn im kampf des Türken kugel warf

Am ölwald von Epirus: blieb der kummer

Nur uns um dieses blumenschweren frühlings

Zu rasche welke... Ihn den liebling schonten

Geschicke mit der ärgsten qual: zu schleudern

An schranken und an öden vor dem end

Sein abschied spürte ob verschlossner lande

Ob noch verhangnen glücks die süsse schwermut…“

 

 

 

 

 

Katarzyna „Kasia“ Lenhardt

* 27.4.1995 in Leszno, † 9.2.2021 in Berlin, Influenzerin

 

Im Alter von 16 Jahren nahm Kasia erstmals an der Casting-Show „German’s Next Topmodel“ teil. Zwei Jahre darauf trat sie in den TV-Soaps „Hell’s Kitchen“ und „Models im Babyglück“ auf und wurde Mutter eines Sohnes. Wiederum zwei Jahre darauf trennte sie sich vom Vater ihres Kindes, und zwei Jahre darauf tauchte sie an der Seite des Fußballstars Jérôme Boateng im Internet auf. Zwei Jahre später gab Boateng Anfang Februar 2021 das Ende ihrer Beziehung bekannt.

Ein bereits zwei Monate nach dem Zusammenleben Kasias mit dem Fußballstar eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen Boateng wegen Körperverletzung wurde ein halbes Jahr später vorläufig eingestellt, nach Kasias Tod am 9. Februar 2021 wieder aufgenommen. Die Polizei schloss jedoch alsbald Fremdeinwirkung beim Tod des Models aus.

Allerdings setzte eine breite Diskussion ein, inwieweit sich Boatengs Trennungsrechtfertigung, Kasia sei eine „Familienzerstörerin“, die im Internet einen Shit-Storm gegen die Influenzerin auslöste, möglicherweise Ursache ihres plötzlichen Todes gewesen sei.

Ein Medienwissenschaftler urteilte, dass das Wirkungsnetz aus Medien und digitalen Hassattacken bei Betroffenen zu einem Gefühl der totalen Machtlosigkeit führe.

 

 

 

Richard Perls

* 6.1.1873 in Gleiwitz, Schlesien, † 24.11.1898 in München, deutscher Lyriker

 

Blumen vom Tode

Wie die seelen ineinander glühen

Wenn die töne deiner hand entrauschen

Wie die bunten blumen still erblühen

Wenn wir leise dunkle worte tauschen!

 

Der hochbegabte Richard Perls studierte in Berlin bei Hermann von Helmholtz Physik und in München bei Theodor Lipps Psychologie. Der Philosoph Theodor Lessing sagte über ihn: Richard Perls war ein Jüngling von großer Schönheit, nicht unähnlich dem Jugendbilde Heinrich Heines, spöttisch-träumerisch und stark überzüchtet.“ Erste Gedichte veröffentlichte er in Stefan Georges „Blättern für die Kunst“.

 

Nimm den dingen ihre kostbarkeiten!

Flicht die welten zum verwegnen kranz

Und beim spiele dunkler traurigkeiten

Locke seelen zu dem lezten tanz!

 

Richard Perls wurde abhängig von Morphium und reiste durch Europa. Der Autor Oscar A. H. Schmitz urteilte: „Wenn es einen Menschen in Deutschland gab, der das wirklich verkörperte, was man damals ‚fin de siècle’ nannte, so war es dieser an Huysmans und Baudelaire, Verlaine und Mallermé genährte, hoffnungslose junge Mensch.“

 

Neige dann in reinheit dich mir nieder

Raune das geheimnis leis mir zu

Und ich küsse deine müden lider

Berge dich in traumestiefer ruh.

 

Richard Perls starb im Alter von 25 Jahren qualvoll an seiner Sucht. Stefan George schrieb für ihn das Gedicht „Fahrt-Ende. An Richard Perls“

„Wir schritten redend auf den tempeldielen

Du klagend über siecher weiten fäule

Ich sah ein kämpferfeld mit weiten zielen

Und stand ein jüngling herrisch an der säule.

[…]

Wall ich verträumt wohin du gern entflohest

Zu grüner nacht der schaurigen pagode

Des nicht-mehr-suchens nicht-mehr-tuns: so drohest

Als überwinder du bei deinem tode.“

 

 

 

 

Hans Rott

* 1.8.1858 als Johann Nepomuk Karl Maria Rott in Braunhirschengrund, † 25.6.1884 in Wien, österreichischer Komponist

 

Hans Rott war der Lieblingsschüler Anton Bruckners. Und als eine Prüfungskommission eine Komposition Hans Rotts verspottete, soll Bruckner gerufen haben: „Lachen Sie nicht, meine Herren, von dem Manne werden Sie noch Großes hören!“

Allerdings wurde sein Hauptwerk, seine Sinfonie E-Dur, dann von Johannes Brahms negativ beurteilt und letztlich „aus Zeitgründen“ in Wien nicht aufgeführt. (Die Uraufführung fand erst im Jahr 1989 in Cincinnati statt.) Und als dann auch sein Antrag auf ein staatliches Stipendium abgelehnt wurde, verließ Hans Rott die k.u.k.-Metropole und nahm eine Stelle als Chorleiter in Mühlhausen an.

Auf der Reise in die Provinz bedrohte er jedoch einen Mitreisenden, der sich eine Zigarre anzünden wollte, plötzlich mit einem Revolver und schrie, Brahms habe den Zug mit Dynamit füllen lassen und alles werde gleich in die Luft gehen.

Hans Rott wurde in die Niederösterreichische Landes-Irrenanstalt eingewiesen und „halluzinatorischer Irrsinn und Verfolgungswahn“ diagnostiziert. Hugo Wolf soll Brahms dann als Mörder Rotts bezeichnet haben. Hans Rott starb im Alter von 25 Jahren an Tuberkulose.

 

 

 

Vera Skoronel

* 28.5.1906 als Vera Laemmel in Zürich, † 24.3.1932 in Berlin, deutsche Tänzerin

 

Tanzunterricht nahm Vera Skoronel vor allem an der Laban-Schule in Zürich und bei Mary Wigman in Dresden. Als Achtzehnjährige übernahm sie die Tanzleitung der Vereinigten Bühnen Oberhausen, Gladbeck und Hamborn. Wirkte dann am Theater Darmstadt, leitete eine eigene freie Tanzgruppe und eine Schule für modernen Tanz in Berlin. Sie gilt als „Tanzdichterin“ und frühe Wegbereiterin des Jazz Dance.

Im Alter von 25 Jahren starb Vera Skoronel an einer Blutkrankheit.

 

 

 

 

 

Fritz Wehrmann

* 7.7.1919 in Mölkau bei Leipzig, † 10.5.1945 bei Flensburg, deutscher Soldat

 

Fritz Wehrmann gilt mit seinen beiden Kameraden Alfred Gail und Martin Schilling als letztes Opfer der Nazi-Marinejustiz.

Am 2. Mai 1945 wurde Fritz Wehrmann von einer Schnellbootflotille bei Aarhus zu einem Kriegsmarine-Bataillon in Svendborg abkommandiert, das zur Verteidigung Berlins eingesetzt werden sollte. Nach der Teilkapitulation der deutschen gegenüber den britischen Truppen im Nordwesten am 4. Mai, verließ er am 6. mai seine Einheit, um nach Hause zurückzukehren. Er wurde jedoch von dänischen Hilfspolizisten aufgegriffen und dem „Führer der Schnellboote“, Rudolf Petersen überstellt, der am 9. Mai, einen Tag nach der deutschen Gesamtkapitulation, eine Kriegsgericht zusammentreten und Fritz Wehrmann wegen Fahnenflucht zum Tode durch Erschießen verurteilen ließ. Und obwohl Petersen die Möglichkeit der Begnadigung gehabt hätte, wurden der fünfundzwanzigjährige Fritz Wehrmann und seine beiden Kameraden am 10. Mai an Bord des Begleitschiffes „Buea“ erschossen. Ihre Leichen versenkte man in der Ostsee. In einem Abschiedsbrief, der seiner Mutter erst ein Jahr später zugestellt wurde, hatte Fritz Wehrmann aller Verantwortlicher für diesen Justizmord genannt.

1948 kam es vor dem Obersten Gerichtshof für die britische Besatzungszone zu einem Prozess in dem die Richter urteilten: „Wenn in einer Zeit, in der Gewalt und Willkür das öffentliche Leben beherrschten, Richter aus Geist oder Anordnung dieses Systems ihr Amt zur Begehung von Unmenschlichkeiten missbrauchten, so war das eine der gefährlichsten und unerträglichsten Formen dieser Verbrechensart. Es wäre vollends unverständlich, gerade solche Richter von der Kennzeichnung und Bestrafung als Unmenschlichkeits-Verbrecher auszunehmen, weil sie Richter waren und unabhängig hätten urteilen sollen.“ Fünf Jahre später wurden Petersen und die Mitgliedes des von ihm eingesetzten Kriegsgerichts vom Landgericht Hamburg vom Vorwurf des Totschlags und der Rechtsbeugung freigesprochen. Petersen arbeitete in der Bundesrepublik als Vertreter, als Leiter einer Yachtschule sowie für den Militärischen Abschirmdienst (MAD).

 

 

 

Erich von Mendelssohn

* 18.7.1887 in Dorpat, † 17.6.1913 in Helsingör, deutscher Autor

 

Erich von Mendelssohn studierte in Berlin Kunstgeschichte, widmete sich jedoch mehr und mehr dem Schreiben und reiste: nach Paris und München, wo er Thomas Mann kennenlernte, nach Island und nach Kopenhagen, wo er ein Studium skandinavischer Sprachen begann. Seinen Lebensunterhalt bestritt er vor allem durch Übersetzungen aus dem Dänischen, Isländischen und Schwedischen. Er arbeitete auch an der „Sammlung Thule“ mit, die erste deutschsprachige Veröffentlichung nordischer Sagen und Mythen.

Sein erster Roman „Phantasten“ blieb ungedruckt, 1912 erschien sein Gedichtband „Bilder und Farben“ als Privatdruck, sein Roman „Nacht und Tag“ (mit einem Vorwort von Thomas Mann) postum. Robert Musik sagte zu „Nacht und Tag: „Der Griff einer mehr sanften als starken, aber schon sichereren Hand. Einer der naivsten künstlerische Reize, der des Stofflichen, wirkt in Erich von Mendelssohns Romanfragment sehr stark. (…) da Mendelssohn eine außerordentlich genau modellierte Erinnerung an vorreife geistige Zustände besitzt, wird sein Buch zu einem wichtigen Dokument der Jugend. Und da diese auf eigene innere Verantwortung gestellte Jugend eine ungewöhnlich große moralische Reagibilität besitzt, wird das Buch voll von einer ungeheuren, stillen Lebendigkeit ethischer Reize. Man kann sie ebenso leicht übersehen wie, auf sie eingestellt, in eine Art sichtiger Überreiztheit geraten; das Buch ist leise. Man muss es ein wenig transponieren, absehen von Schulwichtigkeiten, es bleiben dann Arten seelischer Haltung, die auch bei anderen Gegenständen möglich sind. Der Wert liegt dann in der Sammlung von Ansätzen zu ungelebten, nie verwendeten Moralen, die alle irgend einmal als gleich möglich vor uns lagen; an denen der Mensch vorbei wächst zu seinem Ethos des Erwachsenen, ohne eigentlich zu wissen, mit welchem Recht. An Weltbildern vorbei, die vielleicht mehr geistiges Glück hätten bereiten können als unser metromanes der ‚überflüssigen Notwendigkeiten.‘ In wankender Sicherheit horcht man zurück. Das Buch gibt darüber nichts Entscheidendes; die Hand des Dichters ist mehr sanft als stark; aber leise erschütternd.“

Erich von Mendelssohn starb im Alter von 25 Jahren an einer Lungenentzündung.

 

 

 

 

 

Pascale Ogier

* 26.10.1958 in Paris, † 25.10.1984 ebd., französische Schauspielerin

 

Im Alter von 20 Jahren debütierte Pascale Ogier in einem Fernsehfilm als Schauspielerin. Daraufhin entdeckte sie Éric Rohmer und besetzte sie in „Percevla de Gallois“ und „Käthchen von Heilbronn“. Bekannt wurde sie 1981 als sie zusammen mit ihrer Mutter Bulle Ogier in „An der Nordbrücke“ vor der Kamera agierte und der Durchbruch gelang ihr drei Jahre später mit dem Krimidrama „Ave Maria“. Im September 1985 gewann sie bei den Filmfestspielen von Venedig den Darstellerpreis.

Einen Tag vor ihrem 26. Geburtstag starb Pascale Ogier durch einen Herzinfarkt.

Marguerite Duras verfasste einen Nachruf, Renaud widmete ihr einen Song.

 

  

 

 

Marcus Omofuma

* 10.5.1973 in Nigeria, † 1.5.1999 zwischen Wien und Sofia, nigerianischer Asylbewerber

 

Marcus Omofuma war aus Nigeria geflohen, da er als Mitglied des gewalttätigen Ogboni-Bundes zum Tode verurteilt worden war. 1994 reiste er unter dem Namen Marcus Banguran angeblich aus Sierra Leone kommend in Deutschland ein, und nachdem sein Asylantrag abgelehnt wurde, vier Jahre später illegal nach Österreich weiter, wo er sich als religiös Verfolgter ausgab, aber erneute nicht als Asylant anerkannt wurde und schließlich abgeschoben werden sollte.

Während des Abschiebefluges soll Marcus Omofuma laut Aussagen der drei begleitenden Polizeibeamten geschrien und randaliert haben, so dass er mit Klebebändern am Sitz fixiert und ihm der Mund verschlossen wurde, woraufhin er im Alter von 25 Jahren erstickte oder an Herzversagen starb – darin waren sich die Gutachter beim Prozess gegen die Polizisten, die zwar milde verurteilt aber weite Beamte blieben, nicht einig.

 

  

 

 

Cristóvão da Gama

* 1516, † 29.8.1542 in Äthiopien, portugiesischer Heerführer

 

Vasco da Gamas jüngster Sohn Cristóvão entdeckte zwar keinen neuen Seeweg, gelangte auf den Spuren seines Vaters aber immerhin bis nach Indien, bevor er Kommandant eines portugiesischen Expeditionsheeres in Äthiopien wurde.

Das urchristliche Kaiserreich war von muslimischen Truppen angegriffen worden. Der Herrscher des benachbarten Sultanats Adal, Ahmad Gurey, „der Linkshänder“ hatte den Dschihad ausgerufen und Cristóvão da Gama versuchte den äthiopischen Kaiser Gelawdewos zu schützen.

Monatelang kam es zu Scharmützeln, und als ein muslimischer Kurier die Portugiesen aufforderte, endlich das Land zu verlassen, sonst würden sie vernichtet, schickte Cristóvão da Gama ihn mit einer Pinzette und einem großen Spiegel zurück und ließ dem Sultan ausrichten, dass er sich die Augenbrauen auszupfen solle, damit er wie eine Frau aussähe.

Als Cristóvão da Gama schließlich eine schwere Niederlage erlitt, verwundet und gefangengenommen wurde, ließ Ahmad Gurey ihm mit dieser Pinzette Haar für Haar den Bart ausreißen. Und da er auch unter der Folter nicht bereit war, zum Islam überzutreten, wurde er geköpft und sein abgeschlagenes Haupt in einen Brunnen geworfen.

Lange hielt sich unter Äthiopiern die Legende, das Wasser dieses Brunnens sei wundertätig, heile Kranke.

 

 

 

Paulo Paulino Guajajara

* etwa 1993, † 1.11.2019 in Ararióia, brasilianischer Umweltaktivist

 

Das indigene Volk der Guajajara lebt im brasilianischen Bundesstaat Maranhão. Einer ihrer Führer war Paulo Paulino Guajajara, genannt „Lobo“ – Wolf. Im Jahr 2012 gründeten die Gaujajaras die Organisation „Guardiões da floresta“ – Wächter des Waldes, versuchten so nicht länger schweigend der rasanten Umweltzerstörung ihrer abgestammten Heimat zuzusehen. Paulo Paulino trat als Sprecher der Wächter des Waldes auf.

Im November 2019 lockten illegale Holzfäller Paulo Paulino Guajajara in einen Hinterhalt und ermordeten ihn kaltblütig mit einem Kopfschuss.

 

 

 

Heo Chohui

* 1563 in Gangneung, Künstlername: Nanseolheon, † 19.3.1589, koreanische Dichterin und Malerin

 

Bereits im Alter von acht Jahren soll Heo Chohui ein erstes meisterliches Gedicht geschrieben haben: „Inschriften im Dachbalken des Weiße-Jade-Pavillons im Kwanghan-Palast“. Mehrere hundert sollten bis zu ihrem frühen Tod folgen.

Dabei hielt ihr Vater, ein angesehener koreanischer Gelehrter und Politiker, der in strenger konfuzianischer Tradition das namjon-jubi-Prinzip vertrat: Männer oben, Frauen unten, nichts von gebildeten Frauen, absolut nichts. Ihr älterer Bruder Pong erkannte Chohuis großes poetisches Talent und brachte ihr Lesen und Schreiben bei.

 

Lied einer Herbstnacht

Die Heuschrecken sind ernst und gefühlvoll; der Wind ist rein und klar.

Der Duft des Lotus verfliegt; über mir das ewige Rad.

Die Hand einer schönen Frau greift nach einer vergoldeten Münze;

Sie entzündet den Docht einer Lampe und bis tief in die Nacht näht sie am Kleidungsstück eines Herrn.

Die Wasseruhr ist trübe und beschlagen; die Lampe leuchtet hell.

In das löchrige Zelt kriecht die Kälte und die Herbstnacht nimmt kein Ende.

Die Kleidung ist am Zaun getrocknet; die Schere ist erkaltet.

Auf dem Fenster spielen die Schatten der Äste eines Baumes die der Wind bewegt

 

Mit Texten wie diesem gab sich Heo Chohui nicht nur als feinfühlige, kluge Frau zu erkennen, sondern brach auch mit der fest verwurzelten Vorschrift, dass Gedichte vor allem dazu dienten, die konfuzianische Morallehre zu vermitteln. Dichtung hatte tradierten Regeln zu folgen und war sogar Teil der Beamtenprüfungen. Heo Chohui wandte sich aber sogar verpönten armen Bevölkerungsschichten zu:

 

Die junge Näherin

Wie kann dieses erschöpfte Gesicht Liebreiz ausstrahlen?

Arbeiten an einer Stickerei, dann zurück an den Webstuhl.

Hinter einem Tor wo es wenig gibt, fast nichts, und schon lange keine Wärme mehr.

Der Heiratsvermittler macht einen Bogen um solche Armseligkeit.

Die ganze Nacht hindurch, ohne Pause, den Hanf weben,

der Webstuhl geht klack-klack, klack-klack, der Klang macht frösteln.

Einen Ballen Stoff am Webstuhl weben und die Frage:

für welche Familie, welche Tochter wird daraus das Brautkleid genäht?

Die Schere in der Hand, den Stoff in Stücke schneiden;

und obwohl die Nacht kalt ist, sind alle zehn Finger noch gerade.

Ich mache die Hochzeitsgarderobe der anderen,

dabei muss ich Jahr für Jahr alleine schlafen.

 

Schließlich musste Heo Chohui den Sohn eines Beamten heiraten, der ständig fremdging und dessen Mutter sie ob ihres Schreibens drangsalierte. Heo Chohui brachte zwei Kinder zur Welt, einen Jungen und ein Mädchen, die aber beide sehr jung verstarben. Und ihr Bruder Pong starb in der Verbannung.

 

Klage einer Frau

Die bestickte Schärpe und das Seidenkleid sind von Tränen durchnässt,

Jedes Jahr beklagen duftenden Pflanzen einen fürstlichen Freund.

Auf meiner Laute spiele ich das Lied vom Süd-Fluss bis zum Ende;

Schauer von Pfirsichblüten regnen gegen die Tür, die den ganzen Tag verschlossen ist.

Der Herbst ist vergangen; der Mond scheint auf den Pavillon; seine Scheiben aus Jade trostlos.

Raureif überkrustet die Schilfinsel; Wildgänse rasten für die Nacht.

Ich spiele auf dem Jaspis Laute. Niemand nimmt mich wahr.

Lotusblätter fallen in den Teich.

 

 

 

Grete Minde

* vor 1593, † 22.3.1619 in Tangermünde, deutsches Justizopfer

 

Hochverehrte Herren des Rats,

mittlerweile häufen sich die Stimmen, die uns vorhalten, dass unser anno Domini 1619 über der Bürgerin Grete Minde wegen Einäscherung unserer Stadt gesprochenes Urteil nicht rechtens gewesen sei, unser Wortlaut:

… so mag sie deßwegen vor endlicher tödtung einen wagen biß auf die richttstad vmbgefuhret, ihre funff finger an der rechten hand einer nach dem andern mit gluenden Zangen abgezwackett, Nachmaln ihr leib mitt vier gluenden Zangen, nemlich in iede brust und arm gegriffen, Folgig mitt eisern ketten vff einen Pfahll angeschmidet, lebendig geschmochett vnd allso vom leben zum tode verrichtett werden.

Möglicherweise hatten wir Zeugenaussagen wie der folgenden zu wohl gern getraut:

… Grete Minden vor 2 iahren in eins Pauren haus kommen, vnd buttermilch haben wollen, wie sie nun buttermilch bekommen, habe sie angefangen, sie habe noch viele bey der Mindischen zu fordern, wen sie es nicht krigete, wolte sie Tangermunde so schlicht machen, das mans mit besen zusamen kehren solte.

Als gesichert wird, vor allem dank eines Herrn Fontane, Theodor, nunmehr angenommen, dass:

- dies eine Geschichte mit Grete Minde als dem Opfer gegenüber ihrer Familie ist, die aus erfahrenem Unrecht zu der Tat getrieben wird.

- gewisse Motive Grete Minde erst zur Brandstifterin gemacht haben könnten, nämlich die sozialen Umstände und auch die damit einhergehende Ehrlosigkeit. Sie versucht aktiv zu ihrem Recht zu gelangen, indem sie ihr Anliegen beim Tangermünder Stadtrat vortrugen. Für die Täterschaft der Grete Minde scheint Rache fragwürdig.

- In der Öffentlichkeit gilt die Minde nun allgemein als unschuldig, auch wenn dies wegen der zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Akten weniger eindeutig erscheint. Eine geplante Untersuchung des Prozesses könnte zur Klärung der Schuldfrage neue Erkenntnisse bringen.

Aus diesem Grunde bitten wir die hochverehrten Herren unseres Rats zur alsbaldigen Neuverhandlung des Falles auf offener Bühne.

 

 

 

Alexandre Roussel

* 1702 in Uzès, † 30.11.1728 in Montpellier, französischer Prediger

 

Als mit einem am 14. Mai 1724 erlassenen königlichen Edikt in Frankreich eine Verschärfung der Hugenotten-Verfolgung einsetzte, sah sich der hugenottische Geistliche Alexandre Roussel gezwungen, in den Untergrund zu gehen, zum „Hirten der Wüste“ zu werden, wie man abgetauchte Geistliche nannte. Zwei Jahre lang wirkte er nun als Wanderprediger in den Cevennen, konnten seinen Verfolgern mehrmals entfliehen.

Als schließlich ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt war, wurde er verraten und verhaftet. Während des folgenden Prozesses fragte ihn der Richter: „Was ist ihr Geschäft?“ Roussel antwortete: „Das Evangelium zu predigen.“ „Wo haben sie gepredigt?“ Roussel: „Wo immer ich Christen versammelt fand.“ „Wo war ihr Wohnsitz?“ Roussel: „Unter dem Himmelszelt.“

Da er es konsequent ablehnte, seinem Glauben abzuschwören, wurde Alexandre Roussel zum Tod durch Erhängen verurteilt. In der Todeszelle boten ihm Jesuiten eine erhebliche Bestechungssumme an, falls er zum Katholizismus überträte. Er lehnte dies ebenso ab, wie den Rat eines seiner Familie befreundeten Herzogs, Wahnsinn vorzutäuschen. Noch nie sei er so klar bei Verstand gewesen wie jetzt, soll er gesagt haben.

Schließlich besuchte ihn seine Mutter ein letztes Mal und versuchte wohl ihm Mut zuzusprechen: „Mein Sohn, du hast zu Gott statt zu den Heiligen gebetet. Das ist ein Verbrechen in Frankreich, für das einem keine Gnade entgegengebracht wird. Du wirst dem zum Opfer fallen. Wir haben in der Tat viele Freunde, die viel erreichen können, aber sie haben mir gesagt, dass sie in jeder anderen Sache alles unternehmen würden, aber für jemanden, der Gott anruft, wird sich niemand einsetzen.“

Am 30. November 1728 wurde Alexandre Roussel im Alter von 26 Jahren auf der Place du Pérou in Montpellier öffentlich hingerichtet. Seinem Henker soll er noch zugerufen haben: „Ich vergebe dir und allen, die mir Böses tun, von Herzen.“

 

 

 

Sise Sawaneh

* 1993 Las Sise Jaja Swaneh in Garawoi, † 9.10.2019 bei Masembe, gambische Jornalistin

 

Im Alter von zwei Wochen wurde Sise Saha Sawaneh ein Opfer weiblicher Genitalverstümmelung. Als Journalistin setzte sie sich vehement gegen diese Verstümmelung ein.

Ab ihrem 23. Lebensjahr wirkte Sise Saha Sawaneh auch als Medienbotschafterin der Organisation „The Girl Generation“. Sie gründete die „Global Youth Innovation Network“ mit und engagierte sich in weiteren Verbänden wie der „Journalism Students’s Association“.

Im Alter von 26 Jahren kam Sise Saha Sawaneh bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

 

 

 

 

Ibrahim Tuqan

* 1905 in Nablus, † 2.5.1941 in Jerusalem, palästinensischer Dichter

 

Bis 1992 war Ibrahim Tuqans Gedicht „Mautini“ palästinensische Nationalhymne, seit 2004 ist es die des Irak:

 

Meine Heimat

Meine Heimat

Glanz und Schönheit, Erhabenheit und Geziertheit

Sind in deinen Hügeln, sind in deinen Hügeln

Leben und Freiheit, Freude und Hoffnung

Sind in deiner Luft, Sind in deiner Luft

Werde ich dich sehen? Werde ich dich sehen?

Sicher und angenehm, gesund und geehrt

Sicher und angenehm, gesund und geehrt

Werde ich dich sehen? In deiner Eminenz

Die Sterne zu erreichen, die Sterne zu erreichen

Meine Heimat, Meine Heimat

Meine Heimat, Meine Heimat

Die Jugend wird nicht ermüden, ihr Ziel ist deine Unabhängigkeit oder sie werden sterben…

 

Ibrahims Tuqans Sohn Jafar wurde Architekt und baute das Yassir-Arafat-Museum in Ramallah.

 

 

 

Jan van Woerden

* um 1499 in Woerden, auch: Jan de Bakker, † 15.9.1525 in Den Haag, niederländischer Reformator

 

Jan van Woerden studierte in Löwen Theologie, hielt sich auch in Wittenberg auf und wirkte ab 1522 als Pfarrer in Woerden und Woubrugge. Aufgrund seiner Predigten wurde er verhaftet, floh nach Deutschland, kehrte zurück und wurde wieder inhaftiert. Nun erhielt er die Auflage, eine Bußwallfahrt nach Rom zu unternehmen. Er verließ die Niederlande jedoch nicht, trat in entstehenden evangelischen Gemeinden als Prediger auf, legte schließlich sein Priesteramt nieder und wurde Bäcker, was ihm den Beinamen „de Bakker“ einbrachte.

Nachdem er jedoch einem päpstlichen Ablassversprechen öffentlich widersprochen hatte, verhaftete man ihn abermals und verurteile ihn nach einem zweimonatigen Prozess zum Tode.

Jan van Woerden wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt und gilt als evangelischer Märtyrer.

 

 

 

 

Wang Bo

* 650, † 676, chinesischer Dichter

 

Wenn Wang Bo einen Panegyrik verfassen wollte, eine Lobschrift, vermalte er einige Liter Tinte auf Stoff, bedeckte damit sein Gesicht und legte sich hin. Dann sprang er plötzlich auf und schrieb den Text in einem Zug, ohne jedwede Korrektur, nieder. Er meinte (im Gegensatz zu der bis dahin in China herrschenden Lehrmeinung, dass Literatur nach der perfekten Schönheit der Welt zu suchen habe), Poesie müsse den eigenen Geist ausdrücken, so zu Inhalt und Sinn finden.

Mit sechs begann er angeblich zu schreiben, beendete mit zehn das Studium der Klassiker, diente dann am Hofe der Tang-Dynastie, lobte den Kaiser, wurde von dem dennoch kritisiert, tötete im Streit einen Diener, wurde des Hofes erwiesen - und sein Vater wurde sogar verbannt.

Als er dann versuchte seinen Vater in Vietnam zu finden, schrieb er seinen wohl bekanntesten Text „Tengwangge Xu“, in dem er seine Enttäuschung über politische Intrigen ausdrückt, aber auch seine Bereitschaft seinem Land weiter treu zu dienen.

Bei dieser Suche ertrank Wang Bo, 26 Jahre alt, nicht in Tinte allerdings, sondern in den trüben Wassern eines Flusses fern der Heimat.

 

 

 

Delphine Delamare

* 17.2.1822 als Veronique Delphine Couturier in La Rue-Saint-Pierre, † 6.3.1848 in Ry, französische Arztgattin

 

Ihr Grabstein auf dem Friedhof des nordfranzösischen Dörfchens Ry trägt diese Inschrift:

A La Mémoire De

Delphine Delamare

Née Couturier

Madame Bovary…

Die Sterbeszene in Gustav Flauberts weltberühmten Roman endet: „Und Emma begann zu lachen, ein grässliches, wahnsinnige, verzweifeltes Lachen, denn sie glaubte das scheußliche Gesicht des Elends zu sehen, das sich in der ewigen Finsternis wie ein Schreckgespenst erhob.

‚An jenem Tag ein böser Wind,

Der blies ihr Röckchen hoch geschwind!’

Ein Krampf warf sie auf die Matratze zurück. Alle traten näher. Sie war nicht mehr.“

Im Alter von 26 Jahren vergiftete sich Delphine Delamare, deren Schicksal Gustav Flaubert mit hoher Wahrscheinlichkeit zu „Madamea Bovary“ inspirierte, mit Arsenik.

Émile Zola sagte: „… namentlich aber sind der Tod und das Begräbnis der Madame Bovary grausig wahr. Außerdem hat das ganze Werk bis auf die unbedeutendsten Vorkommnisse ein peinigendes, durchaus neues, bis zum Erscheinen dieses Buches vollkommen unbekanntes Interesse; das Interesse an der Wirklichkeit, an dem Drama des alltäglichen Lebens erregt.“

 

 

 

 

 

Stan Hasselgård

* 4.10.1922 als Åke Hasselgård in Sundsvall, † 23.11.1948 in Decatur, Illionois, schwedischer Jazz-Klarinettist

 

Während seines Englisch- und Kunstgeschichts-Studiums in Uppsala leitete Stan Hasselgård die Universitäts-Danceband. Nach dem Abschluss seines Studiums ging er im Alter von 25 Jahren nach Ney York, wirkte bei Jam Session mit und zog weiter nach Los Angeles, wo er Barney Kessel, Max Roach und anderen späteren Jazz-Größen spielte.

Kurz nachdem ihn Benny Goodman eingeladen hatte, als Solist in seinem Septett mitzuwirken, kam Stan Hasselgård im Alter von 26 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

 

  

 

 

Algirdas Savickis

* 10.9.1917 in Kopenhagen, † 1.10.1943 im Ghetto Kaunas, litauischer Maler

 

Als Sohn eines litauischen Diplomaten wurde Algirdas Savickis in Dänemark geboren, in Finnland ging er zur Schule, dann auch in Deutschland, in Thüringen, in die Freie Schule Wickersdorf bei Saalfeld. Hier wurde er von Lehrern sexuell missbraucht. In England studierte er Englisch, schließlich zog er mit seiner mittlerweile von seinem Vater geschiedenen, jüdischen Mutter zurück nach Litauen, heiratete eine jüdische Frau, adoptierte deren Baby und begann in Kaunas Kunst zu studieren.

Dann aber besetzte die Rote Armee Litauen, im Jahr darauf die Wehrmacht, Juden wurden auf offener Straße gedemütigt, Ghettos eingerichtet, Pogrome installiert. Algirdas Savickis galt als „Jüdischer Mischling ersten Grades“ und hätte als solcher nicht ins Ghetto ziehen müssen, folgte jedoch seiner Mutter, seiner Frau, seinem Kind.

Er musste Zwangsarbeit leisten und schließlich erschoss ihn ein Wachposten bei einer Kontrolle. Algirdas Savickis wurde nur 26 Jahre alt, seine Frau und seine Tochter überlebten.

 

 

 

Giovanni Battista Pergolesi

* 4.1.1710 in Jesi, † 16.3.1736 in Pozzuoli, italienischer Komponist

 

Jean-Jacques Rousseau sagte zu Giovanni Pergolesis letztem Werk: „Der erste Satz des Stabat mater ist das perfekteste und berührendste Duett, das je aus der Feder irgendeines Komponisten geflossen ist“. Der geniale Komponist, dem letztlich nur fünf Schaffensjahre beschieden waren, konnte sein Meisterwerk selbst nie hören. Bis kurz vor seinem Tod hatte er daran gearbeitet und erst Tage darauf wurde es in Neapel uraufgeführt. Giovanni Battista Pergolesi starb im Alter von 26 Jahren an Tuberkulose.

Christoph Martin Wieland übertrag den aus dem 13. Jahrhundert stammenden lateinischen Text ins Deutsche:

 

Schaut die Mutter voller Schmerzen,

wie sie mit zerrißnem Herzen

unterm Kreuz des Sohnes steht:

Ach! Wie bangt ihr Herz, wie bricht es,

da das Schwerdt des Weltgerichtes

tief durch ihre Seele geht!

[…]

Gegen aller Feinde Stürmen

Laß mich Christi Kreuz beschirmen,

sey die Gnade mein Panier!

Dekt des Grabes düstre Höle

Meinen Leib, so nimm die Seele

Auf ins Paradies zu dir!

 

Berühmt geworden war Pergolesi spätestens drei Jahre zuvor mit der als Zwischenspiel seiner Oper „Il prigionier superbo“ verfassten Farce „La serva padrona“ – „Die Herrin als Magd“, die als erstes Repertoirestück des europäischen Musiktheaters gilt. Als eine italienische Wander-Operntruppe knapp zwanzig Jahre nach Pergolesis Tod „Die Herrin als Magd“ in Paris auf die Bühne brachte, führte das zu einer der größten Diskussionen der Musikgeschichte, dem Buffonistenstreit, bei dem neben anderen immerhin auch Diderot und Rousseau das Wort ergriffen und in dessen Folge sich der italienische Musikstil zunehmend gegen den französischen durchsetzte.

Nach Giovanni Pergolesis frühem Tod tauchten zahlreiche, ihm zugeschriebene Werke auf dem Musikmarkt auf. Doch allein die Liste der zweifelsfrei von ihm in seiner kurzen Schaffensperiode komponierten Werke fordert Respekt: 2 Oratorien, 5 Kantaten, 10 Opern, 5 Instrumentale und 12 Geistliche Stücke. Hochachtung.

 

 

 

Jura Soyfer

* 8.12.1912 in Charkow, † 16.2.1939 im KZ Buchenwald, österreichischer Schriftsteller

 

Unerschrocken schrieb Jura Soyfer gegen die Nazis an:

 

Das ist die Zeit der großen Wahl,

Der vielgeliebte Führer nimmt

Zuflucht beim Volke wieder mal

Und spricht, das Herz rein wie Kristall:

Wir wolln mal sehn, wo wer nicht stimmt!

Der heldische Säbelschüttler

Will nichts sein als Willensvermittler,

Er fragt, von Rechtsgefühl beseelt_

Wollt Adolf ihr oder Hitler?

                 Deutsche, wählt!

 

Oder:

 

Es waren zwei Nazikinder,

Die hatten einander so lieb,

Sie konnten zusammen nicht kommen,

Denn sie war ein ostischer Typ.

 

Oder:

 

Wir trotten in Feldgrau, Schub um Schub

Zum Arbeitsdienst, Werke des Friedens zu schaffen…

Ein’ feste Burg ist unser Krupp,

Ein’ gute Wehr und Waffen.

                 Halleluja!

 

Oder:

 

Menschen sind wir einst vielleicht gewesen

Oder werden’s eines Tages sein,

Wenn wir gründlich von all dem genesen.

Aber sind wir heute Menschen? Nein!

 

Selbst als Jura Soyfer schon im KZ Dachau eingekerkert war, verfasste er noch das „Dachau-Lied“:

 

… wir haben die Losung von Dachau gelernt,

Und wir wurden stahlhart dabei.

Bleib ein Mensch, Kamerad,

Sei ein Mann, Kamerad,

Mach ganze Arbeit, pack an, Kamerad:

Denn Arbeit, denn Arbeit macht frei...

 

Jura Soyfer kam im Alter von 26 Jahren im KZ Buchenwald ums Leben.

 

 

 

Ishikawa Takuboku

* 20.2.1886 als Ishikawa Hajime in Hinoto, Präfektur Iwate, † 13.4.1912 in Tokio, japanischer Dichter

 

„Der Ishikawa ist ein armes Kind.“

Das sage ich manchmal zu mir selbst

und bedaure mich.

 

Als Sohn eines buddhistischen Priesters schien deine Kindheit doch glücklich? Begannen die Probleme nicht erst, als du rebellierst, mit sechzehn die Schule verlässt und nach Tokio gingst?

 

Dem heimatlichen Berg zugewandt

Versagen alle Worte.

Heimatlicher Berg, dankbar bin ich, dass es dich gibt.

 

Neben Romanen und Erzählungen hast du mehr als 2.000 Tankas verfasst, Kurzgedichte in klassischer Form, von denen wohl jeder Japaner das eine oder andere kennt.

 

Wie lange noch wird

dieses Bild an der Wand hängen bleiben,

das ich nicht mehr anschauen mag?

 

Rührt deine anhaltende Popularität daher, dass du Tradiertes mit neuen Inhalten fülltest, Alltägliches in Verse brachtest?

 

Man sagt, dass die meisten Bauern aufgehört haben, Sake zu trinken.

Was geben sie wohl auf,

wenn es ihnen noch schlechter geht?

 

Auch du gerietst in Not, suchtest sogar auf Hokkaido nach Arbeit, warst Hilfslehrer und Redakteur, um deine Familie ernähren zu können.

 

Als ich die armselige Zeitung des Landes aufschlug,

fand ich Druckfehler.

Traurigkeit von heute früh.

 

Und du fingst an zu trinken, bliebst aber hochproduktiv.

 

Ein angenehmes Gefühl, frisch aus dem Rausch zu erwachen!

Mitten in der Nacht stehe ich auf

und reibe die Tusche an.

 

Dann wurdest du krank.

 

Im Krankenhaus werde ich wieder so,

wie ich wirklich bin,

jemand, der Frau und Kind zärtlich liebt.

 

Schwer krank.

 

Ich glaube, die Ursache meiner Krankheit

liegt tief und weit zurück.

Ich schließe die Augen und denke nach.

 

Und mit sechsundzwanzig starbst du letztlich an Tuberkulose.

 

Wenn ich atme

ertönt in der Brust ein rasselnder Laut.

Einsamer als der Wintersturm, dieser Laut!

 

 

 

Esmée van Eeghen

* 7.7.1918 als Esmée Adrienne van Eeghen in Amsterdam, † 7.9.1944 in Noordijk, niederländische Widerstandskämpferin

 

Esmée van Eegehn war die Stieftochter des Vorsitzenden des Nationalen Olympischen Komitees, sprach fließend Deutsch, Englisch und Französisch und reiste gern. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande wirkte sie als Krankenpflegerin, und half später jüdische Kinder zu verstecken, rettete so mindestens 100 das Leben. Dann wurde sie Mitglied des „Friese knokploegen“, des friesischen Widerstands, agierte unter den Decknamen Elly und Sjoerdje. Ein Chronist beschrieb sie später als „weltläufige Frau […], die teuer gekleidet und zurechtgemacht war, darüber hinaus kräftig rauchte und gerne trank. Eine exotische Blume auf friesischem Boden.“

Nachdem bekannt wurde, dass sie mit einem deutschen Offizier zusammenlebte, wurde sie vor ein Femegericht gestellt und aus Friesland verwiesen. In Amsterdam dann geriet sie ins Blickfeld des Deutschen Sicherheitsdienst SD. Esmée van Eegehn wurde verhaftet und einen Monat später ermordet.

 

 

 

Norbert Burgmüller

* 8.2.1810 als August Joseph Norbert Burgmüller in Düsseldorf, † 7.5.1836 in Aachen, deutscher Komponist

 

Im Alter von 16 Jahren begann Norbert Burgmüller in Kassel Musiktheorie und Violine zu studieren, wirkte dann dort bis 1830 als Korrepetitor, Dirigent und Pianist und begann zu komponieren.

Nach dem Tod seiner Verlobten geriet er in eine Krise, litt sogar unter epileptischen Anfällen. Zurück in Düsseldorf lernte er Felix Mendelssohn Bartholdy kennen, der Burgmüllers „Klavierkonzert fis-Moll“ aufführte und später im Leipziger Gewandhaus auch Burgmüllers 1. Sinfonie. Robert Schumann nannte dieses Werk: „das bedeutendste, nobelste Werk im Sinfoniefach, das die jüngere Zeit hervorgebracht.“) Christian Dietrich Grabbe schrieb das Libretto für Burgmüllers Oper „Der Cid“. Insgesamt schuf Norbert Burgmüller 5 Orchesterwerke, Vokal-, Klavier- und Kammermusik.

Norbert Burgmüller ertrank im Alter von 26 Jahren während eines Kuraufenthalts im Aachener Quirinusbad, wahrscheinlich infolge eines epileptischen Anfalls. Felix Mendelssohn Bartholdy komponierte für Burgmüllers Beisetzung den „Trauermarsch a-Moll“. Grabbe schrieb den Nachruf.

 

  

 

 

Jean Harlow

* 3.3.1911 als Harleen Harlow Carpenter in Kansas City, Missouri, † 7.6.1937 in Los Angeles, amerikanische Schauspielerin

 

In „Hell’s Angels“ sagt Jean Harlow einen der wohl berühmtesten Sätze der Filmgeschichte: „Wären Sie schockiert, wenn ich etwas Bequemes anziehe? - Would you be shocked if I put on somthing more comfortable?“ Was für ein Skandal im Jahr 1930!

In den folgenden Jahren stieg Jean Harlow mit Filmen wie „Vor Blondinen wird gewarnt“, „Feuerkopf“ und „Dschungel im Sturm“ zum Top-Star auf.

Große Erfolge waren auch „Dinner um acht“, „Lustige Sünder“ oder nicht zuletzt „Bombshell“ – nomen es omen…

Während der Dreharbeiten von „Saratoga“ starb Jean Harlow plötzlich im Alter von 26 Jahren an einer Vergiftung infolge Nierenversagens.

Elf Jahre nach ihrem Tod erinnerten sich ein Harley-Davidson-Fahrer an Jean Harlows ersten Tonfilm und nannte seinen alsbald skandalträchtigen Motorradclub „Hells Angels“.

 

 

 

Otis Redding

* 9.9.1941 in Dawson, Georgia, † 10.12.1967 bei Madison, Wisconsin, amerikanischer Sänger

 

Am 7. Dezember 1967 nahm Otis Redding seinen Song „Sittin’ on the dock of a bay“ auf.

 

Sittin' in the morning sun

I'll be sittin' when the evening comes

Watching the ships roll in

Then I watch 'em roll away again, yeah…

(Ich sitz hier in der Morgensonne / Heut Abend werd ich immer noch da sitzen / Guck zu, wie die Schiffe einlaufen / und später wieder auslaufen…)

 

Am 10. Dezember 1967 kam Otis Redding auf dem Weg zu einem Konzert bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. „Sittin’ on the dock of a bay“ wurde postum veröffentlicht und sollte sein größter Hit werden.

 

Looks like nothing's gonna change

Everything still remains the same

I can't do what ten people tell me to do

So I guess I'll remain the same, listen…

(Scheint ganz so, als ob der Film gelaufen wäre, alles bleibt beim Alten / Jeder sagt mir was anderes - ich kann doch nicht alle guten Ratschläge befolgen / Ich denk mal, für mich war's das…)

 

Die Musikzeitschrift „Rolling Stone“ listete Otis Redding auf Rang 8 der 100 besten Sänger aller Zeiten.

 

I'm just gon' sit at the dock of a bay

Watchin' the tide roll away, ooh

Sittin' on the dock of the bay

Wastin' time.

 

 

 

Johan Coenraad van Hasselt

* 24.6.1797 in Doesburg, † 8.9.1823 in Buitenzorg, Java, niederländischer Arzt und Naturforscher

 

Johan Coenraad van Hasselt studierte in Groningen Medizin und promovierte im alter von 23 Jahren. Zudem nahm er Unterricht in Naturgeschichte, lernte so Heinrich Kuhl kennen, traf in Berlin Martin Hinrich Lichtenstein und in Paris Alexander von Humboldt und Georges Cuvier.

1820 gründete er die „Natuurkundige Commissie voor Nederlandsch-Indië“ mit und fuhr nach Java. Er erkundete die Umgebung von Buitenzong, die Küste von Batavia und die Provinz Bantam und sammelte umfangreiches naturwissenschaftliches Material. Mit seinem Freund Kuhl veröffentlichte er die Schrift „Beiträge zur Zoologie und vergleichenden Anatomie“. Seine in Briefen verfassten Forschungsberichte erschienen erst postum.

Johan Coenraad van Hasselt starb im Alter von 26 Jahren an der Ruhr.

 

 

Qandeel Baloch

* 1.3.1990 als Fouzia Azeem in Dera Ghazi Khari, Punjab, † 15.7.2016 in Multan, pakistanische Feministin

 

Qandeel Baloch wurde durch ihre Facebook-Videos bekannt und galt als „Kim Kardashian Pakistans“. Durch ihre Freizügigkeit fühlten sich Konservative Muslime provoziert.

Im Alter von 26 Jahren wurde Qandeel Baloch von einem ihrer Brüder ermordet.

 

  

 

 

Johann Friedrich von Cronegk

* 2.9.1731 in Ansbach, † 1.1.1758 in Nürnberg, deutscher Autor

 

Johann Friedrich von Cronegk studierte in Halle und Leipzig Jura. Er war ein Multilinguist, interessierte sich vor allem für romanische Sprachen, übersetzte und bereiste nach seinem Studium Italien und Frankreich. Mit Johann Peter Uz gab er die Wochenschrift „Der Freund“ heraus, schrieb Gedichte und Essays. Seine bekanntesten Werke sind die Komödie „Der Misstrauische“ und die Tragödien „Olint und Sophronia“ und „Codrus“. Die meisten seiner Texte wurden erst postum veröffentlicht.

Johann Friedrich von Cronegk starb im Alter von 26 Jahren an den Pocken.

 

 

Nafisa Joseph

* 28.3.1978 in Bangaluru, † 29.7.2004 in Mumbai, indisches Model

 

Bereits im Alter von 12 Jahren agierte Nafisa Joseph erstmals als Model vor der Kamera. Mit siebzehn gewann sie die Wahl zur „Miss India Universe“.

Dann moderierte sie für MTV „House Full“, spielte in einer Fernsehserie, gründete eine Fernsehproduktionsfirma mit und engagierte sich für den Tierschutz.

Im Alter von 26 Jahren nahm sich Nafisa Joseph das Leben.

 

 

 

 

Marília Dias Mendonça

* 22.7.1995 in Christianópolis, † 5.11.2021 in Piedade de Carantinga, brasilianische Sängerin

 

Im Alter von 12 Jahren begann Marília Dias Mendonça zu komponieren und schrieb Songs für verschiedene Interpreten. Mit neunzehn debütierte sie als Sängerin, zwei Jahre später erschien ihr erstes Album, drei weitere folgten. Und sie wurde in der Kategorie „Bestes Country-Music-Album“ mit dem Latin-Grammy Award ausgezeichnet.

Im Alter von 26 Jahren kam Marília Dias Mendonça bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

  

 

 

 

Michael Westphal

* 19.2.1965 in Pinneberg, † 19.6.1991 in Hamburg, deutscher Tennisspieler

 

Am 19. Juni 1991, einem Mittwoch,

- zogen die sowjetischen Truppen aus Ungarn ab,

- begann  die Belagerung von Dubrovnik im Kroatienkrief,

- eröffnete Bundeskanzler Helmut Kohl die zweitägige - Tagung des Außenministerrats der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Berlin - als 35. europäisches Land wurde Albanien aufgenommen,

- kündigte die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Liselotte Funcke zum 15. Juli ihren Rücktritt an und kritisiert dabei massiv eine mangelnde Unterstützung durch Bundesregierung und Parteien,

- lehnte der Bundestag einen Gesetzentwurf der SPD zur Einführung plebiszitärer Elemente in das Grundgesetz ab,

- stellte sich Pablo Escobar, seit 1984 flüchtiger Anführer des kolumbianischen Drogenkartells, der Justiz,

- teilte ein in Bonn veröffentlichter Report einer unabhängigen Doping-Kommission fest, dass im deutschen Sport vor der Vereinigung umfassend gedopt worden ist, wobei die Funktionäre eine Mitschuld trugen,

- feierte ich mit gut 30 Freunden, Weggefährten etc.pp. meinen 38. Geburtstag,

- starb der Tennis-Star Michael Westphal – woran, wurde erst zehn Jahre später bekannt – an AIDS.

 

 

 

Nick Drake

* 19.6.1948 als Nicholas Rodney Drake in Rangun, Birma, † 25.11.1974 in Tanworth-in-Arden bei Coventry, britischer Songwriter

 

Nick Drake, starb im Alter von 26 Jahren, als Songschreiber noch kaum bekannt, an einer Überdosis Antidepressiva. Das gab Anlass für Spekulationen von falscher Medikamentierung durch den, Drakes zunehmende Depression behandelnden Arzt, bis zu blödem Unfall oder gar Selbstmord.

Nick Hornby lässt später in einem Roman eine seiner Protagonistinnen über Nick Drake sagen: „Aber mir geht es so wie ihm hier, und so was würden sie im Radio nie spielen, denn Menschen, die so traurig sind, passen nicht ins Programm.“

Weltweit bekannt wurde sein Album „Pink Moon“ erst 27 Jahre nach seinem Tod, als der VW-Konzern den Titelsong als Untermalung eines Werbespots einsetzte.

Wenige Jahre zuvor hatte der Regisseur Noah Baumbach den Song „Time of no reply“ aus dem Nachlass Nick Drakes in einem Film verwendet: „Summer was gone and the heat died down… Der Sommer war vorbei und die Hitze ließ nach / Und der Herbst griff nach seiner goldenen Krone / Ich schaute nach hinten, als ich ein Seufzen hörte / dies war die Zeit ohne Antwort. / Die Sonne ging unter und die Menge ging nach Hause / Ich wurde ganz alleine am Straßenrand gelassen / Ich drehte mich um, um zu sprechen, als sie vorbeigingen / Dies war die Zeit ohne Antwort…“

Schon auf „Pink Moon“ hatte Nick Drake im Song „Things behind the sun“ gesungen: „Please beware of them that stare – Bitte hüte dich vor denen die starren!“

 

 

 

Karoline von Günderode

* 11.2.1780 als Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderode in Karlsruhe, † 26.7.1806 in Winkel, deutsche Dichterin

 

Christa Wolf sagte über Karoline von Günderode: „Gezeichnet von einem unheilbaren Zwiespalt, begabt, ihr Ungenügen an sich und der Welt auszudrücken, lebt sie ein kurzes, ereignisarmes, an inneren Erschütterungen reiches Leben, verweigert den Kompromiß, gibt sich selbst den Tod, von wenigen Freunden betrauert, kaum gekannt, hinterlässt, zu wichtigen Teilen ungedruckt, ein schmales Werk: Gedichte, Prosastücke, dramatische Versuche, gerät in Vergessenheit, wird nach Jahrzehnten wiederentdeckt von Liebhabern ihrer Poesie, die es unternehmen, ihr Andenken und ihre um ein Haar vernichtete Hinterlassenschaft zu retten.“

Schon fünf Jahre vor ihrem Freitod hatte Karoline von Günderode in einem Brief geschrieben: „Schon oft hatte ich den unweiblichen Wunsch, mich in ein wildes Schlachtgetümmel zu werfen, zu sterben – warum ward ich kein Mann! Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit. Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges, aber unverbesserliches Missverhältnis in meiner Seele; und es wird und muß bleiben, denn ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und so uneins mit mir.“

Bettina von Arnim stand mit ihr im regen Briefwechsel und erinnerte sich in ihrem 1840 erschienenen Briefroman „Die Günderode“: „Das Reich, in dem wir zusammentrafen, senkte sich herab wie eine Wolke, die sich öffnete, um uns in ein verborgenes Paradies aufzunehmen.“

 

In die heitre frei Bläue

In die unbegränzte Weite

Will ich wandeln, will ich wallen

Nichts soll meine Schritte fesseln.

 

Leichte Bande sind mir Ketten

Und die Heimat wird zum Kerker.

Darum fort und fort ins Weite

Aus dem engen dumpfen Leben.

 

 

 

Minamoto no Sanetomo

* 17.9.1192, † 13.2.1219, japanischer Shōgun und Dichter

 

Minamoto no Sanetomos Vater war der Gründers des Kamakura Shōgunats. Im Alter von 11 Jahren wurde er der Nachfolger seines ermordeten Bruders und somit dritter Shōgun in Kamakura.

Minamoto no Sanetomo war Schüler des Dichters Fujiwara no Teika und verfasste in seinem kurzen Leben etwa 700 Waka-Gedichte.

Im Alter von 26 Jahren wurde Minamoto no Sanetomo von einem Neffen ermordet.

 

 

 

 

Maria Severa Onofriana

* 26.7.1820 in Lissabon, genannt: A Severa, † 30.11.1846 ebd., portugiesische Fado-Sängerin

 

Maria Severa Onofriana gilt als Wegbereiterin und bedeutendste Interpretin des Fado im 19. Jahrhundert. Noch heute treten Fado-Sängerinnen wie einst Maria Severa mit einem schwarzen Seidenschal auf.

Maria Severa, Tochter eines Roma-Schankwirtpaares, starb im Alter von 26 Jahren wahrscheinlich an Tuberkulose.

Ihr Leben war Grundlage für ein Schauspiel, zwei Filmen und einem Musical.

 

 

 

Maria Uhden

* 6.3.1892 in Coburg, † 14.8.1918 in München, deutsche Malerin

 

Im Alter von 18 Jahren ging Maria Uhden nach Berlin, nahm Zeichenunterricht und suchte Kontakte zu expressionistischen Künstlerkreisen. Herwarth Walden stellte Uhlen-Werke in seiner Galerie „Der Sturm“ aus und einige Bilder wurden in mehreren Zeitschriften abgedruckt. Oskar Maria Graf sagte zu ihrer Malerei: „Eine ungeheute Sanftmut und Erdschwere strömt aus den Körpern von Mensch und Tier.“

Die Nazis stuften ihre Bilder als „entartet“ ein, ein Großteil ihres grafischen Werks gilt als verschollen. Eine Holzschnittsammlung befindet sich im Museum of Modern Art in New York.

Maria Uhden starb im Alter von 26 Jahren an den Folgen der Geburt ihres ersten Kindes.

 

   

 

 

Wolfgang Borchert

* 20.5.1921 in Hamburg, † 20.11.1947 in Basel, deutscher Schriftsteller

 

Kann sein, dass ich Wolfgang Borcherts „Hundeblume“ erstmals in die Hand bekam, als ich bei der Fahne war, als ich wie viele meines Alters Soldat in der Nationalen Volksarmee dienen musste. Später sah ich selbstredend auch „Draußen vor der Tür“, ja.

Wolfgang Borchert galt als Wehrmachts-Angehöriger, der den Zweiten Weltkrieg zwar überlebte, doch an ihm starb. Heinrich Böll sagte, er drücke in seinen Texten aus, „was die Toten des Krieges, zu denen er gehört, nicht mehr sagen konnten.“

 

Du, Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann sag nur eins:

Sag NEIN

 

Günther Cwojdrak schrieb: „In der Zeit, in der Wolfgang Borchert lebte, wurde eine Welt zertrümmert. Es war nicht seine Welt, aber doch die Welt, in der er lebte. In einer solchen Zeit ein neues Weltbild zu gewinnen, ist nicht leicht; man muß es sich mühsam, Stück für Stück, zusammensetzen. Er hat versucht, mit seinen Möglichkeiten, seinen Mitteln eine Vergangenheit zu bewältigen, für die auch er sich verantwortlich fühlte. Er wußte auf viele Fragen keine Antwort, aber er hat nach vielem gefragt, und oft war seine Frage eine Herausforderung. Er wollte die Antwort wissen. Er hat vor der Wirklichkeit nicht kapituliert, so kalt, feindlich, unmenschlich sie ihm oft auch entgegentrat. Und er hat versucht, inmitten eingestürzter Städte, inmitten eines geistigen Trümmerfeldes, den Blick zu heben und eine Perspektive der Zukunft zu gewinnen.“

 

 

 

Hélène Boucher

* 23.5.1908 in Versailles, † 30.11.1934 in Guyancourt, französische Pilotin

 

Hélène Boucher wurde die „schnellste Frau der Welt“ genannt: Im Jahr 1934 stellte sie mehrere Flugweltrekorde auf, so erreichte sie eine Spitzengeschwindigkeit von 485 km/h.

Im Alter von 26 Jahren kam sie bei einem Übungsflug ums Leben. In einem Nachruf einer österreichischen Zeitung hieß es: „Frankreichs berühmteste Pilotin, die 26jährige Helene Boucher, Inhaberin einer Reihe von Weltrekorden, fand gestern, wie man uns aus Paris telegraphiert, beim Absturz ihres Flugzeuges auf dem Flugplatz Guyancourt bei Versailles den Tod. In Frankreich hat das Schicksal dieser überaus beliebten und mutigen Fliegerin Bestürzung ausgelöst. Helene Boucher, die Tochter eines Architekten, war Flugschülerin des berühmten Piloten Codes und erwarb ihr Flugpatent vor drei Jahren. Ihre letzte große Leistung war die Aufstellung eines Höhenweltrekords für Frauen, bei dem sie 5900 Meter erreichte. Sie galt als die ‚größte Flugakrobatin Europas‘.“

Hélène Boucher wurde post mortem zum Ritter der Ehrenlegion geschlagen und als erste Frau im Pariser Invalidendom beigesetzt.

 

 

 

Johann Anton Fils

* 22.9.1733 (getauft) in Eichstätt, † 14.3.1760  in Mannheim, deutscher Komponist

 

Im Alter von 19 Jahren kam Johann Anton Fils nach Mannheim, wurde Cellist der hochangesehen kurfürstlichen Hofkapelle und begann zu komponieren. Er verfasste Instrumentalkonzerte, Kammer- und Kirchenmusik sowie bis zu 30 Sinfonien.

Christian Friedrich Daniel Schubart nannte ihn „den besten Symphonienschreiber, der jemals gelebt hat“.

Sein späterer Spitzname „Spinnenfresser“ rührt möglicherweise von der Behauptung her, er sie am Verzehr lebender Spinnen gestorben.

Johann Anton Fils wurde nur 26 Jahre alt.

 

   

 

 

Sándor Petöfi

* 1.1.1823 als Alexander Petrovics in Kiskőrös, † 31.7.1849 in Segesvár, ungarischer Dichter

 

Ein erstes Gedicht von Sándor Petöfi erschien 1842 in der Literaturzeitschrift „Athenaeum“, sein erster, sehr erfolgreicher Gedichtband zwei Jahre darauf. Von Anfang an setzte sich Sándor Petőfi in seinen Werken für einen unabhängigen ungarischen Nationalstaat ein.

Der Text, der ihn in Ungarn unsterblich machte war jedoch sein „Nationallied“. Geschrieben am 13. März des Revolutionsjahres 1848, sollte es schon zwei Tage später der Zündfunke für die ungarische Revolte sein: Am frühen Morgen des 15. März 1848 verfasste Sándor Petőfi mit anderen „Jungungarn“-Intellektuellen ein „Zwölf-Punkte-Programm“, welches die Forderungen der revolutionären Jugend auf den Punkt brachte. Dann marschierten sie von der Universität mit einer mehr und mehr anwachsenden Menge zur Druckerei Landerer & Heckenast, konfiszierten die Druckpresse, und vervielfältigten das „Nationallied“, das rasant Verbreitung fand. Schon wenige Stunden später kannte ganz Budapest das „Lied“, in allen Straßen, an allen Ecken und Enden wurde es skandiert und gesungen und mobilisierte die Massen. Am frühen Nachmittag fanden schließlich Zehntausende vor dem Nationalmuseum zusammen, und Sándor Petöfi trug sein „Nationallied“ vor:

 

Auf, die Heimat ruft, Magyaren!

Zeit ist’s, euch zum Kampf zu scharen!

Wollt ihr frei sein oder Knechte?

Wählt! Es geht um Ehr und Rechte

Schwören wir beim Gott der Ahnen:

Nimmermehr

beugen wir uns den Tyrannen!

Nimmermehr!

 

Sklaven waren wir, Verräter

an dem Geiste unsrer Väter,

die im Grab nicht Ruhe fanden,

seit die Freiheit ging zuschanden.

Schwören wir beim Gott der Ahnen:

Nimmermehr

beugen wir uns den Tyrannen!

Nimmermehr!

 

Fluch dem Wicht, der jetzt versagte,

feige nicht zu kämpfen wagte,

dem sein Leben teurer wäre

als des Vaterlandes Ehre!

Schwören wir beim Gott der Ahnen:

Nimmermehr

beugen wir uns den Tyrannen!

Nimmermehr!

 

Statt die Ketten zu zerschlagen,

haben wir sie stumm ertragen.

Rühmlicher und ehrenwerter

sind für Männerhände Schwerter!

Schwören wir beim Gott der Ahnen:

Nimmermehr

beugen wir uns den Tyrannen!

Nimmermehr!

 

Waschen wir mit Blut die Schande

weg von unsrem Vaterlande,

daß sein Schild in allen Breiten

strahle wie zu alten Zeiten!

Schwören wir beim Gott der Ahnen:

Nimmermehr

beugen wir uns den Tyrannen!

Nimmermehr!

 

Unsre Kinder sollen später

an den Gräbern ihrer Väter

stets in dankbarem Gedenken

ehrfurchtsvoll die Häupter senken!

Schwören wir beim Gott der Ahnen:

Nimmermehr

beugen wir uns den Tyrannen!

Nimmermehr!

 

Mitte Oktober 1848 wurde Sándor Petőfi Hauptmann beim Honvédbataillon in Debrecen, dann diente er als Adjutant des Generals Józef Bem und fiel im ungarischen Freiheitskampf gegen die Habsburger Ende Juli 1849 im Alter von 26 Jahren in der Schlacht bei Segevár. Nie konnte eindeutig geklärt werden, wo sein Leichnam bestattet wurde. Sein Grab blieb unbekannt. Petöfi wurde zur Legende.

 

 

 

Charlotte Salomon

* 16.4.1917 in Berlin, † 10.10.1943 im KZ Auschwitz-Birkenau, deutsche Malerin

 

„Leben? Oder Theater?“ betitelte Charlotte Salomon mit Kommentaren und Hinweisen auf Musiken versehene Auswahl ihrer Gouachen, eine Art inszenierter Lebenslauf, der dann erstmals 1961 als Theaterstück aufgeführt wurde.

Da ihr Vater geehrter Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs war, wurde Charlotte Salomon Anfang 1936 noch regulär an der Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst Berlin-Charlottenburg immatrikuliert. Nachdem ihr bei einem Wettbewerb dann zwar der erste Preis zuerkannt, wegen ihrer jüdischen Herkunft aber versagt wurden, verließ sie diese Hochschule im Herbst 1937.

Anfang 1939 emigrierte sie zu ihren in Südfrankreich lebenden Großeltern. Im Zuge der deutschen Besatzung wurde Charlotte Salomon interniert, alsbald jedoch wieder freigelassen – und sie begann wie besessen zu malen, schuf in nur 18 Monaten mehr als 1300 Gouachen, von denen sie dann 800 für „Leben? Oder Theater?“ auswählte. Und als das Tausendjährige Reich schließlich auch Südfrankreich okkupiert hatte, heirate sie einen österreichischen Emigranten, um der Auslieferung zu entkommen. Das Ehepaar wurde jedoch denunziert, Ende September 1943 in ein Sammellager bei Paris verschleppt und am 7. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert.

Wahrscheinlich wurde Charlotte Salomon, die im fünften Monat schwanger war, sofort dort nach ihrer Ankunft selektiert und ins Gas geschickt.

 

 

 

Cheb Hasni

* 1.2.1968 in Oran, † 29.9.1994 ebd., algerischer Sänger

 

Cheb Hasni gilt als der bedeutendste Vertreter des „Raï sentimental“ und als einer der beliebtesten und erfolgreichsten Musiker Algeriens. Auf Kassetten veröffentlichte er mehr als 150 Titel.

Im algerischen Bürgerkrieg zwischen Islamisten und der Regierung entfalteten seine Songs große gesellschaftliche Sprengkraft und standen auf dem Index. Dennoch ging er konsequent nicht ins Exil.

Cheb Hasni wurde im Alter von 26 Jahren ermordet.

 

 

 

Wilhelm Morgner

* 27.1.1891 in Soest, † 16.8.1917 bei Langemark, Westflandern, deutscher Maler und Grafiker

 

Im Alter von 17 Jahren wurde Wilhelm Morgner Schüler von Geortg Tappert in Worpswede. Im Jahr darauf ging er zurück in seine Heimatstadt Soest, richtetet sich ein Atelier ein und stellte erstmals aus. Alsbald bekam er auch Zugang zur modernen Berliner Kunstszene, lernte Franz Marc und andere Maler kennen. Herwarth Walden druckte einige seiner Bilder in der Zeitschrift „Der Sturm“. Es folgten Ausstellungen in Berlin, München und Köln, Budapest und sogar in Tokio.

1913 wurde er eingezogen und nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs an die Westfront geschickt. Dann nach einer Verwundung an die Ostfront und schließlich wieder an die Westfront, wo er im Alter von 26 Jahren fiel.

Wilhelm Morgner hinterließ 235 Gemälde, 1.920 Zeichnungen und Aquarelle, 67 Druckgrafiken und 2 Holzreliefe. Die Nazis stuften seine Bilder als „entartet“ ein. Nunmehr sind Morgner-Werke vor allem in Museen in Münster und Soest zu sehen.

 

 

 

 

 

Thomas Etholen Selfridge

* 8.2.1882 in San Francisco, † 17.9.1908 in Forth Myer, Virginia, amerikanischer Offizier

 

Thomas E. Selfridge gilt als erstes Opfer der Motor-Luftfahrt.

Nach seiner Ausbildung an der Militärakademie Westpoint wurde er Alexander Graham Bell als militärischer Beobachter an die Seite gestellt und gründete mit ihm und anderen 1907 in Halifax die „Aerial Experiment Association“ zur Entwicklung neuer Luftfahrtzeuge. Und er entwickelte die „Red Wing“ und die „White Wing“, die er auch selbst flog - als erster US-Offizier.

Im Jahr darauf wurde er nach Fort Myer beordert, wo die Brüder Wright ihre Flugzeuge vorstellten. Bei einem Flug des „Flyer A“ saß Thomas E. Selfride neben Orville Wright. Der „Flyer A“ stürzte ab, Orville Wright erlitt Knochenbrüche, Thomas E. Selfridge kam im Alter von 26 Jahren ums Leben.

 

  

 

Antun Branco Šimić

* 18.11.1898 in Dronovci, Pseudonym: Slavče, † 2.5.1925 in Zagreb, kroatischer Schriftsteller

 

Antun Branco Šimić veröffentlichte ab dem Alter von 15 Jahren Gedichte in Zagberber Literaturzeitschriften. Ab 1917 gab er dort sogar Literaturzeitschriften heraus, so „Vijavica“ und „Juniš“. Drei Jahre später erschien sein erster Gedichtband „Preobraženja“.

1924 erkrankte Antun Branco Šimić an einer Lungen- und Rippenfellentzündung, von der sich nicht erholte und im Alter von 26 Jahren starb.

Der Schriftsteller Ivan Goran Kovačić sagte: „Sein Weinberg reifte früh heran, und die überreifen Trauben gaben einen schweren, starken, tödlichen Wein, von dem man nicht viel, aber oft und lange trinken kann. Er kultivierte seine Sprache, studierte und vervollkommnete sie. Er war wie die alten Meister, die ihre Farben nach verschiedenen Rezepturen eigenhändig herstellten und die Leinwände selbst grundierten. Auf alle Fehler achtete er, ärgerte sich über Kleinigkeiten, falsch gesetzte Kommas und Druckfehler konnten ihn zur Weißglut bringen ... Sein überreiches geistiges Leben wurde, neben anderen Faktoren, zur Ursache für seinen physischen Tod. Er stand ganz in Flammen, und nur die Erde konnte dieses Feuer löschen.“

Seit 1998 verleiht der kroatische Schriftstellerverband Herceg-Bosnas in Mostar den Antun-Branco-Šimić-Preis.

 

  

 

 

Sharon Marie Tate

* 24.1.1943 in Dallas, verheiratet Polanski, † 9.8.1969 in Los Angeles, amerikanische Schauspielerin

 

Bekannt wurde Sharon Tate durch Roman Polanskis „Tanz der Vampire“. Traurige Berühmtheit erlangte sie, nachdem eine Horde entmenschlichter Wesen um Charles Manson sie grausam in ihrem Haus, das sie gern ihr love-house nannte, erdolchten.

Sharon Tate war hochschwanger und auch ihr Kind fiel dem Wüten der Manson-Family zum Opfer. Postum gab ihm Roman Polanski, der Kindesvater, den Namen Paul Richard. Mutter und Kind wurden unter großer Anteilnahme auf dem Holy Cross Cemetery, im kalifornischen Culver City beigesetzt.

Polanski widmete Sharon Tate seinen Film „Tess“,  die Hauptrolle besetzte er mit Nastassja Kinski, die am gleichen Tag wie seine ermordete Frau Geburtstag hat: „For Sharon!“

 

 

 

Sultanmachmut Toraighyrow

* 29.10.1893 in Kyzyl Tau, † 21.5.1920, kasachischer Schriftsteller

 

Als junger Schriftsteller gelangte ich mit anderen jungen Schriftstellern nach Kasachstan, und wären wir nicht 1986, sondern 70 Jahre früher gereist, hätten wir hier vielleicht dem jungen kasachischen Schriftsteller Sultanmachmut Toraighyrow begegnen können, der schon mit dreizehn erste Gedichte verfasste und einen der ersten Romane des Landes schrieb, doch im Alter von 20 Jahren starb. Ein Denkmal für ihn steht in Pawlodar, aber dahin kamen wir nicht, nicht wirklich.

Landung in Alma-Ata nach abenteuerlichem Flug mit einer kleinen JAK-40 (nach mir wurde bei einer Zwischenlandung ein Hammel in die Kabine geschoben). Alma heißt auf kasachisch Apfel, und Ata Vater, Alma-Ata folglich: Vater des Apfels. Erklärt unser Guide, und stellt sich als Mohammed vor. Unser Hotel ist westlichen Zuschnitts, Service allerorts und auch die Zimmer sind nicht giftgrün. Zudem heißt es „Otrar“, nach einer hiesigen Stadt, in der seit dem 4. Jahrhundert vor der Zeitrechnung Wissenschaft und Kultur blühte, die dann allerdings von Dschingis Khan zerstört wurde. Am Abend Tanz im Hotel in einem wie eine riesige Jurte gebauten Saal. Die Leute holen dich hier einfach aufs Parkett zu einer Art Ringelreihen, fassen sich und dich bei den Händen und hin und her geht’s im Kreis.

Am nächsten Morgen Stadtrundfahrt. Kathedrale (die einstige), eines der größten hölzernen Bauwerke der Welt, Auesow-Theater, Breshnew-Platz, Museum der Künste, Basar, heftiges Feilschen, Mohammed weist uns auf eine Spezialität des Landes hin: Kumys, vergorene Stutenmilch. Und den Männern raunt er zu (aber so, dass es auch die Frauen hören können): „stärkt Potenz!“ Dann fahren wir vom 700 - 1000 Meter über N.N. liegenden Alma-Ata nach Medeo hinauf, weltberühmte Hochgebirgseisbahn. Aufstieg zuerst zu einer Staumauer, die Alma-Ata vor Schlammlawinen, die hier immer mal wieder verheerend niedergehen (zuletzt 1963 und 1972, woraufhin die Mauer erhöht wurde), schützen sollen. Wenn ich richtig gezählt habe (falls man bei langsam ausgehender Luft überhaupt noch richtig zählen kann): 836 Stufen! Wird mir schwarz vor Augen? Nein, unglaublich schöne Aussicht über die beeindruckenden Eissportanlagen auf die Viertausender des Alatau-Gebirges. Und während in Alma-Ata grimmiger Frost herrscht, ist es hier zum Sonnen warm. Noch weiter bergwärts Museumsjurten eines kasachischen Auls (eines Dorfes). Und der Hauch von Exotik wird noch deutlicher, als Mohammed sagt, dass China nur noch gut 300 Kilometer entfernt liege.

Dann beginnt in Moskau der Parteitag, Gorbatschow spricht. In Alma-Ata überall Leute, die vor Fernsehern stehen, hocken, sitzen, das gesamte Hotelpersonal offenbar, Verkäuferinnen in Geschäften, Passanten vor Rundfunkgeschäften, unser Busfahrer (der eigens einen Mini-Fernseher am Armaturenbrett installierte) bei jedem Stopp... Der Erwartungsdruck scheint groß.

Wir fahren zum Haus des Schriftstellerverbandes. Doch ebenso wenig wie wir in Kirgisien Aitmatow begegnen konnten, treffen wir hier nicht auf Kekilbajew (dessen Büchern ich nicht minder Hochachtung zolle). Immerhin aber recht informative Gespräche. Oder hätte ich ansonsten erfahren, dass der kasachische Autorenverband sich in fünf Sektionen gliedert - eine kasachische, eine russische, eine koreanische, eine uigurische und eine deutsche, oder dass der kasachische Verband einen Rat der Aksakale, einen Rat der Ältesten habe - Vergleichbares gäbe es nur noch in China…

Am Nachmittag schlendern durch Warenhäuser und Geschäfte. Aber Geld haben wir eh kaum noch und außerdem sind die Verkäuferinnen ja mit dem Parteitagsgeschehen beschäftigt. Allerorten gestenreiche Kommentierungen, Diskussionen.

Zum Abschied am Abend wird uns ein Konzert einer Dombra-Spielerin in Nationaltracht geboten. Und schließlich fliegen wir mit einer nachgerade riesigen Il-82 zurück nach Moskau. Ohne Hammel.

 

 

 

Niels Henrik Abel

* 5.8.1802 in Nedstrand, Finnøy, † 6.4.1829 in Froland, Aust-Agder, norwegischer Mathematiker

 

Sein Lehrer an der Kathedralschule von Christiana Bernt Michael Holmhoe hielt im Klassenbuch über Niels Henrik Abel fest: „… dass er der größte Mathematiker der Welt werden kann, wenn er lange genug lebt.“

Erst einmal war es für ihn jedoch schwierig zu studieren. In Christiana wurden keine Naturwissenschaftler ausgebildet, so unterstützten ihn Professoren beim Selbststudium und ermöglichten, dass er in der eben gegründeten ersten naturwissenschaftlichen Zeitung Norwegens publizieren konnte. Dank eines Stipendiums ging er dann nach Kopenhagen und veröffentlichte seine Abhandlung über die Unlösbarkeit von Gleichungen fünften Grades durch Adjunktion von Wurzeln. So wurde Leopold Crelle, der Herausgeber des „Journals für die reine und angewandte Mathematik“ auf ihn aufmerksam. Abel ging nach Berlin und arbeitete hier zielgerichtet weiter. Dann reichte er bei der Académie française seine „Pariser Anhandlung“ über Integrale ein, die jedoch zweitweise verlorenging – und erst Jahre nach seinem Tode ediert wurde. Er war arm, wurde depressiv und erkrankte an Tuberkulose.

Er versuchte nochmals in Berlin Fuß zu fassen, ging dann zurück nach Norwegen, kam bei Freunden in Froland unter und starb schließlich hier. Kurz danach traf ein Brief von Leopold Crelle ein, der ihm eine Dozentur in Berlin ankündigte.

Niels Henrik Abel wurde nur 25 Jahre alt, die Liste der nach ihm benannten mathematischen Strukturen und Sätze lässt jedoch ahnen, was er noch alles hätte leisten können, wäre ihm ein längeres Leben vergönnt gewesen, ja, wie recht sein Schullehrer hatte:

- Abelsche Erweiterung, eine galoissche Körpererweiterung mit abelscher Galoisgruppe

- Abelsche Gruppe, eine Gruppe, für die das Kommutativgesetz gilt - Abelsche Identität, ein Ausdruck für die Wronski-Determinante zweier linear unabhängiger homogener Lösungen einer linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung

- Abelsches Integral, ein Integral über eine rationale Funktion in der komplexen Ebene

- Abelsche Integralgleichung, eine spezielle volterrasche Integralgleichung 1. Art

- Abelsche Kategorie, eine Kategorie, die sich im Wesentlichen wie die Kategorie der abelschen Gruppen verhält

- Abelsche Summation, eine bestimmte Umformung einer Summe von Produkten jeweils zweier Zahlen

- Abelsche Projektion, eine spezielle Projektion in einer Von-Neumann-Algebra

- Abelsche Varietät, eine vollständige, zusammenhängende Gruppenvarietät

- Abelscher Grenzwert, ein Satz zur Konvergenz einer Potenzreihe im Randpunkt des Konvergenzintervalls

- Kriterium von Abel, ein Konvergenzkriterium für unendliche Reihen

- Abelsches Lemma, ein Satz zur absoluten und lokalgleichmäßigen Konvergenz von Potenzreihen

Nach Niels Henrik Abel sind außerdem ein hochdotierter Preis, den die Norwegische Akademie der Wissenschaften jährlich seit 2003 vergibt, sowie ein Mondkrater im Nordwesten des Mare Australe auf der Mondvorderseite benannt.

 

 

 

Mu’ādh Safi Yūsif al-Kasāsba

* 29.5.1988 in Kerak, † vermutlich 3.1.2015, jordanischer Pilot

 

Über Rakka, der Hauptstadt des sogenannten Islamischen Staates, des IS, wurde die F-16 Oberleutnants al-Kasāsba am 24. Dezember 2014 abgeschossen. Anfang Februar 2015 stellte der IS ein Video ins Internet auf dem zu sehen war, wie der gefangene Kampfpilot in einem Käfig mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leibe verbrannt wird.

Weltweites Entsetzen.

Der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: „Sollte sich das Video seines abscheulichen Todes als authentisch erweisen, läge das jenseits jeder menschlichen Vorstellungskraft.“ Der damalige US-Außenminister John Kerry sprach von einer „neuen Dimension der Verdorbenheit“. Und er kündigte an, unerbittlich gegen den IS-Terror vorzugehen. Der Vater Mu’ādh al-Kasāsbas, Scheich des einflussreichen Stammes der Barārša, rief die arabischen Staaten und die sich formierende weltweite Anti-IS-Koalition auf, diesen Terrorstaat auszulöschen: „Das Blut meines Sohnes ist noch nicht gesühnt!“

Am 17. Oktober 2017 wurde der IS aus ihrer Hochburg Rakka vertrieben, am 23. März 2019 das letzte, vom IS in Syrien kontrollierte Gebiet, befreit.

 

 

 

Albert Niemann

* 20.5.1834 in Goslar, † 19.1.1861 ebd., deutscher Chemiker

 

Albert Niemann studierte in Göttingen Chemie und wurde Friedrich Wöhlers Assistent. Als erster isolierte er im Jahr 1860 aus Kokablättern eine kristalline Substanz und nannte dieses, dann zuerst als Lokalanästhetikum verwendete Mittel, wie es noch heute heißt: Kokain.

Albert Niemann starb im Alter von 26 Jahren, wahrscheinlich an der Folgen einer Senfgas-Vergiftung, die er sich vor seinen Kokain-Studien zugezogen hatte.

 

 

 

Malka „Mala“ Zimetbaum

* 26.1.1918 in Brzesko, † 15.9.1944 im KZ Auschwitz-Birkenau, belgische Widerstandskämpferin

 

Als Malka Zimetbaums zehn Jahre alt war, zog ihre Familie nach Antwerpen, wo sie dann als Näherin und später als Sprachsekretärin arbeitete und der jüdischen Jugendorganisation Hanoar Hatzioni beitrat.

Nach der deutschen Besatzung Belgiens verhaftete man sie und schickte sie ins SS-Sammellager Mecheln. Hier wurde sie der Registratur zugeteilt und konnte so vor allem Kinder von Deportationslisten streichen. Sie selbst brachte man im Herbst 1942 nach Auschwitz. Dank ihrer Sprachkenntnisse wurde sie als Übersetzerin und Läuferin eingesetzt. Sie konnte sich relativ frei zwischen den Lagerblöcken bewegen und so Mitgefangenen auf vielfältige Art und Weise helfen.

Dann lernte sie den fünf Jahre jüngeren polnischen Häftling Edek Galiński kennen und lieben und die beiden beschlossen zu fliehen. Edek hatte für sich eine SS-Uniform besorgt und tat dann so, als führte er Mala zu einem Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers. Tatsächlich gelangten die beiden bis in die Beskiden, wurden jedoch beim Versuch, die Grenze zur Slowakei zu überqueren, gefasst und zurück nach Auschwitz gebracht.

Nach schweren Verhören sollte Malas Exekution während eines Generalappells des Frauenlagers als Exempel statuiert werden. Kurz zuvor gelang es ihr aber, sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufzuschneiden und wahrscheinlich verblutete sie auf dem Weg ins Krematorium.

 

  

 

 

 

Asmahan

* 25.11.1917 als Amal al-Atrasch in al-Qrayya, † 14.7.1944 bei al-Mansura, Ägypten, syrische Sängerin

 

Im Alter von 16 Jahren nahm Asmahan ihre erste Schallplatte auf. Mit Vierundzwanzig war sie schon so erfolgreich, dass sie tagelang im luxuriösen Jerusalemer „King David Hotel“ residierte. In dieser Zeit spielte sie zudem in zwei Filmen mit, soll jedoch auch für den britischen wie den französischen Geheimdienst gearbeitet haben.

Asmahan galt als eine der herausragenden arabischen Sängerin des 20. Jahrhunderts, die in einer Mischung aus alten arabischen und modernen europäischen Gesangstechniken einen eigenständigen Stil fand.

Im Alter von 26 Jahren ertrank Asmahan bei einem Autounfall im Nil.

 

 

 

 Caroline Hartmann

* 27.10.1807 in Münster bei Colmar, † 30.7.10.1834 ebd., deutsche Pianistin

 

Bereits als Kind brillierte Caroline Hartmann im Laienorchester ihres Vaters, leitete es dann sogar. Der Komponist Louis Spohr urteilte: „ein Kind von acht Jahren, ist der Glanzpunkt dieses Dilettantenorchesters. Sie spielt bereits sehr schwere Kompositionen mit bewundernswerter Fertigkeit und Genauigkeit. Mehr noch wie dieses überraschte mich ihr feines musikalisches Gehör, womit sie (vom Piano entfernt) die Intervallen der verwickeltsten und vollgriffigsten, dissonierenden Akkorde, die man ihr anschlägt, erkennt und die Töne, woraus diese bestehen, in ihrer Folge nennt. Aus diesem Kinde wird gewiß einst, wenn es gut geleitet wird, eine ausgezeichnete Künstlerin werden.“

Später wurde Caroline Hartmann in Paris Schülerin von Franz Liszt und Frédéric Chopin. Mehrere Komponisten widmeten ihr Stücke, nicht zuletzt sogar Chopin

Caroline Hartmann starb im Alter von 26 Jahren an einem „Brustleiden“.

 

 

 

Hans Hermann von Katte

* 28.2.1704 in Berlin, † 6.11.1730 in Küstrin, preußischer Offizier

 

Hans Hermann von Katte studierte am Halleschen Pädagogikum, in Königsberg und Utrecht, ging auf Reisen und trat schließlich in ein preußisches Kürassierregiment ein.

Im Alter von 25 Jahren wurde er zusammen mit dem späteren Preußenkönig Friedrich II. in Mathematik und Mechanik unterrichtet. Und da beide gemeinsame Interessen hatten, so die Dichtkunst und das Flötenspiel, kamen sie sich rasch näher. Der Autor und Höfling Karl Ludwig von Pöllnitz meinte, die beiden hätten sich verhalten „wie ein Liebhaber mit seiner Geliebten“.

Dann kam es zum Streit zwischen Friedrich II. und seinem Vater Friedrich Wilhelm I., in dessen Folge Friedrich II. versuchte nach Frankreich zu fliehen, Hans Hermann von Katte, versuchte ihn zuerst davon abzuhalten, wollte ihm dann jedoch folgen.

Die Fahnenflucht wurde verhindert, beide verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt. Das erklärte sich für den Kornprinzen für nicht zuständig, verurteile von Katte aber zu lebenslanger Festungshaft, die Friedrich Wilhelm I. zur Todesstrafe verschärfte, wohl um ein Exempel zu statuieren.

Im Alter von 26 Jahren wurde Hans Hermann von Katte enthauptet, Friedrich II. musste dieser Hinrichtung zusehen.

Der Abschiedsbrief, den Hans Hermann von Katte an seinen Vater schrieb, blieb erhalten: In Thränen, mein Vater, möcht’ ich zerrinnen, wenn ich daran gedenke, daß dieses Blatt Ihnen die größte Betrübniß, so ein treues Vaterherze empfinden kann, verursachen soll; daß die gehabte Hoffnung meiner zeitlichen Wohlfahrt und ihres Trostes im Alter mit einmal verschwinden muß, daß Ihre angewendete Mühe und Fleiß in meiner Erziehung zu der Reife des gewünschten Glücks sogar umsonst gewesen, ja daß ich schon in der Blüthe meiner Jahre mich neigen muß, ohne vorher Ihnen in der Welt die Früchte ihrer Bemühungen und meiner erlangten Wissenschaften zeigen zu können. Wie dachte ich nicht, mich in der Welt empor zu schwingen, und Ihrer gefaßten Hoffnung ein Genüge zu leisten; wie glaubte ich nicht, daß es mir an meinem zeitlichen Glück und Wohlfahrt nicht fehlen könnte; wie war ich nicht eingenommen von der Gewißheit meines großen Ansehens! Aber alles umsonst! wie nichtig sind nicht der Menschen Gedanken: mit einmal fällt alles über einen Hauffen, und wie traurig endiget sich nicht die Scene meines Lebens, und wie gar unterschieden ist mein jetziger Stand von dem, womit meine Gedanken schwanger gegangen; ich muß, anstatt den Weg zu Ehren und Ansehen, den Weg der Schmach und eines schändlichen Todes wandeln […] Fassen Sie sich demnach, mein Vater, und glauben Sie sicherlich, daß Gott mit mir im Spiel, ohne dessen Willen nichts geschehen, auch nicht einmal ein Sperling auf die Erde fallen kann! […] Unterdessen danke mit kindlichem Respekt für alle mir erwiesene Vatertreue, von meiner Kindheit an bis zur jetzigen Stunde […] Nun ist nichts mehr übrig, als daß ich mit diesem Trost schließe: Haben Sie gleich, mein Vater, nichts Hohes und Vornehmes in dieser Welt an mir erlebet, o! so seien Sie versichert, daß Sie desto höher im Himmel finden werden, Ihren bis im Tode getreuen Sohn. Hans Hermann

Hans Hermann von Kattes Schicksal diente mehrfach als Vorlage für zahlreiche Dramen, Epen, Romane und Filme. Theodor Fontane schrieb in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“: „Die Hinrichtung Kattes, abgesehen von ihrer geschichtlichen Bedeutung, ist auch in ihrer Eigenschaft als Rechtsfall immer als eine cause célèbre betrachtet worden. War es Gesetz oder Willkür? War es Gerechtigkeit oder Grausamkeit? So steht die Frage.“

 

 

 

 

 

Michail Jurjewitsch Lermontow

* 15.10.1814 in Moskau, † 27.7.1841 in Pjatigorsk, russischer Dichter

 

Im Jahre 1837 hatte Michail Jurjewitsch Lermontow noch für den bei einem Duell getöteten Alexander Puschkin gedichtet:

 

Der Dichter wollte seine Ehre rächen,

Die er durch giftges Wort verletzt geglaubt,

Da traf ihn selbst das Blei, sein Herz zu brechen,

Zu beugen sein gewaltig Haupt,

Das zeugende, gedankenschwere.

O, warum mußt' auch er ein Sklav der Ehre,

Der Weise mit den Thoren sein!

Es spritzt' ihr Gift auf ihn die fremde Schlange,

Nun klagt ein Volk ob seinem Untergange,

Er starb, wie er gelebt — allein ...

 

Er starb, noch in der Blüthe seines Lebens, —

Laßt um den Todten Euer Klaggeschrei:

Das Loben, Tadeln, Weinen ist vergebens,

Er hört es nicht, — es ist mit ihm vorbei!

Und ob er recht gethan, ob er gefehlt,

Daß er der falschen Schattenehre Bahn,

Die jedem hohlen Gecken aufgethan,

Zur Sühne der Verleumdung sich erwählt:

Das Schicksal hat die Rechnung abgeschlossen,

Des Dichters Herzblut ist dafür vergossen!

 

Man griff ihn an wo er am weichsten war,

Griff ihn bei seines Weibes Liebe an

Und machte ihn zu ihrer Ehre Richter; —

Er starb wie er gelebt — ein Mann.

Arm ward das Volk wo es am reichsten war:

Man nahm ihm seinen größten Dichter!

Und manche jetzt frohlocken, daß er fiel,

Und rühmen gar den Mörder, der sein Ziel

So gut getroffen, und im kalten Muthe,

Fest, ohne Zittern, that den Mörderschuß,

Der unser Land geröthet mit dem Blute

Des liederreichen Genius...

 

Im Jahre 1841 kam er selbst bei einem Duell ums Leben.

 

 

 

Benno Ohnesorg

* 15.10.1940 als Benno Paul Johann Ohnesorg in Hannover, † 2.7.1967 in Berlin, deutscher Student

 

Bei Protesten gegen den Besuch des Schahs in Berlin wurde Benno Ohnesorg am 2. Juli 1967 von einem Polizisten erschossen, eine Tat, die von Historikern später als Mord gewertet wurde.

Bei der Trauerfeier für Benno Ohnesorg sagte der Theologe Helmut Gollwitzer:  „Benno Ohnesorgs Leidenschaft galt dem Frieden… Als er sich dort von seiner Frau an der Straßenecke in der Schillerstraße trennte und hinüber zur Krummen Straße ging, […] war es vielleicht sein Impuls, einem Misshandelten zu helfen, der ihn sein Leben kostete […] Nehmt diesen ersten unkontrollierten Konvoi seit Kriegsende als Zeichen der Verheißung für ein künftiges friedliches Deutschland […], in dem man wieder, ungehindert durch Autobahngebühren, Stacheldrähte und Mauern, frei hin und herfahren kann.“

Lange Jahre hatte die Berliner Polizei versucht die Tat wie die Todesumstände zu vertuschen. „Warum wurde an einem Toten herumoperiert? Welchen medizinischen Sinn soll es haben, den Teil des Schädelknochens herauszusägen, in dem sich die Einschussstelle befindet? […] Wurde der Todeszeitpunkt auf 22:55 festgelegt, um die merkwürdige Behandlung des bereits Verstorbenen zu legitimieren, indem man sie als Rettungsversuch ausgibt? […] Obwohl die Einschussstelle freigelegt und daran herumoperiert worden war, will tatsächlich niemand die Schussverletzung bemerkt haben?“ – brachte Uwe Soukup offene Fragen 40 Jahre nach Benno Ohnesorgs Tod auf den Punkt, Fragen die nie glaubhaft beantwortet wurden.

Wikipedia urteilt: „Sein gewaltsamer Tod machte Ohnesorg in ganz Deutschland bekannt und trug wesentlich dazu bei, dass sich die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre bundesweit ausbreitete und radikalisierte. Sein Todestag gilt als Einschnitt der westdeutschen Nachkriegsgeschichte mit weitreichenden gesellschaftspolitischen Folgen.“

Wolf Vostell malte den auf der Bahre liegenden Benno Ohnesorg, Alfred Hrdlicka schuf das Bronzerelief „Der Tod des Demonstranten“, Wiglaf Droste und Michael Stein gründeten das Benno-Ohnesorg-Theater. Die TU Berlin richtete zum 30. Todestag Benno Ohnesorgs einen „Ohnesorg-Kongress“ aus. Uwe Timm, der mit Benno Ohnesorg zur Schule gegangen war, schrieb die Erzählung „Der Freund und der Fremde“.

Mehr als 41 Jahre wies am Tatort jedoch nichts auf Ohnesorgs Tod hin. Immerhin enthüllten Vertreter des Berliner Senats vor dem Haus in der Krummen Straße, in dessen Hof Benno Ohnesorg feige in den Hinterkopf geschossen worden war, Mitte Dezember 2008 eine Gedenktafel.

 

 

 

Todor „Toše“ Proeski

* 25.1.1981 in Kruševo, Jugoslawien, † 16.10.2007 bei Nova Gradiška, Kroatien, mazedonischer Sänger

 

Toše Proeski studierte an der Musikschule Skopje Gesang. Schon als Kind war er beim Festival „Goldene Nachtigall“ aufgetreten. Als professioneller Sänger debütierte er im Alter von 15 Jahre beim „Melfest“ in Prilep. Sein erstes Album „Irgendwo in der Nacht“ erschien vier Jahre später, zehn weitere Alben folgten.

Toše“ Proeski galt als einer der wenigen Sänger, der in allen Nachfolgestatten Jugoslawiens erfolgreich waren. Er nahm auch am Eurovision Song Contest teil, tourte sogar in Australien und trat mit Musikgrößen wie Gianna Nanini oder Jeff Beck auf.

Toše“ Proeski kam im Alter von 26 Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

Der mazedonische Staatspräsident Branko Crvenkovski sagte: „Die Anderen haben die Aggression verbreitet. Proeski hat das Gegenteil gemacht – er verbreitet die Liebe.“

 

 

 

 

 

Ilja Grigorjewitsch Tschaschnik

* 25.6.1902 in Ljuzin, † 4.3.1929 in Leningrad, russischer Avantgardist

 

Ilja Grigorjewitsch Tschaschnik studierte kurz in Moskau und dann bei Marc Chagall, El Lissitztky und Kasimir Malewitsch an der Kunstschule in Witebsk.

Im Alter von 18 Jahren gründete er die Künstlergruppe „UNOWIS“ sowie die Zeitschrift „Aero“ mit. Zwei Jahre später folgte er Malewitsch nach Petrograd und wurde dessen wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum für künstlerische Kultur. Er übertrug Ideen des Suprematismus in die angewandet Kunst, entwarf beispielsweise Porzellan und leitere ab 1927 die ISORAM-Werkstätten in Leningrad.

1925 präsentierte er seine Werke auf der Weltausstellung in Paris, 1928 auf der „Pressa“ in Köln.

Ilja Grigorjwitsch Tschaschnik starb im Alter von 26 Jahren infolge einer Blinddarmoperation.

 

 

 

 

 

Niklos Barataschwili

* 4.12.1817 in Tiflis, † 21.10.1844 in Gjandscha, Aserbaidschan, georgischer Dichter

 

Niklos Barataschwilis Lehrer war der Philosoph Solomon Dodaschwili. Mangels Geldes konnte er nicht studieren und wegen körperlicher Unzulänglichkeiten nicht Offizier werden. So nahm er eine Lohnarbeit an und begann zu schreiben.

Seine wichtigsten Texte waren „Gedanken am Ufer der Kura“, „Der böse Geist“ und „Merani“. Sein Werk gilt als Höhepunkt der georgischen Romantik. Boris Pasternak übertrug seine Gedichte ins Russische. Otar Taktakischwili komponierte das Oratorium „Niklos Barataschwili“. Boris Zibadse schuf zu seinem Gedenken ein Bronzedenkmal.

Niklos Barataschwili starb im Alter von 26 Jahren an Malaria.

 

Ein rauher Wind nahm fort die duftige Blüte,

Die meines Lebens Kraft und Zierde war.

Einst nährte sie der frische Tau des Himmels,

Bis Thränen sie zerstörten ganz und gar.

 

Wenn manchmal ich ein Blättchen von ihr finde,

Bin ich in meinem Elend dessen froh,

Jedoch sofort wird schwerer noch mein Herzleid

Ums Glück, das mir für ewige Zeit entfloh.

 

  

 

 

Mohamed Bouazizi

* 29.3.1984 als Tarek al-Tayeb Mohamed Bouazizi in Sidi Bouzid, † 4.1.2011 in Ben Arous, tunesischer Gemüsehändler

 

Postum wurde Mohamed Bouazizi mit dem „Sacharow-Preis für geistige Freiheit“ geehrt. In der Begründung des Europäischen Parlaments hieß es: „Mohamed Bouazizi steckte sich aus Protest über Demütigungen durch tunesische Behörden in Brand. Sein Tod löste die Proteste des Arabischen Frühlings aus.“ Ibrahim al-Koni schrieb im „Tagesspiegel“: „Seine Tat war der Funker, der den Flächenbrand entzündet und letztlich die ganze arabische Welt verändert hat.“

Vielleicht hätte er studieren wollen, aber nach dem frühen Tod des Vaters musste er die Familie ernähren, die Mutter und seine fünf jüngeren Geschwister. Er verkaufte Gemüse, Mandarinen, Äpfel, Birnen von einem Holzkarren, ohne Lizenz, muss so ständig seinen Verkaufsplatz wechseln, hat dennoch immer wieder Behörden-Schikanen zu erdulden. Und als dann Faida Hamdi vom Ordnungsamt der Stadt Ben Arous eines Tages seine Ware samt der mühsam angeschafften elektronischen Waage konfisziert, kommt zum Streit, auf dessen Höhepunkt die Polizistin Mohamed Bouzizi geohrfeigt haben soll - eine Frau einen arabischen Mann, öffentlich!

Er zieht seinen leeren Karren vors Haus des Gouverneurs, begehrt Einlass, will reden, wird abgewiesen, übergießt sich ebenso verzweifelt wie seelernruhig mit einer Flüssigkeit und zündet sich an…

Infolge des Arabischen Frühlings brachen Kriege los, schlossen sich nicht zuletzt tunesische junge Männer dem IS an, etablierten sich neue Allianzen, ist kein Ende eines verheerenden Machtgerangels im Nahen Osten und im Maghreb abzusehen. Im „Spiegel“ im Jahr 2020 zu lesen: „Die Verlierer der vergangenen zehn Jahre sind die jungen Männer und Frauen, die damals in Kairo, in Damaskus, in Aden protestierten. Viele von ihnen sind in Foltergefängnissen gelandet, sind zu Opfern im Bürgerkrieg geworden oder mussten aus ihren Ländern nach Europa fliehen. In Ländern wie Algerien, Marokko, dem Libanon haben sich die Armut und die Perspektivlosigkeit nicht gebessert, im Gegenteil, sie haben noch zugenommen…“

Mohamed Bouazizi – hast du dich umsonst geopfert? Wem eigentlich?

„…Für die die Diktatoren des Nahen Ostens haben viele Europäer noch immer ein weit größeres Herz als für die Mohamed Bouazizis von heute.“

 

 

 

Gia Marie Carangi

* 29.1.1960 in Philadelphia, Pennsylvania, † 18.11.1986 ebd., amerikanisches Model

 

Im Alter von 17 Jahren zog Gia Carangi nach New York, wurde Fotomodell und rasch zu einem der gefragtesten Models. Mehrmals war sie auf den Titelseiten von Modemagazinen wie „Vogue“ oder „Cosmopolitan“ abgebildet. Doch sie wurde auch abhängig von Drogen, vermochte dann kaum noch professionell zu arbeiten, schlief sogar vor der Kamera ein. Und um ihre Sucht finanzieren zu können, prostituierte sie sich schließlich sogar.

Gia Carangi, die als das erste „Supermodel“ galt, starb im Alter von 26 Jahren an AIDS.

 

 

 

Kristján Jónsson Fjallaskáld

* 20.6.1842 in Keldurverfi, † 9.4.1869 in Kópavagur, isländischer Dichter

 

Kristján Jónsson arbeitete als Knecht und begann dank der Unterstützung von Freunden und Bekannten im Alter von 21 Jahren an der Lateinschule in Reykjavik zu studieren.

Seinen Beinamen „Fjallaskáld – Bergdichter“ bakem er, da er schon früh zu schreiben begann – über die Natur seiner Heimat vor allem, so über den Wasserfall Dettifoss. Mehrere seiner Gedichte wurden vertont, so „ÞorraÞræll“:

Nú er frost á Fróni,

frýs í æðum blóð,

kveður kuldaljóð

Kári í jötunmóð.

Yfir laxalóni

liggur klakaþil,

hlær við hríðarbyl

hamragil….

 

Jetzt friert es auf Fróni,

Blut gefriert in den Adern,

Kari rezitiert ein kaltes Gedicht

im Schoß eines Riesen.

Überm Lachs

liegt eine Eisdecke,

stürmisch lacht

der Hammer…

 

   

 

 

Migjeni

* 13.10.1911 als Millosh Gjergi Nikolla in Shkodra, † 26.8.1938 in Torre Pellice, albanischer Dichter

 

Migjeni wollte Priester werden, wurde dann aber Lehrer und begann zu schreiben, Gedichte und Prosa. Zu seinen Lebzeiten wurde nur ein Gedichtband veröffentlich: „Vargjet e Lira“, dennoch gilt er als einer der wichtigsten Dichter Albaniens. Migjeni starb im Alter von 26 Jahren an Tuberkulose. In Shodra wurde ein Theater nach ihm beannt.

Jeanny und ich besuchten im Mai 2012 in Migjenis Heimatstadt: Einen ersten der rund 700.000 kleinen, kuppligen Bunker, die Enver Hoxha bauen ließ, da er paranoid Angriffe der Jugoslawen, der Griechen, der Italiener, wohl der ganzen restlichen Welt fürchtete, deshalb auch albanische Straßen so kurvenreich anzulegen befahl, dass darauf kein feindliches Flugzeug landen kann, einen ersten Bunker also entdecke ich gleich hinter der Grenze, weitere dann auf dem Weg nach Shkodra.

In den Städten seien diese Betonrelikte gut 20 Jahre nach der albanischen Wende, der Entmachtung Hoxhas, weitestgehend beseitigt, da dies aber kostspieliger sei, als es das heimwerkelnde Errichten einst war, ließe man auf dem Lande einfach Gras drüber wachsen, Efeu, Weinranken, Wicken…

Und dass Albanien nicht mehr das hermetisch isolierte Armenhaus Europas ist, lassen schon die ersten durchfahrenen Dörfer erahnen. Selbst hier hat nun die Konsummoderne mit all ihrer Werbung und ihren Läden Einzug gehalten. Und es kurven reichlich Autos herum: Mercedes, Mercedes, Mercedes (wobei auffällt, dass zahlreiche Prunkkarossen Rechtslenkung haben, also wohl und wie auch immer aus Großbritannien hierher kamen). Und in der alten Landeshauptstadt Shkodra sind dann reichlich Neubauten nicht zu übersehen.

Wir besteigen jedoch erst einmal die stolze Festung Rozafa, gegründet womöglich von den Vorvätern der Albaner, den Illyrern. Zumindest bestätigt uns ein deutscher Archäologe, der mit seinem Team in einem der Burghöfe gräbt, dass man auf der Suche nach illyrischen Grundmauern sei. Seines Gleichen suchender Rundumblick vom Burgturm: gen Adria der malerische Zusammenfluss von Drin und Buna, gen Gebirge der größte See des Balkans, der hier Liqeri i Shkodrës und dessen montenegrinischer Teil Skadarsko jezero heißt. Grün, sattes Grün ringsum und schließlich das beige-rote Häusermeer Shkodras.

Für ein Land, das von Enver Hoxha in den 1960ern zum ersten atheistischen Staat der Welt proklamiert wurde, wachsen hier nachdenkenswert viele Minarette, aber auch orthodoxe und katholische Kirchtürme gen Himmel. Für ein offenkundig friedliches, tolerantes Zusammenleben der Gläubigen aller Konfessionen könnte sprechen, dass vor der neuen, großen Moschee im Zentrum ein Denkmal für Mutter Theresa (die in Shkodra zur Schule ging) steht, Blumensträuße auf dem Sockel.

Unverändert seit Enver Hoxhas Zeiten scheinen jedoch albanische Fahrräder. Und irgendwie ist hier noch nicht angekommen, dass man die Sattelhöhe verstellen kann. Jedermann (und –frau) sitzt de facto direkt auf dem Rahmen und strampelt sich in grotesken Verrenkungen ab.

Aber ansonsten, wie gesagt, augenscheinlich ein Land im Aufbruch.

 

 

 

Fats Navarro

* 24.9.1923 als Theodore Navarro in Key West, Florida, † 7.7.1950 in New York City, amerikanischer Jazz-Trompeter

 

Fats Navarro began im Alter von sechs Jahren Klavier und mit dreizehn Tenorsaxophon und Trompete zu spielen. Mit achtzehn verließ er die Schule und ging mit einer Band auf Tournee, dann in Indianapolis jammte er in Skookum Russels Orchestra mit J. J. Johnson und Ray Brown. Ende 1943 spielte er mit Andy Kirk in Kansas City erste Aufnahmen ein, im Jahr darauf ersetzte er Dizzy Gillespie in der Billy Eckstein Bigband in New York. Später wirkte er mit Tadd Dameron, Lionel Hampton, Coleman Hawkins und anderen Jazz-Größen und spielte in der Reihe „Jazz at the Philharmonie“ in der Carnegie Hall.

Fats Navarro hinterließ etwa 150 Aufnahmen. Der Kritiker Martin Kunzler zählte ihn zu „den Frühentwicklern des Jazz, deren Karriere vor ihrem Höhepunkt abbrach.

Fats Navarro erkrankte an Tuberkulose und starb schließlich im Alter von 26 Jahren infolge seines Heroin- und Alkoholmissbrauchs.

 

 

 

 

Gram Parsons

* 5.11.1946 als Cecil Ingram Connor III in Winter Haven, Florida, † 19.9.1973 in Joshua Tree, Kalifornien, amerikanischer Country-Musiker

 

Mit neun erhielt Gram Parsons Klavierunterricht, mit vierzehn spielte er Gitarre in einer Rock’n’Roll-Band, während seiner Hochschulzeit gründete er die International Submarine Band, zog nach New York und weiter nach Kalifornien, wo seine Band ein von Lee Hazelwood produziertes Album aufnahm. Und dann ging Gram Parsons zu den Byrds und er beeinflusste maßgeblich das erste Country-Rock-Album schlechthin: „Sweetheart of the Rodeo“. Danach gründete er die Flying Buratino Brothers, dessen Debütalbum „Gilded Palace of Sin“, das zwar floppte, jedoch großen Einfluss auf die Musikszene hatte, so dass er sogar mit den Rolling Stones zusammenwirkte, so bei den Songs „Country Honk“ und „Wild Horses“. Schließlich gründete er noch die „Fallen Angels Band“, deren Album „Grievous Angel“ aber erst nach seinem Tod erschien.

Gram Parsons starb im Alter von 26 Jahren wahrscheinlich an einer Überdosis Heroin in Verbindung mit Alkohol. Seine Leiche wurde von seinem Manager, der damit angeblich Gram Parsons letzten Willen vollstreckte, gestohlen und am Cap Rock in der Mojave-Wüste verbrannt.

Die Fachzeitschrift „Rolling Stone“ liste ihn 2010 auf Rang 87 der „100 größten Musiker aller Zeiten“. Sein Schicksal wurde in „Grand Theft Parsons“ verfilmt.

 

 

 

 

Henrich Theodor Wehle

* 7.3.1778 obersorbisch: Hendrich Božidar Wjela, in Förstgen, Oberlausitz, † 1.1.1805 in Bautzen, sorbischer Maler

 

Heinrich Theodor Wehle besuchte ab 1793 die Kunstakademie Dresden und wurde 1799 als Zeichner an die Chalkographische Gesellschaft zu Dessau berufen. Zwei Jahre später lud ihn Zar Alexander I an die Russische Kunstakademie nach Sankt Petersburg ein und beauftrage ihn 1802, die russischen Regionen Asiens zu bereisen und die dortigen Landschaften zeichnerisch zu dokumentieren. Er kam nach Georgien und durch den Kaukasus bis Persien, wo sich allerdings zeigte, dass er den Strapazen körperlich nicht gewachsen war und nach Deutschland zurückreise und im Alter von 26 Jahren verstarb.

Viele hielten Heinrich Theodor Wehle für ein Genie, selbst Goethe schätzte ihn. Nicht selten wurde er mit Caspar David Friedrich verglichen.

 

 

 

John-Erik Hexum

* 5.11.1957 in Englewood, New Jersey, † 18.10.1984 in Century City, Kalifornien, amerikanischer Schauspieler

 

John-Erik Hexum studierte an der Case Western Reserve University in Cleveland und an der Michigan State University in Lansing und erwarb den Bachelor of Arts in Sozialwissenschaften und Philosophie.

Im Alter von 24 Jahren ging er nach Los Angeles und wurde alsbald für die Hauptrolle in der NBC-Serie „Die Zeitreisenden“ engagiert. Zwei Jahre später agierte er neben Joan Collins in „Making of a Male Model“. In einer Fernsehshow sorgte er für Aufsehen als er sagte, dass er in einem Haus gänzlich ohne Möbel lebe, da er alles Geld für künftige Filmprojekte spare.

John-Erik Hexum verletzte sich mit einer Schusswaffe unter nie völlig geklärten Umständen am Set einer Fernsehserie so schwer am Kopf, dass er wenige Tage später für hirntot erklärt wurde und seine Mutter die lebenserhaltenden Geräte abschalten ließ.

 

 

 

 

 

John Baxter Taylor

* 11.11.1882 in Washington D. C., † 2.12.1908 in Philadelphia, Pennsylvania, amerikanischer Leichtathlet

 

John Baxter Taylor war der erste afroamerikanische Leichtathlet, der bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille gewann.

Im Jahre 1908 wurde er im Endlauf über 400 m Letzter. Wegen eines Regelverstoßes eines anderen Amerikaners wurde der Lauf jedoch neu angesetzt. Das wäre die Chance für Taylor gewesen, aus Protest gegen die Disqualifizierung seines Landsmannes trat er jedoch nicht nochmals an.

Seine Goldmedaille gewann er dann mit der olympischen Staffel der USA.

Kurz nach seiner Rückkehr aus London starb John Baxter Taylor im Alter von 26 Jahren an Typhus.

 

  

 

 

 

Eduard Ludwig Vogel

* 7.3.1829 in Krefeld, † Anfang Februar 1856 bei Wara, Tschad, deutscher Astronom und Afrikaforscher

 

Von seiner Geburtsstadt Krefeld gelangte Eduard Ludwig Vogel nach Leipzig, wo er die Thomasschule besuchte und dann Astronomie, Mathematik und Naturwissenschaften studierte, dann nach Berlin, wo er sein Studium abschloss, dann nach London, wo er als Assistent des Astronomen John Russel Hind fungierte und sich schließlich auf Empfehlung August Petermanns zum Expeditionsteam James Richardsona nach Zentralafrika aufmachte.

Er vermaß den Tschadsee, erforschte Musgu und Regionen westlich des Tschad, traf bei Zinder auf den berühmten Afrikaforscher Heinrich Barth und drang als erster Europäer bis Jakoba vor.

Im Hochland von Adamaua musste er jedoch umkehren und gelangte noch bis Abéché, wo er im Alter von 26 Jahren, wohl auf Befehl des Sultans von Wadai, ermordet wurde.

Zwei Jahre zuvor war Eduard Ludwig Vogel zum Mitglied der Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt worden. Seine Berichte wurden postum vor allem in „Petermanns Geographische Mitteilungen“ veröffentlicht.

 

 

 

Heidi Hazell

* 24.9.1962 als Heidi Schnaars in Worpswede, † 7.9.1989 in Unna, deutsches IRA-Opfer

 

„Eine IRA ASU (Active Service Unit) hat die Erschießung der letzten Nacht in Westdeutschland durchgeführt. Es wurde angenommen, dass die getötete Frau ein Mitglied der in Dortmund stationierten British Crown Forces war. Nun stellt sich heraus, dass sie die deutsche Ehefrau eines britischen Army Staff Sergeants war. Da wir unsere Kampagne weiterführen werden, bis die britische Army sich aus Irland zurückzieht, bestärkt der Angriff von letzter Nacht unsere Warnung vom 2. August 1988, dass Zivilisten sich von britischem Militärpersonal fernzuhalten haben. Diese Warnung gilt für die Privatfahrzeuge der britischen Soldaten und jegliche Art von Militärtransport“, bekannte sich die IRA in einem in Dublin veröfenntlichten Schreiben.

Heidi Hazell wurde wenige Tage vor ihrem 27. Geburtstag mit 12 Schüssen ermordet.

 

 

 

Gerda Taro

* 1.8.1910 als Gerda Pohorylle in Stuttgart, † 26.7.1937 in El Escorial, Spanien, deutsche Fotografin

 

Gerda Taro gilt als erste Frau, die an einer Kriegsfront fotografierte.

Nachdem sie vor den Nazis nach Paris geflohen war, wo sie den ungarischen Fotografen Robert Capra kennenlernte, ging sie mit ihm gemeinsam nach Spanien, um den Kampf gegen Franco zu dokumentieren.

Während eines Angriffs der deutschen Legion Condor wurde Gerda Taro von einem Panzer überrollt und starb am Tag darauf. kurz vor ihrem 27. Geburtstag.

 

 

  

 

 

Jan van Leiden

* 2.2.1509 bei Leiden als Jan Beuckelszoon, † 22.1.1536 in Münster, Täufer

 

Ans Kreuz schlagen konnte man Jan van Leiden mit seinen beiden Spießgesellen Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling schlechterdings nichts. Was hätte das für eine Symbolik gegeben! Also stellte man die von Folterwunden gezeichneten Leichen der drei Wiedertäufer in eisernen Körben am Turm der Münsteraner St.Lamberti-Kirche zu Schau. Noch 50 Jahre später sollen darin deren Knochen zu sehen gewesen sein, und die mittlerweile mehrmals restaurierten Käfige baumeln dort nach wie vor.

In unheilschwangeren Nächten soll man wohl Jan van Leiden weiter prahlen hören: als Schauspieler und Meistersinger sei er bis Lübeck und Lissabon gekommen, bevor ihn der große protestantische Täufer Jan Matthys als sein Apostel nach Münster aussandte, wo er alsbald den katholischen Bischof vertrieb und sich nach dem Tod von Jan Matthys zum König krönte, sich fortan Johann I. nannte und das Königreich Zion errichtete.

12 Jünger waren sein Rat, alle Bücher bis auf die Bibel ließ er verbrennen, und führte die Vielweiberei ein, 17 Ehefrauen nannte er sein eigen, ja, und eine, die gegen die Zehn Gebote verstoßen habe, richtete er zur Abschreckung aller anderen, eigenhändig hin, ja, er richtete in Münster die Gütergemeinschaft ein und lebte mit seinem Hofstaat in Saus und Braus. Amen.

Und wer weiß, wohin Münster sich entwickelt hätte, wäre sein Täuferreich nicht durch Verrat besiegt worden.

 

 

 

Navid Afkari

* 1993 in Schiras, † 12.9.2020 ebd., iranischer Ringer

 

Der Ringer Navid Afkari nahm 2018 an einer Demonstration gegen das iranische Mullah-Regime teil. Dabei soll er ein Mitglied der Bassidsch-Miliz, einen Hilfspolizisten also, erstochen haben. Zumindest gestand er das nach seiner Verhaftung – unter Folter sagten Menschenrechtsorganisationen weltweit, ein Geständnis, das Navid Afkari umgehend widerrief.

Doch gegen ihn wurde die Qisas verhängt, die Familie des Getöteten durfte also entscheiden, wie er bestraft werden sollte. Sie verlangten die Todesstrafe. Ein Richter gab zur weiteren Abschreckung noch 74 Peitschenhiebe hinzu.

Der Oberste Gerichtshof Irans bestätigte das Urteil, und rasch, noch bevor Navid Afkari ausgepeitscht werden konnte, wurde er am Morgen des 12. September 2020 im Gefängnis Adel-Abad seiner Heimatstadt Schiras im Beisein der Familie des Bassidsch-Mannes gehängt.

Vergebens hatte das IOC gefordert, zumindest das Todesurteil aufzuheben.

Schon in der folgenden Nacht wurde Navid Afkari unter aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen unter Ausschluss seiner Familie beerdigt.

 

 

 

Neda Agha-Soltan

* 1982, † 20.6.2009 in Teheran, iranische Studentin

 

Neda Agha-Soltan nahm an einer Protestdemonstration nach den iranischen Präsidentschaftswahlen des Jahre 2009 teil. Dabei wurde sie von einem Scharfschützen der Basidschmilizien ins Herz getroffen. Das Video ihres Sterbens auf offener Straße verbreitete sich in sozialen Netzwerken rasch und bewirkte Proteste gegen das Mullah-Regime weltweit.

Die britische „The Times“ kürte Neda Agha-Soltan zur „Person des Jahres 2009“.

 

 

 

 

Hugo von Langenstein

* 1271, † 1298, deutscher Dichter

 

Als Hugo von Langenstein seine „Martina“ schrieb, hätte er sich sicher nicht träumen lassen, dass seine Protagonistin gut 700 Jahre später wieder auferstehen würde. Allerdings sollte sie eine Metamorphose von einer Mätyrerin und Heiligen zu einer frühreifen Fünfzehnjährigen in einer illustren Altmännerrunde durchlaufen haben. Martina taucht in Arno Schmidts letztem Buch „Abend mit Goldrand – Eine Märchenposse, 55 Bilder aus der Lä/endlichkeit für Gönner der Verschreibkunst“ auf:

Neben anderen lüsternen Bibliophilen spielt darin auch der 60-jährige Schriftsteller Arno Otto Gläser, genannt A&O, eine Rolle, der ebenso wie Martina Fohrbach übernatürliche Abenteuer zu bestehen hat. So dringt Ann’Ev, die freizügig vor dem Heidehaus der Alten in einem Fass campiert, in den „Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch ein und imaginiert aufreizende Szenen: Martina sieht ihre Mitschüler masturbieren und A&O Ann’Ev sich nackt in einem Sessel rekeln, woraufhin er auf Bitten Martinas ein Manuskript eines Martin Schmidt vorliest…

Mann o Mann, das hätte sich Hugo von Langenstein wohl nicht vorstellen können. Nee, das sicher nicht.

 

 

 

Masaccio

* 21.12.1401 als Tommaso di Ser Giovanni die Simione d’Andreuccio in San Giovanni Valderno, † 1428 wahrscheinlich in Rom, italienischer Maler

 

Kaum waren Jeanny und ich in Florenz aus dem Zug gestiegen, betraten wir auch schon die Basilika Santa Maria Novella und bestaunten das Trinität-Fresko Masaccios.

„Die Figuren Masaccios sind wie wahre Helden von Menschenwürde erfüllt, verfügen über physische Kraft, Selbstbewußsein und innere Größe, wie man sie sonst nur im Altertum antrifft. Masaccio wird die klassischen Autoren kaum studiert haben, aber er lebte in der gleichen geistigen Atmosphäre wie die Humanisten, es war ihm vergönnt, klassische Ideale in der Kunst zum Ausdruck zu bringen“, urteilte der Kunsthistoriker Michail Wladimirowitsch Alpatow.

Jenseits des Arno fanden wir in Santa Maria del Carmine Masaccios berührende „Heilung eines Lahmen“ (auch als „Schattenheilung Petri“ bekannt). Und in den Uffizien hätten wir gern weitere Werke Masaccios bestaunt, doch war unsere Zeit in Florenz nur knapp bemessen und die Besucherschlange vor den Uffizien einfach zu lang.

Immerhin lasen wir beim seinerzeit in Florenz hochangesehenen Dichter und Gelehrten Christofo Landino noch: „Masaccio war ein vortrefflicher Nachahmer der Natur, voll plastischer Durchbildung, ein Meister der Komposition, schlicht ohne Ausschmückung, denn er ergab sich ganz der Nachahmung des Wahren und der plastischen Erscheinung der Gestalten. Er beherrschte die Perspektive so gut wie irgendein anderer jener Zeit und besaß eine große Leichtigkeit des Schaffens, obwohl er noch sehr jung war und mit sechsundzwanzig Jahren starb.“

 

 

 

Sado

* 1735 als Prinz Jangheon in Seoul, † 12.7.1762 ebd., koreanischer Prinz

 

Der koreanische Thronfolger Sado versuchte als Heranwachsender Verse zu finden und Geschichten zu erzählen. Das interpretierten missgünstige Höflinge als unehrenhaftes Verhalten für einen Kronprinzen, dichteten ihm Sexaffären mit Hofdamen, die Syphillis und eine Geisteskrankheit an, bis sein Vater, König Yeongjo, ihn zur Selbsttötung aufforderte. Als sein Sohn dem jedoch nicht nachkam, ließ ihn der König solange in eine Reiskiste sperren bis er verdurstet war.

Dann bereute Yeongjo aber offenbar, seinen Sohn ums Leben gebracht zu haben und gab ihm offiziell den Beinamen Sado, was so viel bedeutet, dass man sich an den Kronprinzen zu erinnern und seinen Tod zu bedauern habe.

Wahnsinn.

 

 

 

John William Alcock

* 5.11.1892 in Manchester, † 18.12.1919 in Rouen, Frankreich, britischer Pilot

 

Im Alter von 19 Jahren bestand John William Alcock seine Pilotenprüfung. Im Ersten Weltkrieg war er Fluglehrer und Testpilot.

Im Alter von 26 Jahren überflog er zusammen mit dem Navigator Arthur Whitten Brown als Erster den Atlantik nonstop. Gestartet waren sie in St. Johns auf Neufundland und landeten nach 16 Stunden und 12 Minuten bei Clifdon in Westirland.

Damit gewannen sie ein Preisgeld von 10.000 Pfund, und Joahn Alcock wurde zudem zum Ritter geschlagen.

Wenige Wochen nach seinen 27. Geburtstag kam er bei einem Absturz bei einem Flug nach Paris ums Leben.

Ihm zu Ehren wurde eine Insel in der Antarktis benannt.

 

 

 

Rodrigo Alejandro Bueno

* 24.5.1973 in Córdoba, † 24.6.2000 in Ezpeleta, argentinischer Sänger

 

Rodrigo Alejandro Bueno, genannt „Rodrigo“, trat bereits im Alter von 11 Jahren als Sänger auf. Mit siebzehn veröffentlichte er sein erstes Album „La Foto de tu Cuerpo“. Mehr als 20 weitere Alben, zumeist Mixturen aus Pop, Cuartato und Merengue, folgten.

Im Alter von 27 Jahren kam der populäre Sänger bei einem Verkehresunfall ums Leben.

 

  

 

 

 

Richard James „Richey“ Edwards

* 22.12.1967 in Blackwood, † verschwunden am 1.2.1995 bei der Severn Bridge nahe Newport, für tot erklärt am 23.11.2008, walisischer Rockmusiker

 

Kurz bevor Richey Edwards spurlos verschwand, übergab er seiner Band, den „Manic Street Preachers“ noch eine Mappe mit neuen Texten. Etwa zehn wurden alsbald aussortiert, da sie angeblich in kein Songschema passten. Und dann zögerte die Band jahrelang, wie mit dem verbliebenen Vermächtnis ihres Gitarristen und Texters umzugehen sei. Erst auf der Anfang 2008 veröffentlichten CD „Journal für Plague Lovers“ sind 14 dieser letzten Edwards-Texte zu hören:

 

Journal for Plague Lovers

Pretend prayer

Pretend care

Makes everything seem so fair

These perfect abattoirs

These perfect actors

These perfect abattoirs

Only a god can bruise

Only a god can soothe

Only a god reserves the right

To forgive those that revile him…

(Stell dir ein Gebet vor / Stell dir vor, du bist vorsichtig / Lässt alles so fair erscheinen / Diese perfekten Schlachthöfe / Diese perfekten Schauspieler / Diese perfekten Schlachthöfe / Nur ein Gott kann blaue Flecken bekommen / Nur ein Gott kann beruhigen / Nur ein Gott behält sich das Recht vor / Denen zu vergeben, die ihn beschimpfen…)

 

Am Tag seines Verschwindens sollte Richey Edwards eigentlich zu einer Werbetour in die USA aufbrechen. Sein leeres Auto fand man an der als Suizidort berüchtigten Brücke über den Severn in Wales.

Der letzte, auf „Journal for Plague Lovers“ veröffentlichte Song heißt „William’s Last Words“:

 

Isn't it lovely, when the

Dawn brings the dew?

I'll be watching over you

Goodnight my sweetheart

Until we leave tonight

Hold me in your arms

Wish me some luck as you

Wave goodbye to me

You're the best friends I ever had

Goodnight, sleep tight

Goodnight, God bless …

I'm just go

Think about my family

And shed a little tear

Goodnight, sleep tight

Good bless…

Just let me go

I even love the devil

For yes he did me harm

To keep me any longer

'Cos I'm really tired

I'd love to go to sleep and wake up happy

Yeah I'm really tired…

(Ist es nicht schön, wenn die / Morgendämmerung den Tau bringt? / Ich werde auf dich aufpassen / Gute Nacht mein Schatz / Bis wir heute Abend gehen / Halte mich in deinen Armen / Wünsch mir etwas Glück wie dir / Winke mir zum Abschied / Du bist der beste Freund, den ich je hatte / Gute Nacht, schlaf gut / Gute Nacht, Gott beschütze dich… / Ich werde nur meine Augen schließen/ Denk an meine Familie / Und vergieße eine kleine Träne / Gute Nacht, schlaf gut / Gute Nacht, Gott beschütze dich… / Lass mich einfach gehen / Ich liebe sogar den Teufel / Denn ja, er hat mir Schaden zugefügt / Um mich länger zu besitzen / Weil ich wirklich müde bin / Ich würde gerne schlafen gehen und glücklich aufwachen / Ja, ich bin wirklich müde…)

Gut ein halbes Jahr, nachdem „Journal for Plague Lovers“ erschienen war, ließen die Eltern von Richey Edwards ihn für tot erklären.

 

 

 

Masaniello

* 19.6.1620 als Tommaso Aniello d’Amalfi in Neapel, † 16.7.1647 ebd., italienischer Aufständischer

 

Als die spanische Herrschaft mal wieder die Steuern erhöht hatte, kam es bei einem Marienfest auf dem Markt von Neapel zu einem Streit zwischen Händlern und Steuereinnehmern. Und nachdem der Obsthändler Masaniello die versammelte Volksmenge aufgefordert hatte: Esst, Kinder, esst; dann wollen wir die Steuern abschaffen! – wurden die Steuerhäuser geplündert und niedergerissen, die Gefängnisse aufgebrochen und der Vizekönig gezwungen, sämtliche Steuern in Neapel abzuschaffen. Und nachdem der Vizekönig geflohen war, übernahmen die Aufständischen die Stadt und Masaniello wurde zum Generalkapitän des Volkes gewählt.

Nachdem der Erzbischof von Neapel sich wenige Tage später mit dem Vizekönig verständigt hatte, wurden bei Masainiello plötzlich „Anzeichen von Irrsinn“ bemerkt und der Erzbischof rief das Volk auf, sich von dem „von Gott gezeichneten“ abzuwenden. Masanello wurde bei einem Kirchenbesuch entführt und im Alter von 27 Jahren ermordet.

Sein Schicksal wurde mehrfach künstlerisch verarbeitet, so in Theaterstücken, Opern oder Romanen. Pino Daniele widmete Masaniello den Song „Je so’ Pazzo – Ich bin verrückt“.

 

  

 

 

Stefan Meyn

* 11.9.1991, † 19.9.2018 in Langenfeld, deutscher Filmstudent

 

Steffen Meyn wollte den Widerstand des Klimaschutz-Camps im Hambacher Forst dokumentieren und quartierte sich in einem Baumhaus ein, von wo aus er die Aktionen der Campbewohner gegen die Rodung des Waldes für den Braunkohleabbau zwei Jahre lang filmte. Als dann am 19. September 2018 der Hambacher Forst mit einer großen Polizeiaktion geräumt wird, stürzte Steffen Meyn gegen 16 Uhr aus 15 Metern Höhe in die Tiefe.

In einem Offenen Brief an die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen schrieben seine Angehörigen als Protest gegen offizielle Darstellungen des Vorfalls: „Steffen sympathisierte mit den Zielen der Baumhausbewohner*innen, teilte er doch deren Einstellung eines ressourcenschonenden Lebens. Er war gläubiger Christ, lebte konsequent vegan mit großem Respekt vor der Schöpfung. Als Student der KHM Köln hatte er einen Presseausweis. Da die Pressearbeit während der Räumung, nach seiner Aussage und die anderer Journalist*innen, zunehmend durch polizeiliche Absperrungen behindert wurde, stieg er als versierter Kletterer auf eines der Baumhäuser, um von dort störungsfrei das Geschehen zu filmen. Um bessere Sicht auf die Räumung eines Nachbarbaumhauses zu bekommen, wollte er eine Hängebrücke überqueren, dabei stürzte er in die Tiefe und erlag seinen schweren Verletzungen.“

Steffen Meyn starb acht Tage nach seinem 27. Geburtstag.

Auf der Berlinale 2023 hatte der von Freunden und Kollegen Steffen Meyns zusammengestellte Film „Vergesst Meyn nicht“ Premiere, der zum großen Teil aus Meyns im Hambacher Forst gedrehtem Material besteht.

 

 

 

Samuel Kofi Yeboah

* 6.9.1964 in Ghana, † 19.9.1991 in Saarlouis, ghanaischer Migrant

 

Am 19. September 1991 brach gegen 3.30 Uhr ein Feuer im Treppenhaus einer Asylbewerberunterkunft in Saarlouis aus. Brandstiftung. 18 der 19 Hausbewohner konnten sich vor den Flamme retten, Samuel Kofi Yeboah kam wenige Tage nach seinem 27. Geburtstag ums Leben.

 

 

 

 

Alexandra

* 19.5.1942 als Doris Wally Treitz in Heydekrug (heute Šilutė, Litauen), verh. Doris Nefedov, † 31.7.1969 in Tellingstedt, deutsche Sängerin

 

Schwermütig sang Alexandra: „Mein Freund der Baum ist tot / Er fiel im frühen Morgenrot…“ Und wenn sie nicht Schlager-, sondern Rock-Sängerin gewesen wäre, würde ihr Namen vielleicht auch im „Club 27“ zu finden sein, bei all den Musikern, die mit 27 starben.

Auf dem Weg in den Urlaub nach Sylt, fuhr ihrem Mercedes ein Laster in die Seite. Sie starb noch am Unfallort. Ihr kurzes Leben lang hatte sie sich bemüht, Ansehen zu gewinnen, voranzukommen, aufzusteigen. Flüchtlingskind, Zimmermädchen, Sekretärin, Stenotypistin, Grafik-Studentin, Gattin eines 30 Jahre älteren Exil-Russen…

„Mein Freund der Baum ist tot / Er fiel im frühen Morgenrot / Du fielst heut früh ich kam zu spät / Du wirst dich nie im Wind mehr wiegen / Du musst gefällt am Wege liegen…“

Und wie hatte sie sich bemüht musikalisch an Profil zu gewinnen, sang am Theater Neumünster und mit den City Preachers, tourte mit Hazy Osterland durch die Sowjetunion, fand Kontakt zu Salvatore Adamo, Gilbert Bécaud, Yves Montand, Antônio Carlos Jobim, Udo Jürgens. Es gab sogar schon eine Fernseh-Show „Alexandra. Ein Porträt in Musik“.

„Und mancher, der vorüber geht / Der achtet nicht den Rest von Leben / Und reißt an deinen grünen Zweigen / Die sterbend sich zur Erde neigen…“

Später wurde der Dokumentarfilm „Alexandra – die Legende einer Sängerin“ ausgestrahlt“, und dann behauptet, ihr Geliebter Pierre Lafaire, mit dem sie sich kurz zuvor verlobt hatte, sei CIA-Agent und in Dänemark verheiratet gewesen – ihr Unfall werfe Fragen auf, es müsse neu ermittelt werden.

„Wer wird mir nun die Ruhe geben / Die ich in deinem Schatten fand / Mein bester Freund ist mir verloren / Der mit der Kindheit mich verband / Mein Freund der Baum ist tot / Er fiel im frühen Morgenrot.“

Über Alexandra wurden Musicals und Theaterstücke geschrieben, Gedenktafeln enthüllt, und ein Platz nahe ihrer früheren Wohnung in Kiel erhielt den Namen Alexandraplatz.

Vielleicht könnte der Ural-Kosakenchor, dessen Leiter Alexandras Sohn lange Jahre war, Sascha, der mit im Unfallwagen saß, den Horrorcrash aber überlebte, vielleicht könnte dieser Kosakenchor an Alexandras Todestag auf dem Alexandraplatz ein Ständchen singen: „Sehnsucht heißt ein altes Lied der Taiga…“.

 

 

 

Alexandros

* 1.8.1893 in Tatoi, † 25.10.1920 in Athen, griechischer König

 

Kein Witz: der griechische König Alexandros wurde vom Affen gebissen! Konkret: sein Schäferhund Fritz verbellte bei einem Spaziergang im Garten des Schlosses Tatoi ein Affenweibchen, das erst Alexandros Frau Aspasia und dann auch den König biss. Und da seine Verletzung nicht angemessen behandelt wurde starb Alexandros im Alter von 27 Jahren an Blutvergiftung.

 

 

 

Stefan Bellof

* 20.11.1957 in Gießen, † 1.9.1985 in Stavelot, Belgien, deutscher Rennfahrer

 

Im Alter von 14 Jahren begann Stefan Bellof Kart-Rennen zu fahren, mit vierundzwanzig wechselte er zur Formel 3, im Jahr darauf zur Formel 2 und zwei Jahre später zur Formel 1.

Der Formel 1-Weltmeister Jackie Stewart sagte: „Stefan Bellof ist das größte Talent, das ich je gesehen habe.“

1984 gewann Stefan Bellof die Langstreckenweltmeisterschaft. Im Alter von 27 Jahren verunglückte er bei einem Formel 1-Rennen in Spa tödlich.

 

 

  

 

Kurt Donald Cobain

* 20.2.1967 in Aberdeen, Washington, † 5.4.1994 in Seattle, amerikanischer Rock-Musiker

 

„Cobain’s Disease“, nannte Kurt Cobain seine ewigen, ebenso unergründlichen wie unerträglichen Magenschmerzen, „Morbus Cobain“.

Um diese Qual zu mildern, irgendwie, spritzte er sich schließlich Heroin. Und bevor er sich den „Goldenen Schuss“ setzte und zur Sicherheit noch die Birne wegschoss, resümierte er in seinem Abschiedsbrief: „It’s better to burn out than to fade away.”

Zwölf Jahre nach seinem Suizid listete das Magazin „Forbes“ Kurt Cobain, den legendären „Nirvana“-Sänger auf Platz eins der „am besten verdienenden Toten“.

In seinem postum veröffentlichten „Journal“ Tagebuch schrieb er:  „Lies nicht in meinem Tagebuch, wenn ich weg bin. OK, ich geh jetzt zur Arbeit. Wenn du heut morgen aufwachst, lies bitte mein Tagebuch. Durchwühl meine Sachen und mach Dir ein Bild von mir.“

 

 

 

Lu Haodong

* 30.9.1865 in Shanghai, † 7.11.1895 in Foshan, chinesischer Revolutionär

 

Als Jugendlicher freundete sich Lu Huadong mit Sun Yat-sen an und ging mit ihm nach Hongkong, um sich an einer protestantischen Jugendschule unterrichten zu lassen.

Im Jahr 1895 gründete er dann mit Sun Yat-sen die Xingzhoughui, der Gesellschaft zur Wiedererweckung Chinas, welche die Beseitigung der Kaiserherrschaft und kolonialer Abhängigkeiten durch Revolution anstrebten. Noch im gleichen Jahr war er in einen Aufstand gegen die Quing-Herrschaft involviert, wurde verraten, verhaftet und hingerichtet.

In Vorbereitung dieser Rebellion hatte Lu Haodong die Fahne der Aufständischen entworfen: eine weiße Sonne auf blauem Grund – zu sehen dann bis 1947 auf der Flagge der Republik China und noch immer auf der Taiwans.

 

 

 

Emil Friedrich Julius Sommer

* 5.5.1819 in Oppeln, † 22.7.1846 in Halle/Saale, deutscher Philologe

 

Emil Friedrich Julius Sommer promovierte im Alter von 23 Jahren an der halleschen Universität, ging nach Berlin und wurde Schüler der Brüder Grimm. Zurück in Halle wirkte er als Privatdozent und gilt hier als Gründer der Germanistik.

Im Alter von 26 Jahren publizierte er – angeregt von den Grimms – den Band: „Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen“. Im Jahr darauf starb Emil Friedrich Julius Sommer an Tuberkulose.

 

  

 

 

Blind Owl Wilson

* 4.7.1943 als Alan Christie Wilson in Boston, Massachusetts, † 3.9.1970 in Topanga, Kalifornien, amerikanischer Blues-Musiker

 

Alan Wilson erhielt sein Spitznamen Blind Owl aufgrund seiner dicken Brillengläser von John Fahey, mit dem er Mitte der 1960er Jahre auf Tournee war. Davor hatte er in Boston Musik studiert und galt als Blues-Historiker und –Plattensammler.

Mit Bob Hite gründet Blind Owl Wilson im Alter von 22 Jahren „Canned Heat“, er spielte Gitarre, Mundharmonika, gelegentlich Klavier und sang mit hoher Tenorstimme – so 1967 beim Monterey und 1969 beim Woodstock Festival. Er spielte auch mit Sunnyland Slim, Willie Dixon oder John Lee Hooker.

Im Alter von 27 Jahren nahm sich der an Depressionen leidende Blind Owl Wilson das Leben.

Well, I’m so tired of crying

But I’m on the road again

I’m on the road again…

 

  

 

 

Georg Heym

* 30.10.1887 in Hirschberg, Schlesien, † 16.1.1912 in Gatow, deutscher Lyriker

 

„Der Lyriker und Novellist wäre vielleicht einer der größten Dichter Deutschlands geworden, jedenfalls des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Poesie, die Formstrenge mit verblüffendem Bilderreichtum und kühnen Visionen verbindet, zeichnet sich durch eine unvergleichliche, ekstatisch-dämonische Aura aus und hat in hohem Maße die Vorstellung vom deutschen Expressionismus geprägt, zumal vom Frühexpressionismus“, schrieb Marcel Reich-Ranicki.

 

An meinen Leichnam

Einst wird es dicht aus deinem Haupte klettern,

Das unten fault, der krummen Wurzeln Schuh,

Ein Wald, der Witwen gleicht, mit dunklen Blättern

Auf Gräbern hockt und schaut den Toten zu.

 

Wo herbstlich niedre Sonnen langsam schweben

Im Schoß der Abend, in roter Glut,

Wirst du noch einmal deine Hände heben

Im Feuer wärmend dein gestocktes Blut.

 

„Georg Heym, als Dichter ein Monomane des Todes, repräsentierte in seiner Person das Leben höchstselbst. Er war der Verwegenste, Sonnigste, Unbefangen-Naivste: seine Vitalität durchbrach alle Schranken der Konvention; er war in jeder Äußerung lachhaftnackt, die unbewußte Offenheit – erstolperte geradezu aus sich heraus… Heym hat die Kunst und unerhörte Flügel, und er lässt diese Flügel schleifen, und die Kunst gibt ihm nur einen bitteren Nachgeschmack. Seine Verse sind geschrieben, als treibe er schon unterm Eise“, sagte Stephan Hermlin.

Georg Heym ertrank im Alter von 27 Jahren beim Versuch, seinen ins Eis der Havel eingebrochenen Dichter-Freund Ernst Balcke zu retten.

 

Dann kommt die Nacht. Du siehst die Zweige zittern,

Und wieder klingt dein ausgehöhlter Kopf.

Wenn sich erhebt vor deinem Wurzel-Gittern

Aus blauer Schlucht des Mondes goldner Schopf.

 

Du schaust die Fahnen und den Tanz der Jahre,

Mit deiner Lunge Tüchern zugedeckt.

Sechs lange Knochen und ein Büschel Haare,

In weiter Ruhe ewig ausgestreckt.

 

Und langsam sinkt dein Grab, im Wald verloren,

Niemand mehr sucht es in der Dornensaat.

Nur manchmal durch die Tore deiner Ohren

Zieht noch ein Maulwurf seinen blinden Pfad.

 

Georg Heym hielt immer wieder seine Träume fest, sein letzter notierter ging einen Monat vor seinem Tode so: „…geflügelter Stier. – Adler. Einige Halswirbel entzwei. Viele Stiere. – Der Adler schläft sie alle. Die Stiere fliegen über das Wasser. Aber der Adler ist über ihnen. Die Stiere wollen den Adler einladen, und die eine Stierfrau – wie eine Pastorin – und ein Stierherr wollen ihn in die Mitte nehmen. Aber der Stierherr fängt es dumm an. Der Adler entweicht u. steigt in die Höhe. Die Stierfrau mit der goldenen Brille lacht.“

 

Dann schwillt dein Herz im Schlummer, das verdorrte,

In roter Blumen Duft, die du genährt.

Und Bienen kommen zu dem warmen Orte,

Wo goldner Dunst von vielem Honig gärt.

 

Die Schafe hörst du über deiner Stätte

Weiden, der Flöte nach, die ferne hallt.

Und ewig rauscht auf deinem grünen Bette

Wie Harfen tönend laut der große Wald.

 

Vier Tage zuvor hatte er in seinem Tagebuch notiert: „ Ich glaube wohl: In 300 Jahren werden die Menschen sich an den Kopf fassen, wenn sie unsere Leben sehen. Sie werden sich wahrhaftig fragen, wie die Günther, Lenz, Kleist, Grabbe, Hölderlin, Lenau, die Hoddis, Heym, Frank überhaupt soweit gekommen sind. Und wie es für diese Naturen, (die zu anständig waren, um zu Kompromißlern, wie die Goethe, Rilke, George etc.) in dieser trüben und vor Wahnsinn knallenden Zeit überhaupt noch möglich war, sich durchzuschlagen…“

 

 

 

Viktor Hofmann

* 14.5.1884 als Viktor Balthasar Emil Viktorowitsch Hofmann in Moskau, † 13.8.1911 in Paris, russischer Dichter

 

Viktor Hofmann schrieb bereits als Schüler Gedichte, publizierte in Almanachen und hatte Kontakte zu wichtigen Vertretern der Moskauer Moderne wie Waleri Brjussow oder Ossip Mandelstam. Im Alter von 20 Jahren debütierte er dann mit dem Band „Buch der Anfänge“ und begründete damit den Stil des „mystischen Intimismus“. Nachdem er fünf Jahre später seine zweite Gedichtsammlung die „Die Probe“ veröffentlicht hatte, beschloss er, nur noch Prosa zu schreiben. Einige Texte erschienen in Zeitschriften, das Manuskript einer Romantrilogie scheint er jedoch vernichtet zu haben.

Viktor Hofmann litt zunehmend unter psychischen Störungen und erschoss sich schließlich aus Furcht davor, wahnsinnig zu werden.

 

 

 

 

Robert Johnson

* 8.5.1911 als Robert Leroy Dodds in Hazlehurst, Mississippi, † 16.8.1938 in Greenwood, Mississippi, amerikanischer Blues-Musiker

 

Eric Clapton spielte 2004 Robert-Johnson-Songs neu ein und sagte im Begleittext von „Me and Mr. Johnson“: „Bis ich seine Musik hörte, schien alles, was ich jemals gehört hatte, so, als wäre es irgendwo für ein Schaufenster verkleidet, so dass es, als ich ihn zum ersten Mal hörte, so war, als würde er nur für sich selbst singen, und ab und zu, vielleicht Gott ... Zuerst erschreckte es mich in seiner Intensität und ich konnte es nur in kleinen Dosen einnehmen. Dann baute ich Kraft auf und nahm ein bisschen mehr, aber ich konnte nie wirklich davon loskommen, und am Ende verwöhnte es mich für alles andere ... Jetzt, nach all diesen Jahren, ist seine Musik immer wie mein ältester Freund in meinem Hinterkopf und am Horizont. Es ist die beste Musik, die ich je gehört habe, ich habe Vertrauen in Reinheit…

Sie sangen:

When you got a good friend

That will stay right by your side,

When you got a good friend

That will stay right by your side…

So recht weiß man nicht, woran Robert Johnson starb – durch einen eifersüchtigen Ehemann? an der Syphilis? Und man weiß auch nicht, wo er seine letzte Ruhe fand.

Immerhin steht in Morgan City, Mississippi nun ein Gedenkstein an den genialen Blues-Gitarristen: „Robert Johnson. ‚King of the Delta Blues Singers.‘ His Music struck a Chord that continues to resonate. His Blues adressed Generations he would never know and made Poetry of his Visions and Fears.“

 

 

 

Karlrobert Kreiten

* 26.6.1916 in Bonn, † 7.9.1943 in Berlin-Plötzensee, deutscher Pianist

 

Im Alter von zehn Jahren debütierte Karlrobert Kreiten als Pianist in der Tonhalle Düsseldorf. Mit dreizehn begann er ein fünfjähriges Studium an der Hochschule für Musik in Köln, das er dann ab 1935 in Wien und ab 1937 als Meisterschüler von Claudio Arrau in Berlin fortsetzte.

Claudio Arrau urteilte: „Kreiten war eines der größten Klaviertalente, die mir persönlich begegnet sind. Wäre er nicht durch das Nazi-Regime kurz vor Kriegsende hingerichtet worden, so hätte er ohne Zweifel seinen Platz als einer der größten deutschen Pianisten eingenommen.“

Karlrobert Kreiten wurde im Frühjahr 1943 denunziert, nachdem er in einer privaten Runde den Krieg als verloren bezeichnet hatte. Die Gestapo verhaftete ihn vor einem Konzert in Heidelberg. Anfang September wurde Karlrobert Kreiten vom Volksgerichtshof wegen Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und im Alter von 27 Jahren gehängt.

 

 

 

 

Silvio Meier

* 12.8.1965 in Quedlinburg, † 21.11.1992 in Berlin, deutscher Menschenrechtsaktivist

 

Im Alter von 21 Jahren zog Silvio Walter nach Berlin, arbeitete als Drucker und engagierte sich in der „Kirche von unten“, organisierte beispielsweise Konzerte von Untergrundbands mit.

Nach der Wende wurde Silvio Meier in der alternativen Szene aktiv, war Hausbesetzer und legte sich mit rechtsextremen Jugendlichen an.

Im Alter von 27 Jahren wurde Silvio Meier im Berliner U-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis erstochen.

Seit 2013 gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg eine Silvio-Meier-Straße und seit 2016 wird ein Silvio-Meier-Preis verliehen, der „Menschen, Vereine, Initiativen und Projekte ehren und unterstützen soll, die sich in herausragender Weise gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung einsetzen.“

 

 

 

Anton Yelchin

* 11.3.1989 als Anton Viktorowitsch Yelchin in Leningrad, † 19.6.2016 in Los Angeles, amerikanischer Schauspieler

 

Anton Yelchins Eltern, ein Eiskunstlaufpaar, wanderten in die USA aus, als er sechs Monate alt war. Mit 11 Jahren debütierte er Filmschauspieler, mit Zwölf gewann er den Young Artist Award. Mit Achtzehn hatte er in „Charlie Bartlett“ seine erste Hauptrolle, mit Neunzehn spielte er erstmals in „Star Trek“.

Im Alter von 27 Jahren wurde Anton Yelchin auf seinem Grundstück von seinem zurückrollenden Auto am Garagentor erdrückt.

Star-Trek Regisseur J. J. Abrams sagte, dass die von Anton Yelchin verkörperte Rolle des Paver Chekov nicht wieder besetzt werden würde: „Ich würde sagen, dass man ihn nicht ersetzen kann. Es wird kein neues Casting geben. Ich kann mir das nicht vorstellen, und ich denke, dass Anton etwas Besseres verdient hat.“

 

 

 

 

 

Aldo Ballarin

* 10.1.1922 in Chioggia, † 4.5.1949 in Superga, italienischer Fußballspieler

 

Auf Flug von Lissabon nach Turin prallte das Flugzeug, das die Mannschaft des italienischen Meisters des Jahres 1949, AC Turin, von einem Freundschaftsspiel nach Hause bringen sollte, bei dichtem Nebel gegen den Wallfahrtshügel Superga. Alle Insassen kamen ums Leben, darunter auch der siebenundzwanzigjährige Verteidiger Aldo Ballarin.

 

 

Andrés Escobar Saldarriaga

* 13.3.1967 in Medellin, † 2.7.1994 ebd., kolumbianischer Fußballspieler

 

Bereits im Jahr 1990 hatte Andrés Escobar mit der kolumbianischen Nationalmannschaft an der Fußball-Weltmeisterschaft teilgenommen. Und auch vie Jahre später war er als Verteidiger bei Weltturnier in den USA dabei. Im Vorrundenspiel gegen den Gastgeber schoss er dann ein Eigentor, und Kolumbien schied aus.

Wieder daheim wurde Andrés Escobar wenige Tage später vor einer Bar erschossen, möglicherweise im Auftrag der Wettmafia. An seiner Beerdigung nahmen 120.000 Menschen teil. Die Stadt Medellin errichtete ihm ein Denkmal.

 

 

 

Richard Hallgarten

* 14.1.1905  in München, genannt: Ricki, † 5.5.1932 in Holzhausen am Ammersee, deutscher Autor und Maler

 

Im Alter von 14 Jahren gründete Richard Hallgarten gemeinsam mit Klaus und Erika Mann die Spielgruppe „Laienbund Deutscher Mimiker“, woraus eine lebenslange Freundschaft erwuchs.

Ende der 1920er Jahren ging er nach New York, vermochte es jedoch nicht, sich als Künstler zu etablieren. Zurück in Deutschland schrieb er zusammen mit Erika Mann fürs Theater Darmstadt „Jans Wunderhündchen. Ein Kinderstück in sieben Bildern“ und illustrierte deren Kinderbuch „Stoffel fliegt übers Meer“.

Im Alter von 27 Jahren erschoss sich Richard Hallgarten und hinterließ die Nachricht: Herr Wachtmeister! Habe mich soeben erschossen. Bitte Frau Thomas Mann in München benachrichtigen. Ergebenst R.H.

Klaus Mann setzte seinem Freund mit dem Essay „Ricki Hallgarten. Radikalismus des Herzens“ ein literarisxches Denkmal.

 

  

 

 

  

Jean Charles de Menezes

* 7.1.1978 in Gonzage, Minas Gerais, † 27.7.2205 in London, brasilianischer Elektriker

 

Zwei Wochen nach Anschlägen auf die Londoner Metro wurde Jean Charles de Menezes von britischen Sicherheitskräften mit einem gesuchten Terroristen verwechselt und auf dem Weg zur Arbeit gezielt erschossen.

Brasilianische Medien bezeichneten diesen Scotland Yard-Einsatz als „Hinrichtung“, es gab diplomatische „Verstimmungen“. Letztlich wurde zwar Scotland Yard, jedoch keiner der Einsatzkräfte verurteilt. Die Einsatzleiterin wurde sogar befördert. Und der Chef von Scotland erhielt nach seinem Rücktritt eine Abfindung von 400.000 Pfund, Jean Charles de Menezes' Familie in Brasilien 100.00 Pfund.

 

   

 

Rainer Maria Gerhardt

* 9.2.1927 in Karlsruhe, † 27.7.1954 ebd., deutscher Autor

 

Im Alter von 20 Jahren besuchte Rainer Maria Gerhardt als Gasthörer Philosophievorlesungen an der Universität Freiburg und gründete den Verlag „fragmente“, in dem er neben neuer amerikanischer Lyrik (die er zumeist auch selbst übersetzte) eigene Texte veröffentlichte. So erschienen 1950 „der tod des hamlet“ und 1952 „umkreisung“.

Mangels Anerkennung und finanziellem Ruin nahm sich Rainer Maria Gerhardt im Alter von 27 Jahren das Leben.

 

 

 

 

 

Robert Emmett Harron

* 12.4.1893 in New York, genannt: Bobby, † 5.9.1920 ebd., amerikanischer Schauspieler

 

Im Alter von 13 Jahren begann Robert Harron, Sohn irischer Einwanderer, für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen, arbeitet für die Filmgesellschaft „American Biograph“, als Bote und Putzhilfe - und im Jahr darauf wirkte er sogar schon in einem ersten Stummfilm mit: „Dr. Skinum“.

Und nun startete er eine beeindruckende Karriere, agierte in mehr als 200 Filmen, so in „Judith von Bethilien“, „Die Geburt einer Nation“, „Intoleranz“ oder True Heart Susie“.

Robert Emmett Harron starb im Alter von 27 Jahren, nachdem ein selbstausgelöster Pistolenschuss seine linke Lunge durchschlagen hatte, ein Unfall wahrscheinlich.

 

 

 

 

Brian Jones

* 28.2.1942 als Lewis Brian Hopkin Jones in Cheltenham, † 3.7.1969 in Hartfield, Sussex, britischer Rock-Gitarrist

 

I can’t get no satisfaction – hört man dieses weltberühmte Riff, hört man Brian Jones Gitarre spielen. Und wohl kein Jugendlicher weltweit, der irgendwie ’ne Klampfe halten konnte seinerzeit, vermochte nachzuäffen, was Paul mit den Stones vorgab. I can’t get no satisfaction…

Erstmals hatte Brian Jones, der sich da noch Elmo Lewis nannte am 24. März 1962 mit Alexis Korners Blues Incorporated auf einer Bühne gestanden. Und durch Alexis Korner lernte er Mick Jagger und Keith Richards kennen und gründete im Juni 1962 die Rolling Stones. Er war der Bandleader und Leadgitarrist.

Ab 1966 fungierte er zunehmend als Multi-Instrumentalist: Auf den Alben “Aftermath, “Betwenn the Buttons und “Their Satanic Majestic Request spielte er Flöte (Ruby Tuesday, Sing This All Together, Gomper), Sitar (Paint It Black, Mothers Little Helper, Gomper), Harfe (On With The Show), Marimbaphon (Under my Thumb, Out of Time), Dulcimer (Lady Jane, I Am Waiting), Cembalo (Take it or leave it, Ride on Baby), Akkordeon (Back Street Girl), Kazoo und Banjo (Cool Calm and Collected), Orgel (Complicated, 2000 Man), Piano und Saxophon, Posaune, Klarinette (Something happened to me yesterday, Dandelion) sowie immer mal wieder Mellotron.

Zunehmend aber wurde sein aufreibender Lebensstil, sein Drogenkonsum zum Problem, so war er beim letzten gemeinsamen Auftritt mit den Stones, beim „Rock’n’Roll Circus“ im Dezember 1968 meist nur noch als Perkussionist zu sehen und zu hören.

Am 8.Juni 1969 trennten sich Jones und die Stones, er akzeptierte das Angebot einer einmaligen Abfindung von 100.000 Pfund sowie der Zahlung von 20.000 Pfund jährlich, solange die Rolling Stones existieren. In einer Presseerklärung war von einvernehmlicher, wegen unterschiedlicher musikalischer Präferenzen erfolgter Trennung die Rede. Laut Alexis Korner wollte Jones eine neue, progressive Bluesband gründen, um seine eigenen musikalischen Ideen zu verwirklichen.

Am 2. Juli 1969 wurde Brian Jones leblos in seinem Swimmingpool gefunden. Die genauen Umstände seines Todes wurden nie geklärt.

I can’t get no satisfaction…

 

 

 

Ron McKernan

* 8.9.1945 in San Bruno, Kalifornien, Ronald Charles „Pigpen“ McKernan, † vermutlich 8.3.1973 in Corte Madera, Kalifornien, amerikanischer Rock-Musiker

 

David Foster Wallace beschreibt in einer Erzählung, wie Typen zu einem Grateful-Dead-Konzert irgendwo in den Weiten pazifischer Dünen umherstapfen und dabei zwei Uralt-Hippies beobachten, die sich offenbar zur Einstimmung auf das Konzert eine geheimnisvolle Droge in die Augen reiben. Beim Näherkommen wird allerdings deutlich, dass die beiden sich nur beim Einsetzen ihrer Kontaktlinsen behilflich waren.

Pigpen McKernan spielte schon in Jerry Garcias erster Band „Mother McCree’s Uptown Jug Champions“ Keyboards und Mundharmonika und gründete mit ihm dann 1965 eine der wohl einflussreichsten West-Coast-Gruppen, die „Grateful Dead“. Er galt als Vermittler zwischen den Welten der Hippies und Rocker. Dem ewigen Tourneestress versuchte er mit Alkohol und Drogen beizukommen, war schließlich aber nicht mehr in der Lage, live mit den Deads aufzutreten, starb letztlich 27-jährig an einer Magenblutung.

Pigpen McKernan war der erste Tote der „Grateful Dead“. Auf seinem Grabstein im Alta Mesa Memorial Park in Palo Alto steht: „Pigpen was and is now forever one of the Grateful Dead“.

 

 

 

Jonathan Gregory Brandis

* 13.4.1976 in Danbury, Connecticut, † 12.11.2003 in Los Angeles, amerikanischer Schauspieler

 

Schon als Kind stand Jonathan Brandis für Werbespots vor der Kamera. Bekannt wurde er dann im Alter von 14 Jahren durch seine Verkörperung des Bastian Baltasar Bux in „Die unendliche Geschichte II – Auf der Suche nach Phantásien“. Rollen in Stephan Kings „Es“ und weiteren Spielfilmen, dann vor allem in Fernsehserien wie in Steven Spielbergs „SeaQuest DSV“ folgten.

Im Alter von 18 Jahren wurde Jonathan Brandis mit dem Young Artist Award ausgezeichnet, erhielt dann aber kaum noch Engagements und wurde depressiv.

Im Alter von 27 Jahren nahm sich Jonathan Brandis das Leben.

 

 

 

 

 

Jim Morrison

* 8.12.1943 als James Douglas Morrison in Melbourne, Florida, † 3.7.1971 in Paris, amerikanischer Rock-Sänger und Lyriker

 

Um die Jahrtausendwende stieg ich mit Musikern, mit denen ich in den 1970ern gerockt hatte, nochmals auf Bühnen, und wir gaben Songs zum Besten, die wir damals schon gespielt hatten oder gern gespielt hätten, das dann aber, warum auch immer, nicht zuwege brachten.

Für unsere neuen Auftritte gruppierten wir alle Konzerte nach bestimmten Bands. Und natürlich waren auch die Doors dabei. „Light my fire“ oder „Riders on the storm“ gehörten schon stets zu unserem Repertoire. Nun wünschte ich mir aber “When the music over“ zu spielen, und tatsächlich sang ich schließlich eines Abends, was schon Jim Morrison skandierte:

 

When the music’s over

Turn out the lights…

 

What have they done to the earth, yeah?

What have they done to our fair sister?...

 

When the music’s over

Turn out the lights…

 

 

 

Pjotr Nikolajewitsch Nesterow

* 27.2.1887 in Nischni Nowgorod, † 8.9.1914 bei Schowkwa, russischer Pilot

 

Im Alter von 25 Jahren bestand Pjotr Nesterow seine Pilotenprüfung. Als Führer einer in Kiew stationierten Flugstaffel erkannte er, dass ein Flugzeug in eine Kurve gelegt werden muss, und es gelang ihm Anfang September 1913 sogar ein erster Looping. Somit gilt er als Begründer des Kunstfluges.

Im Ersten Weltkrieg war er dann aber auch einer der ersten Piloten die versuchten, ein feindliches Flugzeug zu rammen. Bei einem solchen Versuch stürzte Pjotr Nikolajewitsch Nesterow während der Schlacht um Galizien ab und starb im Alter von 27 Jahren.

Ihm zu Ehren wurde 1986 ein Asteroid benannt.

 

 

 

 

 

Elisabetta Sirani

* 8.1.1638 in Bologna, † 28.8.1665 ebd., italienische Malerin

 

Nachdem Elisabetta Sirani von ihrem Vater im Malen unterrichtet worden war, arbeite sie ab ihrem 17. Lebensjahr als professionelle Künstlerin. Da Frauen zu ihrer Zeit noch nicht an Akademien studieren durften, gründete sie in Bologna eine Kunstakademie nur für weibliche Schülern und unterrichte dann hier auch selbst, so die später erfolgreichen Malerinnen Teresa Maria Coriolano und Ginevra Cantofoli.

Elisabetta Sirani schuf in ihrem kurzen Leben etwa 200 Gemälde, darunter großformatige Altarbilder, und eine große Anzahl von Aquarellen, Kupferstichen und Zeichnungen. Sie war eine der ersten Frauen, die in römische Academia die San Luca aufgenommen wurden.

Eilsabetta Sirani starb im Alter von 27 Jahren wahrscheinlich an einer Bauchfellentzündung infolge eines Magengeschwürs.

 

 

 

 Wassili Iwanowitsch Sternberg

* 12.2.1818 in Sankt Petersburg, † 8.9.1845 in Rom, russischer Maler

 

Wassili Sternberg studierte an der Kaiserlichen Kunstakademie Sankt Petersburg. Ab seinem 18. Lebensjahr hielt er sich den Sommer über gern in der Ukraine auf, beschäftigte sich mit Volksweisen und zeichnete, aquarellierte und malte die Landschaften. Der ukrainische Lyriker Taras Schewtschenko, den er porträtierte,  wurde sein Freund. Schewtschenko widmete ihm das Gedicht „Iwan Pidkowa“.

Im Alter von 22 Jahren erheilt Wassili Iwanowitsch Sternberg ein Akademie-Stipendium, um in Rom zu arbeiten. Dort starb er fünf Jahre später.

 

 

Gary Thain

* 15.5.1948 in Christchurch, † 8.12.1975 in London, neuseeländischer Rock-Bassist

 

Gary Thain stand schon in Woodstock auf der Bühne, allerdings noch mit der Keef Hartley Band. Bei Uriah Heep stieg er erst 1972 ein.

Beeindruckend, die Intensität und Variabilität seines Bassspiels, nicht zuletzt bei „Easy Livin’“:

 

This is a thing I’ve never known before

It’s called easy livin’…

Waiting, watching

Wishing my whole life away

Dreaming, thinking

Ready for my happy day

And some easy livin’…

 

Mehr als 370 mal trat Gary Thain trat mit Uriah Heep weltweit auf. Während eines Konzerts in Dallas, Texas, erlitt er einen elektrischen Schlag, von dem er sich nie wieder erholte, und im Jahr darauf im Alter von 27 Jahren verstarb.

 

 

 

Jean-Michel Basquiat

* 22.12.1960 in New York City, † 12.8.1988 ebd., amerikanischer Graffitikünstler

 

Keith Haring sagte über Jean-Michel Basquiat: „Er hatte Inhalte zu bieten, doch nicht nur darin hob er sich von der Graffitiszene ab. Er schrieb nicht auf U-Bahn-Waggons, sondern auf Häuserwände, dort, wo seine Streifzüge ihn hinführten. Und meistens führten sie ihn nach SoHo, wo die Galerien waren und wo seine Altersgenossen und Seelenverwandten lebten und herumhingen. […] Als er starb, war mir sofort klar, welches Szenario herhalten musste, um ihn mit Erklärungen in den Griff zu bekommen: zu viel in zu kurzer Zeit, eine disziplinlose Gier nach Leben. Es ist das Wesen der Medienbestie, das Komplexe zu simplifizieren, dass es bis zur Unkenntlichkeit entstellt wird.“

Als Siebzehnjähriger hatte Jean-Michel Basquiat begonnen, Hauswände in Soho zu betexten und zu bemalen und mit „SAMO©“ zu siginieren – same old shit – in der afro-amerikanischen Umgangssprache jener Zeit Protest gegen die andauernde Rassendiskriminierung. Ebenso schnell wie er alsbald malte, machte er Karriere, war mit einundzwanzig jüngster Teilnehmer einer „documenta“, lernte Andy Warhol kennen, arbeitete in Hamburg zusammen mit Salvador Dali, Keith Haring, Joseph Beuys und anderen an der Ausstattung für André Hellers "Luan Luna", einem avantgardistischen Vergnügungspark.

Im Jahr seines Todes malte er das Gemälde „Riding with the Death“ und schrieb in Bilder seines „Eroica-Zyklus“ immer wieder: „MAN DIES“. Am 18. August 1988 wollte Jean-Michel Basquiat nach Abidjan fliegen, um sich von einem ivorischen Schamanen von seiner Drogensucht befreien zu lassen. Sieben Tage zuvor starb er durch eine Überdosis Heroin.

 

 

 

Rupert Chawner Brooke

* 3.8.1887 in Rugby, † 23.4.1915 bei Gallipoli, englischer Dichter

 

Rupert Brooke studierte am Kings College in Cambridge, wurde Mitglied der „Cambridge Apostels“ und dann Präsident sowie der sozialistischen „Fabian Society“. Mit Gedichten gewann er Preise und zu seinem Freunde- und Bekanntenkreis zählten Henry James, Maynard Keynes, George Mallory oder Virginia Woolfe. William Butler Yeats nannte ihn den „bestaussehenden Mann in England“. Im Alter von 24 Jahren erschien sein erster und einziger Gedichtband „Poems“.

Im Jahr darauf erhielt er eine Professur am Kings College, reiste durch Nordamerika, schrieb für die „Westminster Gazette“, verbrachte 1914 einige Monate in der Südsee und trat bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs in die britische Armee ein. Im Alter von 27 Jahren starb Rupert Brooke auf einem Krankenhausschiff an den Folgen einer durch einen Mückenstich verursachten Sepsis. Weithin bekannt wurde er durch seine kurz vor seinem frühen Tod in Zeitschriften veröffentlichten „Kriegssonette“.

If I should die, think only this of me:

That there`s some corner of a foreign field

That is for ever England. There shall be

In that rich earth a richer dust concealed…

 

 

 

 

 

Camilo Cienfuegos

* 6.2.1932 als Camilo Cienfuegos Gorriarán in Havanna, † 28.10.1959 wohl zwischen Camagüey und Havanna, kubanischer Revolutionär

 

Camilio Cienfuegos war einer der 82 Revolutionäre, die im Dezember 1956 mit der Yacht „Granma“ von Mexiko kommend, in Kuba landeten, um das Land von der Herrschaft des Diktators Batista zu befreien.

Vier Monate später wurde zum „Commandante“ ernannt und galt nach erfolgreichen Kämpfen alsbald als „Held von Yagaujay“. Nachdem Batista am 1. Januar 1959 geflüchtet war, führte Camilo Cienfuegos am Tag darauf die ersten Kolonnen der Revolutionsarmee nach Havanna.

Danach wirkte er vor allem im Oberkommando der Streitkräfte. Wenige Tage nachdem Raúl Castro von seinem Bruder Fidel zum Verteidigungsminister ernannt worden war, kam Camilo Cienfuegos angeblich bei einem Flugzeugabsturz im Alter von 27 Jahren ums Leben. Das Flugzeugwrack wurde nie gefunden.

Eines seiner bekanntesten und selbst auf Postkarten zitierten Aussprache war: ¿Contra Fidel? ¡Ni en la pelotal! – Gegen Fidel? Noch nicht einmal beim Baseball!

 

 

 

 

 

Hermann Conradi

* 12.7.1862 in Jeßnitz, † 8.3.1890 in Würzburg, deutscher Schriftsteller

 

In flammender Empörung

Sprech’ ich der Lüge Hohn!

Und wenn du tausend Nacken beugst

Und tausend Sklavenseelen säugst

Mit feilem Judaslohn:

Ich trotze deinen Jochen!

Ich hab’ den Bann zerbrochen –

Ich hab’ mich freigesprochen:

Ich bin der Freiheit Sohn!

 

Als Gymnasiast veröffentlichte Hermann Conradi erste Gedichte im „Magdeburger Tageblatt“ und gründeten den literarischen Verein „Bund der Lebendigen“, dem sogar der Dichter Johannes Schlaf angehörte.

Conradis erster Gedichtband „Lieder eines Sünders“ und sein erster Roman „Phrasen“ erschienen 1887 in Leipzig. Seinen zweiten Roman „Adam Mensch“ vollendete er in diesem Jahr, allerdings erschien der wegen Streitereien mit seinem Verleger erst 1889 – und wurde wegen „unsittlicher und gotteslästerlicher“ von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.

Daraufhin verbrannte Hermann Conradi alles seine Manuskripte, zog von Leipzig nach Würzburg und widmete sich seiner Dissertation, Titel: „Über das Verhältnis des Symbolbegriffs zur ästhetischen Illusion“. Und er beginnt sogar an einem neuen Roman zu arbeiten, Titel: „Ein moderner Erlöser“. Da starb Hermann Conradi im Alter von 27 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.

 

Im übrigen ist alles Dreck

Und hat wahrhaftig keinen Zweck!

Magst du das Höchste ahnend streifen:

Du kannst nicht deinen Schatten begreifen.

 

Entmutigt sein, wenn alles hofft,

Wenn alles lebt, gebunden –

Ich kenne sie! Ich hab’ sie oft

Gefühlt – die bittern Stunden …

 

 

 

Isabelle Eberhardt

* 17.2.1877 in Genf, † 21.10.1904 in Ain Sefra, Algerien, Schweizer Schriftstellerin

 

„Wie immer fühle ich aber … eine endlose Traurigkeit, die meine Seele beschleicht, ein unbeschreibliches Verlangen nach etwas, das ich nicht in Worte fassen kann, Wehmut über ein Woanders, das ich nicht benennen kann“, schrieb Isabelle Eberhardt kurz vor ihrem Tode in ihr Tagebuch.

„Ihr Gesicht war von Alkohol verwüstet, die Stimme rau, der Schädel rasiert und der Mund zahnlos“, porträtierte sie der Schweizer Biograf Alex Campus.

Ihre Lebensgeschichte liest sich wie der Plot eines Thrillers: Ihr Vater war wohl der anarchistische Hauslehrer der Familie, mit dem ihre Mutter in Russland durchgebrannt und sich am Genfer See niedergelassen hatte. Isabelle streute später aber auch das Gerücht, Arthur Rimbaud sei ihr Vater. Eine öffentliche Schule besuchte sie nie, soll mit zwölf aber bereits die Bibel auf Altgriechisch, den Koran auf Arabisch und die Tora auf Hebräisch gelesen haben. Und sie soll am liebsten Männerkleidung getragen haben. Dann verliebte sich Isabelle in einen jungen Moslem und fühlte sich vom Islam fasziniert. Sie schrieb: „Mein Körper ist im Okzident aber meine Seele ist im Orient“.

Als ein Arzt ihrer Mutter einen Klimawechsel empfahl, reiste Isabelle mit ihr nach Algerien, wo sie beide zum Islam konvertierten. Sie kleidete sich fortan wie ein Moslem und hielt sich an Rituale wie Gebet, Fasten und Waschung, sündigte aber ständig durch Alkohol- und Marihuana-Missbrauch und Promiskuität. Nach dem Tod ihrer Mutter reiste sie unter dem Decknamen Si Mahmoud Saadi nach Tunis, besuchte heilige Stätten jedoch auch Bars und Bordelle, streifte durch die Sahara, lebten bei und mit Beduinen. Zurück in Algerien kaufte sie sich von ersten Honoraren für erste Buchveröffentlichungen einen Araberhengst, ritt allein durch die Wüste und verliebte sich in der Oase El Qued in Slimène den Quartiermeister der französischen Garnison, spielte offenbar sogar mit dem Gedanken, ihn zu heiraten. Sie notierte: „Er ist ein sanfter, heiterer Mensch, der den Lärm, die abendlichen Ausgänge und die Kneipen verabscheut. Er ist häuslich und eifersüchtig darauf bedacht, seine Privatsphäre gegen außen zu verteidigen. Simène ist der ideale Gatte für mich, denn ich bin müde, angewidert und vor allem der verzweifelten Einsamkeit überdrüssig, in der ich mich trotz gelegentlicher Bekanntschaften befand“.

Bald schon streifte Isabelle jedoch wieder in Männerkleidung allein durch die Sahara, trat einem Sufi-Orden bei, wurde bei einem Angriff eines Mitglieds eines anderen Sufi-Ordens verletzt und in einem Gerichtsverfahren als „ausländische Unruhestifterin“ ausgewiesen. Sie reiste nach Marseille, ließ Slimène nachkommen und sie heirateten, auf dem Standesamt und in einer Moschee. Sie nahm die französische Staatsbürgerschaft an und ging mit ihrem Gatten wieder nach Algerien, nahm aber alsbald ihrer Wüstenstreifzüge wieder auf, schrieb Reiseberichte für Zeitschriften und wurde als Kriegsberichterstatterin an die Grenze zu Marokko geschickt. Hier soll sie der französische Militärkommandant um Hilfe gebeten haben, als „Mittlerin zwischen den Welten“ einen Anschluss Marokkos an Algerien mit vorzubereiten.

Schließlich kehrte sie zu ihrem Ehemann zurück und beide sahen keinen anderen Ausweg mehr, als sich umzubringen. Das Paar begab sich mit reichlich Absinth und einer Pistole in die Sahara, vermochte den Plan allerdings nicht umzusetzen, da sie rasch heillos besoffen waren. Dann erkrankte Isabelle schwer an Malaria, mietete eine Lehmhütte in einem Wadi in der Nähe eines Militärkrankenhauses. In der Nacht vom 20. zum 21. Oktober 1904 ging ein äußerst heftiges Gewitter in dieser Region nieder, überflutete rasch das Wadi. Slimène konnte sich noch in Sicherheit bringen, Isabelle jedoch ertrank, siebenundzwanzig Jahre alt.

Tatsächlich wurde ihr Leben 1991 verfilmt, ein Theaterstück wurde über sie geschrieben, ein Song und sogar eine Oper komponiert, in Genf eine Straße nach ihr benannt. Und seit den 1970er Jahren gilt Isabelle Eberhardt durch ihren Willen, gesellschaftlichen Hindernissen zu trotzen, um ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und nicht zuletzt durch ihren Wechsel der Geschlechterrolle als Vorbild der Frauenbewegung.

 

 

 

 Les Harvey

* 13.9.1944 als Leslie Cameron Harvey in Glasgow, † 9.5.1972 in Swansea, schottischer Rock-Gitarrist

 

Mit sechzehn spielte Les Harvey in der Band seines älteren Bruders Alex, mit fünfundzwanzig gründete er mit Maggie Bell die Rockgruppe „Stone the Crows“ – frei übersetzt aus dem Cockney: Stone the crows – wer hätte das gedacht?

Leslie Harvey spielte mit „Stone the Crows“ vier Alben ein und die Band gehörte zu den Top Acts diverse Rock-Festivals. Bei einem Konzert in Wales erhielt Leslie Harvey einen Stromschlag an einem ungeerdeten Mikrofon und starb im Alter von 27 Jahren.

 

 

 

Iwan Iwanowitsch

* 28.3.1544 in Moskau, † 19.11.1581 in Alexandrow, russischer Thronfolger

 

Iwan Iwanowitsch war der Sohn des Zaren Iwan IV., „des Schrecklichen“.

Im Alter von 27 Jahren wurde der Kronprinz Iwan Iwanowitsch von seinem Vater erschlagen. Über den Grund und die genauen Abläufe gibt es unterschiedliche Meinungen.

 

   

 

Jonghyun

* 8.4.1990 als Kim Jonghyun in Seoul, † 18.12.2017 ebd., südkoreanischer Sänger

 

Im Alter von 18 Jahren debütierte Jonghyun als Sänger mit Band „SHINee“, die „Prinzen des K-Pop“ genannt wurden. Für den koreanischen Markt produzierte die Gruppe sechs, für den japanischen fünf Alben.

Nachdem Jonghyun über ein Netzwerk verbreitet hatte: Bitte lass mich gehen. Sag mir, dass ich es gut gemacht habe. Lebewohl, wurde er bewusstlos aufgefunden und starb im Alter von 27 Jahren an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

 

 

 

 

Franz Alexander von Kleist

* 24.12.1769 in Potsdam, † 8.8.1797 in Ringenwalde, deutscher Dichter

 

Franz Alexander von Kleist war der ältere Bruder Heinrich von Kleists, ahnte zwar, dass er früh sterben würde, brachte sich jedoch im Gegensatz zu seinem berühmten Bruder nicht selbst um, sondern verschied im Alter von 27 Jahren friedlich im westpommerschen Ringenwalde, wohin er sich nach seinem Ausscheiden aus der preußischen Armee wie dem preußischen Staatsdienst zurückgezogen hatte.

Als er in Halberstadt diente, hatte er die Bekanntschaft Johann Wilhelm Ludwig Gleims gemacht und war Mitglied dessen Literarischer Gesellschaft geworden. So wird er der „Halberstädter Poetenschule“ zugerechnet. Franz Alexander von Kleist veröffentlichte: 1789 „Hohe Aussichten auf Liebe“, 1792 „Fantasien auf einer Reise nach Prag“ und „Nicolaus der Taucher“, 1793: „Sappho. Ein dramatisches Gedicht“, „Das Glück der Liebe“ und „Zamori und Midora, oder die Philosophie der Liebe. In zehn Gesängen“, 1796: „Das Glück der Ehe“, 1797: „Vermischte Schriftten“ und zu guter Letzt in seinem Todesjahr 1799 noch „Liebe und Ehe. In drei Gesängen“.

 

 

 

August Macke

* 3.1.1887 in Meschede, † 26.9.1914 bei Perthes-lès-Hurlus, Champagne, deutscher Maler

 

Mathias T. Engelke sagte zu August Macke: „Seine Bilder befriedigen die Sehnsucht nach positiven Bildern einer intakten Welt, dem Gleichklang des Menschen mit den Dingen, die ihn umgeben.“

August Macke beteiligte sich an den Ausstellungen der Künstlervereinigung „Blauer Reiter und gilt als einer der bekanntesten Vertreter des deutschen Expressionismus.

Im Ersten Weltkrieg war er einer der ersten namhaften Persönlichkeiten, die an der Front fielen.

Ich entdeckte Spuren August Mackes, völlig überraschend, als ich Anfang 2008 vom tunesischen Schriftstellerverband zu Lesungen eingeladen war:

Tunis: Eintauchen in die Medina, in die Buntheit der Souks, labyrinthisches Gedränge. Händler locken auf Italienisch, Spanisch, Französisch, Arabisch sogar – mich, Schwarzbärtigen. Woher sollten sie auch wissen, dass ich noch dinarlos bin.

Catharge: Durch weitläufige Villenviertel hügelan, schweißtreibend zu den Resten, den kläglichen, des Amphitheaters. Zur Einstimmung zitiere ich den hiesigen Kollegen Brechts Text von den drei punischen Kriegen. Den kannten sie noch nicht.

Sidi Bou Said: Tee mit Pinienkernen, Kaffee mit Rosenwasser, dann einen Magot. Und dieses Blau, lichtes, mediterranes Blau: Türen, Bänke, Himmel, Meer. Keine Frage, dass schon Macke und Klee hier trunken wurden.

 

 

 

Lutz Schreyer

* 8.9.1968 in Naumburg, † 19.5.1996 in Straßburg, deutscher Hochseilartist

 

Zu Himmelfahrt in Baden-Baden

bemerkten wir nicht das Drahtseil, gespannt

über der Stadt für ’nen Weltrekordversuch,

erlebten, da wir erstmals Spätzle genossen,

weder Balanceakt noch Sturz.

Erst im Fernsehen sahen wir

die Gaffer wieder, dieses Gewimmel da

vorm Kurhaus, blitz- und blaulichtdurchzuckt,

und erfuhren, dass jener Ikarus

Einer von uns war.

 

 

 

Delmira Agustini

* 24.10.1886 in Montevideo, † 6.7.1914 ebd., uruguayische Dichterin

 

Ihr drittes Buch „Los cálices vacios“ widmete Delmira Agustini 1913 Eros, dem Gott der Liebe, der freimütig auch immer wieder in ihren Gedichten eine Rolle spielte.

Ebenfalls im Jahr 1913 heiratete sie Job Reyes, verließ ihn aber schon nach zwei Monaten und ließ sich im Juni 1914 von ihm scheiden.

Einen Monat später erschoss Job Reyes Delmira Agustini und danach sich selbst.

 

 

 

Leif Ragnar Dietrichson

* 1.9.1890 in Hønefoss † 18.6.1928 bei der Bäreninsel, Spitzbergen, norwegischer Polarflieger

 

Leif Ragnar Dietrichson absolvierte die norwegische Marineakademie und meldete sich im Alter von 25 Jahren zum neuaufgestellten Marinefliegerkorps.

Er lernte Roald Amundsen kennen und wurde Pilot einer der beiden Flugboote mit denen Amundsen 1925 vergeblich versuchte, den Nordpol zu erreichen.

Drei Jahre später kam Leif Ragnar Dietrichson an Bord des Flugzeuges, mit dem Amundsen versuchte, der Besatzung von Umberto Nobiles verunglückten Luftschiffes, Hilfe zu bringen, im Alter von 27 Jahren ums Leben. Während der italienische Polarforscher Nobile mit seiner Crew später gerettet wurde, verschwand die Maschine mit Amundsen und Dietrichson auf dem Weg von Tromsø nach Spitzbergern spurlos.

 

 

 

 

Valentín Elizalde

* 1.2.1979 in Navajoa, † 25.11.2006 in Reynosa, mexikanischer Sänger

 

„El Gallo de Oro“ – goldener Hahn – nannte sich Valentín Elizalde als Sänger. Und dank seiner offenkundig goldenen Stimme spielte er mehr als 25 Platten ein, die allesamt in den mexikanischen, einige sogar in den amerikanischen Charts platziert waren.

Irgendwie geriet Valentín Elizalde jedoch ins Visier des mexikanischen Drogenkartells Los Zetas und wurde nach einem Konzert erschossen, wurde achtundzwanzigmal getroffen...

Postum erfuhr Valentín Elizalde eine Nominierung für den Grammy Award.

 

 

 

Ludwig Christoph Heinrich Hölty

* 21.12.1748 in Mariensee, † 1.9.1776 in Hannover, deutscher Dichter

 

Im Jahre 1774 schrieb Ludwig Hölty an seinen Dichterfreund Johann Heinrich Voß: „Wir aßen zu Mittag in Merseburg und tranken gewaltig viel Merseburger. Klopstock nennt es den König unter den Bieren. Es ist das wahre Einherium Öl. Ich glaube steif und fest, das Wotan mit seinen Leuten in Walhalla Merseburger trinkt.“

Auch Goethe äußerte sich über das Merseburger. Seiner Schwester Cornelia sagte er, es sei bitter wie der Tod am Galgen. Susanna Katharina von Klettenberg bekannte er jedoch: „So ist’s doch mit allem wie mit dem Merseburger Biere, das erste Mal schauert man, und hat mans eine Woche getrunken, so kann mans nicht mehr lassen.“

Der merseburger Stiftshauptmann Nicolaus von Loß hatte sogar gemeint: „… es ist in der ganzen Welt nicht besser als zu Merseburg, da es so gut Bier hat.“

Und Wilhelm Raabe sicherte dem Merseburger Bier sogar einen Platz in der deutschen Dramatik. In seinem Stück „Unseres Herrgotts Kanzlei“ lässt er den Fähnrich Alemann sagen: „Da nimm Geld, lauf hinüber in den Goldenen Plan und hol Bier – Merseburger vom letzten Fass, hörst du! Vorwärts, soll ich dir Beine machen?“

Für Studenten der Universität Halle muss das schwere merseburger Bier sogar ein Grundnahrungsmittel gewesen sein. Der Magister Lauckhart gab ihnen bei Studienbeginn stets diese Verhaltensmaßregel mit auf den Weg: „Der hallische Student muß einmal Dörfer besuchen, und wenn es auch nur wäre, ungekünstelte Gesichter zu begaffen, Merseburger Bier zu trinken, mit dieser oder jener Schneiderstochter, Stiefelwichserin oder Perückenmacherdirne zu tanzen.“

Kein Wunder also, dass dieses wunder befreiende Getränk von hallischen Stundenten sogar besungen wurde:

Wie oft hab ich bei meiner Seel´

Darüber nachgedacht,

Wie es der Schöpfer dem Kamel

Hat so bequem gemacht,

Es trägt sein Faß im Leib daher,

Wenn’s nur voll Merseburger wär`!

Und Karl August Weinhold, Doktor der Philosophie, Medizin und Philosphie, verfasste sogar die Schrift: „Ueber die vorzuegliche Heylkrafft des Merseburger Bieres gegen angehende Nervenschwäche und Auszehrung“. Darin schreibt er: „Das Merseburger Bier wird ein starckes Bier genannt, wohl ganz uneigentlich, denn geistig starck, wie die Baierschen und Englischen Biere, ist es nicht, wohl aber nahrhaft, weshalb es auch denen, die es anfangs zu haeufig trincken, durch schnelle Ueberfuellung der Bluthgefaeße eine scheinbare Wallung und Schwere im Unterleibe macht, die sich aber durch Gewohnheit und Abmessung der Quantitaet, welcher Jeder individuell zu verdauen im Stande ist, leicht heben laeßt.“

Reinhardine Kerlach, fikitive merseburger Dichterin der Neuzeit, sagte schließlich einmal: diese Stadt könne man sich eigentlich nur noch schön saufen, was wohl als Kommentar zu Höltys weltberühmten Gedicht „Üb immer Treu und Redlichkeit“ zu verstehen sein dürfte.

 

 

 

Janis Lyn Joplin

* 19.1.1943 in Port Arthur, Texas, † 4.10.1970 in Hollywood, amerikanische Rock- und Blues-Bängerin

 

Oh Lyn won't you sing me your Mercedes-Song –

without drugs or Southern Comfort, to much and to strong?

Am Nachmittag des 4. Oktober 1970, einem Sonntag, kam Janis nicht wie verabredet ins Sunset-Sound-Studio um den Gesangpart für „Buried alive in the Blues“ zu vervollständigen:

 

All caught up in a landslide, bad luck

Pressing in from all sides

Just got knocked off of my easy ride,

Buried alive in the blues

 

Sunday morning everybody's in bed, I'm

On the street, I'm talking out of my head,

This dumb brick wall ain't heard a word

That I've said,

I'm buried alive in the blues

 

I'm buried alive, oh yeah, in the blues

I'm buried alive, somebody help me, in the blues…

 

(Alle in einen Erdrutsch verwickelt, Pech

Von allen Seiten hineingedrückt

Gerade von meiner leichten Fahrt

abgehauen, lebendig im Blues begraben

 

Sonntagmorgen sind alle im Bett, ich bin

auf der Straße, ich rede aus meinem Kopf,

Diese dumme Mauer hat kein Wort gehört,

das ich gesagt habe,

ich bin lebendig im Blues begraben

 

Ich bin lebendig begraben, oh ja, im Blues

bin ich lebendig begraben, jemand hilft mir, im Blues…)

 

Am Abend fuhr ihr Manager zum Landmark Motor Hotel in Hollywood. Janis´ psychedelic lackierter Porsche 356 C stand auf dem Parkplatz. Im Zimmer 105 lag Janis tot neben ihrem Bett. Überdosis Heroin verstärkt wohl durch Southern Comfort.

Janis Lyn Joplin, wohl einer der größten Rock- und Bluessängerinnen aller Zeiten, wurde in der Leichenhalle von Pierce Brothers, Los Angeles, kremiert, ihre Asche aus einem Flugzeug über dem Pazifik verstreut.

Oh Lyn won't you sing me your Mercedes-Song –

without drugs or Southern Comfort, to much and to strong!

 

 

 

Heinz Kapelle

* 17.9.1913 als Karl Heinz Wilhelm Kapelle in Berlin, † 1.7.1941 in Berlin-Plötzensee, deutscher Widerstandskämpfer

 

Seit 1933 kämpfte der Buchdrucker Heinz Kapelle gegen die Nazis. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verteilte er mit seiner Widerstandsgruppe das selbst hergestellt Flugblatt „Ich rufe die Jugend der Welt“. Einen Tag vor seinem 26. Geburtstag wurde Heinz Kapelle von der Gestapo verhaftet. Während der Gerichtsverhandlung im Februar 1941 nahm er alle Schuld auf sich und rettete so den fünf anderen, mit ihm Verhafteten, das Leben. Heinz Kapelle jedoch wurde zum Tode verurteilt und im Alter von 27 Jahren hingerichtet.

Ihm zu Ehren heißt in Berlin seit 1951 die Uferstraße zwischen Alexanderufer und Schiffbauerdamm Kapelle-Ufer.

 

 

 

 

Ján Kuciak

* 17.5.1990 in Štiavnik, † 21.2.2018 in Velká Mača, slowakischer Journalist

 

Jahr für Jahr kommen hunderte Journalisten bei ihrer Arbeit ums Leben, manche geraten in Schusslinien, andere werden ermordet. So auch Ján Kuciak:

Ján Kuciak recherchierte zu Fällen von Korruption und Steuerhinterziehung in der Slowakei und stieß dabei auf Verbindungen zwischen der Mafia und höchsten Regierungskreisen.

Am 21. Februar 2018 wurden Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnirová in seinem Haus erschossen.

Ihre Ermordung löste Massenproteste, eine Regierungskrise und schließlich einen Machtwechsel nach Neuwahlen in der Slowakei aus.

2019 wurde Ján Kuciak postum mit dem „George-Weidenfeld-Sonderpreis für mutige Recherche“ ausgezeichnet.

 

 

 

Georg Trakl

* 3.2.1887 in Salzburg, † 3.11.1914 in Krakau, österreichischer Dichter

 

„Grodek“ sollte Georg Trakls letztes Gedicht sein:

 

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder

Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen

Und blauen Seen, darüber die Sonne

Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht

Sterbende Krieger, die wilde Klage

Ihrer zerbrochenen Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund

Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt

Das vergossne Blut sich, mondne Kühle;

Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen

Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden

                                                                                        Hain,

Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;

Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.

O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre

Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,

Die ungebornen Enkel.

 

Gródek nahe Lwiws wurde am 7. September 1914 erbittert umkämpft und schließlich vertrieben russische die k.u.k.-Truppen. Das österreichische Feldlazarett wurde danach in der Presse als „Todesgruben von Galizien“ bezeichnet, und Dienst hatte hier der siebenundzwanzigjährige Sanitätsleutnant Georg Trakl. Und er war ganz allein hier, der Sanitätsleutnant Georg Trakl, allein mit fast einhundert schwerverletzten, sterbenden Soldaten, und er hatte kaum Verbandszeug, geschweige denn Medikamente zur Hand. Und vor diesem erbärmlichen Lazarett hängten Österreicher dreizehn gefangene Ruthenen.

Schon seit langem litt Trakl an Ängsten und Depressionen, hatte versucht dagegen anzusaufen, anzukoksen, anzuficken, doch nun sprang ihn die schiere Verzweiflung an. Er versuchte sich zu erschießen, er floh, floh und wurde schließlich zur Untersuchung seines Geisteszustandes in ein Krakower Militärhospital eingeliefert.

Nach Einnahme einer Überdosis Kokain verreckte der große expressionistische Dichter Georg Trakl dort am Abend des 3. November 1914, allein.

Aber Urenkel hat er wohl hervorgebracht.

 

 

 

Jimi Hendrix

* 27.11.1942 in Seattle als John Allen Hendrix, auch: James Marshall Hendrix, † 18.9.1970 in Notting Hill, amerikanischer Rockgitarrist

 

I tell you, when I die I’m going to have a jam session. I want people to go wild and freak out. And knowing me, I’ll probably get busted at my own funeral. The music will be played loud and it will be our music. I won’t have any  Beatles songs, but I’ll have a few of Eddie Cochran’s things and a whole lot of blues. Roland Kirk will be there, and I’ll try and get Miles Davis along if he feels like making it. For that it’s almost worth dying. Just for the funeral. It’s funny the way people love the dead. You have to die before they think you are worth anything. Once you are dead, you are made for life. When I die, just keep on playing the records.

 

Wir standen dem Schreibtisch Wenzels, des Direx, gegenüber in einer Reihe vor der Wand, sieben Schüler der Elften und Zwölften mit Trauerfloren. Jimi Hendrix war tot.

„An einer Überdosis... unfassbar für Millionen Fans weltweit... - Und was soll u n s das?" Wenzel zischte.

Ich blickte verstohlen zu den anderen. Die hielten ihre Köpfe gesenkt, nestelten an ihren Floren, versuchten sie verschwinden zu lassen, irgendwie. Wenzel forderte die Trauerbeweise auf seinen Tisch, sofort.

Und sechs schwarze Stücken Stoff wurden zu Transparenten der Unterwürfigkeit, sechs.

Wenzel meinte Schatten auf einer Schülerakte zu sehen, „capito!“, blitzte mich an. Die anderen durften gehen.

Ich stand noch immer dem wuchtigen Schreibtisch gegenüber vor der Wand.

Nach dem stillen Genuss von zwei, drei Zigaretten stemmte sich Wenzel schließlich aus seinem Sessel, tätschelte mir den Nacken und urteilte: „Sie sind doch intelligent, nicht!"

Da genügte auch ich wieder dem Geist dieser Schule, vorerst.

Und dann, als es mir möglich geworden war, London zu besuchen, entdeckte ich, dass Jimi und Händel Tür an Tür gelebt hatten, Brooke Street. Das allerdings hätte Wenzel und Konsorten letztlich auch nicht mehr genützt.

If six was nine!

Hallelujah!

 

 

 

Lily Tembo

* 20.11.1981 in Kabwe, † 14.9.2009 in Lusaka, sambische Musikerin

 

Lily Tembo, bekannt als Lili T, war Radiomoderatorin und Journalistin und engagierte sich im Kampf gegen die Malaria. Zudem wirkte sie als Musikerin, veröffentlichte zwei erfolgreiche Alben, wurde mehrfach ausgezeichnet.

Bei der Arbeit an ihrer dritten CD verstarb sie jedoch im Alter von 27 Jahren an einer schnöden Gastritis.

 

 

 

Amy Jade Winehouse

* 14.9.1983 in Southgate, London, † 23.7.2011 in Camden, London, britische Sängerin

 

Spott hatte Amy Winehouse immer wieder zu ertragen - nomen est omen -, doch tatsächlich war sie dem Alkohol wie den Drogen verfallen. Dennoch war sie als Sängerin so beliebt, dass ihre Beehive-Retro-Frisur bis in entlegendste Winkel der Welt nachgeahmt wurde: Ich sah eines Abends in Berg-Karabach Teenies in Scharen mit hochaufragender Winehouse-Dutts zu einem Estradenkonzert des örtlichen Blasorchesters schlendern…

Schon 2007, als sie als bestverdienende Frau im britischen Showgeschäft galt, endete das Auftaktkonzert ihrer Englandtournee im Chaos, das Publikum buhte den über die Bühne torkelnden Star schnöde aus. Im Jahr darauf konnte sie an der Grammy-Verleihung nicht teilnehmen, da sie ob ihrer Drogenprobleme kein Visum für die USA erhielt. Danach kündigte ihr Management eine Karrierepause auf unbestimmte Zeit an.

2009 folgte auf St. Lucia zwar eine Entziehungskur, aber auch wiederum ein peinlicher Auftritt. 2010 versuchte sie sich als Mode-Designerin und trat privat für einen russischen Milliardär auf. Im Frühjahr 2011 absolvierte sie skandalfrei eine Brasilien-Tournee, musste jedoch schon im Juni in Belgrad wieder ein Konzert abbrechen, ihr letztes.

Im Juli 2017 wurde die siebenundzwanzigjährige Amy Winehouse mit 4,16 Promille Alkohol im Blut tot in ihrer Wohnung aufgefunden.

 

 

 

Gerrit Engelke

* 21.10.1890 in Hannover, † 12.10.1918 in Étaples, deutscher Arbeiterdichter

 

Am 11. Oktober 1918, genau einen Monat vor Ende des Ersten Weltkrieges, geriet der siebenundzwanzigjährige Soldat Gerrit Engelke am Flüsschen Selle nahe Cambrais schwerverwundet in englische Kriegsgefangenschaft. Da er glaubhaft machen konnte, beim Versuch zu Desertieren ins Kreuzfeuer geraten zu sein, wurde er umgehend ins Lazarett Étaples gebracht und notoperiert. Als Beweis für seine ehrenhaften Absichten brachte er ein selbstgeschriebenes Gedicht vor:

 

An die Mutter in Seattle

 

Weit übers Meer her schlägt mir, Mutter,

Dein Herz entgegen –

Wie müssen alle Weiten sich bewegen

Vor deinen Herzenswellen.

 

Dir strömt, immer kindlich und gut,

Mein Blut wie am Anfang –

Immer wie einst rinnt

Durch mich der ewige Klang,

Dein Muttergesang:

Du, mein Kind!

 

Schon hebt sich, langsam wandelnd,

Die Stunde, die starker Rührung voll,

Uns wieder zueinander bringen soll!

Schon zittert Freude durch die Weiten –

Schon fühle ich dein Herz herüber gleiten,

Mutter –

 

Bald kommt der Augenblick

Voll wunderbarer Strömung,

Da ich, ein Kindlein, Mutter,

Wieder zu dir sinke –

Freude will in mir lallen –

Eine Träne wird fallen –

Bald, Mutter, bald!

 

Tatsächlich war Gerrit Engelkes Vater bereits 1904 von Hannover nach Amerika ausgewandert, seine Mutter und Schwester folgten 1910.

In den Wirren nach der zweiten Schlacht von Cambrai gelangte dann die Nachricht an seinen Dichterfreund und Förderer Richard Dehmel, dass er gefallen und in Étaples begraben sei.

Gerrit Engelke gelang es jedoch, zu seiner Familie nach Seattle zu gelangen. Als gelernter Anstreicher und Arbeiterdichtereleve fand er allerdings keine befriedigende Arbeit. Und eines Tages entschloss er sich, einen alten Traum zu verwirklichen:

 

O' Tehura

 

Hier sitz ich in dem engen windetreppenhohen

Steinstadt-Zimmer.

Ich möchte raus aus diesem rohen

Straßenleben, diesem Grünzeugmarkt-Gewimmer –

Fort von diesen Tanten, diesem Schwäher –

Ich, der lärm- und werkdurchfurchte Europäer,

O' Tehura –

 

O' Tehura, weit zu deinem Südseeriffe,

Wo noch Krater in die Wolken brüllen,

Wo die Menschen nur in Sonnedunst sich hüllen,

Gleiten, gleiten meine weichen Sehnsucht-Schiffe –

O' Tehura –

 

Wenn ich bei dir säße, sagte: sing!

Und du zupftest die Zweisaitenlaute:

Kling-zum, kling-zum, ping – –

Wenn mich vor den bösen Urwelt-Göttern graute,

Vor den flammendgroßen Keulentaten,

Vor den Sternfall-Feuersaaten,

Die du monoton mir singst –

Kling-zum, kling-zum, pings –

O' Tehura –

 

Zuckendsummend rollen Wogen zu mir auf –

Sind das nicht die blütenblauen Glitzerwellen?

Zuckendsummend brandet Lärm-Gerauf,

Schwere, trübe Tönemasse

Aus der dunklen Gasse. – –

O' Tehura –

 

Es brodelt schon der Menschen Arbeits-Sorgen:

Es dröhnt und schüttert durch die Straßentiefen,

Gierig warten meine Europäersorgen,

Die nur nächtlich kurz verschliefen – –

O' Tehura –

 

Manchmal wieder wenn die Stille singt,

Wenn der Abend von den Kirchentürmen klingt,

Denk ich irgendwo nach Pete, Honga-Sura –

Denke ich an dich Korallenketten-Kind,

Bronzebraunes Südsee-Kind,

Tehura.

 

Gerrit Engelke fand seine Tehura, die ihm zugleich Muse wie Modell wurde. Er erinnerte sich seiner frühen Versuche anders zu werden, auszubrechen, an seine Abendkurse an der Kunstgewerbeschule Hannover, begann nun zu malen wie Gauguin, zu leben wie Gauguin. Und zu guter Letzt starb Gerrit Engelke an den Spätfolgen seinen schweren Kriegsverletzungen -54-jährig, wie Gauguin. Oder?

 

 

 

 

 

Cheíto Gonzáles

* 21.1.1935 als José Pablo Gonzáles Maldonado in Arecibo, bekannt als: el jilguero arecibeño, † 10.12.1962 in Chicago, Illinois, Puerto-ricarischer Gitarrist und Komponist

 

Cheíto Gonzáles brachte sich im Alter von acht Jahren das Gitarrespiel bei, mit zwölf gewann er als Sänger einen Radio-Wettbewerb und wurde darauf häufig eingagiert. Mit fünfzehn ging er nach New York, wo auch alsbald seine erste Single erschien: „Bolero Egoismo“ und er in den nächsten Jahren mit mehreren Bands auftrat.

Im Alter von 19 Jahren Cheíto Gonzáles seine eigene Gruppe, das „Trío Casino de Santurce“, mit dem er fünf Alben aufnahm. Nit dreiundzwanzig spielte er in Mexico ein Album mit ein, das nunmehr als klassisch gilt, darauf Titel wie „Allá tú“, „Elespejo“, „El último minuto“, „Un mes“ oder „Ya no te acuerdas de mí“

Im Alter von 27 Jahren starb Cheíto Gonzáles an einer Rauschgift-Überdosis.

  

 

 

 

Johann Christian Günther

* 8.4.1695 in Striegau, Schlesien, † 15.3.1723 in Jena, deutscher Lyriker

 

In Wittenberg, wo er eigentlich Medizin studierte, hatte sich Johann Christian Günther zum „Poeta laureatus Caesareus“ krönen lassen, die Kosten dafür waren allerdings so immens, dass er anschließend in den Schuldturm musste.

Dann schlug der Versuch fehl, Hofdichter bei August dem Starken in Dresden zu werden, und auch seine Bemühungen, sich als Arzt im schlesischen Kreuzburg niederzulassen, liefen ins Leere.

Dabei war er im Jahre 1818 allein durch seine „Ode auf den Frieden von Passarowitz“ als Dichter berühmt geworden, musste sich letztlich aber als Gast bei befreundeten Familien durchschlagen und starb im Alter von 27 Jahren in Jena an Tuberkulose.

Drei Jahre zuvor hatte er in seinem Gedicht „Nach der Beichte an seinen Vater“ geahnt: „Mit dem im Himmel wär es gut, / Ach, wer versöhnt mir den Erden? / Wofern es nicht die Liebe tut, / wird alles blind und fruchtlos werden…“

Hans Dahlke sagte im Vorwort einer Güntherschen Werkausgabe: „Günther war nicht der Vagant oder Rebell und erst recht nicht der Revolutionär, der ‚jäh alle bürgerlichen Bindungen zerreißt’, wie man gelegentlich lesen kann. Er suchte vielmehr die Sicherheit, die bürgerliche Existenz, und er empfand sich als den lebendigen Missklang in der verkündeten Harmonie, weil es ihm nicht gelingen wollte. Aus der Verteidigung entstand seine Dichtung. Er hat gekämpft und geduldig ertragen, und er hat für die Entwicklung der Lyrik Bedeutendes geleistet. Mit den besten seiner Gedichte hat er unseren Maßstab für lyrische Dichtung herausbilden helfen. Er hat die dichterische Sprache in der Wahl ihrer Mittel verfeinert, sie von ihrer Erstarrung und Beschränkung befreit. Er hat der Dichtung einen neuen thematischen Bereich geöffnet und dazu beigetragen, die Grundlage für die große Lyrik unseres Volkes zu schaffen.“

Und sogar die “Encyclopaedia Britannica“ beurteilt Johann Christian Günther als „one of the most important German lyric poets of the period between the Middle Ages and the early Goethe.“

 

 

 

Adam Lux

* 27.12.1765 in Obernburg, † 4.11.1793 in Paris, deutscher Revolutionär

 

Jean Paul sagte über Adam Lux: „Er starb rein und groß zugleich. ... Und kein Deutscher vergesse ihn!“. Stefan Zweig wollte ein Bühnenstück über ihn verfassen, das im Zusammenhang mit der 200-Jahr-Feier der Französischen Revolution als Fragment wiedergefunden wurde.

Adam Lux?

Ja, der Mann wurde am 24. Februar 1793 in den Rheinisch-Deutsche Nationalkonvent, die gesetzgebende Körperschaft der nach französischem Vorbild gegründeten Mainzer Republik, gewählt. Am 21. März 1793 entsandte dieser Konvent Adam Lux gemeinsam mit dem Naturforscher und Schriftsteller Georg Forster und dem Kaufmann Potocki nach Paris, um von französischer Seite die Einwilligung zu dem geplanten Anschluss zu erhalten.

Adam Lux war Girondist und hatte die jakobinische Bergpartei, die Gegengruppierung im Kampf um die Macht im revolutionären Frankreich, bereits mit Pamphleten angegriffen. In Paris wurde er nun zufällig Zeuge der Hinrichtung Charlotte Cordays, der girondistischen Mörderin Marats. Seiner Überzeugung folgend, verfasste er ergriffen eine Schrift, in der er Charlotte Corday als Heldin pries.

Umgehend wurde Adam Lux verhaftet und vom Sicherheitsausschuss des französischen Nationalkonvents zum Tode verurteilt. Sein Freund Johann Georg Kerner schrieb: „Er bestieg das Schafott wie eine Rednerbühne.“

Einmal mehr also: Die Revolution frisst ihre Kinder…

 

 

 

Persius

* 4.12.34 als Aulus Persius Flaccus in Volterrae, † 24.11.62 in Rom, römischer Dichter

 

Persius, ein bekennender Stoiker, schrieb sechs hexametrische Satiren, da ihm wohl so etliches im römischen Alltag übel aufgestoßen war:

die erste: über die Absetzung der eigenen Intentionen, die sich an der alten Komödie, Lucillus und Horaz orientieren und von der Nichtigkeit des zeitgenössischen literarischen Getriebes -

die zweite: vom rechten Gebet -

die dritte: vom Zwiespalt zwischen Wissen und Handeln -

die vierte: über die Selbsterkenntnis –

die fünfte:  über die Preisung der Philosphie als Quelle der wahren inneren Freiheit und ist dem verehrten Lehrer Lucius Annaeus Cornutus gewidmet -

und die sechste: ist an den befreundeten Dichter Caesius Basuus gerichtet und behandelt den rechten Gebrauch des Reichtums.

Persius starb siebenundzwanzigjährig an einer Magenkrankheit.

 

 

 

Henri Alain-Fournier

* 3.10.1886 als Henri-Alban Fournier in La Chapelle-d’Anglion, † 22.9.1914 in Les Éparges, französischer Schriftsteller

 

„Aus der Lebensgeschichte des Schuljungen Henri-Alban Fournier ist der Roman ‚Der große Meaulnes’ hervorgegangen. Der Erzähler, Sohn des Lehrerehepaars, der im Pensionsschüler Augustin Meaulnes den lang ersehnten Freund findet, gerät nach und nach in den Sog wundersamer Ereignisse. Die beiden Freunde, einander treu ergeben, lernen zusammen, amüsieren sich in Abenteuerspielen, baden im Cher, erkunden die düstere Moorlandschaft der Sologne – doch in dem Augenblick, da Augustin Meaulnes den Freund überredet, mit ihm ein mysteriöses Schloßgut zu suchen, das er auf einem Nachtausflug entdeckt hat, wechseln beide aus der Wirklichkeit des Schulalltags in einen Tagtraum phantastischen Lebens über. Es beginnt die Suche nach dem ‚verlorenen Land’, wie Meaulnes den Lebenskreis ihrer Kindheit und Jugend nennt“, schreibt Ludwig Harig, „1913 erschienen, ein Jahr vor Beginn des ersten Weltkrieges, spiegeln sich in diesem Roman der Stimmungsumschwung von Geborgenheit zu Unbehaustsein: Streitbares Abenteuer schlägt um in kriegerische Auseinandersetzung, ein lebensentscheidender Prozeß…“

Henri-Alban Fournier, der sich als Schriftsteller Henri Alain-Fournier nannte, fiel gleich zu Beginn des ersten Weltkrieges, in den er wohl wie in ein Abenteuer gegangen war, in der Nähe von Verdun. Seine sterblichen Überreste wurden erst 77 Jahre später entdeckt.

 

 

 

Pete Ham

* 27.4.1947 als Peter William Ham in Swansea, Wales, † 23.4.1975 in London, britischer Rock-Musiker

 

Im Alter von 19 Jahren gründete Pete Ham die Bad „The Iveys“, die dann drei Jahre später „Badfinger“ und rasch erfolgreich wurde. Pete Ham spielte Gitarre, sang und komponierte die meisten Songs. „Badfinger“ spielte sogar Alben von George Harrison und John Lennon mit ein und wirkte beim „Konzert für Bangladesh“ mit.

Nach Veruntreuungen ihres Managers geriet Pete Ham in finanzielle Probleme und erhängte sich im Alter von 27 Jahren in seiner Garage.

Eine seiner erfolgreichsten Kompositionen war „Without you“, die durch Nilsson und Mariah Carey zum Welthit wurde.

I can’t live, if living is without you

I can’t live, I can’t give any more…

 

 

 

Dash Snow

* 27.7.1981 als Dashiell A. Snow in New York City, † 13.7.2009 ebd., amerikanischer Künstler

 

Dash Snow stammte zwar aus einer Mäzenaten-Familie, lebte aber als Jugendlicher auf der Straße. Er fotografierte im New Yorker Underground, sprayte auch Graffiti und galt als wichtige Figur der „Bowery Scholl“.

Dash Snow stellte sogar in Berlin aus und das „Wall Street Journal“ nannte sein Werk ein vielversprechendes Investment im Kunstmarkt.

Dash Snow starb im Alter von 27 Jahren an einer Überdosis Heroin.

 

  

  

 

 

Friedrich August „Fritz“ Weineck

* 26.3.1897 in Halle (Saale), † 13.3.1925 ebd., deutscher Arbeiter-Musiker

 

Otto Wittke, schreibender Arbeiter aus Halle erinnerte sich: „Wir hatten auf den Bänken rings um den Roten Turm gesessen und die Tauben gefüttert, meine jungen Freunde aus Rostock und ich, als sie mich nach dem kleinen Trompeter fragten. Sie sangen sein Lied, und sie kannten die Geschichte seines tragischen Todes. Er war am 13. März 1925 mit seinen Genossen des Spielmannszuges dichte hinter Ernst Thälmann zur Kundgebung in den halleschen Volkspark einmarschiert. Als dann die Schergen der Polizei hereindrangen, hatte sein Signal zum letzten Male der eisernen Disziplin gegolten, denn die Polizisten hatten das Feuer eröffnet und ihn mit anderen Genossen ermordet. Nun, da die Pioniere in seine Heimatstadt gekommen waren, wollten sie mehr von ihrem Helden erfahren.

Und ich konnte ihnen nicht verschweigen, daß ich Fritz Weineck gekannt hatte, daß sein Leben auch ein Teil meiner Jugendjahre gewesen war.

‚Wissen Sie, wo er gewohnt hat?’

Fritz Weineck, der kleine Trompeter, war mein Straßen-Nachbar gewesen. Als sie das hörten, war kein Halten mehr. Ich musste mit ihnen hinaus in den Vorort Glaucha, der eine gute Tradition in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung hat…“

Nach der deutschen Wiedervereinigung, im neuesten, neuen Deutschland also, wurde versucht selbst Leute wie Fritz Weineck zu bekritteln. Gut, er war zum Märtyrer gemacht worden, der Obduktionsbericht von 1925 beurkundet jedoch unzweifelhaft: „Tod durch Schuss in den Rücken in Brusthöhe“.

 

 

 

Sarah Kane

* 3.2.1971 in Brentwood, † 20.2.1999 in London, englische Dramatikerin

 

Sarah Kane schrieb fünf Stücke:

„Zerbombt“ behandelt die Abgründe der Beziehung zwischen den Protagonisten Ian und Cate, die sich in einem Hotelzimmer befinden. Ian vergewaltigt dort Cate, löst damit eine Kette der Gewalt aus. Er bekommt kurze Zeit später, sozusagen als Strafe, die Auswirkungen des Krieges, der zwischen den beiden Charakteren vorherrscht und der oberflächlich betrachtet von Ian ausgelöst wird, am eigenen Körper zu spüren; und zwar durch einen Soldaten, der plötzlich aus dem Nichts auftaucht, ihn zuerst vergewaltigt und ihm anschließend die Augen aussaugt.

„Phaidras Liebe“ dekonstruiert den antiken Phaidra-Mythos und zeigt die hoffnungslose Liebe einer Königin zu ihrem sex- und esssüchtigen lethargischen Stiefsohn.

„Gesäubert“ zeigt die Insassen einer Institution, die von Tinker, einem Psychiater bzw. Folterer kontrolliert werden. Jeder Insasse ist in einen anderen verliebt, und Tinker treibt mit Mitteln der Manipulation jeden an die Grenzen der Liebe.

„Gier“ ist das erste Stück Sarah Kanes, das den Bruch der Identitäten und Rollen wagt. Es treten vier Stimmen auf – A, B, C und M – die ohne erkennbaren Zusammenhang sprechen und diese Fragmente doch aneinander adressieren. Kanes Sprache erlebt eine sehr dichte Bildhaftigkeit und Poesie. Auch sind autobiographische Züge zu erkennen – die sehr detaillierte Liebeserklärung von A an eine nicht benannte Person ist voller Einzelheiten und Begebenheiten, die den Eindruck von Wahrhaftigkeit erwecken.

„4.48 Psychose“ benennt im Titel den Moment der größten Klarheit: während ihrer depressiven Schübe wachte Kane jeden Morgen um 4:48 Uhr auf und war, von Medikamenten unbeeinflusst, fähig zu klarem Denken. Gleichzeitig ist dieser Moment der mit dem größten psychotischen Anteil; in der Klarheit liegt also Wahn.

Wikipedia weiß weiter: „Alle fünf Stücke von Sarah Kane beschäftigen sich mit dem Thema Liebe in Zeiten der Zerstörung, der gegenseitigen Manipulation und der Abhängigkeit. Ihr durch ihr kurzes Leben begrenztes Gesamtwerk gehört zum Kontroversesten, das die skandalträchtige englische Theaterszene in den 1990er Jahren geprägt hat. Trotz der schonungslosen unverhüllten Darstellung physischer und psychischer Brutalität oder Grausamkeit mit einer gleichzeitigen Tendenz zu einer gewaltsamen Bühnensprache unterscheidet sich das schmale Oevre Sarah Kanes dennoch nicht zuletzt aufgrund seiner dramatischen und literarischen Breite von dem anderer Dramatiker oder Autoren ihrer Zeit.“

Sarah Kane nahm sich im Alter von 28 Jahren das Leben.

 

 

 

Shanawdithit

* wohl 1801, auch Nancy April, † 6.6.1829 in St. John’s, Neufundland, letzte Beothuk

 

Seit Menschengedenken lebten die Beothuk auf Neufundland. Als die Engländer 1583 diese Insel vor der amerikanischen Ostküste zu kolonisieren begannen, hatten sie sich vor allem Schwärmen von Mücken zu erwehren. Und sie entdeckten, wie die Beothuk sich vor diesen Quälgeistern schützten: durch eine Paste aus Ocker und Tierfett, mit der sie sich einrieben und durch die ihre Haut rot glänzte. So bürgerte sich für Jahrhunderte der Name Rothaut für Indianer ein.

Wie alle Kolonialherren setzten die Engländer auch den Beothuk zu, durch immer weiter fortschreitende Reduzierung deren Lebensraumes und durch Infektionskrankheiten nicht zuletzt. Shanawdithit sollte schließlich die letzte Angehörige dieses indigenen Volkes sein, sie starb knapp 250 Jahre nach der englischen Besiedlung ihrer Heimat.

Im April 1823 wurde Shanawdithit zusammen mit ihrer Mutter Doodebewshet und ihrer Schwester, bei der Suche nach Nahrung in bei Badger von Fallenstellern gefangengenommen. Die drei Frauen wurden nach St. John's gebracht, wo Shanawdithits Mutter und Schwester alsbald an Tuberkulose starben. Man benannte Shanawdithit nach dem Monat ihres Kidnappings in Nancy April um und brachte sie nach Exploits Island, wo sie als Dienerin im Haushalt eines Herrn Peyton arbeitete und etwas Englisch lernte. Ab dem Herbst 1828 wirtschaftete sie in St. John’s bei dem schottischen Philanthropen William Eppes Cormack, der notierte, was Shanawdithit über ihr Volk erzählte, auch deren Zeichnungen aufbewahrte und dies alles später in Großbritannien veröffentlichte.

Die letzten Monate ihres Lebens verbrachte Shanawdithit im Haus  des neufundländischen Generalstaatsanwalt Simms. Sie starb im Alter von 28 Jahren an Tuberkulose.

Shanawdithit wurde jedoch nie vergessen. Im Jahr 1851 nannte eine Lokalzeitung sie „eine Prinzessin von Terra Nova“. 1999 wählten die Leser von  „The Telegram’"sie zur bemerkenswertesten Ureinwohnerin der letzten tausend Jahre. Im Jahr 2000 wurde sie als „National Historic Person" anerkannt und eine Shanawdithit-Statue, betitelt „The Spirit of the Beothuk“ im Beothuk Interpretation Center eingeweiht..2007 enthüllte man im St. John's Bannerman Park eine Gedenktafel zum Gedenken an ihr kurzes Leben.

 

 

 

Matthias BAADER Holst

* 17.5.1962 in Quedlinburg als Matthias Holst, † 30.6.1990 in Berlin, deutscher Schriftsteller

 

„BAADERS Tod kam plötzlich. Von seinem frühen Tod gewusst hat er. Gewünscht hat er ihn sich nicht so früh. Unwürdig sind die Umstände. Er stirbt auf sich gestellt, auf den Rücken gelegt, unterm Kopfverband, als unbekannte männliche Person, wie das in der Branche geheißen wird. Sein Tod trifft mit einem anderen historischen Großereignis zusammen. Das Westgeld langt im Osten an. Westgeld pflügt das Denken der Ostler um wie einen Acker. […] Man meinte sogar, BAADER hätte seinen Tod exakt aufs Datum zu angelegt“, schrieb Peter Wawerzinek über seinen Freund Matthias Holst.

Peter Holst nannte sich BAADER nach dem Linksterroristen Andreas Baader und dem Dadaisten Johannes Baader. Seine Texte hatten Überschriften wie: „zwischen bunt und bestialisch“ – „koitusbonzen rotzen“ – „eine diktatur ist kein luftkurort“ – „rimski abdul goldfinger flieht als königsberger klops aus der brottascheeines mannequins hinter die Schweißerbrille deiner dezentralen idee“ – „smarter schlafe ich auf deinen lockenwicklern“ – „max schmeling täve schür luis trenker oder über das auspeitschen von Sklaven im heimatfilm unserer atemnot“ – „ich beginne humanistisch zu denken und gerate in eine Sackgasse oder der vier schanzen tournee einer bücherverbrennung entglitten“ – „mit der letzten kraft einer divatraurig wie hans moser im sperma weinholds“ – „nur ein toter dichter ist ein guter Produktionsarbeiter“ – „ich sabbere wie ein junger gott in deiner karnickelbuchte“ – „wir soffen rauchten und waren unglücklich“ – „IST ES EINFACH PUNK ZU SEIN? (selbsttötungen aus der provinz)“ – „müssen noch mal drüber reden/sauf!“…

Peter Wawerzinek schreibt weiter über seinen Freund: „Er dichtet nicht, um sein Leben zu verschönern, reich zu sein. Er träumt keine Dichterkarrieren. Er lacht und dichtet, um sich selbst schreibend Lebensmittel zu sein. Er schafft Lyrik und verschafft sich damit Wärme. Es ist bei diesem Dichter unbedingt von Erwärmung für die einfachen Dinge des Lebens zu sprechen. Er besteht aus Hinwendung zum einfachen Leben. Er sucht menschliche Wärme. Er leidet mit den Leidenden dieser Erde. Er hungert mit den Hungernden, wird mit den Erschossenen jedes Mal wieder neu getötet…“

Im Alter von 28 Jahren wurde Matthias BAADER Holst, der in Halle die Untergrundzeitschrift „GALEERE“ herausgegeben hatte, in Berlin von einer Straßenbahn überfahren und starb am Tag vor der so genannten Währungsunion, die Ostlern ja ungeahnte Mobilität eröffnen sollte.

„…es heißt eine Zeitlang, er habe Hand an sich gelegt, sich umgebracht, absichtlich in die Straßenbahn begeben, fallen gelassen. Es heißt auch, er wäre vor die Straßenbahn gestoßen worden. Der Geheimdienst wird erwähnt. Spitzel werden schuldig an seinem Tod gesprochen. Manche sagen sogar: BAADER sei nicht gestorben, lebe, liegt nicht begraben, wo er begraben liegt. Man habe ihn des Landes verwiesen. Er lebe in Kuba fort, halte sich versteckt, kommen wieder, wenn seine Zeit anbräche.“

 

 

 

Karel Švenk

* 17.3.1917 als Karel Schwenk in Prag, † 1.4.1945 bei Karlsberg, tschechischer Komiker und Kabarettist

 

Der gefeierte Komiker Karel Švenk wurde im November 1941 von den Nazis nach Theresienstadt deportiert. Hier gelang es ihm Kabarettabende zu organisieren und er komponierte die heimliche Lagerhymne „Theresienstädter Marsch“. Anfang Oktober 1944 verlegte man ihn nach Auschwitz und einen Monat darauf in eine Fabrik in Meuselwitz. Die hier zu verrichtende Schwerstarbeit ruinierte seine Gesundheit so sehr, dass Karel Švenk im Frühjahr 1945 während des Transports nach Mauthausen wenige Tage nach seinem 28. Geburtstag in einem Viehwaggon verstarb.

 

 

 

 

Mike Brant

* 2.2.1947 als Moshe Mikaël Brand in Nikosiy, Zypern, † 25.4.1975 in Paris, israelischer Sänger

 

Im Alter von 23 Jahren hatte Mike Brant mit „Laisse-moi t’aimer“ seinen ersten Hit in Frankreich, und mit dem Chanson „Mais dans la lumiére“ belegte er beim Grand Prix RTL International den ersten Platz. Dem folgten die Hits „Qui saura, C’est ma prière“ und „Rien qu’une larme, Tout donné, tout repris“. Im Alter von 26 Jahren wurde er in Frankreich zum „Sänger des Jahres“ gewählt.

Im Alter von  28 Jahren nahm sich Mike Brant das Leben.

 

  

 

 

Audrey Mestre-Ferreras

* 11.8.1974 in Saint-Denis, † 12.10.2002 in La Romana, Dominikanische Republik, französische Taucherin

 

Im Jahr 2000 stellte Audrey Mestre-Ferreras einen Weltrekord im Apnoe-Tauchen auf, den sie 2001 von 125 m auf 130 m verbesserte. Im Jahr 2002 dann erreichte sie vor La Romana eine Tiefe von 171 m, kam dabei jedoch im Alter von 28 Jahren ums Leben.

La Romana, von hier aus waren Jeanny und ich erstmals zu einem Trip durch die Karibik gestartet: Auf Hispanola, der Insel, die sich die Dominikanische Republik und Haiti teilen, scheint (wie ich lese und erfahre) seit Kolumbus hier landete und meinte, eine neue Welt entdeckt zu haben, außer der Lage und dem Wetter, nichts mehr so zu sein, wie es dereinst war. Das Übliche am Anfang: Ausrotten der Ureinwohner, der Tainos, denen wir immerhin das wunderschöne Wort Hurrican (von: huracano) zu verdanken haben. Einschleppung afrikanischer Sklaven für die Plantagenarbeit, dann Teilung der Insel in einen spanischen und einen französischen Teil. In letzterem wird die Sklaverei im Zuge der französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!) aufgehoben, von Napoleon nur wenige Jahre später aber wieder eingeführt. Das führt zu einem siegreichen Sklavenaufstand und der Ausrufung der ersten freien Republik dieser Region. Die allerdings okkupierte dann den spanischen Teil, Befreiungskämpfe Mitte des 19. Jahrhunderts, schließlich entstanden die beiden heute noch existierenden Staaten. Wobei ursprünglich Haiti wohlhabend und die Dominikanische Republik das Armenhaus war, was sich nicht zuletzt durch die gandenlose Abholzung der haitianischen Wälder nach parzellierenden Bodenreformen und infolge der noch gnadenloseren Ausbeutung des Landes durch den Duvallier-Clan völlig umkehrte. (Obwohl die Dominikanische Republik auch eine Ära Trujillo und in deren Folge Bürgerkrieg bis hin zur US-Besetzung in den 1960er Jahren hatte. Treppenwitz der Geschichte: Hundert Jahre zuvor wollte die Dominikanische Republik Bundesstaat der USA werden, was damals aber die Amis nicht wollten…) Nun gut, heute kommen die als Touristen.

Rosenmontag, Tag unserer Einschiffung. Mal sehen, ob wir ein Narrenschiff besteigen. Am Vormittag regnet’s in Strömen, und es kommt Sturm auf (wohl nicht gerade die ermutigendsten Vorzeichen für eine Kreuzfahrt). Am Nachmittag werden wir im Kleinbus vom Hotel über Higüey nach La Romana, zum Hafen, gefahren. Als ich unser Kreuzfahrtschiff bei der Anfahrt zum Pier halbverdeckt von Bäumen und Hafengebäuden zum ersten Mal erblicke, halte ich es für einen riesigen Neubauklotz. Gewaltiges Ding: Fast 300 m lang, mehr als 30 m breit, 84.000 Bruttoregistertonnen, etwa 2.700 Passagiere, 900 Besatzungsmitglieder. Beeindruckendes Ambiente: alles ist Fellinis Filmen gewidmet, die Decks heißen La Strada oder La Dolce Vita (sic!), überall Fotos mit Filmszenen, Bars und Restaurants sind Filmszenen nachempfunden, die große (8 Stockwerke hohe Halle mit gläsernen Innenfahrstühlen) beispielsweise scheint aus Stadt der Frauen zu stammen. Unsere Kabine finden wir auf Deck Armarcord. Doch ebenso wenig, wie ich nach der Wende (und ganz im Gegensatz zu so manchem ostdeutschen Zeitgenossen – und darunter sogar mancher Autorenkollege) beim Anblick eines westdeutschen Kaufhauses in Verzückung geriet, kann ich hier überbordende Gefühle entwickeln. Toll, ja, aber für mich ist dieses Schiff letztendlich nur ein Vehikel, um trockenen Fußes durch die Karibik und zu diversen Antillen-Inseln zu kommen. Die Mitreisenden scheinen im Übrigen (zumindest die, denen man schon begegnete) nicht gerade David Foster Wallace’ Kreuzfahrtbericht entsprungen, also hypertrophiert zu sein. Schaun ’mer ma…

Am Faschingsmorgen laufen wir von La Romana zum vorgelagerten Catalina Island aus. Angeblich gehört diese Insel der italienischen Reederei unseres Schiffes. Zumindest gibt’s einen Strand mit entsprechendem Reederei-Logos und -Service und mit Sonnenschirmen in den Farben der Reederei. In der Ferne sehe ich in den Hafen von La Romana alsbald ein Kreuzfahrtschiff mit blauem statt mit gelbem Schornstein einlaufen. Na, da wird dieser Strand doch morgen wohl mit blauen statt mit gelben Sonnenschirmen bestückt sein… Wir bleiben bis zum Nachmittag hier.

Für die Crew und Leute, die das Getriebe auf so einem Riesenschiff kennen, mag ja manches ganz selbstverständlich sein. Ich befürchte aber, dass ich bis zum Ende unserer 7-Tage-Kreuzfahrt nicht kapiert haben werde, wann was wie (geschweige denn, warum) zu machen ist. Gut, alles halb so schlimm, wenn man nicht ständig das Gefühl hätte, wie ein Trottel dazustehen. Oder habe ich etwa vorab was versäumt? Gibt’s Volkshochschul- oder Internetkurse: Wie verhalte ich mich auf ’nem Kreuzfahrtschiff? Oder bin ich einfach nur begriffsstutzig, da die Glamour-Scheinwelt, die hier aufgezogen und instrumentalisiert wird, schlichtweg nicht die meine ist? Auf jeden Fall sind mir so die Risse in dieser Scheinwelt deutlich: da klimpert in der Hochglanznobelbar der wohl schlechteste Pianist der Welt vor sich hin (und niemanden außer uns scheint’s zu stören!), da sind die meisten, auf feinstem Porzellan von hochgestylten Kellnern servierten Speisen, auch nur mit Wasser gekocht…

 

 

 

Charles Carroll Taylor

* 25.10.1917 in Nueces County, Texas, † 5.12.1945 vor Bermuda, amerikanischer Pilot

 

Am 5. Dezember 1945 startete Leutnant Charles C. Tayler mit seiner Grummar Avenger vom Marine-Flug-Stützpunkt aus zu einer Routineübung, mit an Bord sein Gunman George Francis Devlin und sein Radioman Walter Reed Parpart jr. Als Ausbildungsstaffel-Kommandant folgten ihm 4 weitere Avenger-Torpedobomber. Flug 19.

Nach etwa 90 Minuten funkte Leutnant Taylor, dass er bei schlechtem Wetter die Orientierung verloren habe. Und das Wetter verschlechterte sich zusehends weiter. Fast drei Stunden lang flog er nun mit seiner Staffel in die falsche Richtung, aufs offene Meer hinaus, so lange offenbar, bis ihnen das Benzin ausging und sie bei schwerer See abstürzten. Ein zur Suche ausgesandtes Mariner-Flugboot mir 13 Besatzungsmitgliedern verschwand ebenso spurlos wie alle 14 Besatzungsmitglieder der Avenger-Bomber.

Die nun folgende, mit großem Aufwand betriebene Luft- und Seesuche blieb völlig ohne Ergebnis. Das Verschwinden dieser 6 Flugzeuge gilt als eines der größten Rätsel der Luftfahrtgeschichte. Die Legende vom Bermuda-Dreieck entstand.

 

 

 

Hàn Măc Tú

* 22.9.1912 als Nguyȇn Trong Trí in Quàng Bính, † 11.11.1940, vietnamesischer Poet

 

Hàn Măc Tú starb im Alter von 28 Jahren an Lepra. Seine Gedichte gelten als „Sternstunde der vietnamesischen Literatur“ und sind noch immer bekannt und beliebt. Und wurde ich, als ich Ende 2003, 63 Jahre nach Hàn Măc Tús Tod also, erstmals nach Vietnam kam, in einem Gymnasium, in dem ich zu Lesungen eingeladen war, nicht mit Gedichten Hàn Măc Tús begrüßt? Oder verwechselte ich da in der Erinnerung den großen Poeten Tú mit unserem Guide und Dolmetscher Tú?

Hanoi: Punkt 6.00 Uhr weckt mich eine Lautsprecherstimme, Parolen, Nachrichten, was weiß ich, dazu brandet Verkehrslärm ins Hotelzimmer: Good Morning, Vietnam…

Nach dem Frühstück sofort Beginn des offiziellen Besuchs- und Gesprächsprogramms: Kommunistischer Jugendverband, Institut für Jugend, Vereinigung der Jugend etc. pp. Grauer Himmel, feuchtkühles Wetter, dazu der Smog von Millionen von Mopeds, nicht ganz einfach, sich zu akklimatisieren. Die Dachorganisation, wo das große gegenseitige Vorstellen, Palavern und beidhändige Visitenkartenüberreichen beginnt, heißt VUFO (The Vietnam Union Of Friendship Organisation). Nun gut.

Erstaunlicherweise gibt sich der Chef der ersten Gesprächsrunde am Ende als ehemaliges Mitglied der Kommission zu erkennen, die 1975 in Paris das Friedensabkommen mit den Amis aushandelte. Nach Jahren im Außenministerium sitzt er hier nun offenbar auf seinem verdienstvollen Altenteil. Schade, dass wir schon weiter müssen, ihn hätte ich gern einiges gefragt.

Dem 1. Sekretär des Jugendverbandes stelle ich am Nachmittag (in der vierten Gesprächsrunde wohl) dann aber doch endlich eine Frage. Ich möchte wissen, wie der Kommunistische Jugendverband seinen Mitgliedern erklärt, dass der einstige Feind nun zum Hauptinvestor und Kreditgeber wird und Huckepack somit auch seine bekannterweise gerade für Jugendliche verführerische Ideologie ins Land bringt. Wohin soll das führen? Interessante Reaktion: Freundliche, weitschweifige Ausführungen über die allgemeinen Aufgaben der Erziehung. Eigentlich hätte ich mir die Frage schenken können als ich sah, dass sein Stellvertreter modisch eine Navy-Jacke trug. Bleibt nur zu hoffen, dass sich wenigstens die Spitzenfunktionäre des Problems bewusst sind und nicht blindlings einen Weg wählen, der sie im spagatgleichen Versuch der Machterhaltung einerseits und ihrem armen, gebeutelten Volk notwendigerweise die Lebensumstände zu verbessern andererseits, nicht zerreißt.

Nach dem Geldwechsel schließlich etwas Greifbares: Ich werde Millionär! Für 100 € erhalte ich 1,9 Millionen Dong. Na denn, schönen Tag noch.

Schon gestern bei der Ankunft fiel mit trotz Übermüdung etwas auf, was sich mir nun bei einem kleinen Abendbummel durch die pittoreske Altstadt bestätigt: allenthalben eine für südliche Länder wie geleckte Sauberkeit, nirgends Müll, überall wird stets gekehrt und gewischt. Überhaupt scheint es schwer, einen Vietnamesen beim Müßiggang zu beobachten. Offenbar hat ein jeder stets irgendetwas zu tun. Bestenfalls hockt man jederzeit aufsprungbereit am Straßenrand. Zu schaffen macht aber der chaotische Verkehr, Mopeds, Fahrräder, einige Autos fahren ständig kreuz und quer und es wird gehupt, gehupt, gehupt...

Zweiter Tag, recht gut geschlafen. Zum Frühstück einen Pott Nudelsuppe. Dann auf zur deutschen Botschaft. Zwischenstopp am Ho-Chi-Minh-Mausoleum. Am Eingang zu diesem weitläufigen Gelände winkt mich ein Armeeposten heran. Na, denke ich, was wird das? Doch er lächelt verschmitzt und raunt: „O-sa-ma-bin-la-den?“ Aha, Sicherheitscheck.

Der Botschafter, zum vietnamesisch-amerikanischen Verhältnis, zum Spagat zwischen Ideologie und Money befragt, antwortet mit einem Deng Xiao-Zitat: Egal, ob eine Katze ein weißes oder ein schwarzes Fell hat, wenn sie nur Mäuse fängt. Zeitgenössisches Yin-Yang.

Weiter berichtet er, dass sich Deutschland nicht zuletzt bei der Kampfmittelbeseitigung engagiere. Jährlich sterben in Vietnam, 28 Jahre nach Kriegsende, noch ca. 6.000 Menschen durch Minen, Blindgänger und dergleichen!

Am Nachmittag in einem Friedensdorf, das eigentlich ein Heim für körperlich und geistig behinderte Kinder und Jugendliche ist, genauer: für Kinder und Jugendliche, die unter den Spätfolgen des Agent-Orange-Einsatzes leiden. Und während Tú, unser Guide, in der DDR diplomierter Biochemiker, der sich durch Reiseleitungen halt ein bisserl dazu verdient, wie es offenkundig alle Vietnamesen müssen, während Tú die Erläuterungen der leitenden Ärztin übersetzt, kann er plötzlich nicht mehr an sich halten, wendet sich ab, schluchzt, fängt sich jedoch schnell und erklärt uns mit erstickter Stimme, dass sein Bruder durch Agent-Orange fiel und dessen beide Kinder ebenso geschädigt und hilflos wie diese Heiminsassen sind... Tiefe Betroffenheit. Nichts mehr von ostasiatischer Maske. Jäh wird mir klar, was hier wirklich läuft, wie manche schon zuvor von Tú gehörte Zynismen zu verstehen sind, wie einen Menschen wie Tú förmlich zerreißt, der seine Lieben durch die Amis verlor und sieht, wie deren Kapital und Ideologie ins Land kommen und die Ideale, für die man kämpfte offenbar der Vergangenheit angehören und eine Zukunft irgendwo im McDonalds-Himmel liegt...

Nun von Ha Noi nach Ha Long. Aus dem Busfenster blickend frage ich mich, ob ich nicht daheim am Fernseher sitze und einen Dokumentarfilm über Vietnam sehe: Reisfelder über Reisfelder, mal noch mit Stroh, mal schon gepflügt, mal schon bewässert und im zarten Grün der Setzlinge, Bauern mit ihren typischen Reisstrohhüten, Wasserbüffel. Virtuell? Nein, real! Bananenhaine, malerische Seen, buddhistische Friedhöfe, Flüsse voller hausbootartiger Lastkähne, Steinkohletagebaue, dann die ersten spitzkegligen Kalksteinfelsen.

Schließlich die Bootsfahrt durch die Ha Long-Bucht, UNESCO-Weltkulturerbe, Bilderbuchlandschaft, tausende dieser Kalksteingipfel ragen hier inselgleich aus dem Wasser. Der Eindruck des Virtuellen wird übermächtig. Dann erzählt Tú aber, dass die Amis diese traumhaft schöne Bucht vermint hatten, um die Zufahrt zum Hafen von Haiphong zu verhindern. Und da das im Pariser Friedensabkommen unterschriebene Versprechen, die Bucht zu säubern, von ihnen nie erfüllt wurde, wussten sich die Vietnamesen nicht anders zu helfen, als Wasserbüffel zum Minenräumen einzusetzen...

Im Übrigen ist hier Gott sei dank ein anderes Klima als in Ha Noi, statt dieser unangenehm kühlen Feuchte nun hier am Meer trockene Frühlingslüfte.

Am Abend in einem Hotel mit berühmten Namen: Bach Dang. Am hier mündenden Bach Dang schlugen die Vietnamesen Chinesen und Mongolen, indem sie deren Flotten bei Flut anlockten und zuvor in den Flussboden gerammte Spitzpfähle dann bei Ebbe ein unüberwindbares Hindernis darstellten, die Invasoren in der Falle saßen.

Und schließlich ins Gymnasiums von Ha Long. Selbst heute, am Sonnabend herrscht hier quirliges Treiben, kann man sogleich spüren, dass mehr als die Hälfte der vietnamesischen Bevölkerung jünger als 20 Jahre ist – jedes Jahr 1 Million Schulabgänger! Und schon auf dem Schulhof werde ich mit Versen begrüßt…

 

 

 

Wiktor Robertowitsch Zoi

* 21.6.1962 in Leningrad, † 15.8.1990 bei Tukums, Lettland, sowjetischer Rockmusiker

 

In den Club der Unsterblichen, die schon mit 27 starben: Amy, Brian, Janis, Jim, Jimi…, wird Wiktor Zoi wohl nicht aufgenommen werden. Er starb wenige Wochen nach seinem 28. Geburtstag, und vor allem – er war ein Rockstar in der Sowjetunion, nur dort! Dabei könnten ihn die Umstände seines Todes durchaus zum Märtyrer machen – war das ein Auto-Unfall oder hatte der KGB seine Finger im Spiel?

 

Lied ohne Worte – Nacht ohne Traum.

Alles zu seiner Zeit – Winter und Frühling.

Jedem Stern – am Himmel Platz.

Jedem Meer – ein Schluck Regen.

Jedem Apfel – Platz zum Fallen.

Jedem Dieb – Möglichkeit zu Stehlen.

Jedem Hund – Stock und Knochen.

Und, jedem Wolf – Zähne und Bosheit.

 

Wieder hinter den Fenstern weißer Tag.

Der Tag ruft mich zum Kampf auf.

Ich fühle es, meine Augen schließend. –

Die ganze Welt geht gegen mich mit einem Krieg.

 

Mit seiner Gruppe „Kino“ erlangte er zweifellos Kultstatus, 62.000 Fans kamen 1990 allein zu einem Konzert im Moskauer Luschniki-Stadion, dennoch konnte er von seiner Musik nicht leben, da es damals in der Sowjetunion nur bescheidene Honorare und so gut wie keine Tantiemen gab. Wiktor Zoi arbeitete selbst auf dem Höhepunkt seiner Musiker-Karriere als Heizer, besang das ironisch sogar: „Я хочу быть кочегаром - Ich will ein Heizer sein!“

Aber er sang auch: „Wir wollen weiter sehen, / als bis zum Haus gegenüber. / Wir wollen leben, / die sieben Leben der Katzen! / Und nun sind wir hier, / um unsere Rechte einzufordern, ja! / Kannst du das Rascheln der Mäntel hören / - das sind wir! / Von jetzt an handeln wir!“

Und Geert Mak hatte in seinem Buch „Große Erwartungen. Auf den Spuren des europäischen Traums“ über Protestaktionen im Russland Putins geschrieben: „Am… Samstag versammelten sich, dank Facebook, plötzlich Zehntausende Demonstranten auf dem Bolotnajaplatz schräg gegenüber dem Kreml. Man sang wieder das alte Lied des Rockerpoeten und Dissidenten Wiktor Zoi aus den 1980er Jahren: „Veränderungen. / In unserem Lachen, in unseren Tränen und in unseren Schlagadern. / Veränderungen. / Wir warten auf Veränderungen.“

 

Wenn es eine Herde gibt, gibt es einen Hirten.

Wenn es einen Körper gibt, muß es eine Seele geben.

Wenn es einen Schritt gibt, muß es einen Abdruck geben.

Wenn es eine Dunkelheit gibt, muß es ein Licht geben.

Willst du diese Welt verändern?

Kannst du die so akzeptieren, wie sie ist?

Aufstehen und rausgehen aus der Reihe raus.

Hinsetzen auf einen Elektrischen Stuhl oder einen Thron?

 

Wieder hinter den Fenstern weißer Tag.

Der Tag ruft mich zum Kampf auf.

Ich fühle es, meine Augen schließend. –

Die ganze Welt geht gegen mich mit einem Krieg.

 

Nach seinem Tod nahmen sich mehr als 60 Jugendliche in der Sowjetunion das Leben, Werther-Effekt. Kirill Serebrennikows Film „Leto. Rock, Love & Perestroika“ über Wiktor Zois Leben wurde 2018 in Cannes aufgeführt. Bei der St. Petersburger Metro-Station Prospekt Weteranow wurde ihm 2020 ein Denkmal gesetzt. Und sogar ein Asteroid wurde nach ihm benannt.

Doch in den Club der Unsterblichen, die schon mit 27 starben: Amy, Brian, Janis, Jim, Jimi…, wird Wiktor Zoi wohl dennoch nicht aufgenommen werden. Er wurde 28, zu alt für jenen Ruhm.

Und er sang zuletzt:

 

Ich weiß, mein Baum

Wird keine Woche überleben.

Ich weiß, mein Baum

Hat in dieser Stadt keine Chance.

Aber ich verbringe meine Zeit bei ihm.

Alles andere bin ich leid.

Mir scheint, er ist mein Zuhause.

Mir scheint, er ist mein Freund.

Ich habe einen Baum gepflanzt.

 

Ich weiß, meinen Baum

Kann ein Schulkind ausreißen.

Ich weiß, mein Baum

Wird mich bald verlassen.

Aber solange er hier ist

Bin ich immer bei ihm,

In Freude und in Leid.

Mir scheint, er ist meine Welt.

Mir scheint, er ist mein Sohn.

Ich habe einen Baum gepflanzt.

 

 

 

László Weiner

* 9.4.1916 in Szombathely, † 25.7.1944 in Lukov, Slowakei, ungarischer Komponist

 

Im deutschfreundlichen Horthy-Ungarn durften Werke László Weiners nur noch im Saal der jüdischen Selbsthilfeorganisation Omike zu Gehör gebracht werden. Und obwohl er Schüler des großen Zoltán Kodály war und sich sein Lehrer für ihn einsetzte, wurde er 1943 ins Zwangsarbeiterlager Lukov deportiert, wo der vielversprechende Komponist László Weiner im Alter von 28 Jahren ums Leben kam.

 

 

 

Pauline Veronica Boty

* 6.3.1938 in London, † 1.7.1966 ebd., britische Künstlerin

 

In der britischen Boulvardzeitschrift „Scene“ war im November 1962 zu lesen: „Schauspielerinnen haben oft ein winziges Gehirn. Maler haben oft lange Bärte. Stellen Sie sich eine kluge Schauspielerin vor, die auch eine Malerin und auch eine Blondine ist, und Sie haben Pauline Boty.“

Wikipedia weiß: Pauline Boty […] zählte zu den Begründern der britischen Pop-Art und war die einzige weibliche Malerin im britischen Teil dieser Bewegung. Botys Gemälde und Collagen zeigen oft eine Freude an selbstbewusster Weiblichkeit und weiblicher Sexualität und üben offene oder implizite Kritik an der ‚Männerwelt’, in der sie lebte. Ihre rebellische Kunst und ihre freigeistige Lebensweise machten Boty zu einer Vorbotin des Feminismus der 1970er-Jahre. […] Ihre einzigartige Rolle als Großbritanniens einzige weibliche Pop-Art-Künstlerin ermöglichte es Boty, Sexismus in ihrem Leben wie in ihrer Kunst zu bekämpfen. Ihre frühen Gemälde waren sinnlich und erotisch und feierten weibliche Sexualität aus der Perspektive einer Frau. Ihre Bilder waren vor lebhaften, farbenfrohen Hintergründen gestaltet und enthielten oft Nahaufnahmen roter Blumen, vermutlich als Symbol für das weibliche Geschlecht. Sie malte ihre männlichen Idole – Elvis, den französischen Schauspieler Jean-Paul Belmondo, den britischen Schriftsteller Derek Marlowe – ebenso als Sex-Symbole wie sie das mit den Schauspielerinnen Monica Vitti und Marylin Monroe tat. Wie Andy Warhol recycelte sie Werbeaufnahmen und Pressefotos von Prominenten für ihre Kunst.

Sie holte Bob Dylan nach London, in ihrer Wohnung waren auch David Hockney, Peter Blake, Michael White, Kenneth Tynan und etliche weitere Prominente zu Gast. Sie beschäftigte sich mit Rassenunruhen in den USA wie mit dem Attentat auf John F. Kennedy und dem Vietnamkrieg und nannte ein Gemälde deutlich „Cuba Si“. In der Collage „It’s a Man’s World I„ stellte Pauline Boty 1964 Bilder patriarchaler Ikonen wie die Beatles, Albert Einstein, Lenin, Muhammad Ali, Marcel Proust und anderer Männer nebeneinander. Im Jahr darauf zeigte sie in „It’s a Man’s World II“ wieder weibliche Akte aus Quellen der bildenden Kunst und der Softcore-Pornografie, um eine neu befreite ‚weibliche Erotik’ zu symbolisieren.

Dann wurde Pauline Boty unerwartet schwanger, und bei einer Untersuchung wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. Sie trieb jedoch nicht ab und verweigerte auch eine Chemotherapie, um dem Fötus nicht zu schaden. Ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Katy starb Pauline Boty im Alter von 28 Jahren.

 

 

 

Amadeu António Kiowa

* 12.8.1962 in Quimbele, † 16.12.1990 in Eberswalde, angolanischer Vertragsarbeiter

 

Amadeu António Kiowa kam 1987 in die DDR und hoffte, hier Flugzeugtechnik studieren zu können. Stattdessen wurde er zum Fleischer ausgebildet und arbeitete im Schlacht- und Verarbeitungskombinat Eberswalde.

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung verloren jedoch die meisten der in die DDR gekommenen Vertragsarbeiter ihren Arbeitsplatz und ihr Aufenthaltsstatus war durch die Annulierung der entsprechenden Verträge mit den jeweiligen Herkunftsländern unklar.

In dieser Situation griffen Neonazis Amadeu António Kiowa in der Nacht vom 24. zum 25. November 1990 in Eberswalde an und schlugen ihn brutal zusammen. Er erwachte nicht mehr aus dem Koma und starb elf Tage später. Amadeu António Kiowa war eines der ersten bekannten Opfer rechter Gewalt im neuen Deutschland.

Zum Schutze der Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus wurde 1998 die Amadeu Antonio Stiftung gegründet. Schon 1993 war auf der Berlinale der Film „Amedeu Antonio“ gezeigt wurden. Konstantin Wecker widmete Amadeu António Kiowa seinen Song „Willy“:

 

 

 

George Plantagenet

* 21.10.1449 in Dublin, † 18.2.1478 in London, englischer Adliger

 

Ach, wenn man sich die Art seines Todes doch erwählen könnte! George Plantagenet, seines Zeichens Knight Companion des Hosenbandordens, Chief Governor of Ireland und Earl of Salisbury, wurde, nachdem er des Hochverrats angeklagt und vom englischen Parlament geächtet war, diese Huld zuteil: man ertränkte ihn auf dem Londoner Towerhill in einem Fass Malvasierwein.

 

 

 

Egon Schiele

* 12.6.1890 in Tulln a.d. Donau, † 31.10.1918 in Wien, österreichischer Maler

 

Die Journalistin Martina Conrad schrieb: „Egon Schiele kennt die Doppelmoral bereits aus Kindertagen. Gegen den Schönheitskult der Wiener Sezession setzt er das Hässliche, Verzerrte. Die Arme und Beine seiner jungen Mädchen und Männer sind überlängt und ausgezehrt, nur die Geschlechtsorgane einladend und farbig in Szene gesetzt. Je mehr man sich mit Schieles Werk befasst, desto verwirrender und widersprüchlicher erscheint der Mensch dahinter. Der Künstler hat sich in seinen Bildern und Zeichnungen immer wieder neu erkundet. Wer bin ich – und wie viele?“

Und Fritz Smola meinte: "Gerade bei den sogenannten erotischen Darstellungen bei Schiele empfindet man eigentlich keine Erotik, sondern die Akte – auch wenn sie in einer liebevollen Umarmung gezeigt werden, haben etwas Gequältes, Getriebenes. Gerade in den Jahren um 1914; sie wirken fast marionettenhaft. Als ob sie an Fäden gezogen werden, als ob sie fremdbestimmt sind. Das ist sehr spannend, auch wenn er sich selber darstellt. Es wirkt immer so getrieben, nicht wirklich frei, sondern einem Zwang unterworfen."

Egon Schiele, der sich selbst als „unpassenden Schüler aller Schulen“ charakterisierte schrieb: "Ich kam mit 16 Jahren an die Akademie in Wien, wurde natürlich als verrückt erklärt [...] Nachdem ich ausgestellt hatte, in der 2. internationalen Kunstschau Wien 1909, wurde ich auf das Heftigste an der Akademie verfolgt."

Und unkonventionell versuchte dann der Soldat Schiele sich auch durch den Ersten Weltkrieg zu schlagen, schrieb an die Armeeführung: „Meine Beschäftigung entspricht nicht meiner künstlerischen Qualifikation. Ich glaube, dass die Möglichkeit für mich bestünde, im Rahmen meines Militärdienstes im Heeresmuseum eine angemessene Beschäftigung und Verwendung zu finden, sodass meine Kräfte als Maler und Künstler nicht brach liegen müssen und ich im dem Vaterlande mit dem, was ich wirklich kann, nützen könnte.“

Tatsächlich stieg Egon Schiele schließlich in der Kunstszene auf, fand zunehmend Anerkennung. Die 49. Ausstellung der Wiener Secession, der „Vereinigung bildender Künstler Österreichs“ war 1918 ihm gewidmet. Immerhin umfasste die Werkschau 19 große Gemälde und 29 Zeichnungen. Dann starb Egon Schiele aber unversehens an der Spanischen Grippe.

 

 

 

Leon „Bix“ Beiderbecke

* 10.3.1903 in Davenport, Iowa, † 6.8.1931 in New York City, amerikanischer Jazzmusiker

 

Als Fünfzehnjähriger erlebte Bix Beiderbecke in seiner Heimatstadt Davenport Louis Armstrong als der hier während eines Engagements auf einem Missisippi-Dampfer Station machte. Als Neunzehnjähriger hatte er sich das Kornett-Spiel so weit selbst beigebracht, dass er ein Leben als Berufsmusiker wagte. Bald folgten erste Plattenaufnahmen und er jammte mit Bessie Smith, King Oliver und  mit dem großen Louis Armstrong sogar. „Singing the Blues“ wurde sein erster Hit.

Als Fünfundzwanzigjähriger spielte er mit Jimmy und Tommy Dorsey, Bing Crosby, Jack Teagarden und nahm mit seiner Studio-Band „Bix and the Gang“ richtungweisende Stücke auf, die als Vorläufer des Cool-Jazz gelten.

Bix Beiderbecke verfiel jedoch zusehends dem Alkohol, auch eine Entziehungskur half nicht mehr, und als Achtundzwanzigjähriger starb er an den Folgen einer Lungenentzündung.

 

 

 

Christo Botew

* 6.1.1848 als Christo Botjow Petkow in Kalofer, † 1.6.1876 in Wraza, bulgarischer Dichter

 

Sein letztes Gedicht schrieb Christo Botew zum Gedenken an Wassil Lewski, dem Ideologen der „Bulgarischen Wiedergeburt“, der von den türkischen Besatzern gehängt worden war:

 

...Weine! Dort nah bei der Stadt Sofia

erhebt sich, ich sah's, ein schwarzer Galgen,

und dein einziger Sohn, o Bulgarien,

hängt an ihm mit grauenvoller Kraft.

 

In der Hoffnung, nach dem blutig niedergeschlagenen April-Aufstand die bulgarische Befreiungsbewegung, den er mit angeführt hatte, wieder beleben zu können, kaperte Christo Botew Ende Mai 1876 mit 205 Gefährten in Giurgio den österreichischen Raddampfer „Radetzky“. Drei Tage später wurde er am gegenüberliegenden Donauufer, wohin seine Gruppe das Schiff entführt hatte, von einem osmanischen Scharfschützen erschossen.

Zwei Jahre darauf erlangte der Staat Bulgarien, in dem Christo Botew als Nationaldichter gilt, infolge des Russisch-Osmanischen Krieges, seine Unabhängigkeit. Im Jahr 2007 wurde er als einer der „zehn größten Bulgaren der Geschichte“ gewählt.

 

 

 

Stephen Crane

* 1.11.1871 in Newark, New Jersey, † 5.6.1900 in Badenweiler, amerikanischer Schriftsteller

 

„Wie Menschen mit dem Tod zurechtkommen, das hat Stephen Crane leitmotivisch bewegt, in seiner Prosa und Lyrik wie in seinem Daseinsstil – als ahnte er voraus, daß sein ereignisreiches Leben kurz sein würde“, schrieb Utz Riese. „Cranes Zustandsbeschreibung nimmt […] metaphorische Qualität an. Sie wird Metapher einer Lebensdetermination, die über die Menschen verfügt, Glück oder Untergang, Aufstieg oder Elend verantwortet und meistens nur Unglück parat hat. Diese Erzählhaltung, die man naturalistisch genannt hat, leitete in den Vereinigten Staaten ein ganzes literarisches Säkulum, das zwanzigste Jahrhundert ein.“

 

Manch roter Teufel entfloh meinem Herzen,

Hinaus auf das Papier.

Sie waren winzig,

Die Feder konnt sie zerquetschen.

Und viele zappelten in der Tinte.

Seltsam war das,

In diesem roten Schlamm

Aus meinem Herzen zu schreiben.

 

„Crane, wie viele amerikanische Autoren vom Journalismus zur Literatur gekommen, […] studierte Opiumhöhlen, sympathisierte mit Straßenmädchen (und bewahrte sie, indem er sich als ihr offizieller männlicher Begleiter ausgab, gelegentlich vor polizeilicher Festnahme), nahm das Milieu der Alkoholiker in der bis heute berüchtigten Bowery im Südteils Manhattans in sich auf und – schrieb darüber wie besessen…“, sagte Heinz Wüstenhagen. „Und Crane erweiterte seinen Erfahrungsbereich; Reisen führten ihn als Berichterstatter in den Mittelwesten, nach Florida, an die Kriegsschauplätze in Kuba und Griechenland, nach England und Deutschland; aus der Unmittelbarkeit des Erlebens speiste er seine literarische Produktivität.“

 

Einst kam da ein Mann,

Der sprach:

„Stellt alle Menschen der Welt in Reihn.“

Und augenblicklich

Gabs schrecklichen Tumult unter den Menschen

Gegen die Ordnung in Reihn.

Ein heftiger Streit erhob sich, weltweit,

Der Zeitalter währte;

Und Blut ward vergossen

Von denen, die nicht stehen wollten in Reihn,

Und von denen, die hitzig strebten nach Reihn.

Und schließlich kam der Mann zum Sterben, weinend.

Und die im blutigen Getümmel

Erkannten die große Klarheit nicht.

 

Stephen Crane, berühmt geworden durch seine Bürgerkriegs-Erzählung „The Red Badge of Courage“ („Das rote Siegel“), starb im Alter von 28 Jahren an Tuberkulose.

 

Ein Mann erklärte einst dem All:

„Herr, mich gibt es!“

„Wie dem auch sei“, sagte das All,

„Der Umstand hat mir kein Gefühl

Für Verpflichtung geweckt.“

 

 

 

Adolph Schlagintweit

* 9.1.1829 in München, † 26.8.1857 in Kashgar, deutscher Entdecker

 

Adolph Schlagintweit hatte sich mit der geologischen Aufnahme der Bayerischen Alpen habilitiert, woraufhin ihn Alexander von Humboldt für die weitere Erforschung Indiens im Auftrag der Britischen Ostindienkompanie und des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. empfahl. Von Bombay reiste er mit seinen beiden Brüdern quer durchs Land nach Madras und dann in den Himalaya. Nahe der indisch-tibetanischen Grenzen stiegen sie 1855 am Kamet in eine Höhe von 6.785 m auf, was damals Höhenrekord bedeutete.

Im Folgejahr erkundete er allein oder mit seinen Brüdern Balschistan, Kaschmir und Ladakh. Als Adolph Schlagintweit im Sommer 1857 jedoch die Kunlun-Kette überquert hatte, wurde er von Schergen des uigurischen Hodscha Wali Khan gefangengenommen und ohne Anhörung oder Prozess als vermeintlicher chinesischer Spion in Kashgar enthauptet.

 

 

 

Itō Noe

* 21.1.1895 bei Fukuoka, † 16.9.1923 in Tokio, japanische Journalistin

 

Im Alter von 17 Jahren begann Itō Noe für das neugegründete Magazin „Seitō“ zu schreiben, zwei Jahre später schon fungierte sie als dessen Herausgeberin und Chefredakteurin. 1916 stellte „Seitō“, dessen Name mittlerweile ein Synonym für anarchistische Ansichten galt, nach diversen Skandalen sein Erscheinen ein. 1921 gründete Itō Noe die sozialistische Frauengruppe „Sekirankai“ mit.

Im Alter von 28 Jahren wurde Itō Noe von Polizisten ermordet, was als „Amakasu-Zwischenfall“ in die japanische Geschichte einging.

 

  

 

 

Heath Andrew Ledger

* 4.4.1979 in Perth, † 22.1.2008 in New York City, australischer Schauspieler

 

Die Ledgers nannten ihren Sohn Heath nach einer Figur aus „Wuthering Heights“ von Emily Brontë, und bereits in der Grammar School seiner Heimatstadt Perth war er Mitglied des „Drama Clubs“. Mit siebzehn ging Heath Ledger nach Sydney, um Schauspieler zu werden, hatte Erfolg in Fernsehserien und zog weiter nach Hollywood. Mit achtundzwanzig starb Heath Ledger nach Skandalen an einer unglücklichen Wechselwirkung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Postum wurde er mit einem Oscar als „Bester Nebendarsteller“ geehrt.

Anfang 2015 besuchten Jeanny und ich, sieben Jahre nach Heath Ledgers Tod, seine Heimatstadt Perth:

Ankunft in Freemantle. Ausschiffung und im Bus nach Perth, der Hauptstadt Western Australias. Als erstes Stadtrundfahrt durch Freemantle, das sich als sehenswertes Hafenstädtchen mit gut erhaltener Gebäudesubstanz aus der Siedlerzeit erweist. Ältestes Haus der Stadt ist das Gefängnis, das die ersten Sträflinge, die hier um 1830 hergebracht wurden, sich selbst erbauen mussten. Ja, auch so kann eine Stadtgeschichte beginnen, das braucht dann keine Legende.

Halt im Badeort Coldesloe: weite, weiße Strände, schattige Promenaden auf der Hochküste, kleine Cafés, und weiter nach Perth, gut 20 Kilometer im Hinterland, da, wo sich der bei Freemantle in den Indischen Ozean mäandernde Swan River zu einem See verbreitert. Fatastischer Blick über die Stadt vom sehr gepflegten Kings Park. Perth gilt als Boomtown dank der reichen, in jüngster Zeit erschlossenen Bodenschätze Westaustraliens. Schon ist Perth mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die viertgrößte Stadt ganz Australiens – und vor der Skyline wird allenthalben gebaut… Wobei man hier offenbar auf menschliche Dimensionen achtet: neben Wolkenkratzern finden sich auch Gässchen fast wie in Rüdesheim.

Am Abend sitzen wir am Fährhafen in einem Pub mit Blick über den Swan River bei Live-Musik, kühlem Ale und Chips & Fish. Vielleicht liegt es am erstmals ganztägig genossenen blauen Himmel, dem lauen Abendlüftchen, denn Jeanny und ich sind uns einig: Perth erscheint uns als die schönste Stadt dieser Reise. Oder so: unser ranking der lebenswertesten Städte fiele so aus: Perth, Auckland, Sydney.

Und dass wir hier tatsächlich in einer ganz anderen Weltregion sind, wird auch dadurch deutlich, dass Kinder hier in der Schule als erste Fremdsprachen Chinesisch und Japanisch lernen (zudem gehen die Kinder die ersten sechs Schuljahre gemeinsam in die Primary School, dann die nächsten sechs in die Highschool). Und Perth wechselte in eine andere Zeitzone, um den asiatischen Metropolen näher zu sein… Und die Universitäten sind Wirtschaftsfaktoren, ziehen durch ihre Qualität zahlende (ausländische) Studenten an. Und die Parks und Grünanlagen werden von Freiwilligen gepflegt, die stolz sind, etwas für ihre Stadt tun zu können… Und die Busbenutzung ist kostenfrei… Und überall findet man im öffentlichen Raum Kunst…

Ja, hier scheint Zukunft zu boomen.

 

 

 

Georg Gloger

* 1.1.1603 in Habelschwerdt, Schlesien, † 16.10.1631 in Leipzig, deutscher Dichter

 

Im Alter von 22 Jahren begann Georg Gloger in Leipzig Medizin zu studieren Als Medizin-Dozent dann schrieb er auch Sinnsprüche und sammelte Studenten um sich, zu denen auch der spätere Dichter Paul Fleming gehörte.

Nachdem Georg Gloger im Alter von 28 Jahren durch eine in Leipzig grassierende Seuche gestorben war, veröffentlichte Paul Fleming die nachgelassenen Texte seines Freundes und erinnerte in Gedichten an ihn.

 

 

 

 

Novalis

* 2.5.1772 in Oberwiederstedt als Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, † 25.3.1801 in Weißenfels, deutscher Dichter

 

Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die […] ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stängel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte… - kann sein, Novalis schrieb diese Zeilen seines romantischen Romans „Heinrich von Ofterdingen“ in Dürrenberg, wo er ab 1796 als Akzessist für die Verwaltung der Saline arbeitete und dann nach seinem Studium an der Bergakademie Freiberg 1799 zum Salinenassessor berufen und Mitglied des Weißenfelser Salinendirektoriums ernannt wurde, fortan für die Erschließung des Braunkohletagebaus Profen verantwortlich war, um Heizmaterial für diese und weitere Salinen zu gewinnen.

Der deutsche Autor Karl-Heinz Ott schrieb: „Novalis glaubt, dass die Poesie alles Naturwissenschaftliche umfängt. Andersherum formuliert bedeutet das: Sie ist ein Teilgebiet der Poesie, auch wenn sie tausendmal trockener daherkommt. Mineralogie und Bergbau sind Bestandteile eines poetischen Weltganzen. Zahlen und Daten, Formeln und Fakten sind nur ein winziger Teil von etwas viel Umfassenderem. Alles verzahnt sich, vom Kleinsten bis zum Größten. Novalis redet gern vom Schweben, immer und immer wieder, wie etwas in einem Gedicht aus seinem ‚Heinrich von Ofterdingen’, wo es heißt: Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt / … / …/ Frei soll die Fantasie erst schalten, / nach ihrem Gefallen die Fäden verweben / Hier manches verschleiern, dort manches netfalten, / Und endlich in magischem Dunst verschweben.

Es war Novalis jedoch nicht vergönnt, seinen „Heinrich von Ofterdingen“ zu vollenden. Novalis starb im Alter von 28 Jahren in Weißenfels, möglicherweise an Mukoviszidose.

 

 

 

Karl Stamm

* 29.3.1890 in Wädenswil, † 21.3.1919 in Zürich, Schweizer Dichter

 

Als Wehrpflichtiger schrieb Karl Stamm das Gedicht „An mein ungeborenes Kind“:

 

Du trippelst mir zur Seite, kaum

berühren deine Füßchen die Erde,

deiner Stimme Plätschern webt um mich

tiefe Sicherheit.

Fern herüber aus meiner Kindheit Tage

tön ich mir selbst,

harft mir der Abend das Glück.

 

Und wir lenken den Schritt

durch Häuserfluchten.

Menschen bleiben stehn,

greifen Mütterhände nach dir,

rohen Männern erstickt das

verletzende Wort im Mund.

Kinderchen trippeln neben dir her.

Leichter schwingt jeder Schritt,

jedem Auge schwindet der Schatten des Leids.

 

Eines Tages doch, wenn ich heimkehre,

Beklemmung im Herzen und verworfenen Geistes,

kann ich dich nicht mehr finden.

Und meine Seele ist eine einzige blutende Wunde,

schleppt sich Tage und Nächte, deine Spuren zu finden.

Aber meine Seele ist müde geworden,

findet den Weg nicht zurück,

meine Seele ist blind geworden.

 

Im Ersten Weltkrieg hatte Karl Stamm die Schweizer Grenze zu sichern und schrieb zum Jahreswechsel 1914/15 „anlässlich der Sylvesterfeier des Bataillons 70/II“:

Auf Europas kampfdurchtobte Felder

senkt sich schwer des Jahres letzte Nacht.

Dumpfe Glocken sind die Totenmelder,

banges Raunen, Flüstern durch die Wälder,

und in ungewisser Miene

jedes Auge wacht…

 

Und dann trieb es Karl Stamm zu diesen Zeilen:

Golgatha überall. Aus Millionen

bin ich ein einzeln Kreuz, von Blut beschmutzt.

Ich kann nicht mehr, ich breche dumpf zusammen.

Es findet sich kein Simon, der es trägt.

Ich bin nur Mensch, du warst des Menschen Sohn.

Ich höre weit im Land, durch alle Mitternacht

hoch überbraust von Blut und Schuld und Not

Unzählige in immer neugefüllten Schüsseln ihre Hände waschen:

Wir sind nicht schuld. Wir schwören euch vor Gott.

Ich groll euch nicht. Ich groll euch allen nicht.

Nur einen Fluch hab ich mir aufgespart.

O stirb, du Fluch, daß ich nicht schuldig werde…

 

Karl Stamm erlitt einen Nervenzusammenbruch, doch überlebte den Krieg, irgendwie. Bevor er jedoch hätte einen Sohn zeugen können, starb er an der Spanischen Grippe.

 

 

 

Anne Boleyn

* 1507 (?) wohl in Blickling Hall, Norfolk, 1. Marquess of Pembroke, † 19.5.1536 in London, englische Königin

 

Anne Boleyn war die zweite der sechs Ehefrauen Heinrich VIII. und von 1533 bis 1536 Königin von England. Ihre Weigerung, sich dem König als Mätresse hinzugeben, führte zu dessen Scheidung von Katharina von Aragon und war einer der Auslöser für die Entstehung der anglikanischen Kirche durch Trennung der Kirche Englands von Rom. Doch wie auch Katharina schenkte sie Heinrich VIII. nicht den erhofften männlichen Erben. Anne Boleyn fiel in Ungnade und wurde wegen vorgeblichen Ehebruchs und Hochverrats am 19. Mai 1536 enthauptet. Ihre Tochter Elisabeth I. wurde später indessen eine der bedeutendsten und am längsten regierenden Königinnen Englands, weiß Wikipedia.

Heinrich VIII. warb sehr um Anne Boleyn, schrieb ihr immer wieder Liebesbriefe, 17 sind sogar erhalten: „Meine Herrin und Freundin, ich und mein Herz geben sich in Eure Hände und bitten Euch, uns Eurer Gunst zu empfehlen und in Eurer Zuneigung zu uns nicht durch die Trennung nachzulassen. Es wäre zu grausam, unseren Kummer noch zu vergrößern, da Eure Abwesenheit uns schon genug bereitet […]. Da ich nicht selbst bei Euch sein kann, sende ich Euch, was meiner Person am nächsten kommt, mein Bild, in ein Armband gefasst […] und wünsche mich an seine Stelle, wann es Euch gefallen mag. Dies von der Hand Eures ergebenen Dieners und Freundes; H.R.“ Oder: „Obwohl es Euch, meiner Herrin, nicht gefallen hat, Euch an das Versprechen zu erinnern, welches Ihr mir bei unserer letzten Begegnung gegeben, dass ich nämlich von Euch Neuigkeiten erfahren und eine Antwort auf meinen letzten Brief erhalten solle, denke ich doch, es zieme sich für einen treuen Diener (da er doch anders nichts erfahren kann), sich nach dem Befinden seiner Herrin zu erkundigen. Um der Pflicht des treuen Dieners zu genügen, sende ich Euch diesen Brief und bitte Euch, mir über Euer Befinden Bericht zu geben […] und damit Ihr öfter an mich denkt, lasse ich Euch durch diesen Boten einen Rehbock schicken, den ich gestern Abend mit eigener Hand erlegt, in der Hoffnung, dass Ihr öfter an mich denkt, wenn Ihr ihn verspeist.“ Und angeblich soll er sogar „Greensleeves“ für sie komponiert haben.

Die Londoner verehrten jedoch offenbar weiter ihre Vorgängerin auf dem englischen Thron, Heinrichs erste Frau Katharina von Aragón. Bei einer feierlichen Prozession soll man sich sogar lustig über die an einer Sänfte zu sehenden, verschlungenen Initiale H und A gemacht, statt zu jubeln „Ha! Ha! Ha!“ gerufen haben.

„Anne und Heinrich führten zunächst eine harmonische Ehe. Heinrich kümmerte sich weiterhin liebevoll um Anne und auch um seine jüngste Tochter Elisabeth, die er oft mit sich herumtrug und mit der er spielte, wenn er sie in ihrem Haushalt besuchte. In dieser Zeit war Anne vermutlich zweimal schwanger. 1534 endete eine Schwangerschaft der Königin mit einer Totgeburt im achten Monat. Andere Versionen berichten, dass sie die Schwangerschaft nur vorgetäuscht habe oder so verzweifelt gewesen sei, dass sie sich eine Schwangerschaft einbildete. Sicher ist, dass Anne Boleyn im Jahre 1534 und 1536 eine Fehlgeburt (einen Sohn) hatte. Anne brach nervlich völlig zusammen und soll auf die zweite Totgeburt hysterisch reagiert haben. Sie muss damals schon geahnt haben, dass Heinrich ihr langsam entglitt und dass ihr Temperament, ihr Witz, ihre Diskutierfreudigkeit, die ihn vor Jahren fasziniert hatten, Heinrich nun zunehmend von ihr entfernten. Im Sommer schrieb der venezianische Gesandte, der König von England sei ‚dieser  neuen Königin schon müde bis zum Überdruss’. […]Mit Jane Seymour hatte Heinrich zu dieser Zeit bereits die nächste Ehekandidatin ins Auge gefasst. Ironischerweise war Annes größter Schutz, dass Katharina von Aragón noch lebte, denn Heinrich befürchtete, wenn er die Ehe mit Anne für ungültig erklären würde, wäre die Ehe mit Katharina automatisch wieder gültig. Daher wurde durch den Tod Katharinas von Aragón im Januar 1536 Annes Schicksal besiegelt.“ (Wikipedia)

Aus dem Gefängnis schrieb Anne Boleyn 13 Tage vor ihrer Hinrichtung an Heinrich VIII: „Sire, das Missfallen Euer Gnaden und meine Einkerkerung sind für mich so seltsame Dinge, dass ich gar nicht weiß, was ich schreiben und wofür ich mich entschuldigen soll. […] Kein Fürst hat je eine treuere Gattin in aller Pflicht und Zuneigung gehabt, als Ihr in Anne Boleyn gefunden habt. […] Lasst mich verhören, guter König, aber gebt mir ein gerechtes Gerichtsverfahren, und lasst nicht meine geschworenen Feinde als meine Ankläger und Richter über mich zu Gericht sitzen. Ja, gebt mir ein öffentliches Gerichtsverfahren, denn meine Wahrheit wird keine öffentliche Schande zu fürchten haben. Dann werdet Ihr entweder meine Unschuld gereinigt, Euren Argwohn und Euer Gewissen zufriedengestellt, die Bosheit und Verleumdungen der Welt zum Schweigen gebracht oder meine Schuld öffentlich erklärt sehen, sodass, was auch immer Gott und Ihr über mich beschließen mögen, Euer Gnaden von einer öffentlichen Kritik befreit sein werden, und wenn meine Schuld dann gesetzlich erwiesen ist, wird Euer Gnaden sowohl vor Gott wie vor den Menschen freistehen, nicht alleine gesetzliche Strafe an mir als einer ungetreuen Gattin zu vollziehen, sondern auch Eurer Neigung, die bereits feststeht, zu folgen, um derentwillen ich da bin, wo ich jetzt bin […] Meine letzte und einzige Bitte sei, dass ich allein das Gewicht von Euer Gnaden Missfallen zu tragen habe und dass es nicht die unschuldigen Seelen der armen Edelleute treffen möge, die, wie ich höre, ebenfalls in strengem Gewahrsam sind um meinetwillen […] aus meinem kummervollen Gefängnis im Tower an diesem 6. Mai 1536, Eure allergetreuste und stets ergebene Gattin Anne Boleyn.“

Auf dem Schafott sagte Anne Boleyn dann: „Gute christliche Leute, ich bin hierher gekommen, um zu sterben, denn gemäß dem Gesetz und durch das Gesetz wurde ich verurteilt zu sterben, und daher werde ich nicht dagegen sprechen. Ich bin hierher gekommen weder, um einen Menschen anzuklagen, noch irgendetwas darüber zu sagen, weshalb ich angeklagt und zum Tod verurteilt wurde. Aber ich bete: Gott schütze den König. Möge er noch lange über euch herrschen. Denn einen sanftmütigeren und nachsichtigeren Fürsten als ihn gab es nie. Mir war er stets ein guter, freundlicher und gnädiger Herr. Und wenn irgendeine Person sich in meine Sache einmischt, so verlange ich von ihr, aufs Beste zu urteilen. Und so nehme ich meinen Abschied von der Welt und Euch allen, und ich wünsche mir herzlichst von Euch, für mich zu beten. O Herr, habe Gnade mit mir, zu Gott empfehle ich meine Seele. An Jesus Christus empfehle ich meine Seele, Herr Jesus empfange meine Seele.“

Heinrich VIII. hatte für die Enthauptung seiner Gattin immerhin einen der bekanntesten Henker jener Zeit engagiert: Jean Rombaud aus Saint-Omer in der Region Calais. Elf Tage nach dieser Hinrichtung heiratete Heinrich VIII. Jane Seymour, die dritte seiner sechs Frauen.

 

 

 

Caracalla

* 4.4.188 in Lugdunum (heute: Lyon) als Lucius Septimius Bassianus, † 8.4.217 zwischen Edessa und Carrhae in Mesopotanien, römischer Kaiser

 

Virusartig hatte sich mir der Gedanke eingeschlichen, auch jenseits des alltäglich Erfahrbaren nur Banales finden zu können. Dabei war mir die Gier, hinter Geheimnisse zu kommen, letztlich stets Antrieb gewesen, schlicht weiter und weiter zu machen. Andererseits kamen mir neuerdings immer wieder die Thermen des Caracalla, wo Shelley seinen „Entfesselten Prometheus“ schrieb, in den Sinn:

Eher zufällig war ich eines frühen Samstag morgens in dieses weitläufige, fast menschenleere Ruinenareal geraten, erwartete ich hier doch nichts was mich berühren, was mich angehen könnte. Schier unfassbar schien mir dann aber was sich an Gewimmel und Lebensfreude in erhabenen Alabaster-, Marmor- und Basaltbädern, prächtigen Säulen-, Ruhe- und Sporthallen anhand dieser monumentalen Trümmer projizieren ließ, unglaublich dass dies alles wie selbstverständlich jedem Römer, ob arm ob reich, offen stand bis es die Vandalen (sic!) als nutzlos zerstörten.

Unsicher allerdings bin ich mir, weshalb mich die Thermen des Caracalla anhaltend beschäftigen. Meines letzten großen Erstaunens oder deren Symbolkraft für verheerende Blindwütigkeit wegen? Oder abgründig - da beides mir nun unaufhaltsam zusammengehen will? Apokalyptisch?

 

 

 

Jorge Delbravo

* 1938, † 1967, costaricanischer Schriftsteller

 

Jorge Delbravo gilt als einer der wichtigsten sozialkritischen Autoren Costa Ricas.

Jeanny und ich besuchten Anfang 2011 sein Heimatland. Ankunft in Puerto Limón. „Reiche Küste“ nannten die Spanier dieses Land: Costa Rica, und hofften wie immer auf Gold. Der Reichtum dieses Landes ist jedoch die Natur (und nunmehr: der sorgsame Umgang mit ihr). Schon bei der Annäherung an die Küste lockt reichlich Grün, Wald vom Strand über sanfte Hügel bis hinauf zu einer imposanten Gebirgskette. Mehr als 30% der Fläche des Landes (das ungefähr so klein wie die Schweiz ist) sind als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Und es klingt fast unglaublich: etwa 5% aller (!) Tier- und Pflanzenarten leben hier.

Entsprechend auch unser heutiges Programm: Zuerst Besichtigung einer Bananenplantage - das kleine Costa Rica ist weltweit auch der zweitgrößte Bananenproduzent. Und nicht minder wichtig für das Landeseinkommen: der Kaffeeanbau. Doch da alle Erlöse aus der Landwirtschaft längst nicht ausreichen, kam man hier eben darauf, den größten Schatz des Landes, den Regenwald, zu nutzen. Und nicht wie andernorts auf dieser Welt brutal abholzt, sondern indem man ihn sanft touristisch erschließt. Und die Touristen kommen zusehends. Dazu hat sich Costa Rica mittlerweile ein weiteres Standbein durch High tech geschaffen, durch die Entwicklung und Herstellung von Microchips vor allem.

Von der Bananenplantage fahren wir im historischen Blue Train durch den Küstendschungel bis Entrada, kleiner Marktflecken im Hinterland. Dabei sehen wir durchaus auch Wellblechhütten, jedoch nirgendwo Prunkvillen oder Protzbauten. Wir sehen keine Unratberge, keine Bettler, kaum Polizei, dafür immer wieder Schulen, öffentliche Parks und ordentlich gekleidete, winkende Kinder. Bereits 1949 schaffte Costa Rica seine Armee ab, steckte das freigewordene Geld in Bildung und Sozialleistungen.

Von Entrada gelangen wir im Bus zu den Kanälen von Tortugero, die sich hinter der Küste weitverzweigt gut 200 km bis Nicaragua erstrecken. Bootsfahrt durch den Dschungel nun, und wir sehen große, farbenprächtige Schmetterlinge, reichlich Vögel, von Mangrovenschwalben über Ibisse und Reiher bis exotische Eisvögel, dann sogar Brüllaffen und Faultiere.

Mit dem Bus zurück durch das Bananenhafenstädtchen Moin nach Puerte Limón. Kurzer Souvenierlädenrundgang und Ende dieser Stippvisite, die jedoch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen dürfte. Costa Rica, bemerkenswertes, friedliches, freundliches kleines tropisches Land.

 

 

 

Felix Manz

* um 1498 in Zürich, † 5.1.1527 ebd., Schweizer Täufer

 

Felix Manz gehörte zum Kreis der Schweizer Reformatoren um Huldrych Zwingli, zerstritt sich jedoch mit ihm in der Frage, ob man als Kind oder erst als mündiger Erwachsener getauft werden solle. Mit seinen Glaubensgenossen hatte er sogar Kontakt zu Thomas Müntzer, der ihnen als „getreuer und lieber Mitbruder in Christo“ galt. Manz und seine Freunde bezeichneten sich in ihrem Schreiben an Müntzer als „sieben neue Jünger Münzer dem Luther“. Umstritten ist, ob es zu einer persönlichen Begegnung zwischen Manz und Müntzer kam.

Als der Konflikt mit Zwingli sich in Zürich zuspitzte, wurde Manz verhaftet, verhört, kam wieder frei, missionierte, wurde verhaftet… Der Magistrat von Chur beispielsweise berichtete nach Zürich, man habe Manz „nicht einmal durch die Androhung der Todesstrafe davon abhalten können, zu predigen und zu taufen. Er sei ein eigensinniger und widerspenstiger Mensch.“

Im Gefängnis schrieb Felix Manz:

Mit lust so wil ich singen,

mein hertz frewt sich in Gott,

Der mir vil kunst thut bringen,

dass ich entrinn dem Todt

Der ewiglich nimmet kein endt.

Jch preiss dich, Christ vom Himmel,

der mir mein kummer wendt.

Schließlich verurteile ihn ein Gericht in Zürich zum Tod durch Ertränken: „Genannter Felix Manz soll wegen seines aufrührerischen Wesens, seiner Zusammenrottung gegen die Obrigkeit und weil er gegen die christliche Regierung und die bürgerliche Einheit gehandelt hat, dem Nchrichter übergeben werden, der ihm seine Hände binden, in ein Schiff setzen, zu dem unteren Hütly bringen und auf dem Hütly die Hände gebunden über den Kopf streifen und einen Knebel zwischen den Armen und Beinen durchstossen und ihn also gebunden in das Wasser werfen soll, um ihn im Wasser sterben und verderben zu lassen, damit er nach Gericht und Recht gebüsst habe.“

Mira Baumgartner schrieb: „Wie er nun aus dem Wellenberg auf den Fischmarkt und unterhalb der Metzgerhalle zum Schiff geführt wurde, lobte er Gott, dass er um seiner Wahrheit willen sterbe, sei doch die Wiedertaufe recht und im Worte Gottes gegründet und habe Christus vorhergesagt, dass die Seinen um der Wahrheit willen leiden würden. Derlei redete er noch viel, doch widersprach ihm der Prädikant, der ihn begleitete. Auf diesem Gang begegneten ihm auch seine Mutter und sein Bruder, die ihn beide ermahnten, standhaft zu bleiben.“

Das Ertränken war als besondere Schmach gedacht, da diese Strafe sonst nur an Frauen vollzogen wurde. Als Felix Manz dann zum Hütly, einer auf einer Flussinsel gelegenen Fischerhütte, gebracht wurde, soll er laut gesungen haben: „In manus tuas, domine, commendo spiritum meum - (In Deine Hände, Herr, übergebe ich meinen Geist)…“

 

 

 

Tigran Tschjokjurjan

* 1884 in Gyumshkhane, † 1915 Türkei, armenischer Schriftsteller

 

Tigran Tschjokjurjan zählt zu den zahllosen Armeniern, von denen man nicht einmal weiß, wann und wo genau sie dem Versuch der Jungtürken, ihre christlichen Mitbürger auszurotten, zum Opfer fielen.

Er wurde 1884 in Gyumshkhane in der Provinz Trapezund geboren und besuchte dort eine staatliche Grundschule. Da seine Eltern früh verstarben, wuchs Tigran Tschjokjurjan ab 1897 im Waisenhaus des Roten Klosters in Galatia auf. 1907 legte er im Perperjan-Gymnasium in Konstantinopel sein Abitur ab und wurde Lehrer. 1911 begründete er mit anderen Autoren die Literarturzeitschrift „Wostan“.

Im Jahr zuvor war Tigran Tschjokjurjan Novellensammlung „Hajreni dzajner“ erschienen, 1912 folgte sein Roman „Vanke“. Der in Tagebuchform verfasste Text kreist um die Idee des Sieges der Vernunft in einer freien, gesunden Gesellschaft über barbarische Instinkte.

Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges ging Tigran Tschjokjurjan nach Van, um die Leitung des Gedrona-Gymnasiums zu übernehmen. Dann verlieren sich seine Spuren…

 

 

 

Omai

* um 1751 auf Ra’iatea, Gesellschaftsinseln, † 1780 auf Huahine, Tahiti, polynesischer Reisender

 

Während Cooks zweiter Südsee-Expedition ging Omai an Bord des Begleitschiffes „Adventure“, befreundete sich mit Reinhold und Georg Forster, gewann den Konteradmiral James Burney als Dolmetscher und erreichte im Juli 1775 England. Hier nahm sich Lord Sandwich, seines Zeichens Erster der Admiralität, seiner an. Und alsbald galt Omai als „Edler Wilder“, in dem sich natürliche Unschuld mit aristokratischer Vornehmheit harmonisch vereine. Er wurde als „Prinz“ tituliert und sogar King Georg III. vorgestellt.

Mit Cooks dritter Südsee-Expedition gelangte Omai in seine Heimat zurück, doch verstarb wenige Jahre danach auf Huahine, wo er einst an Bord der „Adventure“ gegangen war.

Sein Porträt, geschaffen von Sir Joshua Reynolds, kann allerdings noch immer in der Londoner Tate Gallery entdeckt werden.

 

 

 

Grizel Mary Wolfe-Murray

* 1913 als Lady Grizel Mary Boyle, † 12.9.1942 im Südatlantik, britische Adlige

 

Bereits 1911 war ein Schiff auf den Namen „Laconia“ getauft und von der englischen Cunard-Line in Dienst genommen, im Februar 1917 jedoch vor der irischen Küste durch ein deutsches U-Boot versenkt worden.

Die RMS „Laconia“ schipperte ab 1922 als Passagierschiff über die Weltmeere. Im September 1942 steuerte sie der erfahrene Cunard-Kapitän Rudolph Sharp von Suez über Aden, Mombasa, Durban und Kapstadt nach Kanada. Am Sonnabend, dem 12. September 1942, wurde die „Laconia“ um 22.07 Uhr 360 Seemeilen nordöstlich der Atlantikinsel Ascension von einem deutschen U-Boot entdeckt und rasch versenkt.

2.741 Personen waren an Bord der „Laconia“, unter ihnen auch Grizel Mary Wolfe-Murray. 1.083 überlebten, Grizel Mary Wolfe-Murray, Tochter des 8. Earl of Glasgow, nicht.

 

 

 

Richard Fariña

* 8.3.1937 in Brooklyn, New York, † 30.4.1966 in Carmel-by-the-Sea, Kalifornien, amerikanischer Autor und Musiker

 

Richard Fariña began während seines Studiums an der Cornell-University in Ithaca Kurzgeschichten und Gedichte zu schreiben, die sein Kommilitone und Freund Thomas Pynchon in der Universitätszeitung veröffentlichte. Als Musiker nahm er drei Folk-Alben auf und trat unter anderem beim Newport Folk-Festival 1965 auf. Er trug wesentlich zur Wiederbelebung eines vergessenen Instruments aus den Appalachen, der „mountain dulcimer“ bei.

Wenige Tage nach Erscheinen seines ersten Romans „Been Down So Long Looks Like up to Me“, der als Klassiker der Beat-Literatur gilt, verunglückte Richard Fariña im Alter von 29 Jahren bei einem Motorradunfall tödlich.

 

 

 

 

 

Lyra Catherine McKee

* 31.3.1990 in Belfast, † 18.4.2019 in Derry, nordirische Autorin

 

Lyra McKee arbeitete als Bloggerin und freie Journalistin. Sie schrieb für zahlreiche Medien vor allem über die langjährigen Folgen des Nordirlandkonflikts, so veröffentlichte sie einen Artikel mit dem Titel „Suicide of the Ceasefire Babies“ („Suizid der Kinder des Waffenstillstandes“), in dem sie über die erschreckend hohe Anzahl von Teenager-Suiziden in Verbindung mit diesem schier ewigen Konflikt schreibt. Sich selbst bezeichnete sie als ein „Kind des Waffenstillstandes“.

Neben ihrer journalistischen Tätigkeit begann Lyra McKee auch eine Karriere als Buchautorin. Ihr erstes Sachbuch mit dem Titel „Angels with Blue Faces“ stand bei ihrem Tod kurz vor der Veröffentlichung. Es behandelt den Mord an dem Belfaster Abgeordneten Robert Bradford durch die Provisional IRA im Jahr 1981.

Am 18. April 2019 wurde Lyra McKee bei Unruhen in Derry, im Fanad Drive des katholischen Stadtteils Creggan, von einem Mitglied der Neuen IRA erschossen.

 

 

 

Christopher Marlow

* 6.2.1564 in Canterbury † 30.5.1593 in Deptford, englischer Dramatiker

 

Über Christopher Marlows Leben und Tod wurde und wird heftig gerätselt. Zweifellos war er als Bühnenautor in London erfolgreich, in seinen letzten sechs Lebensjahren folgten nacheinander Aufführungen seiner Theaterstücke „Dido“, „Edward II“, „The Massacre at Paris“, „Doktor Faustus“ und „The Jew of Malta“. Andererseits gehörte er zu einem Kreis von Intellektuellen, gebildetem Adel, Philosophen und Dichtern um Henry Purcell, 9. Earl of Northumberland, und Sir Walter Raleigh, die eine geheime Gruppe von Freidenkern, The School of Night, gebildet hatten, die hinter verschlossenen Türen „verbotenes Wissen“ diskutierte und als „Kreis der Atheisten“ stigmatisiert wurde.

Mit Jahreswechsel 1592/93 kam es zu einer Serie von Ereignissen, die Christopher „Kit“ Marlowe, in eine äußerst bedrohliche Lage gebracht haben dürften: Im Jahr 1593 erfolgten zugleich die Verhaftung und Einkerkerung von Thomas Nashe und die Folter von Thomas Kyd, zweier Freunde Marlowes, sowie die Erhängung von religiösen Dissidenten wie John Penry, am Vorabend von Marlowes Tod! Anfang 1593 wurden „ausländerfeindliche“ Plakate, deren Drohungen sich gegen eingewanderte protestantische Kaufleute aus Holland und Frankreich richteten, in Blankversen, in der stilistischen Manier von Marlowe, an die Mauer der Dutch Churchyard in der Londoner Broad Street geklebt, heute bekannt als „Dutch Church Libel“. Dieses Plakat war von einer anonymen Person mit dem Namen „Tamburlaine“ unterzeichnet, einer von Marlowes berühmten Hauptfiguren aus dem gleichnamigen Theaterstück und mit Bezügen zu zwei weiteren seiner Stücke. Die Folge war, dass Marlow zumindest indirekt für die öffentliche Unruhe verantwortlich gemacht wurde. Die Plakate, die Königin Elisabeth zur Kenntnis gebracht wurden, forderten ihre Autorität heraus. Der Privy Council der Königin befahl am 11. Mai 1593, die für den „Libel“ Verantwortlichen ausfindig zu machen und unter Folter die Wahrheit herauszufinden und zu bestrafen.

Alsbald bezichtigte sein Freund Thomas Kyd Christopher Marlowe schriftlich des Atheismus. Am 18. Mai 1593 erhielt Marlowe eine Vorladung zum Erscheinen vor dem Privy Council in Ninsuch, Surrey wegen Anschuldigung der Blasphemie und des Freidenkertums. Marlowe folgte dieser Auflage am 20. Mai 1593 von Chislehurst aus, wo er sich wegen der in London grassierende Pest aufhielt. Im Gegensatz zum verhafteten und gefolterten Kyd wurde Marlowe aber auf Kaution freigelassen.

Zehn Tage später kam es in Deptford zu einer mysteriösen Zusammenkunft. Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass Christopher Marlow bei einer Wirtshausschlägerei ums Leben kam, 1925 wurde aber der Bericht William Danbys entdeckt, seinerzeit seines Zeichens Coroner of the Queens’s Household, königlicher Untersuchungsrichter also, und danach traf sich Marlowe am Morgen des 30. Mai 1593 im Hause einer „gewissen“ Witwe Eleanor Bull, eine halbe Meile westlich des Greenwich-Palsates Königin Elisabeths, mit drei Personen – Nicholas Skeres, Ingram Frizer und Robert Poley. Sie aßen zusammen zu Mittag, verbrachten einen ruhigen Nachmittag im Hause von Eleanor Bull und ergingen sich im Garten. Nach dem Abendessen saßen die anderen drei mit ihrem Rücken zu Marlowe, der auf einem Bett neben ihnen lag. Ein Streit brach aus zwischen Marlowe und Frizer wegen der Bezahlung der Rechnung oder deren Berechnung. Marlowe zog Frizers Dolch von hinten und traf ihn und verletzte ihn am Kopf. Es entwickelte sich ein Kampf, in dem Frizer den Dolch in Marlowes Kopf über dem rechten Auge stieß und ihn sofort tötete.

Seltsamerweise wurden Robert Poley zwei Wochen nach Marlows Tod 30 Pfund von der Schatzkanzlei ausgezahlt, und zwar „für die Beförderung von Post der Königin in besondern und geheimen Affären von großer Wichtigkeit“…

Und noch merkwürdiger erscheint, dass John Penry am Vortag unweit Deptfords heimlich hingerichtet wurde, dass die 16 für die Leichenschau Marlows berufenen Juroren Christopher Marlow nicht kannten, ergo nicht wussten, wie er aussieht, und man die begutachtete Leiche dann rasch in einem nicht markierten Grab bestattete.

Kein Wunder, dass irgendwann Verschwörungs-Theorien auftauchten, nach denen Christopher Marlow weiterlebte und hoch produktiv weiterschrieb, ja, nun allerdings unter dem Namen William Shakespeare. Immerhin erscheint der Autorname William Shakespeare erstmals im Jahre 1593 auf der Titelseite eines Buches, in dem Jahr also, in dem Christopher Marlow das Zeitliche segnete.

 

 

 

Ippolito Nievo

*30.11.1831 in Padua, † 4.3.1861 im Tyrhhenischen Meer, italienischer Schriftsteller

 

Ippolito sprach sich in seinem Roman „Le confessioni d’un Italiano“ - („Die Bekenntnisse eine Italieners“), nicht nur für die Risorgimento-Bewegung aus, sondern kämpfte auch als Soldat für einen einheitlichen italienischen Staat. Ab 1859 nahm er im Regiment „Cacciatori delle Alpi“ am zweiten italienischen Unabhängigkeitskrieg teil und gehörte dann 1860 sogar zum berühmten „Zug der Tausend“, die mit Garibaldi in Sizilien landeten.

Anfang März 1861 wollte er mit dem Dampfschiff „Ercole“ nach Neapel fahren, kam dort aber nie an. Die „Ercole“ ging im Tyrrhenischen Meer unter, warum, weiß man bis heute nicht so recht. So erlebte Ippolito Nievo auch die Veröffentlichung seines Romans, der erst sechs Jahre nach seinem Tod und merkwürdigerweise unter dem Titel „Le Confessioni di un ottuagenario - („Die Bekenntnisse eines Achtzigjährigen“) erschien.

 

 

Hank Williams

* 17.9.1923 als Hiram King Williams in Mount Olive, Alabama, Pseudonym: Luke the Drifter, † 1.1.1953 in Oak Hill, West Virginia, amerikanischer Country-Musiker

 

No matter how I struggle and strive,

I’ll never get out of this world alive –

Egal wie ich kämpfe und mich mühe,

Ich werde nie lebend aus dieser Welt herauskommen,

sang Hank Williams in einem der letzten Songs, die noch zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurden.

Als Teenager trat Hank Williams in Montgomery, Alabama mit der Band „The Drifting Cowboys“ auf und hatte im lokalen Radiosender alsbald eine eigene Sendung. Allerdings erschien er zu den Sendeterminen oftmals volltrunken und wurde 1942 gekündigt. Sein Vorbild Roy Acuff sagte: „Junge, deine Stimme ist Millionen wert, aber Verstand hast du nicht für zehn Cent.“

Vier Jahre später spielte er eine erste Single ein und erheilt einen Vertrag von MGM Records. Bald wurden Move It On Over“ und „Lovesick Blues“ große Hits. Berühmt wurde er nicht zuletzt durch seine Auftritte in der Country-Show „Grand Ole Opry“ in Nashville. Er veröffentlichte fast 30 Alben, einer seiner bekanntesten Songs war „Cold, Cold Heart“.

Hank Williams wurde im Alter von 29 Jahren bei einer Polizeikontrolle tot in einem Auto aufgefunden. Als Todesursache wurde Herzinfarkt infolge Medikamenteneinnahme mit übermäßigem Alkoholgenuss angegeben.

 

 

 

Anita Berber

* 10.6.1899 in Leipzig, † 10.11.1928 in Berlin, deutsche Tänzerin

 

Der österreichische Lustspielautor Siegfried Geyer sagte über Anita Berber: „Eine Zeit lang machten ihr in Berlin die mondänen Weiber alles nach. Bis aufs Monokel. Sie gingen à la Berber.“

Dinah Nelken, mit der Anita Berber, die Tanzschule besucht hatte, schrieb: „Sie war ganz unschuldig und reizend. Sie war von Natur aus ein heiterer Mensch […] spontan und hemmungslos. Bei aller Vorliebe für Flirts hatte sie einen unglaublichen Liebreiz, ohne ordinär zu wirken.“

Und Ricarda D. Herbrand berichtet in ihrem Memento„Göttin und Idol“: „Anita Berber galt als verrucht, Vamp und Femme fatale, das Sinnbild des puren Exzesses und der neuen, begehrenden Frau zugleich und als die Verkörperung des weiblichen Bohémiens. Ihre exzessive Lebensweise sorgte immer wieder für Anstoß und Aufsehen. Sie zog Skandale förmlich an, sie nahm Morphin und Kokain, trank pro Tag eine Flasche Cognac und prügelte sich mit jedem, der ihr quer kam. Ihre Hemmungslosigkeit verkörperte den wilden Drang ihrer Generation zu leben, ohne Gedanken an eine schon verlorene Zukunft. Sie war schon immer so, wie die Deutschen erst durch die Inflation wurden: verschwenderisch. Nicht aber aus Prasserei, sondern weil ihr das Wort Zukunft völlig egal war. Dadurch wurde sie zum Idol der Inflation, zu ihrer Todesgöttin. 1925 stand sie komplett nackt für Otto Dix Modell, der sie so alt malte, wie sie nie wurde: ausgezehrt, eingefallen, faltig, der Mund blutrot, der Teint blass und die Augen todesdunkel. Doch sie verkaufte ihren Körper nicht nur als Modell, sie bot ihn auch physisch feil. Martha Dix: ‚Jemand sprach sie an, und sie sagte ,200 Mark.’ Ich fand das gar nicht so furchtbar. Irgendwie musste sie ja Geld verdienen’. Ihre oft nackt dargebotenen Tänze führten immer wieder zu tumultartigen Szenen während der Auftritte. Anita Berber machte Schluss mit jeder preußischen Disziplin und war berüchtigt für ihre Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. So manches Mal fiel ein Auftritt aus, weil sie betrunken war oder von Morphium und Kokain benebelt.“

Anita Berger wirkte in mehr als 25 Filmen mit und tourte sogar im Nahen Osten. Im Juni 1928 brach sie in Damaskus auf der Bühne zusammen, Tuberkulose. Fünf Monate später starb Anita Berber, neunundzwanzigjährig, im Berliner Bethenien-Krankenhaus.

 

 

 

Friedrich Konrad Hornemann

* 15.9.1772 in Hildesheim, † 9.2.1801 in Boknane, Nigeria, deutscher Forscher

 

Nach zielgerichteter Vorbereitung und dank eines Empfehlungsschreibens des Göttinger Naturwissenschaftlers Johann Friedrich Blumenbach an Joseph Banks, dem Präsidenten des „Committee of The African Association for Promotion the Interior of Africa“, bestieg Friedrich Konrad Hornemann Mitte Februar 1797 in Göttingen die Postkutsche nach Cuxhaven, reiste per Postboot nach London, vereinbarte mit der „African Associaton“ die Konditionen seiner Expedition und schiffte sich nach Kairo ein. Hier unterstützte ihn Napoleon Bonaparte höchstpersönlich und er konnte sich einer Karawane nach Murzuq im südlichen Libyen anschließen, wo er Reiseberichte verfasste. Am 5. April 1800 versandte er aus Murzuq einen letzten Brief, in dem er mitteilte, dass er sich einem Kaufmann aus Bornu anschließen wolle.

Friedrich Konrad Hornemann gelangte offenbar bis an den Unterlauf des Niger, wo er wahrscheinlich an der Ruhr starb. Er gilt neben Mungo Park als einer der ersten europäischen Afrika-Forscher.

 

 

 

Karl Friedrich Friesen

* 25.9.1784 in Magdeburg, † 16.3.1814 bei La Lobbe, Département Ardennes, deutscher Freiheitskämpfer

 

Als in Freyburg an der Unstrut die Entmuffung des Museums für den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, der hier ja gestorben war, diskutiert wurde, soll nach einer Fete in der nahen Sektkellerei eines Nachts der Mitbegründer der deutschen Turnbewegung Karl Friedrich Friesen mit Rotkäppchen an der Hand in den Ausstellungsräumen erschienen sein.

„Frisch, Frei, Fröhlich, Fromm“, las Rotkäppchen laut eine Inschrift vor, „Na, das passt doch!“ und schenkte sich und Friesen noch ein Gläschen Sekt ein.

Dann betrachtete es eingehend ein Modell des Turnplatzes auf der Hasenheide und Modelle von Turngeräten, die der Turnvater selbst entworfen hatte.

Und als sie dann ein großes Standbild Friedrich Ludwig Jahns entdeckte, raunte sie: „Aber Turnvater, warum hast du denn so große Hände?“

„Damit ich besser Handstand machen kann!“, antwortete Friesen, der sich hinter einer verstaubten Vitrine versteckt hatte, mit verstellter Stimme.

„Ach Turnvater, warum hast du denn so eine hohe Stirn?“

„Damit ich Kopfstände besser abrollen kann!“

„Und Turnvater, warum hast du denn so einen großen Bart?“

„Damit ich Turner eindrucksvoller kommandieren kann! - Auf! Nieder! Auf! Nieder!“

Friesen sprang auf ein gammliges Seitpferd, das Berliner Studenten, einer Hinweistafel zufolge, einst dem Turnvater verehrt hatten, und turnte frisch, frei, fröhlich, fromm darauf herum.

Was für ein Spaß.

Wohlsein!

 

 

Carole Landis

* 1.1.1919 als Frances Lillian Mary Ridste in Fairchild, Wisconsin , † am 5.7.1948 in Pacific Palisades, Kalifornien, amerikanische Schauspielerin

 

Im Alter von 12 Jahren stand Carole Landes bei Schönheitswettbewerben auf Bühnen, mit Fünfzehn sang und tanzte sie in San Francisco in einem Nachtklub, und mit Siebzehn ging sie nach Hollywood und spielte im Jahr darauf in „A Day at the Races“ und „A Star is Born“. 20 weitere Filmrollen sollten folgen.

Im Zweiten Weltkrieg war sie im US-Truppenbetreuungsprogramm tätig. Sie war fünfmal verheiratet und die Geliebte des Chefs von 20th Century Fox. Aus unglücklicher Liebe zu Rex Harrison, dem Gatten Lili Palmers, mit dem sie eine Affäre hatte, nahm Carole Landis sich im Alter von 29 Jahren das Leben.

 

 

 

 

Nico Max Richter

* 2.12.1915 in Amsterdam, † 16.8.1945 ebd., niederländischer Komponist

 

Als Grundschüler spielte Nico Max Richter schon Geige und als er zwölf war, begegnete er bei einem Konzert einem Komponisten und soll ausgerufen haben, dass er auch Komponist werden wolle. Tatsächlich begann er dass als Jugendlicher erste Stücke zu schreiben, und als er siebzehn war, wurde erstmals ein von ihm komponiertes Violinkonzert öffentlich aufgeführt. Alsbald brillierte er auch als Dirigent, und am 23. Juli 1937 wurde seine „Sinfonia Divertimento“ sogar von Radio Brüssel ausgestrahlt.

Mit der deutschen Besetzung der Niederlande geriet Nico Max Richter als Jude jedoch zunehmend unter Druck, durfte Ende 1941 nicht einmal mehr ein Studentenorchester leiten. Und in der Nacht vom 17. zum 18. April 1942 wurde er verhaftet, kam in niederländische Internierungslager, dann nach Auschwitz und schließlich ins KZ Dachau.

Zwar erlebte Nico Max Richter noch die Befreiung durch die Amerikaner und kam im Juli 1945 wieder in den Niederlanden an, diktierte noch zwei Sätze einer Serenade, war jedoch zu geschwächt und krank und starb vier Monate vor seinem dreißigsten Geburtstag.

 

 

 

Tom Simpson

* 30.11.1937 in Haswell, † 13.7.1967 am Mont Ventoux, englischer Radsportler

 

Der erste Radsportler, der nachgewiesen infolge Dopings starb, war Tom Simpson.

Auf der 13. Etappe der „Tour des France“ 1967 von Marseille nach Carpentras kollabierte Tom Simpson kurz vor dem Gipfel des Mont Ventaux, taumelte umher, stieg benommen wieder auf sein Rennrad, kurvte wenige Meter, stürzte, soll noch gesagt haben: „Setzt mich wieder auf mein Rad“ und war tot. Herzstillstand.

Noch immer werden die Bilder vom Sterben Tom Simpsons gern im Fernsehen gezeigt, nicht zuletzt bei aktuellen Reportagen über die „Tour de France“.

 

 

 

Johann Stamitz

* 17.7.1717 als Jan Václav Antonin Stamic in Deutschbrod, † (begraben) 30.3.1747 in Mannheim, böhmischer Geigenvirtuose und Komponist

 

Dieser Mann erfand die Mannheimer Rakete, Heureka!

Im Jahre 1743 ernannte Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz Johann Stamitz zum Konzertmeister der Mannheimer Hofmusik, in der er alsbald eine Violinklasse aufbaute und zum spiritus rector der Mannheimer Schule wurde. Als Komponist prägte er den Typus der Konzertmusik entscheidend mit und entwickelte Melodieformen, die dann Mannheimer Manieren, Mannheimer Walze, Mannheimer Seufzer, das Vögelchen oder eben Rakete (eine schnelle, aufsteigende, impulsgebende Tonfolge, gern auch von Mozart oder Beethoven genutzt) genannt wurden.

Also – einsteigen und anschnallen bitte! Doch wohin wird sie uns bringen, die Mannheimer Rakete?

 

 

 

Jean Vigo

* 26.4.1905 als Jean Bonaventure de Vigo Alnereyda in Paris, † 5.10.1934 ebd., französischer Filregisseur

 

Jean Vigos Werk besteht nur aus zwei Dokumentar- und zwei Spielfilmen: „À propos de Nice“ (1929), „Taris, roi de l’eau“ (1931), „Zéro de Conduite“ (1933“ und „L’Atalante“ (1934). Eine 1990 – 56 Jahre nach seinem Tod! - restaurierte Fassung von „L Atalante“ erlangte 1992 beim International Critics’ Top Ten Films Poll von „Sight & Souk“, der Zeitschrift des British Film Institute, den fünften Platz. Schau an!

Nicht von ungefähr also berufen sich Regisseure der Nouvelle Vague auf Jean Vigo. Françoise Truffaut beispielsweise sagte über die Entstehung von „L’Atalante“: „Man kann sich leicht ausmalen, dass er bei dieser Arbeit in einer Art von Fieber gewesen sein muss“.

Tatsächlich starb Jean Vigo im Alter von nur 29 Jahren, kurz nach Abschluss dieser Dreharbeiten an Tuberkulose, und „L’Atalante“ kam nur in einer gekürzten, verhunzten Fassung in die Kinos, wurde alles andere als ein kommerzieller Erfolg. Dann wurde jedoch die Originalfassung wiederentdeckt…

Bereits seit 1951 wird ihm zu Ehren der Prix Jean Vigo, so an Alain Resnais, Claude Chabrol oder Jesan-Luc Godard, verliehen. Jean Vigo ist auch Namenspatron des 1980 in Perpignan gegründeten Filminstituts, und 1998 wurde sein Leben unter dem Titel „Vigo – Passion for Life“ von Julien Andrew Temple verfilmt.

 

 

 

Stephen Bantu Biko

* 18.12.1946 in Tarkasted, Südafrika, † 12.9.1977 in Pretoria, südafrikanischer Bürgerrechtler

 

Peter Gabriel sang: „Oh Biko, Biko, because Biko / Yihla Moja, Yihla Moja / The man is dead / You can blow out a candle / But you can't blow out a fire / Once the flames begin to catch / The wind will blow it higher / Oh Biko, Biko, because Biko…”

Wikipedia weiß: „Biko beteiligte sich 1972 an der Gründung der Graswurzelbewegung Black Community Programmes (BCP), eines überregionalen Netzwerks gemeindebasierter Organisationen, und trat bei großen öffentlichen Versammlungen auf. 1973 verhängte die Apartheid-Regierung einen Bann über ihn, der mit scharfen Auflagen verbunden war: Er wurde überwacht, durfte seine Heimatstadt nicht verlassen und nicht mit mehr als einer Person gleichzeitig sprechen. […] Ab 1975 durfte er sich dann überhaupt nicht mehr politisch betätigen. Biko wurde mehrmals verhaftet, zuletzt am 18. August 1977. Man internierte ihn in einem Gefängnis in der nahegelegenen Stadt Port Elizabeth. Während der anschließenden tagelangen Verhöre im „Police-Room 6-1-9“ wurden ihm durch Folter schwere Kopfverletzungen zugefügt. […] Am 11. September 1977 wurde Biko nackt und bewusstlos in einem Polizeiwagen mehr als 1000 Kilometer nach Pretoria transportiert. Dort starb er in der folgenden Nacht im Gefängniskrankenhaus an seinen Verletzungen. Am 13. September 1977 wurde sein Tod bekannt gegeben, und Justizminister James Kruger behauptete zunächst, der Tod sei Folge eines Hungerstreiks. Nach einer gerichtlich angeordneten Untersuchung verneinte ein Gericht am 2. Dezember 1977, dass Biko an den Folgen der Verletzungen gestorben sei, die ihm in Port Elizabeth zugefügt worden waren. […] Zu einer Anklage wegen Mordes oder Totschlags kam es gleichwohl nicht.“

Immer wieder sang Peter Gabriel: „September '77 / Port Elizabeth weather fine / It was business as usual / In police room 619 / Oh Biko, Biko, because Biko…”

Und Wikipedia weiß weiter:  „Die gewaltsame Tötung Bikos führte zu einem internationalen Eklat. Biko wurde zu einem Symbol der Widerstandsbewegung gegen das Apartheid-Regime. […] Der UN-Sicherheitsrat reagierte mit einem Waffenembargo gegen Südafrika.

Beim Solidaritäts-Konzert für Nelson Mandela am 11. Juni 1988 im Londoner Wembley-Stadion, das in 60 Länder live ausgestrahlt wurde sang Peter Gabriel auch „Biko“, eindringlich. Nelson Mandela wurde am 11. Februar 1990 nach 27-jähriger Haft in Südafrika aus dem Gefängnis entlassen.

You can blow out a candle / But you can't blow out a fire / Once the flames begin to catch / The wind will blow it higher / Oh Biko, Biko, because Biko…”

 

 

 

Tamara Bunke

* 19.11.1937 als Haydée Tamara Bunke Bider in Buenos Aires, Kampfnahme: Tania, † 31.8.1967 in Vado del Yeso, Bolivien, Revolutionärin

 

Tamara Bunkes Eltern flohen 1935 vor den Nazis nach Argentinien, kehrten 1952 aber mit ihrer im Exil geborenen Tochter, nach Deutschland zurück, in die DDR. Und nachdem Tamara Bunke hier eines Tages für Che Guevara, der wie sie in Buenos Aires auf die Welt gekommen war, gedolmetscht hatte, wollte sie partout zurück nach Lateinamerika, wollte schließlich an Ches Seite helfen, diesen Kontinent ein wenig gerechter zu machen, die Ausbeutung zu stoppen.

Nach Tamaras, nach dem Tod der Guerilla Tania schrieb der damalige bolivianische Innenminister, Antonio Arguedas Mendieta, der zwar mit der CIA verbändet war, doch immerhin dafür sorgte, dass die Totenmaske, das Tagebuch und die abgehackten Hände Ches nach Kuba gelangten, einen Brief an Tamaras Eltern: „Tania war ein intelligentes Mädchen, das lange Zeit in den exklusiven Kreisen der ‚oberen Gesellschaft’ und der bolivianischen Politik gearbeitet hatte, ohne daß jemand von ihrer revolutionären Arbeit etwas vermutet hätte. […] Tania war eine Frau, deren Tüchtigkeit auf ihrer Intelligenz, ihrem revolutionären Willen und ihrer großen Selbstkontrolle bei einem schweren Auftrag, der ihr übertragen worden war, beruhte.“ Und Arguedas schilderte die Umstände ihres Tode im Río Grande, die letzten Augenblicke ihres Lebens: „Als Tania aus dem Gestrüpp heraustritt, um ins Wasser zu steigen, sehen die Soldaten, die sich verborgen halten, zum ersten Mal die Frau, deren gebieterische Stimme sie bereits kennen. Sie, eine blonde Frau, die aus dem Urwald auftaucht, schmal geworden durch die Entbehrungen des Kampfes, erscheint ihnen wunderschön. Sie trägt eine Hose aus Tarnstoff, Soldatenstiefel, eine grünweiß gestreifte, sehr ausgeblichene Bluse, einen Rucksack und hat ein Maschinengewehr umgehängt. Man hört die ersten Schritte aus dem Hinterhalt. Tania hebt die Arme, um das Maschinengewehr über den Kopf zu reißen und zu schießen. Man weiß nicht, ob sie geschossen hat. Einer der Soldaten, Vargas, feuert einen Schuß ab, die Kugel durchbohrt ihre Lunge. Tania sinkt ins Wasser und mit ihr der Arzt Negro. […] Tania hat man damals nicht gefunden. Als der Arzt Negro sieht, daß Tania verwundet ist, will er sie retten und läßt sich von der Strömung mitreißen. Der Arzt steigt ans Ufer und schleppt den Körper der Partisanin. Als er erkennt, daß sie tot ist, läßt er den Leichnam am Ufer liegen und streift umher, bis er von Soldaten mit Fährtenhunden entdeckt wird. Der Arzt wird von dem Sanitäter der Streife erschossen, die ihn gefangengenommen hat. Die Soldaten setzen die Suche nach Tania fort und finden ihren Leichnam nach sieben Tagen am Ufer. Man fand ebenfalls den Rucksack.“

Darin fand man einen, von Tamara nicht zu Ende geschriebenen Brief: „Ich weiß nicht, was aus mir werden soll. Wahrscheinlich nichts. Ich versuche mich daran zu erinnern, wie es ist, wenn man Courage hat. Ich bin ein Nichts. Ich bin nicht einmal mehr eine Frau, kein Mädchen, nur noch ein Kind.“

Tamaras sterbliche Überreste wurden schließlich nach Kuba überführt und im Dezember 1998 in der Gedenkstätte für Che und seine bolivianische Guerilla in Santa Clara feierlich beigesetzt. Und nach ihr wurde der Asteroid 2283 des inneren Hauptgürtels benannt: Bunke.

 

 

 

Marc Bolan

* 30.9.1947 als Marc Feld in Hackney, London, † 16.9.1977 in Barnes, London, britischer Rockmusiker

 

“Well you’re built like a car / You’ve got a hubcap diamond star halo / You’re built like a car, oh yeah /… You’re dirty, sweet and you’re my girl / Get it on, bang a gong, get it on…“, sang Marc Bolan – „Du bist wie ein Auto gebaut / Du hast einen Radkappenstern-Heiligenschein / Du bist dreckig, süß und du bist mein Mädchen / Mach es an, knall einen Gong, mach es an…“

Wer aus dem Londoner East-End kam, sich als Model, Kleindarsteller und Autor von Hexenmeister-Geschichten nach oben zu arbeiten versuchte, musste wohl eines Tages im Glitzeranzug mit Federboa und Damenschuhen mit einer Band auf der Bühne landen, als Begründer des „Glam-Rock“ gelten. Doch trotz 40 Millionen verkaufter T-Rex-Platten begann er sich zunehmend statt für makrobiotisches Essen für Drogen und Alkohol zu interessieren. Und nach einem Restaurantbesuch kam er schließlich bei einem Autounfall ums Leben, Gloria Jones, sein „Mädchen“, hatte den Wagen gefahren und überlebte schwerverletzt.

„Strange, life is strange, life is strange / Oh, life is strange / Oh god, life is strange / People come and people go / Some move fast und some move sow / … Strange life ist strange, life is strange / Oh, life is strange.”

 

 

 

Christine Chubbuck

* 24.8.1944 in Hudson, Ohio, † 15.7.1974 in Sarasota, Florida, amerikanische Fernsehmoderatorin

 

Ende Juni 1974 fragte die Fernsehmoderatorin Christine Chubbuck ihren Chefredakteur, ob sie mal „was über Suizid“ senden dürfe. Nachdem der ihr das zugesagt hatte, interviewte sie den Selbstmord-Verantwortlichen der örtliche Polizei und erfuhr, , dass eine der effektivsten Methoden für einen Suizid der Gebrauch eines 38er-Rvolvers mit einem Wadcutter-Geschoss sei. Zudem sollte man die Waffe nicht gegen die Schläfe, sondern gegen den unteren Hinterkopf richten.

Als sie dann am 15. Juli 1974 live bei „Suncoast Digest“ auf Sendung war, sagte sie um 9:38 Uhr: „Übereinstimmend mit der Tradition von Channel 40, Ihnen die aktuellen Blut- und Ekelneuigkeiten live und in Farbe zu bringen, sehen Sie nun eine weitere, einen versuchten Suizid.“ Dann zog sie ihren 38er Revolver und schoss sich in den unteren Hinterkopf. 14 Stunden später starb sie im Krankenhaus.

Das Script, das die schwer depressive Christine Chubbuck zu dieser Sendung geschrieben hatte, beschrieb detailliert, wie man sie ins Krankenhaus fahren würde und wie man erklären würde, dass ihr Zustand kritisch sei. Auch verabschiedete sie sich von den Kollegen und bekräftigte ihre Entscheidung zur öffentlichen Selbsttötung.

 

 

 

Roland Garros

* 6.10.1888 in Saint-Denis, Réunion, † 5.10.1918 bei Vouziers, Ardennen, französischer Luftfahrtpionier

 

Durch Berichte über Tennis-Tourniere hatte ich den Namen Roland Garros schon gehört. Überrascht war ich jedoch, als ich diesen Namen in einem reichlich entlegenen Winkel der Welt las und sogar ein Denkmal für Roland Garros entdeckte: auf Réunion. Logischerweise wurde auch der Flughafen dieses französischen Übersee-Departements nach diesem französischen Flieger benannt. Und keine Frage, das war beileibe nicht meine einzige Entdeckung auf dieser Vulkaninsel:

Reunion, Februar 2020: Inselrundfahrt im Bus. Durch die Inselhauptstadt St. Denis nach St. Andre an der Ostküste. Stopp an einem Hindu-Tempel, den wir aber nicht betreten dürfen, da hier ab Mittag das Muruga-Fest gefeiert wird, zehn Tage lang, und jetzt am Vormittag alle Götterfiguren prächtig mit Blumenkränzen geschmückt werden. Weiter nach St. Anne zu einer neobarocken, katholischen Kirche, natürlich nicht farbenfroh, doch mit fast hinduistischer Zier. Wie auf Mauritius leben auf Reunion Angehörige verschiedenster Religionen friedlich, ja, respektvoll, miteinander. 55% der Inselbevölkerung sind Christen, katholische wie protestantische, 25% Hindus, 13% Moslems, die restliche 7% laufen unter „Verschiedene“. Wichtig hierfür dürfte u.a. sein, dass seit zwei-, dreihundert Jahren, seit der Besiedlung der Insel, die Bevölkerungsgruppen sich ständig weiter vermischen. Unser hervorragender Guide David bietet dafür ein gutes Beispiel: Sein Vater ist Madagasse, erklärt er, seine Mutter Französin. Und auf meine Frage, warum er so gut Deutsch spricht, lacht er: da er mit einer Österreicherin verheiratet sei.

Weiter entlang der sattgrünen, regenreichen Ostküste, durch Zuckerrohrelder nach Piton St. Rose. In einer Nacht des Jahres 1977 wälzte sich nach einem überraschenden Ausbruch des nahen Vulkans Piton de la Fournaise ein Lavastrom durch den Ort, umfloß die Kirche, begann in sie einzudringen, doch - stoppte hier urplötzlich. Die Kirche heißt nun Notre Dame des Lavas und kann als Wunder besichtigt werden. 28 Häuser des Ortes verschwanden damals, auch das einstige Gefängnis deckt seitdem ein schwarzes Lavafeld…

Weitere zur Ostspitze der Insel, zur Ansel des Cascades, wahrhaft malerischer Ort: von hohen bewaldeten Klippen stürzen Wasserfälle in die Bucht, hochaufspritzende Gischt, schwer gegen das schwarze Lavagestein klatschende, aus den Weiten des Indiks anrollende Wogen. Mango- und Litschie-Bäume, Riesenbambus, Elefantenfusspalmen. Und Vögel über Vögel: knallrote Kardinale, knallgelbe Webervögel, braun-gelbe indische Stare, und – unglaublich – reinweiße Tropikvögel!

Auch das folgende Mittagsmahl ist grandios exotisch: frittierte Yamsblat-Bällchen, überbackene Jackfrucht mit Speck, Fisch in Mangosauce, Huhn kreolisch… Und dann stehen etliche Glasbehälter voller Rum mit eingelegten Früchten zur Verkosten bereit: Rum mit Rosenapfel, Rum mit Vanille, Rum mit kleinen, grünen Tomaten und diverse weitere Sorten, die wunderbar munden, von denen ich allerdings nicht weiß, was ich da trinke, nein, diese Geschmäcke kann ich nicht zuordnen. Der Wirt, ein Inder offenbar, freut sich ob meiner Probierfreude. Nein, nein, kein Aufpreis Sir, alles inklusive!

Weiter durch ein ausgedehntes Lavafeld, La Grand Brûlé. David hat auf seinem Tablet sogar ein selbstaufgenommenes Video vom letzten Ausbruch des Piton de la Fournaise im Oktober 2019 dabei. Und tatsächlich sehen wir’s heute weitoben im Lavafeld durch den einsetzenden Regen sogar noch dampfen!

An der Südküste stoppen wir am Cap Méchant, einer weiteren eindrucksvollen Lavabucht mit steilen Klippen und Vacoa-Bäumen, und schließlich noch an der Grand Anse, einer der wenigen Sandstrände der Insel. Zurück in Le Port sind wir 220 Kilometer gefahren, waren gut neun Stunden unterwegs.

Der Schriftsteller Axel Gauvin, in Deutschland bekannt geworden vor allem durch seinen Roman „Kindheitshunger“, sagt über die Literatur seiner Heimatinsel: Wir haben auf La Réunion eine Literatur, die sehr alt ist – verglichen mit der Zeit seit der Bevölkerung der Insel. Unsere Literatur datiert aus dem 18. Jahrhundert. Wer damals schrieb, schrieb allein auf Französisch und hatte einen Teil seines Lebens in Frankreich verbracht. Was diese Autoren schrieben, bezeichnen wir natürlich gern als Literatur La Réunions, aber es ist insgesamt auch ein Teil der französischen Literatur – wenngleich mit besonderen Akzenten. Der größte und bekannteste Poet von La Réunion, Charles Marie Le-Comte des Lisle, war Gründer einer Schule von französischer Prägung. Wenn man nun Kritiken liest, überwiegend negative Kritiken aus dieser Epoche, dann nimmt man wahr, dass man ihm einen indischen Einfluss, einen bizarren Tonfall vorwarf. Die Sprache, die diese alten Autoren nutzten, die Themen, die sie entwickelten, waren also zwar französisch, aber sie schrieben irgendwie anders. Seit etwa 1950 hat die Literatur La Réunions eine andere Koloratur. Nein, dieses Wort Koloratur ist zu schwach, denn diese Literatur stellte einen Wendepunkt dar. Heute nämlich, das man auf Französisch und auf Kreol schreibt, spricht man von einer ‚littérature réunionnaise’. Selbst diejenigen, die auf Französisch schreiben, wissen, dass sie Réunnionnais sind. Im Gegensatz zu anderen Ländern vergewissert sich der Großteil unserer Schriftsteller immer dessen, was sie sind. Das ist keine Suche nach Identität… Wir sind extrem glücklich zu wissen, wer wir sind! Unser Problem besteht eher darin, in unserer Identität von anderen anerkannt zu werden.“

 

 

 

Jan Kubiš

* 24.6.1913 in Dolní Vilémovice, † 18.6.1942 in Prag, tschechoslowakischer Soldat

 

Jan Kubiš führte gemeinsam mit Jozef Gabčik das einzige erfolgreiche Attentat auf einen führenden Nazi aus, auf Reinhard Heydrich.

In den 1930er Jahren war Jan Kubiš in die tschechoslowakische Armee eingetreten, ging nach der deutschen Besetzung seines Landes in den Untergrund, wurde von der Gestapo verhaftet, konnte jedoch fliehen, schloss sich der Französischen Fremdenlegion an, kämpfe in Dünkirchen, wurde evakuiert und Mitglied der britischen Special Operations Executive, sprang mit dem ein Jahr älteren Jozef Gabčik am 28. Dezember 1941 über dem Protektorat Böhmen und Mähren mit dem Fallschirm ab.

Am 27. Mai 1942 gelang es den beiden, Heydrich schwer zu verwunden, der dann am 4. Juni 1942 starb. Jan Kubiš und Jozef Gabčik versteckten sich in der Prager Cyrill-und-Method-Kirche, wurden aber verraten und starben bei einem Feuergefecht am 18. Juni 1942.

24 Familienmitglieder von Jan Kubiš, darunter sein Vater und alle seine Geschwister, wurden im KZ Mauthausen ermordet. Und die Nazis führten eine üble Rache-Aktion für den Tod Heydrichs aus, machten das Dorf Lidice dem Erdboden gleich, erschossen 199 männliche Einwohner und deportierte 195 Frauen ins KZ Ravensbrück, wo 52 von ihnen ums Leben kamen. Von den von ihren Müttern getrennten Kindern wurden 82 umgebracht, die meisten im KZ Kulmhof, 10 Kinder sollten im Lebensborn germanisiert werden.

Mehrere Orte und Stadtteile weltweit nahmen den Namen Lidice an, nachdem das Schicksal dieses tschechoslowakischen Dorfes bekannt geworden war: in Brasilien, Illinois, Israel, Kuba, Mexiko, Panama, Peru und Venezuela.

 

 

 

Percy Bysshe Shelley

* 4.8.1782 in Field Place, Sussex, † 8.7.1822 im Golf von LivornoMeer bei Viareggio, englischer Dichter

 

„Das Bild Shelleys ist in der englischen Dichtung noch immer schwankend, es begegnen sich überschwängliche Verehrung und herablassende Anerkennung. Zweifellos sind heute die Leser und Kritiker, die ihn zu den größten Dichtern der englischen wie auch der Weltliteratur rechnen, in der Mehrzahl. Aber im Für und Wider der Meinungen spiegelt sich auch jetzt noch eine Konstellation, die den extremen Standpunkten zu Shelleys Lebzeiten und noch lange danach, ja eigentlich bis in die erste Hälfte unseres Jahrhunderts ähnelt. In den zwölf Jahren seines jäh abgebrochenen dichterischen Wirkens veröffentlichte er zwei Romane, neun Gedichtbände, vier dramatische Werke, fünf Traktate und einen Reisebericht sowie zahlreiche verstreute Gedichte, Rezensionen und Artikel. Auf Grund dieser nur erst den Beginn einer vielversprechenden Dichterlaufbahn anzeigenden Veröffentlichungen und von Berichten über seine Lebensführung wurde der Poet von den Universitäts-, Staats- und Kirchenbehörden als ‚Atheist’ und gefährlicher Aufrührer verfolgt. Die konservativen Literaturjournale verfemten ihn als sittenlosen Außenseiter und unverständlichen Wirrkopf. Von liberalen Gesinnungsgenossen oft missverstanden, von der Familie ausgestoßen, konnte sich Shelley nur auf seinen Glauben an die eigene poetische und politische Mission, auf die Liebe und Treue eines kleinen Kreises von guten Freunden stützen“, schrieb Horst Höhne 1985 in seinem Vorwort einer Insel-Verlag-Ausgabe ausgewählter Werke Percy Bysshe Shelleys.

In seiner „Verteidigung der Poesie“ wird Shelleys Anspruch an die Dichtung und somit an sich selbst deutlich, nachdem der Dichter zu erfüllen habe, was die Religion nur vortäusche, die wahre Prophetie: Denn er schaut nicht nur klar die Gegenwart, wie sie wirklich ist, und deckt die Gesetze auf, nach denen das gegenwärtige Leben geordnet werden sollte, sondern erkennt auch die Zukunft in der Gegenwart, und seine Gedanken sind die Keime der Blüte und die Frucht letzter Zeit.

Und in seinem Vorwort zu „Der entfesselte Prometheus“ sagt Shelley: Ein Dichter ist das gemeinsame Produkt jener inneren Kräfte, die das Wesen anderer verändern, und solcher äußeren Einflüsse, welche diese Kräfte anregen und erhalten. Er ist nicht eines, sondern beides. Was dies betrifft, so wird der Geist jedes Menschen von allen Gegenständen der Natur und Kunst modifiziert, von jedem Wort und jedem Gedanken, dem er jemals erlaubte, auf sein Bewußtsein zu wirken; er ist der Spiegel, der alle reflektiert und in dem sie eine einzige Form bilden. Dichter, nicht anders als Philosophen, Maler, Bildhauer und Musiker, sind in einem Sinne die Schöpfer, in einem anderen ebenso die Schöpfungen.

Oft zitiert – und keinesfalls nur von Frauen - wurden und werden Zeilen aus Shelleys „Alastor“:

 

Kann frei der Mann sein, wo das Weib geknechtet?

Kannst Du den Lebenden, der Himmelluft

Atmet, an dumpfe Grabesfäule ketten?

Kann Unterdrückung schütteln ab, wer selbst

Gepaart mit Wesen, die, dem Tiere gleich,

Verachtet und zertreten? Träf’ den Sieger nicht

Am eignen Herd der Fluch in Weibsgestalt,

Aufs neu Verbrechen zu erzeugen, wieder

Zu baun des Glaubens eingestürzten Tempel?

 

Shelleys Frau Mary, weltberühmt geworden als Verfasserin des „Frankenstein“, schrieb nach dem frühen Tod ihres Mannes: „Shelley liebte das Volk, und er schätzte es, da es oft tugendhafter, stets mehr leidend war und daher mehr Zuneigung verdiente als die Großen. Er glaubte, daß ein Zusammenstoß zwischen den beiden Klassen der Gesellschaft unvermeidlich sei, und er stellte sich voll Eifer auf die Seite des Volkes. Er hatte vor, eine Reihe von Gedichten zu veröffentlichen, die ausdrücklich so verfaßt waren, daß sie seine Lebensbedingungen und das ihm angetane Unrecht in den Vordergrund rückten.“

Dieses Vorhaben vermochte Shelley jedoch nicht mehr zu realisieren, ebenso wenig die Herausgabe einer Zeitung namens „The Liberal“, deren Gründung er unter anderem mit seinem Freund Lord Byron in Livorno besprochen hatte. Auf dem Rückweg von diesem Treffen ertrank Percy Bysshe Shelley neunundzwanzigjährig bei einem Bootsunglück bei Viareggio.

 

Gesang an die Männer Englands

 

I

Männer Englands, warum pflügen

Für die Herren, die euch betrügen?

Warum webt mit Müh und Bangen

Ihr das Prunkkleid für Tyrannen?

[…]

IV

Habt ihr Muße, Glück und Friede,

Nahrung, Obdach, Trost der Liebe?

Oder was erkaufen teuer

Angst und Pein, die ewig euer?

[…]

VIII

Mit Webstuhl, Hacke, Pflug und Spaten

Wird euer Grab euch wohlgeraten,

Und webt das Leichentuch; es gab

Das schöne England euch das Grab.

 

 

Klub 27

 

Die Idee für dieses Buch erwuchs nicht zuletzt aus dem „Klub der 27-jährigen“, einer Auflistung anglo-amerikanischer Rock-Stars, die verbindet, im Alter von 27 Jahren gestorben zu sein, mehr oder weniger spektakulär und zur Legendenbildung beitragend, Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Brian Jones, Janis Joplin, Jim Morrison, Amy Winehouse…

Allein anhand dieses Buches könnte jene Liste aber beträchtlich und nicht nur quantitativ erweitert werden (und vielleicht sogar zum Nachdenken über ähnliche Listen – „Klub 19?“ „Klub 23“, „Klub 29“?) anregen:

 

Navid Afkari, iranischer Ringer

Neda Agha-Soltan, iranische Studentin

Delmira Agustini, uruguayische Dichterin

Henri Alain-Fournier, französischer Schriftsteller

John William Alcock, britischer Pilot

Alexandra, deutsche Sängerin

Alexandros, griechischer König

Aldo Ballarin, italienischer Fussballer

Alexander N. Baschlatschow, sowjetischer Liedermacher

Jean-Michel Basquiat, amerikanischer Graffitikünstler

Stefan Bellof, deutscher Rennfahrer

Jesse Lorenzo Belvin, amerikanischer Sänger

Karl Moritz von Beurmann, deutscher Forscher

Jonathan Gregory Brandis, amerikanischer Schauspieler

Rupert Brooke, englischer Dichter

William Hill Brown, amerikanischer Autor

Rodrigo Alejandro Bueno, argentinischer Sänger

Louis Chauvin, amerikanischer Ragtime-Pianist

Camilo Cienfuegos, kubanischer Revolutionär

Kurt Cobain, amerikanischer Rock-Musiker

Hermann Conradi, deutscher Schriftsteller

Hans Cranach, deutscher Maler

Dagobert II., Merowinger König

Jean Charles de Menezes, brasilianisches Antiterror-Opfer

Isabelle Eberhardt, Schweizer Schriftstellerin

Richey James Edwards, walisischer Rock-Musiker

Valentín Elizalde, mexikanischer Sänger

Gerrit Engelke, deutscher Arbeiterdichter

Andrés Escobar Saldarriaga, kolumbianischer Fußballspieler

Fat Pat, amerikanischer Rapper

Rainer Maria Gerhardt, deutscher Autor

Maksymilian Gierymski, polnischer Maler

Thomas Girtin, englischer Maler

Cheíto Gonzáles, puerto-ricanischer Komponist

Johann Christian Guenther, deutscher Lyriker

Pete Ham, britischer Rock-Musiker

Robert Emmett Harron, amerikanischer Schauspieler

Leslie „Les“ Cameron Harvey, schottischer Rock-Gitarrist

Wolfgang Hellmert, deutscher Lyriker

Jimi Hendrix, amerikanischer Rock-Gitarrist

Georg Heym, deutscher Lyriker

Ludwig Christoph Heinrich Hölty, deutscher Dichter

Zygmunt Zenon Idzikowski, polnischer Lyriker

Robert Georg Adolf Alfred Jentzsch, deutscher Mathematiker

Robert Johnson, amerikanischer Blues-Musiker

Brian Jones, britischer Rock-Gitarrist

Linda Jones, amerikanische Soul-Sängerin

Jonghyun, koreanischer Sänger

Janis Lyn Joplin, amerikanische Rock- und Blues-Sängerin

Karl Heinz Wilhelm Kapelle, deutscher Widerstandskämpfer

Christian Wilhelm Kindleben, deutscher Schriftsteller

Franz Alexander von Kleist, deutscher Dichter

Benno König, deutscher Luftfahrtpionier

Karlrobert Kreiten, Pianist, deutsches Justizopfer

Ján Kuciak, slowakischer Journalist

Jules Laforge, französischer Dichter

Hugo von Langenstein, deutscher Dichter

Alexandre Levy, brasilianischer Komponist

Lu Haodong, chinesischer Revolutionär

Adam Lux, deutscher Revolutionär

August Macke, deutscher Maler

Masacchio, italienischer Maler

Masaniello, italienischer Aufständischer

Rudolf Mayer, tschechischer Schriftsteller

Ron McKernan, amerikanischer Rock-Musiker

Silvio Meier, deutscher Aktivist

Justin Michael Mentell, amerikanischer Schauspieler

Joseph Merrick, der „Elefantenmensch“

Steffen Meyn, deutscher Dokumentarfilmer

Jacob Miller, jamaikanischer Reggae-Sänger

Christian Morgenstern, deutscher Musiker

Rudolf Moroder, südtiroler Bildhauer

Jim Morrison, amerikanischer Rock-Sänger und Lyriker

Pjotr Nikolajewitsch Nesterow, russischer Pilot

Persius, römischer Dichter

Kristen Pfaff, amerikanische Rock-Musikerin

Henri Regnault, französischer Maler

Isaac Rosenberg, britischer Maler und Dichter

Jeremy Ruehlemann, amerikanischer Influencer

Sado, koreanischer Prinz

Bobby Sands, nordirischer Politiker

Lutz Schreyer, deutscher Hochseilartist

Amatore Sciesa, italienischer Freiheitskämpfer

Paul Adolf Seehaus, deutscher Maler

Getrud Seele, deutsche Widerstandskämpferin

Elisabetta Sirani, italienische Malerin

Dash Snow, amerikanischer Künstler

Emil Friedrich Julius Sommer, deutscher Germanist

Tito Speri, italienischer Freiheitskämpfer

Wassili Iwanowitsch Sternberg, ukrainischer Maler

Karl August Tavaststjerna, finnischer Schriftsteller

Lily Tembo, sambische Musikerin

Gary Thain, neuseeländischer Rock-Bassist

Meenakshi Thapar, indische Schauspielerin

Georg Trakl, österreichischer Dichter

Túpac Amaru, letzter Inka-Herrscher

Jane Coleman Turell, neuenglische Dichterin

Lara Victoria van Ruijven, niederländische Eisschnelläuferin

Douglas „Doug“ Watkins, amerikanischer Jazz-Bassist

Freidrich August Weineck, deutscher Arbeiter-Musiker

Dorrit Weixler, deutsche Schauspielerin

Alan „Blind Owl“ Christie Wilson, amerikanischer Blues-Musiker

Amy Winehouse, britische Rock-Sängerin

Marco Aurelio Yano, brasilianischer Komponist

Samuel Kofi Yeboah, ghanischer Migrant

Anton V. Yelchin, russisch-amerikanischer Schauspieler

Mia Katherine Zapata, amerikanische Punk-Sängerin

 

 

Zitate aus:

(soweit nicht direkt in den jeweiligen Texten ausgewiesen)

 

Alain-Fournier, Henri „Der große Meaulnes“

Asturia, Miguel Ángel „Legenden aus Guatemala“

Azzelini, Dario „Wer erschoss Carlo Giuliani?“

Baumgartner, Mira „Die Täufer und Zwingli“

Bechstein, Ludwig „Deutsches Sagenbuch“

Bloom, Harold „Christopher Marlow“

Blunk, Jürgen  „Vom Leben trennt dich Schloss und Riegel..."

Borchert, Wolfgang „Die Hundeblume“

Braun, Vogelstein „Otto Braun, aus nachgelassenen Schriften eines Frühvollendeten"

Britz, Nikolaus „Der Expressionismus und sein sein österreichischer Jünger Hans Kaltneker“

Campus, Alex „Himmelstürmer“

Camus, Albert „Der Mensch in der Revolte"

Crane, Stephen „Kleine Romane und Erzählungen“

Crane, Stephen „Schwarze Reiter“

Decker, Gunnar „Georg Heym. ‚Ich, ein zerrissenes Meer’“

Deen, Helga  „Wenn mein Wille stirbt, stereb ich auch"

Densmore, John „Riders on the Storm“

Dietrich von Apolda „Vita sanctae Elisabethae“

dos Santos, Lucia „Die Aufrufe der Botschaft von Fatima“

Engelke, Gerrit „Rhythmus des neuen Europa“

Engels, Mathias T.: „August Macke. Monographien zur rheinisch-westfälischen Kunst der Gegenwart“

Fischer, Lothar „Anita Berber…“

Flaubert, Gustave „Madame Bovary"

Fraser, Antonia „Die sechs Frauen Heinrich VIII.“

Gaertner, Joachim „Die seltsamen Tagebücher der Columbine-Täter“

Gass, Karl „Zielt gut, Brüder! Das kurze Leben des Maximilian Dortu“

Goergen, Peter „Willi Graf – ein Weg in den Widerstand“

Goldberg, Danny „Erinnerungen an Kurt Cobain“

Grzeszyk, André „Unreine Bilder: Zur medialen (Selbst)Inszenierung von School Shootern“

Grzimek, Bernhard „Serengeti darf nicht sterben. 367 000 Tiere suchen einen Staat“

Guevara, Ernesto „Bolivianisches Tagebuch“

Haasis, Helmut G. „Tod in Prag…“

Hauff, Wilhelm „Werke in zwei Bänden“

Heuwinkel, Ch./Wagner, Ch.  „Hermann Stenner..."

Heym, Georg „Das Werk“

Hochhuth, Rolf „Tell 38. Er wollte Hitler töten“

Izadi, Karim „Mahsa Amini" 

Jankofsky, Jürgen/Thet, Sonny „Anna und Sovanni. Eine deutsch-kambodschanische Geschichte“

Jankofsky, Jürgen u.a. „Eine Handvoll Asche. Texte armenischer Autoren, Opfer des Genozids 1915“

Eine Handvoll Asche”

Johnson, Devon u.a. (Hrsg.): “Deadly Injustice: Trayvon Martin,

Race, and the Criminal Justice System”

Johnson, Freddie Lee „Tupac Shakur“

Jungk, Robert „Heller als tausende Sonnen“

Just, Rainer u.a. (Hrsg.): „Vorboten der Barbarei. Zum Massaker von Utøya“

Karlauf, Thomas „"Stefan George..."

Kerner, Johann Georg „Jakobiner und Armenarzt”

Kielar, Wieslaw "Anus Mundi. Fünf Jahre Auschwitz"

Kim, Jaihiun Joyce „Classical Korean Poetry“

Klingenstadt Solingen „Broschüre mit Reden zum 25. Jahrestag im Gedenken an die Opfer des Solinger Brandanschlags“

Klipstein, Editha „Über Marie Bashkirtseff" 

Kloosterhuis, Jürgen "Katte..."

Lederer, Jiří: „Jan Palach. Ein biographischer Bericht.“

Lexikon des internationalen Films

Literaturhaus Halle (Hg.): „Wovon man spricht…“

Mann, Klaus "Ricki Hallgarten. Radikalismus des Herzens"

Maurois, André „Die Geschichte Amerikas“

Michelstaedter, Carlo „La persuasione e la rettorica“

Museumsführer Hemingway-Haus Key West

Ney-Hellmuth, Petra „Der Fall Anneliese Michel"

Panitz, Eberhard „Der Weg zum Rio Grande“

Peters, Butz „Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF“

Prescott, William „Die Eroberung Mexikos"

Probst, Ernst „Machbuba. Die Sklavin und der Fürst“

Reade, Brian „Beardsley"

Richard, Felix „Das Schicksal der 11 Schillschen Offiziere“

Rojas, Marta u.a. „Tania La Guerrillera“

Rosenstiel, Léonie „Lili Boulanger. Leben und Werk“

Russell, J.R. „Bosphorus Nights: The Complete Lyric Poems of Bedros Dourian”

Schäfer, Eckart (Hg.) „Johannes Secundus..."

Scheuer, Klaus „Bix Beiderbecke…“

Schilde, Kurt „Marianne Cohn..."

Schmidt, Arno „Aus dem Leben eines Fauns“

Schröder, Friedrich „Claude Le Petit“

Schwarz, Sybilla „Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden“

Shelley, Lore „The Union Kommando in Auschwitz"

Siebert, Rüdiger „Indonesien. Inselreich in Turbulenzen“

Soukup, Uwe „Ein Schuss, der die Republik veränderte“

Soupault, Philippe „Lautréamont. Etude, extraits, documents, bibliographie“Soyfer, Jura „Die Ordnung schuf der liebe Gott“

Stamm, Karl „Dichtungen“

Stein, Frank N. „Rasputin“

Steizinger, Johannes (Hg.) „Christoph Friedrich Heinle"

Steward. Ian „Größen der Mathematik“

Striedinger, Ivo „Hauser Kaspar, der ‚rätselhafte Findling’“

Takuboku, Ishikawa „Einsamer als der Wandersmann”

Tate, Sue „Pauline Boty“

The Beatles „The Beatles Anthology“

Tiz, Enis „Der Fall Sürücü..."

Vinke, Hermann "Cato Bontjes van Beek..."

Wagner, Sonja „Gary Thain, Meister der tiefen Töne“

Wawerzinek, Peter „Das Desinteresse. Festschrift für einen Freund“

Wensierski, Peter  „Jena-Paradies. Die letzte Reise des Matthias Domaschk"

Wieland, Christoph Martin „Werke“

Wikipedia

Winegard, Timothy C. „Die Mücke“

Wittke, Otto „Gassen und Sterne”

Wolf, Donald H. „The Black Dahlia Files“

Woods, Donald „Steve Biko“

Ziegler, Gudrun „Das Geheimnis der Romanows“

 

 

 

Inhaltsverzeichnis alphabetisch:

 

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Henri Gaudier-Brzeska

Rainer Maria Gerhardt

Peaches Geldof

Saime Genç

Richard Gerstl

Deniz Gezmiş 

Lary Gilges

Alessandra Giliani

Carlo Giuliani

Georg Gloger

Piero Gobetti

Andrew Goodman

Sebastião Rangel Gomes 

Cheíto Gonzáles

Maria Goretti

Wilhelm „Willi“ Graf

Jane Grey

Christina Victoria Grimmie

Michael Grzimek

Paulo Paulino Guajajara

Chris Gueffroy

Hasret Gültekin

Karoline von Günderode

Harry Nicolas Gunther

Johann Christian Günther

Waladenia Gutscher

Ilan Halimi

Richard Hallgarten

Pete Ham

Patrick Hamilton

Fred Hampton

Lu Haodong

Jean Harlow

Robert Emmett Harron

Caroline Hartmann

Les Harvey

Cheb Hasni

Stan Hasselgård 

Wilhelm Hauff

Kaspar Hauser

Heidi Hazell

Jeanne Hébuterne

Ernest Hemingway

Christian Henrich Heinecken

Christoph Friedrich Heinle

Jimi Hendrix

Heo Chohui

Javier Heraud

John-Erik Hexum

Georg Heym

Helmut "Helle" Hirsch

Viktor Hofmann

Buddy Holly

Matthias BAADER Holst

Ludwig Christoph Heinrich Hölty

Friedrich Konrad Hornemann

Catherine Grey

Hugo von Langenstein

Reinhold Paul Huhn

Meredith Hunter

Wassili Iwanowitsch Ignatenko

Brigitte Irrgang

Ishikawa Takuboku

Itō Noe

Iwan Iwanowitsch

Emilio Jacinto

Juraj Jánošik

Karl Wilhelm Jerusalem

Dembo Jobarteh

Johann Ernst IV.

Johannes XII.

Nkosi Johnson

Robert Johnson

Brian Jones

Jonghyun

Kristján Jónsson Fjallaskáld

Janis Lyn Joplin

Nafisa Joseph

Anandi Gopal Joshi

Rolf Werner Juhle

Helmut Just

Hans Kaltneker

Sarah Kane

Heinz Kapelle

Vitězslava Kaprálová 

Raden Adjeng Kartini

Hans Hermann von Katte

John Keats

Trintje Keever

Mya Thwe Thwe Khine

Amadeu António Kiowa

Gideon Klein

Franz Alexander von Kleist

Rob Knox

Peter Kollwitz

Konradin

Theodor Körner

Soja Anatoljewna Kosmodemjanskaja

Paul Kossoff

Hertha Kräftner

Allison Beth Krause

Karlrobert Kreiten

Jan Kubiš

Ján Kuciak

Heinrich Kuhl

Ursula Kuhr

Hermann Kükelhaus

Nodar Kumarataschwili

Alan Kurdi

Hamza Kurtović

Scott LaFaro

Tobias Lagenstein

Carole Landis

Erna Lauenburger

Lautaro

Lautréamont

Claude Le Petit

Heath Andrew Ledger

Lee Ein-ju

Guillaume Lekeu

Ly Song Leng

Katarzyna „Kasia“ Lenhardt

Michail Jurjewitsch Lermontow

Peter James Lenz

Hans Leybold

Li Yangjie

Alfred Lichtenstein

Robert Limpert

Charles Augustus Lindbergh III

Günter Litfin

Ernst Lossa

Carl Lossow

Mario Louis

Shani Nicole Louk

Matthias Lüders

Lukan

Lew Natanowitsch Lunz

Adam Lux

Machbuba

August Macke

Alesha MacPhail

Elvira Madigan

John Gillespie Magee jr.

Ananda Mahipol

Mona Mahmudnizhad

Rita Maiburg

Felix Manz

Gurgen Margaryan

Maria von Burgund

Adrian Maleika

Christopher Marlow

Trayvon Martin

Jacinta Marto

Masacchio

Manche Masemolo

Masaniello

Mathilde von Österreich-Teschen

Maximilianus von Numidien

Albert Mayer

Chris McCandless

Lyra Catherine McKee

Ron McKernan

Selma Meerbaum-Eisinger

Silvio Meier

Ernst von Mendelssohn

Marília Dias Mendonça

Günther Messner

Audrey Mestre-Ferreras

Stefan Meyn

Anneliese Michel

Carlo Raimondo Michelstaedter

Migjeni

Sanja Milenković

Dorie Miller

Minamoto no Sanetomo

Grete Minde

Taylor Mitchell

Wilhelm Morgner

Jim Morrison

Philipp Müller

Fats Navarro

Hastings Ndlovu

Pjotr Nikolajewitsch Nesterow

Albert Niemann

Ippolito Nievo

Olivia Nova

Novalis

Hans Abraham Ochs

Pascale Ogier

Benno Ohnesorg

Okada Yukiko

Marcus Omofuma

Omai

Jiří Orten

Otto III.

Wilfred Owen

Jan Palach

Ian Parry

Gram Parsons

Pauker von Niklashausen

Giovanni Battista Pergolesi

Richard Perls

Perpetua

Persius

Kristian Jaak Peterson

Petronilla de Meath

Sándor Petöfi

Jules-André Peugeot

Heinrich Pfeiffer

Phaungkaza Maung Maung

Philipp von Frankreich

Jack Phillips

River Jude Phoenix

Hector Pieterson

Edward F. Pimental

Pellegro Piola

George Plantagenet

Pocahontas

Gavrilo Princip

Todor „Toše" Proeski 

Ptolemaios XV. Kaisar, „Caesarion“

Selena Quintillana-Pérez

Raymond Radiguet

Alfredo Rampi

Klaus-Jürgen Rattay

Roy Ravana Junior

Otis Redding

Max Reichpietsch

Julius Reubke

Randy Rhoads

Nico Max Richter

Jermo Ribbers

Tamir Rice

Richard of Shrewsbury

Alexei Nikolajewitsch Romanow

Esmond Romilly

Alexandre Roussel

Hans Rott

Ruan Lingyiu

Dawid Rubinowicz

Sacajaewa

Sado

Charlotte Salomon

Hugo Alfredo Santillan

Sadako Sasaki

Algirdas Savickis

Sise Sawaneh

Tatjana Nikolajewna Sawitschewa

Hannie "Jo" Schaft

Mohsen Schekari

Egon Schiele

Adolph Schlagintweit

Marinus Schöberl

Max Schobert

Sophie Scholl

Lutz Schreyer

Christian Georg Schütz d. J.

Rudi Schwander

Sybilla Schwarz

Kevin Schwarze

Rachel Joy Scott

Andreas Sculteus

Johannes Secundus

Thomas Etholen Selfridge

Maria Severa Onofriana 

Tupac Amaru Shakur

Shanawdithit

Percy Bysshe Shelley

Matthew Wayne Shepard

Elizabeth Short

Marco Siffredi

Antun Branco Šimić

Tom Simpson

Elisabetta Sirani

Vera Skoronel

Mark Slavin

Samantha Reed Smith

Dash Snow

Emil Friedrich Julius Sommer

Reinhard Johannes Sorge

Jura Soyfer

Johann Stamitz

Karl Stamm

Friedrich Stapß

Hermann Stenner

Mattie Stepanek

Wassili Iwanowitsch Sternberg

Robert Dean Stethem

Heikki Suolahti

Hatun Aynur Sürücü

Stuart Fergusson Victor Sutcliffe

Karel Švenk

Lucian Tapiedi

Gerda Taro

Sharon Marie Tate

Charles C. Taylor

John Baxter Taylor

Tecún Umán

Brandon Teena

Lily Tembo

Moses ter Borch

Tammi Terrell

Gary Thain

The Notorious B.I.G.

Emmett Louis Till

Amnda Todd

Tokugawa Ietsugu

Sultanmachmut Toraighyrow

Georg Trakl

Raimund-Roger Trencavel

Ilja Grigorjewitsch Tschaschnik 

Tigran Tschjokjurjan

Maria Tuci

Ibrahim Tuqan

Turaidas Roze

Hàn Măc Tú

Tutanchamun

Maria Uhden

Ritchie Valens

Marinus van der Lubbe

Esmée van Eeghen

Johan Coenraad van Hasselt

Jan van Leiden

Jan van Woerden

Simonetta Cattaneo Vespucci

Sid Vicious

Jean Vigo

Kimpa Vita

Eduard Ludwig Vogel

Wilhelm Heinrich Wackenroder

Robert Pershing Wadlow

Wilhelm Waiblinger

Ester Wajcblum

Andreas Walser

Wang Bo

Otto Warmbier

Albert Hans Gustav von Wedell

Heinrich Theodor Wehle

Fritz Wehrmann

Karola Weimar

Friedrich August Weineck

László Weiner

Otto Weininger

Fritz Weiss

Michael Westphal

Hank Williams

Roger Williamson

Blind Owl Wilson

Amy Jade Winehouse

Mario Witt

Ryan Wayne White

Rafał Wojaczek

Andy Wood

Valerian Wrobel

Grizel Mary Wolfe-Murray

Samuel Kofi Yeboah

Anton Yelchin

Anteo Zamboni

Malka "Mala" Zimetbaum

Wiktor Robertowitsch Zoi